Vielleicht kennen Sie diese Aussage, die oft von Einkäufern verwendet wird: „Ich würde ja gerne bei Ihnen kaufen, aber mir liegen deutlich günstigere und absolut vergleichbare Angebote vor …“ Woran das wohl liegt, dass Ihnen das bekannt vorkommt? Könnte es sein, dass dies eine oft benutzte Floskel cleverer Einkäufer ist? Wie setzen wir unsere Preise durch – auch wenn günstigere Angebote vorliegen?

Eine Preisverhandlung mit gut geschulten Einkäufern gehört zu den größten Herausforderungen im Verkauf. Selbst erfahrene Profis scheitern oft an diesem Punkt. Wichtige Erträge für das eigene Unternehmen werden achtlos geopfert, obwohl es völlig unnötig ist.

Wir legen die alten Verhaltensweisen auf den Prüfstand. Muss man immer Rabatt geben? Wer entscheidet wirklich? Was ist eine Finte, und wann ist tatsächlich ein günstigeres Angebot auf dem Tisch? Welchen Nachlass kann man geben, ohne sein Gesicht zu verlieren?

Verkäufer sind bei Verhandlungen zu nachgiebig

Der Grund dafür wird schnell klar, wenn man typische Preisverhandlungen im Bezug zu den vorangegangenen Ereignissen betrachtet: Die mühsame Akquise war geglückt und ein potenzieller Kunde zeigte sich. Es fanden viele Gespräche statt, und nach einiger Arbeit konnte endlich ein passendes Angebot erstellt werden, das dem Entscheider zusagt. Wenn längst alles klar sein könnte, müssen jedoch noch Gespräche mit dem Einkauf geführt werden, wo dann noch der letzte Cent herausgeholt werden soll. Jetzt bloß nicht den Erfolg der gesamten Arbeit aufs Spiel setzen und besser ein wenig Rabatt geben, als den kompletten Umsatz zu riskieren.

Dabei wäre es so einfach: Zum Verhandeln gehören immer zwei. Wenn einer von beiden nicht verhandeln will, kann der andere auch nicht mehr verhandeln – er muss eine Entscheidung treffen.

Die eigene Komfortzone ruiniert den Ertrag

Diese Betrachtungsweise reizt bei vielen Verkäufern in besonderem Maße den inneren Schweinehund. Er legt sich wütend ins Geschirr und rebelliert: „In unserer Branche muss man verhandeln!“, wird er kläffen und anschließend knurren: „Wenn das so einfach wäre, wären wir längst selbst darauf gekommen!“. Lassen Sie ihn ruhig meutern, und betrachten Sie die Ideen und Überlegungen einmal aus der Perspektive eines professionellen Einkäufers.

Aber zunächst verbringen wir noch einen Moment mit dem Wort „Wozu“. Diesmal allerdings aus einer anderen Perspektive. In der Regel sehen wir in dem Zusammenhang mit „Wozu?“ aus der Sicht des Kunden auf das Produkt, die Lösung oder das Angebot. Diesmal stellen wir uns aber die Frage, wozu Unternehmen Einkäufer beschäftigen. Wozu braucht ein gesundes Unternehmen eine ganze Abteilung von Menschen, die Angebote entgegennehmen und dann Preise verhandeln? Was soll das bringen? Warum macht das nicht die Fachabteilung selbst?

Es gibt nur eine Aufgabe, die die Personalkosten für eine solche Abteilung rechtfertigen – zumindest, wenn es um Investitionen und nicht um absolut austauschbare Standardartikel geht. Die Aufgabe lautet: Bestelle erst dann, wenn wir sicher sind, dass wir den bestmöglichen Preis bei unserem Wunschlieferanten erzielt haben und dessen Verhandlungsreserven restlos ausgeschöpft sind.

Preisverhandlung als Mutprobe bestehen

Ein Einkäufer, der den Auftrag erteilt, bevor Sie gesagt haben „Das ist der letzte Preis. Entweder Sie nehmen den oder wir sind raus!“, macht einen sehr schlechten Job. Jeder Einkaufsprofi muss dafür sorgen, dass alle Mittel eingesetzt wurden, um Sie als Anbieter bis zur letzten Grenze zu führen. Alle anderen Aufgaben könnte auch die Fachabteilung selbst erledigen.

Oft ist es sogar so, dass die isolierten Ziele des Einkaufs den Unternehmenszielen entgegenstehen. Vielleicht kennen Sie die Geschichte, wo ein Automobilkonzern zwischenzeitlich mehr Lieferanten für Klimaanlagen hatte als Modellreihen. Die Zusatzkosten für Ersatzteile und die Kapitalbindung im Lager waren um ein Vielfaches höher als die durch die scharfe Einkaufspolitik erzielten Preisvorteile.

Also lassen wir dem Einkäufer seine Kernaufgabe, nämlich den besten Preis für das bevorzugte Angebot zu finden, und konzentrieren wir uns auf das, was wir tun können, um die beste Entscheidung zu bewirken.

Rabatt ist eine Stadt in Nordafrika

Man hört ja oft, dass man einem Einkäufer Rabatt geben muss, weil er daran gemessen wird. Wenn man das nicht tut, hat man keine Chance, den Auftrag zu bekommen. Das ist eine vermeintliche Weisheit, die schon so oft erzählt wurde, dass man sie für wahr nehmen könnte, obwohl es schlicht und einfach nicht stimmt.

Ich möchte Ihnen gerne ein Beispiel geben. Lassen Sie uns das einmal aus der Vogelperspektive betrachten: Es gibt einen Anbieter, der offenbar zumindest in der engeren Wahl ist (weil sonst kaum ein Einkäufer seine Zeit damit verschwenden würde, Preise zu verhandeln). Und es gibt ein Unternehmen, vertreten durch den Einkäufer, das nicht zu viel für die passende Lösung zahlen will.

Allerdings weigert sich der bevorzugte Anbieter, auch nur einen Cent Rabatt zu gewähren. Er bleibt allen Versuchen der Einschüchterung zum Trotz fest und betont freundlich immer wieder, dass der angebotene Preis der letzte Preis ist, und man leider nichts mehr am Preis machen könne.

Aus der Perspektive des Einkäufers gibt es zwar noch andere Anbieter, die zum Teil sogar günstiger sind, aber die Wahl des Entscheiders ist auf eben diesen Anbieter gefallen, weil dieser die passende Lösung zu haben scheint und einen sehr guten Return on Invest (ROI) vorlegen kann.

Was würde wohl mit einem Einkäufer passieren, der nicht den betriebswirtschaftlich passenden Anbieter nimmt, nur weil er keinen Rabatt gab? Was würden Sie mit einem Mitarbeiter machen, der einen schlechteren oder teureren Anbieter wählt, weil dieser einen höheren Rabatt gab?

Die Antwort auf diese rhetorische Frage ist klar. Niemand möchte das. Und genau aus diesem Grund sind solche Belohnungen für Einkäufer, den Rabatt zu maximieren (falls es sie je gab) längst auf der Müllhalde des Blödsinns entsorgt worden. Allerdings hat so mancher Einkäufer natürlich erkannt, dass diese Legende sich gut als Einstieg in Preisverhandlungen eignet. Ich würde das auch versuchen, wenn ich Einkäufer wäre. Und jetzt, wo Sie es wissen, können Sie sich vielleicht besser wehren.

Es gibt keine Preissenkungsziele für Einkäufer

Das gilt auch für Preisvergleiche, bei denen mehrere inhaltlich ähnliche oder identische Angebote vorliegen. Nehmen wir an, es gibt die drei Anbieter A, B und C, die in etwa das Gleiche anbieten. A verlangt 100, B 90 und C 80 Euro. Die Preise sind nur als Beispiel gedacht, um das Prinzip zu erklären und dürften im Geschäftskundenvertrieb vermutlich viel höher sein.

Nehmen wir an, dass nach eingehenden Verhandlungen A nun 10 Euro Rabatt gibt und auf 90 Euro absenkt und B immerhin 5 Euro gibt und nur noch 85 Euro verlangt, während C stur bleibt, keinen Rabatt anbietet und weiterhin 80 Euro verlangt. In diesem Fall wäre der Einkäufer bei A erfolgreich gewesen und hätte immerhin 10 Euro Nachlass bewirkt. Allerdings ist A weiterhin der teuerste Anbieter. Hingegen C wäre weiterhin der günstigste Anbieter.

Falls ein Einkäufer wirklich danach bezahlt würde, wie viel Nachlass er auf das erste Angebot erreicht, müsste er in diesem Fall den teuersten Anbieter auswählen. Das wäre jedoch gegen die Unternehmensziele, weil die Leistung der drei Anbieter gleich ist oder nur unerheblich abweicht und somit der günstigste Anbieter gewählt werden müsste.

Bei Preisverhandlungen wird viel gelogen

Wegen dieser einfachen Erkenntnis, kann es keine Vorgaben für Einkäufer geben, die den Nachlass belohnen. Falls es sie jemals gegeben haben sollte, sind sie wegen der schlechten Auswirkungen auf die Unternehmensziele längst wieder abgeschafft. Allerdings eignen sich solche Legenden, Mythen und Fabeln aus dem großen Buch des Einkäuferlateins ganz hervorragend dazu, um selbst erfahrene Verkäufer einzuwickeln und zu Fehleinschätzungen zu verführen.

Vergleichbare Produkte und doch einzigartig?

In der Geschäftswelt entstehen jedoch häufig Situationen, in denen eben doch einzelne Leistungsdaten von Produkten oder Dienstleistungen theoretisch verglichen werden. Wir wissen zwar inzwischen längst, dass Entscheidungen nicht auf der Basis von Fakten fallen, aber dennoch spielen Einkäufer mit vermeintlichen Nachteilen beim Vergleich von Fakten.

Nehmen wir zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel: Was wäre wohl, wenn der langjährige Porsche 911 Kunde zum Porsche-Händler kommt. Er geht wutentbrannt zum Schreibtisch seines Verkäufers und knallt ihm einen Stapel Prospekte vor die Nase. Da schau! Das haben die mir geschickt! Der neue BMW M4. Mehr Leistung als der aktuelle 911er. Mehr Leistung! Vernünftiger Kofferraum und vier echte Sitze. Und das Beste: Er kostet nur zwei Drittel. So jetzt bist du dran!“ Was wird ein gut ausgebildeter Porsche-Verkäufer jetzt sagen?

Vermutlich versteht er die Kundenaussage so: „Du bist zu teuer. Ändere den Preis!“ Wer das versteht, wird auf die Aufforderung reagieren. Entweder gefällig, indem man die Möglichkeiten zum Nachlass offenlegt. Oder rebellisch, indem man dem Kunden trotzig anbietet so einen „Proleten-Schlitten“ ruhig mal auszuprobieren, damit man sieht was man an einem Porsche  911 hat.

Oder der Verkäufer könnte verstehen: „Ich bin doch nicht doof und kaufe schlechte Leistung zu hohem Preis!“ Wenn der Verkäufer es auf diese Weise interpretiert, wird er jetzt vielleicht versuchen, den Preis zu rechtfertigen und mit viel Worten zu erläutern, warum der M4 zu Recht günstiger verkauft wird als der wesentlich bessere Porsche 911.

Es könnte aber auch sein, dass der Verkäufer sich eher auf der emotionalen Ebene angesprochen fühlt. Dann versteht er vielleicht: „Nach allem, was ich als Kunde für dich als Verkäufer getan habe, solltest du mich nicht so ärgern!“ Das wird den Verkäufer wohl dazu verleiten mit einem Beziehungsvorwurf zu kontern. Dann geht das Gespräch wohl eher in die Richtung, dass man erklärt, man habe schon beim letzten Mal einen Sonderpreis gegeben und man müsse ja schließlich auch noch etwas verdienen.

Emotionen in Preisgesprächen vermeiden

Diese drei Reaktionen sind emotionale Reaktionen auf eher emotionale Befindlichkeiten des Kunden. Das ist verständlich, aber nicht sonderlich hilfreich. Besser wäre es, wenn man als Verkäufer in der Lage ist, für einen kurzen Moment die eigenen Emotionen zu kanalisieren und zunächst rein rational über die Aussage des Kunden zu befinden.

Und das klappt, wenn man streng sachlich zuhört und daher versteht: „BMW verkauft seinen M4 zu einem Drittel günstiger als Porsche den 911.“ Diese Aussage ist nicht verletzend. Man spürt kaum den Wunsch, emotional darauf zu reagieren. Die Antwort könnte eher lauten: „Ja. Stimmt.“ Und dann vielleicht im Anschluss eine Frage: „Was bedeutet das für Ihren neuen 911er?“

Bestimmt erkennen Sie, worauf ich hinauswill. Man kann sich darauf einstellen, Aussagen des Kunden ausschließlich sachlich zu verstehen. Dazu müssen wir uns mit aller mentalen Kraft auf die Fakten in den gemachten Aussagen konzentrieren.

Wie setzen wir unsere Preise durch?

Wie werden wir immun gegen Tricks beim Preisgespräch? Weil wir dazu tendieren, im Preisgespräch emotional zu reagieren, ist es hilfreich, sich folgende Punkte immer wieder klarzumachen:

  1. Wenn Sie sich selbst in die Haltung bringen, dass Sie „über alles reden können, nur nicht über den Preis“, dann verschaffen Sie sich Preisstabilität. So blenden Sie die Möglichkeit, den Preis zu reduzieren, komplett aus. Sie wollen nicht darüber reden. Dadurch schaffen Sie sich selbst den Freiraum und die mentale Kapazität, über andere wichtige Punkte zu sprechen. Sie können sich auf den Nutzen und dessen Wert konzentrieren und evtl. noch einmal genau untersuchen, ob Sie verstanden haben, welchen monetären Nutzen der Kunde sich genau erwartet. Weil Sie Rabatt und Discount komplett ausblenden, können Sie sich weiterhin auf das Wesentliche konzentrieren.
  2. Verschließen Sie Ihre Ohren gegen störende Emotionalisierungen der Kundenaussagen und verstärken Sie dafür die Sachinformationen. „Sie wollen doch etwas verkaufen! Dann müssen Sie mir schon ein bisschen entgegenkommen.“ So oder so ähnlich kann die Aussage des Einkäufers lauten. Er versucht, Ihnen das Problem unterzuschieben. Wer das Problem hat, muss folgen, und wer die Lösung hat, kann führen. Wenn Sie denken, Sie hätten das Problem, dann werden Sie sich führen lassen. Das will der Einkäufer so. Schließlich ist seine Ausgangssituation schlechter: Er muss etwas beschaffen. Er hat in Wirklichkeit das Problem. Eigentlich müsste er Ihnen folgen, weil Sie eine Lösung anbieten. Aber wenn er gut ausgebildet ist, schafft er es, Ihnen das Problem unterzujubeln. Dann denken Sie „Ich muss den Auftrag holen“, und dann werden Sie sich führen lassen. Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht durch diesen Trick in eine ungünstige emotionale Haltung bringen lassen. Bleiben Sie in der Position des Problemlösers, und behalten Sie die Führung im Gespräch.
  3. Achten Sie darauf, dass Sie mit Ihren Aussagen die Entscheidung des Einkäufers überhaupt erst ermöglichen, indem Sie klarmachen, dass die Verhandlung beendet ist und die Entscheidung beginnen kann. Erst wenn Sie durch Ihre klare Aussage verdeutlichen, dass keine Verhandlung (mehr) möglich ist, wird der professionelle Einkäufer eine Entscheidung treffen können. Solange Sie vage bleiben und Worte wie „könnte, würde, wäre, …“ verwenden, laden Sie den Einkäufer förmlich dazu ein, weiter zu verhandeln. Erst wenn Sie sehr vehement sagen: „Jetzt können Sie sich entscheiden. Das Ende der Verhandlung ist erreicht“, sollte der Einkäufer eine Entscheidung treffen. Würde er dies vor diesem Moment tun, würde er seinen Job nicht gut machen.

Wenn Sie diese Punkte in Ihrer Verhandlung berücksichtigen, werden Sie wesentlich seltener „über den Tisch gezogen“ und können die Praktiken von gut geschulten Einkäufern entlarven und zurück zu einer Gesprächsführung auf Augenhöhe wechseln.

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