Verkaufen ist eine wichtige Funktion in unserer Wirtschaft. Unternehmen könnten nicht existieren, wenn sie keine Kunden hätten. Fast mein gesamtes Berufsleben beschäftige ich mich bereits damit, den Beruf des Verkäufers mit professionellen Methoden zu bereichern. Meine eigene Karriere im Vertrieb verlief so wie die meisten Karrieren von professionellen Verkäufern. Zunächst hatte ich als ehemaliger Softwareentwickler zwar viel Ahnung von meinem Produkt, aber wenig von den Kunden. Erst langsam lernte ich, dass Verständnis wichtiger ist als Argumente. Schließlich wurde mir klar, dass man eigentlich gar nichts verkaufen kann, sondern nur dem Kunden dabei helfen, etwas zu kaufen.

Als ich im Januar 2014 die erste Folge meines Podcasts veröffentlichte, plante ich zunächst, ein Jahr lang Beiträge zu erstellen. Heute geht bereits die 250. Folge auf Sendung und erreicht Tausende treue Hörer.

Ich verspreche Ihnen, dass ich auch weiterhin mit viel Engagement und Leidenschaft wertvolle Inhalte für Sie zusammenstellen werde, um Ihre Arbeit im Vertrieb einfacher, erfolgreicher und fröhlicher zu machen.

So eine Jubiläumsausgabe schreit förmlich danach, eine Zusammenfassung der wichtigsten Beiträge und Erkenntnisse zu bringen. Und genau das will diese 250. Folge für Sie liefern: Die wichtigsten Erkenntnisse komprimiert und zusätzlich Verweise auf frühere Beiträge, damit Sie bei Interesse noch tiefer einsteigen können.

Die wichtigsten Stellschrauben im professionellen Vertrieb

Die Digitalisierung verändert vieles in unseren beruflichen und privaten Gewohnheiten. Bestimmte Prinzipien bleiben jedoch immer gleich. Wenn man ganz nüchtern an die Frage herangeht, wie man die Erfolge einer Vertriebsorganisation verbessern kann, dann landet man immer wieder bei diesen drei wichtigen Teilbereichen:

A. Akquise – Die Fähigkeit, kostengünstig und effizient neue investitionsbereite Kontakte zu gewinnen

B. Gesprächsführung – Die Fähigkeit, den individuellen Bedarf und die Investitionsbereitschaft genau zu ermitteln

C. Preisverhandlungen – Die Fähigkeit, den Ertrag zu sichern und keine unnötigen Nachlässe zu gewähren

Genau diese drei Kompetenzfelder sind für jeden Verkäufer und jede Führungskraft im Vertrieb immer wieder relevant und wir werden uns in diesem Beitrag genau damit erneut auseinandersetzen.

A – Akquise, Kaltakquise, Neukundengewinnung oder wie auch immer Sie zu neuen Kunden kommen können

Jedes Unternehmen, das am Markt im Wettbewerb steht, braucht einen steten Zufluss an neuen Kunden. Selbst wenn Sie keine Wachstumsstrategie verfolgen, brauchen Sie neue Kunden, weil Ihre bisherigen Kunden durch natürliche Effekte weniger werden. Wie kann man den Prozess der Neukundengewinnung effektiv gestalten? Diese Frage ist eine Schlüsselfrage. Denn viele Unternehmen stellen fest, dass herkömmliche Wege zu neuen Kunden immer teurer werden und immer weniger fruchten.

War es vor zwanzig Jahren noch vergleichsweise einfach, telefonische Kaltakquise bei Geschäftskunden durchzuführen, wird man heute feststellen, dass die Quote immer schlechter wird. Damals wäre es sicherlich erfolgreich gewesen, eine Liste an potenziellen Kunden aus einer Branchenübersicht zu bilden und dann der Reihe nach anzurufen. Heute wird man feststellen, dass man die Führungskräfte immer schlechter per Festnetztelefonie erreicht. Und selbst wenn man einen Entscheider erreicht, sind die Erfolgsaussichten geringer, weil Entscheider heute mehr Möglichkeiten haben, Ihren Informationsbedarf zu stillen. Es wartet vermutlich keiner darauf, dass ein Verkäufer anruft und zufällig ein Problem anspricht, das auf eine Lösung drängt. Wenn ein solches Problem vorhanden ist, hat der Entscheider mit großer Wahrscheinlichkeit im Internet bereits selbst nach einer Lösung gesucht.

Daraus lassen sich die folgenden wichtigen Erkenntnisse für Verkäufer und Führungskräfte ableiten:

1. Bessere Adressqualität

Modernes Marketing kann dafür sorgen, dass potenzielle Kunden sich eigenmächtig mit dem Vertrieb in Verbindung setzen, noch lange bevor auf üblichem Wege eine Anfrage oder Ausschreibung versendet wird. Die Methode nennt man „Content Marketing“. Man erstellt hochwertige Informationen zu verschiedenen Facetten eines Themenbereiches und liefert dem Leser echten Nutzen. Nehmen wir als Beispiel einen Hersteller von Blechbearbeitungsmaschinen, genauer gesagt Entgratmaschinen, mit deren Hilfe die scharfen Kanten entfernt werden, die beim Schneiden oder Stanzen von Blechen entstehen.

Ein potenzieller Kunde wird vermutlich schon lange bevor er für eine Investition bereit ist, im Internet nach verschiedenen Begriffen suchen. Es könnten beispielsweise diese Suchbegriffe sein: Blech, Blechbearbeitung, Stanzen, Bleche schneiden mit Laser, Entgraten, Entgratmaschine, Vergleich Entgratmaschinen. Modernes Marketing zielt darauf ab, bei möglichst vielen sinnvollen Suchbegriffen auffindbare Beiträge auf der eigenen Webseite zu haben. Statt also eine Webseite mit „SEO“ zu optimieren, sollte man heute möglichst viele Beiträge auf der eigenen Webseite haben, die jeder für sich ein anderes Teilinteresse abdecken.

Damit ein Kontakt zu dem Interessenten entsteht, bietet man ihm weiterführende Inhalte an. Das könnten ein E-Book, weiterführende Studien, Checklisten oder andere hilfreiche Inhalte sein. Diese attraktiven Inhalte bekommt der Interessent per E-Mail und muss daher seine Adressinformation hergeben. In der Folge erhält er automatisiert in sinnvollen Abständen weitere hilfreiche Informationen. Erst nachdem auf diese Weise eine Beziehung entstanden ist, erfährt der potenzielle Kunde, dass der Anbieter der wertvollen Information auch eine mögliche Lösung für die Fragestellung oder Probleme des Kunden hat. Schließlich bekommt der Interessent die Möglichkeit ein kostenloses Beratungsgespräch anzufordern. Diese Methode nennt man „Content Marketing“. Wenn Sie wollen empfehlen Sie Ihrem Kollegen im Marketing diesen Blog.

Es ist offensichtlich, dass ein Akquisitionsgespräch wesentlich erfolgreicher verläuft, wenn der Kunde selbst darum gebeten hat. Allerdings wird sich nur ein kleiner Anteil der Besucher einer Webseite auch tatsächlich zu erkennen geben. Der größte Teil wird die Informationen still konsumieren und dann unerkannt wieder gehen. Durch moderne Technik kann man jedoch völlig legal auch einen großen Teil dieser Besucher sehen.

Durch IP-Tracking kann jedes Unternehmen herausfinden, welche anderen Unternehmen auf seiner Webseite zu Besuch waren und messen, welche Informationen wie lange angesehen wurden. Auch wenn nicht klar ist, welcher konkrete Mitarbeiter aus dem anderen Unternehmen die Webseite besucht hat, kann man sicherlich behaupten, dass durch den Besuch ein gewisses Interesse angezeigt wird. Wenn bei diesem Unternehmen jetzt der klassische Weg der Kaltakquise angewendet wird, ist die Erfolgsquote sicher höher, als wenn man einfach nur eine Adressliste abtelefoniert.

2. Sinnvolle Ansprache

Wenn Sie vor 1980 geboren sind, dann kennen Sie sicherlich die Sparkassenwerbung, in der sich zwei Schulfreunde nach Jahren in einer Bar wiedertreffen und sich gegenseitig Fotos Ihrer jeweiligen Statussymbole vorführen: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“ Zu Recht wirkt das amüsant, weil so etwas nur Angeber tun. Echte Freunde würden sich mit Interesse begegnen und eher etwas über das Leben und Erlebte des anderen erfahren wollen: „Wie ist es dir ergangen, mein Freund …?“, wäre beispielsweise eine realistische Frage, wenn man einander schätzt.

Seltsamerweise haben wir uns im Geschäftsleben abgewöhnt, auf den Gesprächspartner einzugehen. Wir eröffnen Gespräche mit „Ich habe …“, „Ich will …“ oder irgendeiner anderen egozentrischen Aussage. Dabei wäre es so einfach, einfühlsam zu sein und von Anfang an eine Eröffnung zu wählen, die das Interesse des soeben telefonisch oder persönlich Angesprochenen aufgreift und damit in Resonanz geht. Schließlich wissen wir selbst am besten, was wir denken, wenn wir durch die Ansprache einer fremden Person gestört werden: Wir stellen uns selbst Fragen.

Die wichtigste Frage ist „Was habe ich davon?“ oder sinngemäß „Habe ich einen Vorteil durch diese Störung, oder will der mir nur meine Zeit stehlen?” Auf genau diese Frage sollten wir in einem der ersten Sätze eine gute Antwort haben. Also statt „Ich habe eine XY-Dienstleistung und würde Ihnen das gerne einmal in einem persönlichen Gespräch erläutern …“ besser „Es geht um die Verbesserung Ihrer XY-Effekte, ohne dabei ABC-Befürchtungen zu verursachen.“ Also beispielsweise: „Es geht um die Verdoppelung Ihrer Neukundenanfragen, ohne dass Sie dafür Ihr Marketingbudget erhöhen müssen.“ oder „Es geht um durchschnittlich 50.000 Euro mehr Deckungsbeitrag pro Verkäufer pro Jahr, ohne dadurch die Kundenzufriedenheit zu senken – im Gegenteil …“

Auf diese Weise kann der Einstieg eine Einladung sein, ein für den potenziellen Kunden interessantes Gespräch zu führen. Und bitte verzichten Sie auf langwierige Erläuterungen, weshalb Sie anrufen. Insbesondere, wenn die Idee für den Anruf aus der unter Punkt 1 beschriebenen IP-Tracking-Methode stammt. „Ich rufe Sie an, weil ich sehe, dass Sie auf unserer Webseite waren …“ dürfte wohl keine gute Idee sein. Lassen Sie den Ich-Bezug weg, und formulieren Sie die erste Ansprache zu 100% aus Kundensicht, indem sie die Interessen des Angerufenen antizipieren und genau diese Interessen ansprechen.

3. Mentale Stärke

Jetzt folgt erst einmal die Enttäuschung: Es klappt meistens nicht. Egal wie gut Sie vorbereitet sind und egal wie gut die Adressen selektiert sind – vermutlich werden Sie keine bessere Quote erreichen als 3:1, d.h. von drei Versuchen ist höchstens einer erfolgreich – und das wäre bereits sensationell gut. Eine Erfolgsquote von 30:1 dürfte wohl eher realistisch bei der kalten Neukundengewinnung sein. Ich vergleiche die Aufgabe der Kaltakquise gern mit dem Wurf eines Basketballs auf den Korb, allerdings vom Mittelkreis des Basketballfeldes aus. Sie werden treffen, aber sicher nicht beim ersten Versuch. Je mehr sie üben und je größer Ihr Talent, desto besser wird die Quote sein, aber noch immer werden die meisten Versuche das Ziel verfehlen. Und egal wie gut Sie sind, können Sie dennoch nicht vorhersagen, ob der nächste Versuch gelingen wird. Es ist und bleibt eine statistische Erfolgsrechnung.

Das ist für die meisten Menschen schwer zu ertragen. Wir haben gelernt, dass wir es „richtig machen“ sollen, und dann hat sich gefälligst auch das gewünschte Ergebnis einzustellen. Wenn …, dann. Misserfolg bedeutet schlechte Arbeit – zumindest in den Augen der meisten Menschen. Diese Einstellung ist jedoch bei der Anbahnung neuer Kundenbeziehungen sehr schlecht, denn hier ist der Misserfolg der häufigste Ausgang selbst der besten Akquisiteure.

Wenn eine statistische Erfolgsquote von 30:1 gegeben ist, dann wäre es sicher falsch, nach dem zehnten erfolglosen Anruf die Flinte ins Korn zu werfen und die Erfolgsaussichten infrage zu stellen. Jeder Statistiker würde sofort sagen, dass man mindestens 90 Versuche machen sollte, um drei Erfolge zu erreichen – oder um sicherzugehen: 300 Versuche und zehn Erfolge. Es ist auf den ersten Blick verständlich, dass Menschen nach der zehnten Abfuhr die Lust verlieren, aber gleichzeitig brauchen wir für die Akquise Menschen mit mentaler Stärke, die nicht aufgeben und einfach weitermachen, bis sich der nächste Erfolg einstellt.

Menschen fürchten soziale Ablehnung. Das ist verständlich, weil wir alle in frühen Kulturen nur durch und in der Gemeinschaft überleben konnten. Ablehnung bedeutete Ausschluss aus der Sippe und dadurch bis vor 10.000 Jahren den sicheren Tod. Heute besteht diese Gefahr nicht mehr. Und dennoch habe ich in unzähligen Übungen und Coachings erlebt, wie Menschen bei der Aufgabe der telefonischen Kaltakquise alle Symptome von Todesangst gezeigt haben: Schwitzen, erhöhter Puls, Muskelanspannung, Schnappatmung und erhöhte Aggression. Und dabei ist erwiesen, dass selbst die schlimmste Abfuhr am Telefon keinerlei Schmerzen auslöst oder gar lebensbedrohlich ist.

Menschen, denen es gelingt, diese irrationale Angst in den Griff zu bekommen und die Misserfolge einfach nur als statistische Voraussetzung für den späteren Erfolg zu sehen – diesen Menschen ist der Erfolg bei der Akquisition sicher.

Vertriebsorganisationen, die es schaffen, die drei Faktoren Adressqualität, Ansprache und mentale Stärke zu optimieren, werden das Erste der drei Stellräder optimal einstellen können und für einen steten Zustrom an qualitativ hochwertigen Verkaufschancen sorgen.

B – Gesprächsführung – Die Fähigkeit, den individuellen Bedarf und die Investitionsbereitschaft genau zu ermitteln

Sobald Gesprächsbereitschaft hergestellt wurde, lautet die nächste Aufgabe des professionellen Vertriebs: Bedarf herausarbeiten. Die Frage lautet: Was will der Kunde bewirken und welche Investitionsbereitschaft steht dieser potenziellen Investition gegenüber?

Dabei wird eines schnell klar: Es gibt immer einen Entscheider, der letztlich für dieses Vorhaben verantwortlich zeichnet. Eine Fehlinvestition wird selten von einem Gremium verantwortet. Auch wenn bei der Vorauswahl und Prüfung verschiedener Möglichkeiten vielleicht Gremien, größere Gruppen und Ausschüsse beteiligt sind: Am Ende ist die Investition fast immer genau einem Entscheider zuzuordnen. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich genau mit diesem Entscheider sprechen und dessen Perspektive auf die Situation, die darinsteckenden Probleme und Kosten sowie seine Vorstellung von einer künftigen Idealsituation kennenlernen. Wenn wir darauf verzichten, werden wir nur auf gut Glück Angebote machen können. Wir werden dann nur zufällig die passende Lösung anbieten können.

Unsere Gesprächsführung ist also auf den Entscheider abgestimmt. Deshalb sollten wir die Gespräche nicht mit langweiligen Fragen zur aktuellen Situation und den Fakten beginnen. Das ist zwar für den Verkäufer leicht, aber mühsam für den Kunden. Stattdessen sollten wir das Gespräch nach dem Small Talk mit einer offenen Frage beginnen:

Was kann ich heute für Sie tun?

Diese Frage ist meine liebste Eröffnung. Selten bekomme ich darauf eine gute Antwort, aber das ist auch nicht der Zweck der Frage. Ich will dadurch zeigen, dass ich nicht gekommen bin, um etwas zu präsentieren, vorzuführen oder zu verkaufen. Vielmehr macht diese Frage deutlich, dass ich mir jetzt die Zeit nehme, um zu verstehen, worin das Problem besteht und später vielleicht auf der Basis dieses Problembewusstseins eine passende Lösung zu bieten.

Weil jedoch auf diese öffnende Frage selten eine sinnvolle Antwort kommt, die das Gespräch vorantreibt, bin ich darauf vorbereitet, sofort die nächste Frage zu stellen:

Wenn Sie jetzt an die Leistungsfähigkeit Ihrer Verkäufer denken – vor allem in Bezug auf die veränderten Anforderungen am Markt der Verpackungsmaschinen – was sind da Ihre wichtigsten Prioritäten, und was liegt Ihnen besonders am Herzen?

Die Formulierung dieser auf den ersten Blick umständlichen Frage ist ganz bewusst so gewählt und nutzt modernste Forschungsergebnisse der Psychologie und Hirnforschung, um mit der größtmöglichen Chance den gewünschten Effekt zu erzielen. Mit dem Beitrag „Wie kann ich den echten Bedarf herausfinden?“ können Sie sich noch intensiver in diese Fragetechnik einarbeiten.

Wenn diese Frage einige Male leicht abgewandelt wiederholt wird und Sie die einzelnen Aspekte der Probleme notieren, werden Sie gemeinsam mit dem Kunden schnell ein umfassendes Bild der Problematik erarbeiten. Dabei wird der Kunde erst durch dieses methodisch geführte Gespräch deutlicher erkennen, was genau das Problem ist. Vermutlich hatte er sich bisher nur oberflächlich damit beschäftigt und erst durch diese Fragetechnik mit wiederholten Problemfragen nach dem Muster „Ja, das habe ich notiert, und darüber hinaus – was stört Sie noch?“ entsteht eine klare Benennung des wahren Kern des Problems.

Warum Probleme wichtig, aber nicht ausreichend für Vertriebserfolg sind

Wer kein Problem hat, braucht auch keine Lösung. Das ist klar. Ein Problem alleine bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass auch wirklich in eine Lösung investiert wird. Aus eigener Erfahrung wissen Sie: Wir haben so manche Probleme, deren Lösung wir nicht in Angriff nehmen. Weil wir nicht wirklich Druck verspüren, etwas zu ändern, weil wir denken, dass es sich nicht lohnt oder weil wir nicht daran glauben, dass es überhaupt eine Lösung geben kann. Raucher bleiben Raucher, obwohl sie wissen, wie schädlich Zigaretten sind. Übergewichtige bleiben übergewichtig, obwohl die Risiken für ihre Gesundheit klar sind. Unternehmer lassen notwendige Änderungen fahrlässig außer Acht, weil sie hoffen, dass schon nichts passieren wird.

Professionelle Verkäufer müssen daher schon früh im Verkaufsprozess sicherstellen, dass nicht nur eine passende Lösung für das Kundenproblem gefunden wird, sondern auch die notwendige Motivation zur – bisweilen mühevollen – Umsetzung der Problemlösung gegeben ist. Ich nenne das die Erweiterung des latenten Bedarfs (Könnte Lösung gebrauchen) zum konkreten Bedarf (Will jetzt investieren).

Schmerzen und Lust – die beiden Komponenten der Motivation

Psychologen sprechen von zwei Arten der Motivation: Der Von-weg-Motivation, die uns dazu treibt, eine bestehende Situation zu verlassen und der Hin-zu-Motivation, die uns zu einem bestimmten Ziel zieht. Wenn beide zusammenkommen, ist die Motivation am stärksten. Aber auch eine der beiden kann ausreichend sein, einen Entschluss zu fassen und umzusetzen. Im professionellen Vertrieb ist jedoch auch eine zeitliche Komponente wichtig. Daher müssen wir besonders auf die Von-weg-Motivation achten, wenn wir eine zeitnahe Entscheidung suchen. Unter Schmerzen gehen wir schnell zum Arzt, während der Traum von einem gesunden Leben im Alter zwar ebenfalls motivieren kann, gesund zu leben, die Wahrscheinlichkeit jedoch groß ist, dass wir die dafür notwendigen Maßnahmen ohne Reue immer wieder verschieben. Die Hin-zu-Motivation ist also auch wichtig, aber wenn es um kurz- oder mittelfristige Entscheidungen geht, sollten wir die Schmerzen bzw. die Von-weg-Motivation des Entscheiders kennen.

Das passende Werkzeug dafür ist die Schmerzfrage. Es gibt verschiedene Methoden, diesen Schmerz zu erfragen. In dem Beitrag „Wie verhindere ich, dass der Entscheidungsprozess beim Kunden ins Stocken gerät?“ haben wir das ausführlich erläutert, weshalb ich hier nur kurz darauf eingehen möchte. Die einfachste Methode wäre es, nach den Kosten des Problems zu fragen. Wenn beispielsweise einer meiner Kunden im Gespräch mit mir dargelegt hätte, dass sein Problem der zu lange Verkaufszyklus ist, dann könnte ich fragen: „Frau Entscheiderin, was kostet Sie wohl die Tatsache, dass Sie heute einen zu langen Verkaufszyklus haben?“ Vermutlich wird die Antwort darauf lauten: „Das weiß ich nicht.“ Weil ich auf diese Antwort vorbereitet bin, habe ich bereits die nächste Frage in petto: „Auch wenn das jetzt keine genaue Zahl aus dem Controlling ist: Denken Sie, es ist eher ein 20.000 Euro-Problem, oder geht es eher in Richtung 90.000?“ Durch diese Technik kann ich gemeinsam mit der Entscheiderin die Ausmaße des Problems ergründen und einen Näherungswert finden.

Mit Fantasie zum Nutzen – So findet man die echte Kundenerwartung

Schmerzen machen kurzfristige Entscheidungen wahrscheinlicher. Allerdings ist eine solide, lustvolle Zukunftserwartung ebenfalls eine starke Motivation. Um das herauszufinden bedienen wir uns einer sprachlichen Raffinesse: Statt plump nach der Nutzenerwartung zu fragen, konstruieren wir eine dreistufige Frage aus folgenden drei Elementen: Annahme statt Abfrage, positiver Einstimmung und konkreter Erwartung. Das leuchtet ein: Wenn ich Sie fragen würde: „Welche Umsatzsteigerung werden Sie durch die Erkenntnisse aus diesem Artikel in den kommenden zwölf Monaten erreichen?“, dann antworten Sie vermutlich ausweichend mit: „Weiß ich noch nicht“.

Wenn ich jedoch wie folgt frage, ist eine bessere Antwort wahrscheinlich: „Nehmen wir an, wir treffen uns heute in einem Jahr persönlich und blicken zurück auf ein Vertriebsjahr, das perfekt verlaufen ist – alles nur Erdenkliche hat geklappt – was würde das ganz konkret für Ihren Umsatz bedeuten?“ Sicherlich bemerken Sie, dass diese Formulierung auf einfache Weise Ihre Fantasie anspricht und es ihnen leichter fällt, im unverbindlichen Konjunktiv der Vorstellungskraft eine Erwartung auszusprechen, als in der Verbindlichkeit einer direkten Frage. Wenn Sie diese Technik noch genauer nachlesen wollen, besteht dafür hier eine Möglichkeit:

Wie finde ich heraus, was der Kunde wirklich will?

Wenn Unternehmen und Vertriebsorganisationen ihre Gespräche ganz methodisch darauf auslegen, den Entscheider des Kunden grundlegend zu verstehen, dann besteht die Möglichkeit, nur noch annehmbare Angebote zu machen. Wer genau verstanden hat, was der Kunde erreichen will und dessen Motivation zur Umsetzung kennt, der wird nur noch Zeit in lohnende Projekte investieren und dabei maßgeschneiderte Angebote machen, die der Entscheider auch annehmen will.

C – Preisverhandlungen – Die Fähigkeit, den Ertrag zu sichern und keine unnötigen Nachlässe zu gewähren

Je größer das Kundenunternehmen ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die letzte Verhandlung mit einer Einkaufsabteilung geführt wird. Aber auch wenn der mittelständische Unternehmer selbst am Verhandlungstisch sitzt, ist die Marge in Gefahr. Es kostet absolut nichts, nach einem besseren Preis zu fragen. Und das tun Profis fast immer, denn es wäre ein Wettbewerbsnachteil des Käufers, wenn er fahrlässig zu teuer einkauft. Daher behaupten Kunden fast immer, dass sie eine preislich günstigere Alternative haben. Letztlich haben sie die ja auch immer – jedenfalls wenn man das Nichtinvestieren als Alternative mitberücksichtigt.

Die Psychologie des Verkäufers ist jetzt besonders anfällig für Preisnachlässe. Schließlich hat der Verkäufer zu dieser Phase des Verkaufsprojektes inzwischen zig Stunden investiert. Jetzt fehlt nur noch ein ganz kleiner Schritt. Nur noch die letzte Hürde. Vor die Wahl gestellt, ob man den ganzen Auftrag verlieren will oder einen kleinen Preisnachlass gewähren soll, wird man sich schnell für Letzteres entscheiden. Was Verkäufer fast nie auf der Rechnung haben, ist der enorme Schaden, der dadurch für das eigene Unternehmen entsteht.

Bei einem meiner Kunden hatte ich die Situation, dass ein Verkäufer einen Fall schilderte, bei dem es um einen Auftrag in Höhe von 2,24 Millionen Euro ging. Er sagte, dass der Einkäufer ein besonders harter Hund sei. Dieser hatte behauptet, dass er andere Angebote vorliegen habe, die von der Qualität absolut vergleichbar seien, jedoch knapp 11% günstiger liegen.

Der Verkäufer schilderte seine angebliche „Heldentat“, bei der er den Auftrag an Land ziehen konnte, obwohl er lediglich 3% Rabatt gewährte. Ich fragte ihn, warum gerade 3% und wieso der Einkäufer nicht dennoch das angeblich gleichwertige Wettbewerbsangebot gewählt habe. Seine Antwort zeigte, dass er fest davon überzeugt war, dass er den Auftrag nicht bekommen hätte, wenn er weniger als 3% gegeben hätte und die Tatsache, dass er den Auftrag erhielt, auf seine nicht näher definierten verkäuferischen Qualitäten zurückführte.

Sehen wir uns das einmal ganz neutral an. Der Auftragswert laut Angebot war 2.240.000 €. Der Einkäufer behauptete, er habe ein gleichwertiges Angebot, das preislich 11% günstiger sei. Gehen wir von einem Deckungsbeitrag von 30% aus, der durchaus ein paar Prozent Rabatt möglich macht, ohne gleich in die Verlustzone zu geraten, dann entsprechen 3% Rabatt einem Gegenwert von 67.200 €. Das ist mehr als das Jahresgehalt dieses Verkäufers. Als ich ihn fragte, wie lange die Preisverhandlung gedauert habe, erfuhr ich, dass man sich nach etwa einer Stunde geeinigt habe. Ein Einkäufer verdient somit in der Stunde mehr als ein Verkäufer im ganzen Jahr

Um meinen Punkt besonders deutlich zu machen, entschloss ich mich zu einer kleinen Provokation. Ich sagte: „Erstaunlich, dass so ein Einkäufer in der Stunde mehr verdient als Sie im ganzen Jahr.“ Als er mich mit großen Augen ansah, sagte ich, dass der Einkäufer ihm mehr als 67.000 € in knapp einer Stunde geklaut habe. Und selbst wenn es nur 6.700 € gewesen wären, also nur 0,3% Rabatt, wäre es immer noch mehr als ein Monatsgehalt.

Gehen Sie davon aus, dass der Einkäufer blufft

Sehen wir uns noch einmal die Ausgangsforderung an: 11% Nachlass, weil der Wettbewerb bei identischer Angebotsqualität nur knapp zwei Millionen fordert. Die ursprüngliche Forderung liegt also bei 246.400 € Nachlass. Weshalb gab er sich dann mit 67.000 € Nachlass zufrieden? Weshalb entschied er sich nicht trotz der 3% Nachlass für den Wettbewerber, der noch immer rund 180.000 € günstiger war – bei angeblich gleicher Qualität. Sollte der Einkäufer wirklich 180.000 € in den Wind schießen, nur weil er einen Anbieter besser findet?

Ich denke, es wird deutlich, dass die Behauptung des Einkäufers nicht glaubwürdig ist. Entweder gibt es in Wirklichkeit gar kein Wettbewerbsangebot unter zwei Millionen oder dieses Angebot ist so viel schlechter, dass es nicht in die engere Auswahl kommt. Wenn es wirklich vergleichbar wäre, dürfte der Einkäufer nicht mehr Geld ausgeben als nötig, weil er sonst seinen Job riskieren würde. Oder was würden Sie als Unternehmer mit einem Einkäufer machen, der Ihnen sagt: „Ich habe bei absolut vergleichbaren Angeboten lieber 180.000 € mehr ausgegeben, weil mir der andere Anbieter irgendwie besser erschien. Das kann ich zwar mit Fakten nicht begründen, aber der eine Anbieter ist mir irgendwie sympathischer.“

Ich denke, die Antwort ist klar. Das wäre zumindest Grund für eine Abmahnung und im Wiederholungsfall hätte es die Kündigung zur Folge. Daher ist es logisch, dass Einkäufer dieses Verhalten in der Realität nicht an den Tag legen können. Zumindest nicht in der Mehrzahl der Fälle. Dennoch spielen sie den Verkäufern dieses Verhalten vor, weil es dazu führt, dass sie Rabatte herausschlagen, die völlig ungerechtfertigt sind.

Einkäufer bluffen: Ich habe bessere Angebote vorliegen

In meinen Trainings mache ich mit den Teilnehmern bisweilen eine einfache Übung zur Preisverhandlung. Dabei werden zwei Teilnehmer zufällig gelost. Einer von beiden bekommt die Rolle des Einkäufers und der andere die Rolle des Verkäufers zugeordnet. Jeder erhält einen Zettel, auf dem nur drei Zahlen stehen: Der Angebotspreis, der Zielpreis und die harte Grenze. Der Angebotspreis ist bei beiden gleich, er liegt bei 100.000 €. Das Verhandlungsziel des Verkäufers ist kein Nachlass, allerdings könnte er bis auf 90.000 € heruntergehen. Der Einkäufer hat als Verhandlungsziel 85.000 €, würde jedoch auch schon bei 95.000 € einen Abschluss machen.

Die beiden Teilnehmer bekommen die Karten, auf denen die Zahlen stehen. Außer mir weiß niemand, was darauf steht. Ihr Ziel ist, sich auf jeden Fall zu einigen. Den nicht beteiligten Teilnehmern wird die Aufgabe zugeteilt, genau zu beobachten und einzuschätzen, wer welche Verhandlungsgrenzen hat. Dann beginnt die Verhandlung. In der Regel läuft das so ab, dass der Verkäufer anfängt und die Verhandlung zum Beispiel mit einer solchen Einleitung eröffnet: „Wir wollten heute über das Angebot sprechen und eine Einigung herbeiführen. Sie hatten um ein Gespräch gebeten. Wie wollen wir uns einigen?“

Der Teilnehmer, der den Einkäufer mimt, sagt dann fast immer: „Wir haben mehrere Angebote vorliegen, die absolut identisch sind, und Ihres ist zu teuer.“ Erstaunlich, dass meine Teilnehmer, die in der Regel erfahrene Verkäufer sind, die typische Verhaltensweise der Einkäufer so sehr adaptiert haben.

Es gibt natürlich kein anderes Angebot. Es gibt nur eine Karte mit drei Zahlen drauf und die Aufgabe, sich zu einigen. Dennoch bezieht der Einkäufer sofort diese Verhandlungsposition. Warum? Weil er keine andere Chance hat.

Einkäufer haben in der Regel die schwächere Verhandlungsposition

Was wäre, wenn der Einkäufer die Wahrheit sagen würde: „Ich habe zwar keine Alternative, aber ich habe die Aufgabe, den Angebotspreis so weit wie möglich zu senken, bevor wir bei Ihnen bestellen.“ Es ist wohl klar, dass das aus Sicht des Einkäufers keine gute Strategie wäre. Das Ergebnis wäre, dass der Verkäufer sich bequem zurücklehnen könnte und einfach stur bleibt.

Kann man daraus ableiten, dass Einkäufer (fast) immer bluffen? Ich meine schon. Vor allem, wenn man folgende weitere Beobachtung aus meinen Seminaren noch miteinbezieht: In einer anderen Version der Übung sieht die Ausgangslage ein wenig anders aus: Der Angebotspreis ist ebenfalls bei 100.000 €. Das Verhandlungsziel des Verkäufers ist wieder kein Nachlass, allerdings könnte er auch diesmal bis auf 90.000 € heruntergehen. Der Einkäufer hatte vor der Anfrage allerdings eine Vorgabe bekommen: als Verhandlungsziel 110.000 €, man würde jedoch auch schon bei 120.000 € einen Abschluss machen. Die Erwartungen waren also höher als das dann eintreffende Angebot. Der Anbieter ist somit ein wenig günstiger als erwartet.

Sie ahnen schon, was passiert. Die Eröffnung des Verkäufers ist wie immer. Der Einkäufer reagiert jedoch wieder mit seiner Standardfloskel: „Wir haben mehrere Angebote vorliegen, die absolut identisch sind, und Ihres ist zu teuer.“ Das ist auf den ersten Blick zwar verwunderlich, aber bei genauerer Betrachtung ganz logisch. Schließlich wäre auch hier die wahre Aussage nicht hilfreich: „Wir haben mit einem höheren Preis gerechnet. Eigentlich bin ich froh, dass Sie bereits günstiger angeboten haben, aber jetzt ist mein Ziel natürlich, dass Sie noch weiter heruntergehen …“ Es wird deutlich, dass das keine gute Strategie wäre. Deshalb wird der Einkäufer auch in dieser Situation nicht die Wahrheit sagen und behaupten, er habe ein besseres Angebot.

Die Psychologie des Festpreises

Aus diesen Überlegungen lässt sich ableiten, dass es ein unternehmerisches Risiko ist, wenn man die Ermittlung des Preises im Einzelfall zur Verhandlung freigibt. Dadurch überlässt man die Preisfindung der psychologischen Stabilität des einzelnen Verkäufers. Aus den genannten Gründen wird dieser aber immer lieber einen kleinen Nachlass geben, um den angeblich drohenden Totalverlust des Auftrages abzuwenden. Dabei wird er grundsätzlich bis zu seiner Verhandlungsgrenze gehen, sofern er einen professionellen Einkäufer als Gegenüber hat. Unternehmen sollten daher ausschließlich mit festen Preisen arbeiten und die Energie der Verkäufer wieder auf die Qualität des Verkaufens lenken, statt auf die nahezu unmögliche Aufgabe „den richtigen Preis“ zu finden.

Es kann nur dann eine sinnvolle Preispolitik geben, wenn die Preise pro Markt zentral festgelegt sind und dann ohne Ausnahme durchgesetzt werden. Die einzige Verhandlungsmasse sollten dann Mengenkonditionen und Zusatzgeschäfte sein, zum Beispiel können unter Umständen Konditionen für Mengenabnahmen sinnvoll sein. Diese kann man aber bereits im Vorfeld definieren. Und sie sollten keine Preisänderung darstellen, sondern zusätzlichen Nutzen bieten. So könnte man statt 5% Rabatt auf einen Großauftrag besser vereinbaren, dass nach Abnahme von jeweils 20 Einheiten die 21. Einheit ohne Berechnung geliefert wird. So bleibt der Preis stabil, und der Kunde kommt erst dann in den Genuss der Nachlässe, wenn die Menge auch wirklich abgenommen wird.

Ebenso sollte man bei Zugaben, die eine Entscheidung treiben, nicht mit Prozent oder Geldwerten, sondern mit Zusatzleistungen arbeiten. Wenn beispielsweise eine Maschine verkauft wird, dann gibt man statt eines Nachlasses in Form eines bestimmten Geldbetrags besser die erste Inspektion kostenlos dazu oder ein Ersatzteilpaket in dem entsprechenden Wert. Der Vorteil: Der Gesamtumsatz wird nicht reduziert, und der Nachlass richtet geringeren Schaden an, weil der Kunde den Nachlass zum Verkaufspreis rechnet, der Anbieter jedoch nur seine Gestehungskosten einsetzen muss.

Vertrieb perfekt machen

Wenn Sie an den drei Stellschrauben Akquise, Gesprächsführung und Preisverhandlungen drehen, werden Sie Ihre Ergebnisse am schnellsten verbessern können.

Bleiben Sie mir gewogen, feiern Sie mit mir das Jubiläum und freuen Sie sich auf viele weitere Folgen mit handfesten Informationen und wertvollen Tipps.

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