Wann haben Sie zum letzten Mal gepokert? Wahrscheinlich ist das noch gar nicht so lange her. Vor allem dann, wenn Sie bei dem Begriff Pokern nicht nur an den Spiel-, sondern auch an den Verhandlungstisch denken. Eines ist in beiden Fällen klar: Wer seine Karten zu früh auf den Tisch legt, der verliert. Pokerprofis beherrschen die Kunst, Druck auszuhalten und sich in jeder Situation im Griff zu haben. Komme was wolle und ganz egal, welche psychologischen Tricks der Gegner aus der Tasche zieht.
Stellen Sie sich doch mal eine konkrete Situation aus Ihrem Berufsleben vor: Ein Einkäufer hat es sich in seinem Büro bequem gemacht und bereitet sich darauf vor, gleich einen potenziellen Lieferanten zu empfangen. Er hat Heimvorteil, klar, und den nutzt er aus. Die Klimaanlage kühlt den Raum auf eine Temperatur ab, die der späteren unterkühlten Gesprächsatmosphäre entspricht, die Kaffeemaschine wird sicherheitshalber außer Reichweite gestellt und das Totschlagargument „Sie sind zu teuer“ ist nur eine von vielen rhetorischen Waffen, die besagter Einkäufer ganz selbstverständlich in petto hat. Weil Sie nur einer von mehreren Anbietern sind, hat er alle Trümpfe in der Hand – denkt er zumindest.
Das Schöne ist: Das stimmt nicht zwingend. Mit der richtigen Strategie und einem kühlen Kopf kann jeder von als Überraschungssieger aus Verhandlungen hervorgehen. Und zwar selbst beim Verkauf völlig austauschbarer Produkte. Es gibt jede Menge Machtquellen, die wir anzapfen können, die weit über Produkt und Umsatz hinausgehen.
Nehmen wir doch ein ganz einfaches Beispiel: die persönliche Beziehung zum Ansprechpartner. Sind Sie ihm sympathisch? Vertraut er Ihnen? Glaubt er, dass Sie seine Probleme lösen können? In dem Moment, in dem Sie Ihren Expertenstatus souverän vermitteln können, wird sich das Gespräch plötzlich um weit mehr als nur das Produkt drehen. Selbst wenn Sie im Wettbewerb mit vielen anderen Anbietern stehen, haben Sie die Chance, schon dadurch zum Monopolisten zu werden, dass Sie in der Lage sind, eine besondere Vertrauensbeziehung aufbauen.
Bereits zu Beginn der Verhandlung gilt es daher herauszufinden: Welche Motivation hat Ihr Gesprächspartner, das Gespräch zu führen? Was treibt ihn an? Was sind seine Ziele? Die möglichen Antworten sind so vielfältig wie die Menschen selber, aber sobald wir sie kennen, halten wir den Schlüssel für eine erfolgreiche Verhandlung in der Hand. Dann können wir den nächsten Schritt gehen und uns überlegen, wie wir am besten Profit aus diesem Wissen schlagen.
Ein guter Rat: Seien Sie nicht zu nett, sondern versuchen Sie auch mal ganz bewusst, alte Muster aufzubrechen. Es kann wirklich äußerst sinnvoll sein, anders zu reagieren als vom Verhandlungspartner erwartet. Ein erster Schritt wäre es, Gesprächsstrukturen, die sich in der Vergangenheit als destruktiv erwiesen haben, nicht mehr zuzulassen, und stattdessen einen völlig neuen Weg zu gehen, um den Gesprächspartner aus seiner Komfortzone zu locken. Oder ist es Ihnen vielleicht möglich, auf den Verhandlungsort Einfluss zu nehmen? Wunderbar! Auf neutralem Boden ist es deutlich einfacher, auf Augenhöhe zu verhandeln, als im Büro des Verhandlungspartners, der seinen Heimvorteil natürlich gnadenlos ausnutzt.
Wenn Sie mutig genug sind, lohnt es sich übrigens auch, völlig überzogene Aussagen in den Raum zu werfen. Sie wollen den Preis um drei Prozent in die Höhe treiben? Schön. Dann versuchen Sie doch stattdessen einfach einmal, gleich zu Beginn acht Prozent zu fordern. Klingt verrückt? Mag sein, aber es sinnvoll, denn selbst wenn Ihr Anliegen kategorisch abgelehnt wird, steht die Zahl trotzdem im Raum – und ist dann der Anker, um den sich das weitere Gespräch drehen wird.
Besonders gut funktioniert das alles übrigens, wenn Sie zwar einerseits klare Grenzen abstecken, aber andererseits auch flexibel genug sind, um auf unerwartete Ansagen des Gegenübers zu reagieren. Am Preis lässt sich nichts ändern? Gut, dann haben Sie sicher noch weitere Möglichkeiten parat, um auf Ihre Kosten zu kommen. Anstatt stur auf dem Erreichen eines einzigen Ziels zu beharren, setzen sich erfahrene Verhandler schon in der Vorbereitung eines Gesprächs mehrere Ziele, die sie dann gegebenenfalls miteinander verknüpfen können. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, dass Sie statt einer unmittelbaren Finanzspritze einen anderen Mehrwert bekommen? Einen Marketingvorteil, zum Beispiel, oder Zugeständnisse hinsichtlich einer weiteren Zusammenarbeit? Ihnen fallen sicher noch viele Ideen ein. Und falls nicht: Fragen Sie doch einfach mal bei Ihrem Gesprächspartner nach, was er sich vorstellen könnte.
Welche Möglichkeiten es sonst noch gibt, Verhandlungen für sich zu entscheiden, warum der Win-Win-Gedanke ausgedient hat, und weshalb es sinnvoll sein kann, auch mal eine „dritte Macht“ in Gespräche einzubauen, sind nur einige Fragen, mit denen sich mein aktueller Sales-up-Call beschäftigt. Als Gast habe ich mir Volkmar S. Neher ins Studio geholt, der als Verhandlungsprofi und langjähriger Einkäufer mit einer Umsatzverantwortung von einer Milliarde Euro ganz genau weiß, worauf es beim geschäftlichen Kräftemessen ankommt. Lassen Sie sich dieses spannende Expertengespräch nicht entgehen!