Woche 31: Das lohnt sich – Evaluationsplan und Investitionsrechnung
Eine Entscheidung für eine Investition kann unter rationalen Gesichtspunkten nur dann getroffen werden, wenn sie mehr einbringt als die Investitionssumme. Das muss so sein, weil man sonst besser sein Geld behält. Oft muss der erhoffte Erlös, der ja erst in der Zukunft eintreten wird, die aufzubringende Investitionssumme um ein Vielfaches übersteigen, damit Unternehmer sich darauf einlassen. Dabei gilt ein ähnliches Prinzip wie bei Geldanlagen: Je größer die Sicherheit, desto kleiner die Zinsen. Das Guthaben auf einem sicheren Sparbuch wird mit weit weniger als einem Prozent verzinst. Riskante Anleihen können dagegen sogar mehr als 10% versprechen – allerdings müssen Sie in diesem Fall auch mit einkalkulieren, dass Sie überhaupt nichts mehr zurückbekommen könnten.
Eines ist klar: Die Zukunft können wir nicht sicher vorhersagen. Insofern ist jede Risikoeinschätzung auch immer auf die Erfahrungen der Vergangenheit gestützt. Und diese Einschätzung ist in hohem Maße individuell. Schließlich gibt es sowohl Sparbuch-Anleger wie auch risikobewusste Investoren, die den Totalverlust riskieren. Allerdings geht auch der risikobewusste Anleger nicht davon aus, dass es schief gehen wird, denn sonst würde auch er nicht investieren. Er schätzt nur seine individuelle Gefahr anders ein als der Sparer.
Wir könnten also daraus ableiten, dass wir Entscheidungen für Investitionen begünstigen können, wenn die Risiko-Bewertung des Entscheiders sinkt und seine Gewinnerwartung steigt. In dieser Episode werden wir uns näher mit zwei Werkzeugen beschäftigen, die genau auf diese beiden Effekte einwirken. Zum einen ist das der Evaluationsplan, der das Risiko senkt und zum anderen die Investitionsrechnung, die den erhofften Ertrag plastisch sichtbar macht.
Evaluationsplan
Vielleicht kennen Sie diesen Effekt: Sie haben sich vorgenommen, etwas in ihrem Leben zu ändern. Vielleicht Ihre Ernährung umzustellen, regelmäßig Sport zu treiben oder die Großtante einmal pro Woche anzurufen. Irgendwie können Sie sich jedoch nicht aufraffen. Im Prinzip sind Sie dafür, aber andererseits haben Sie Angst davor, dass es nur ein Strohfeuer wird und Sie ohnehin gleich wieder damit aufhören werden. Deshalb fangen Sie gar nicht erst an. Das ist zwar nicht besonders rational, aber so sind wir Menschen eben.
Die Psychologie hat eine Hilfestellung für uns parat: Wenn wir Entscheidungen nur vorläufig treffen, fallen Sie uns dadurch leichter. Wenn Sie sich vornehmen, in den nächsten zwei Wochen probeweise an drei Tagen für 30 Minuten zu joggen und danach zu entscheiden, ob das für Sie eine gute Angewohnheit ist, fällt es ihnen leichter. Zumindest viel leichter als wenn Sie sich entschließen sollten, ab jetzt und für immer dreimal die Woche zu Laufen. Das ist zwar nicht logisch, weil Sie ja auch im zweiten Fall jederzeit wieder damit aufhören könnten, aber wenn das explizit berücksichtigt wird, fällt die Entscheidung viel leichter.
Wie können wir das für unsere Beziehungen zu Geschäftskunden nutzen? Vielleicht indem wir diesen Effekt der Vorläufigkeit nachahmen. Indem wir die Entscheidung zwar in Bezug zu einem großen Nutzen stellen, das damit verbundene Risiko jedoch reduzieren, indem wir Ausstiegs-Klauseln einbauen.
Nehmen wir einen konkreten Fall. Sagen wir, es geht um die Anschaffung von Tablet-Computern für rund 200 Mitarbeiter des Außendienstes. Damit sollen künftig Bestellungen direkt beim Kunden erfasst werden, um die Verfügbarkeit zu garantieren und ggf. Ersatzartikel vorzuschlagen. Außerdem sollen verschiedene andere Möglichkeiten genutzt werden, um die Arbeit des Außendienstes zu erleichtern und effektiver zu gestalten. Der Anbieter ist ein Systemhaus, das auf diese Art von Projekten spezialisiert ist.
Es ist anzunehmen, dass ähnliche Projekte bereits mehrfach von diesem Systemhaus umgesetzt wurden. Zwar werden diese Projekte wohl durchaus unterschiedliche Volumina und Leistungspakete darstellen, doch sind sie vermutlich von der Struktur her identisch.
Beim Evaluationsplan geht es darum, dem komplexen Entscheidungsverlauf eine Struktur zu geben, die Sicherheit ausstrahlt und Ausstiegsmöglichkeiten bietet, falls sich eine Fehlentwicklung abzeichnet. Die grundlegende Struktur kann vorbereitet sein, wobei die konkreten Daten mit dem Kunden gemeinsam ergänzt werden. Die grundlegende Struktur könnte so aussehen:
Datum | Aktion | Checkpoint |
3.11. | Treffen mit IT-Abteilung zur Klärung der offenen Fragen | |
8.11. | Vorstellung der Lösung im Geschäftsleitungsmeeting. Eignungsbeweis. Einwilligung in den Evaluationsplan. | ✪ |
13.11. | Workshop zur Ausarbeitung der Lösung und des genauen Investitionsbedarfs und des geplanten Return on Investment. Dauer 2 Tage. Kosten € 4000,- an Beratungsleistung. | |
20.11. | Präsentation in der Geschäftsleitung und Genehmigung der weiteren Schritte. | ✪ |
21.11. | Ausarbeitung eines Projektplans zur Einführung der Lösung und Genehmigung durch die IT-Abteilung | ✪ |
1.12. | Beginn des Pilotbetriebs mit 5 Außendienstmitarbeitern. Erfolgskriterien für Pilot stehen fest. Investition in Höhe von € 30.000,- | |
15.1. | Abschluss-Präsentation der Ergebnisse des Pilotbetriebs. Entscheidung in der Geschäftsleitung über die Freigabe der restlichen Investition für den kompletten Außendienst. Auftragsvergabe. | ✪ |
18.1. | Beginn des Roll Out an den kompletten Außendienst | |
8.2. | Projektabschluss |
Die Spalte Datum ist zu Beginn leer. Sie wird erst in Absprache mit dem Kunden ausgefüllt. Der Rest ist grundlegend vorbereitet. Das Besondere daran sind die vordefinierten Ausstiegspunkte. In diesem Beispiel kann der Kunde direkt nach der Vorstellung der Lösung im Geschäftsleitungsmeeting aussteigen. Dann wäre er, ohne einen Cent zu investieren, wieder frei. Wenn er nicht aussteigt, beginnt automatisch der erste Workshop mit einer ersten Zahlung von 4.000 Euro. Kurz danach gibt es erneut zwei Ausstiegsmöglichkeiten. Wenn der Kunde hier zu der Überzeugung käme, dass die Gesamtinvestition nicht sinnvoll ist, kann er sofort stoppen und seine Verluste wären begrenzt. Wenn er allerdings nicht stoppt, geht es weiter mit dem Pilotbetrieb. Wenn nach dessen Ergebnispräsentation nicht die Reißleine gezogen wird, geht es weiter mit dem großen Rollout. Dessen Investitionssumme steht noch nicht fest. Diese erfährt der Kunde jedoch schon nach dem ersten Workshop.
Was ist der entscheidende Vorteil dieser Vorgehensweise? Die Anzahl der Entscheidungen wird reduziert. Der Kunde entscheidet sich nur einmal, muss jedoch nicht das Risiko, das damit verbunden ist, in einem Stück nehmen. Er kann zu jedem der vordefinierten Ausstiegspunkte das Projekt stoppen. Rein faktisch betrachtet ist das gleichbedeutend mit der Variante, bei der der Kunde Schritt für Schritt Einzelentscheidungen trifft: Erst der Workshop, dann der Pilot und dann erst der Roll-out. Allerdings bedeuten drei Entscheidungen, dass sich das Risiko des Projektabbruchs erheblich vergrößert. Schon alleine deshalb, weil zwar das Gesamtprojekt einen Nutzen hat, aber nicht jedes Teilprojekt für sich alleine. Deshalb ist es schwer, einen „Evaluierungsworkshop“ als ersten Schritt zu verkaufen, weil der Workshop für sich betrachtet keinen Wert für den Kunden bietet. Wertlose Dienstleistungen sind fast unverkäuflich. Wenn der Workshop der erste untrennbare Schritt zum Gesamtnutzen ist, dann steigt die Bereitschaft ihn zu bezahlen.
Der Evaluationsplan ist ein Instrument, um komplexe Projektentscheidungen, die nur schrittweise vonstatten gehen, für den Kunden leichter zu machen. Er kann leichter eine Entscheidung zum Projektstart treffen, weil er nicht in letzter Konsequenz ins volle Risiko gehen muss. Er hat letztlich ebenso viele Ausstiegspunkte wie bei der herkömmlichen Schritt-für-Schritt-Verkaufsmethode. Allerdings wird die Anzahl der Entscheidungen reduziert und damit auch die Chance auf ein „Nein“. Bestimmt können Sie für Ihre Verkaufsprojekte einen ähnlichen Ablaufplan machen und diesen zu einem frühen Zeitpunkt mit dem Kunden besprechen und die Termine der einzelnen Schritte vereinbaren.
Investitionsrechnung
Eine Investition rechnet sich, wenn sie mehr einbringt als die Investitionssumme. Und zwar innerhalb eines überschaubaren Zeitraums. Die Länge dieses Zeitraums ist sehr von der Branche und den dort üblichen Abschreibungszeiträumen geprägt. In der Schwerindustrie sind lange Amortisationszeiträume üblicher als beispielsweise in der schnelllebigen Medienindustrie.
Die grundlegende Struktur einer Investition ist fast immer gleich: Eine größere Zahlung wird durch nach und nach eintretende Einsparungen und/oder Zusatzerträge kompensiert. Diese sollten Sie in einem Bild plastisch darstellen. Dazu sollten Sie die grundlegenden Ideen, wie der Nutzen monetär dargestellt werden kann, bereits im Kundengespräch erarbeitet haben. Das ist das Ergebnis der Fragen aus dem letzten Kapitel, in dem wir den Schmerz und die Nutzenerwartung genau hinterfragt haben. Wenn Sie hier sauber gearbeitet haben, wissen Sie jetzt, welche betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der Kunde sich erhofft. Diese Ergebnisse können Kostenreduktion oder Ertragssteigerung sein.
- Mehr Ertrag
Wie kann Ihr Kunde durch den von Ihnen versprochenen Nutzen seinen Erfolg am Markt steigern? Welche neuen Kunden erreicht er? Welche Preissteigerungen sind nun denkbar? Wie lassen sich Umsätze früher als jetzt realisieren?
- Weniger Kosten
Wie sorgt Ihre Lösung dafür, dass Kosten eingespart werden können? Welche Kosten entfallen komplett?
Viele Vertriebsorganisationen konzentrieren sich zu sehr auf die Kostenreduktion. Letztere ist zwar interessant, aber vom Umfang her sehr begrenzt. Kosten können maximal zu 100% eingespart werden und das ist in diesem Ausmaß oft nicht sinnvoll. Eine Steigerung der Erträge ist jedoch völlig unbegrenzt möglich. Bitte achten Sie darauf, dass Sie nur relevante Einsparungen nennen. So ist zum Beispiel eine Zeiteinsparung für die Mitarbeiter des Kunden nur dann eine Kosteneinsparung, wenn dadurch wirklich Gehaltskosten eingespart werden können. Das ist nur dann der Fall, wenn tatsächlich ein Stellenabbau vorgenommen wird oder wenn im Unternehmen Ihres Kunden eine detaillierte Kostenverrechnung verwendet wird, die diesen Kostenvorteil auch in der Kostenrechnung messbar werden lässt.
Wenn die Zeitersparnis eher so zu verstehen ist, dass die Mitarbeiter Zeit für andere Aufgaben nutzen können, dann finden Sie einen Weg, um den zusätzlichen Ertrag darzustellen, der so möglich ist. In diesem Fall sollten Sie nicht mit Kosteneinsparungen argumentieren, weil dieses Argument mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Kunden nicht akzeptiert wird. Erarbeiten Sie mit ihm die Berechnungsgrundlagen Schritt für Schritt. Es ist entscheidend, dass die Werte, die Sie zur Berechnung verwenden, auch genau so von Ihrem Kunden genannt wurden. Nur dann können Sie Akzeptanz für die Ergebnisse der Berechnung erwarten. Sie liefern die Ideen und Berechnungsformeln, Ihr Kunde liefert die Werte aus seiner Praxis.
Ich stelle mir das wie ein gemeinsames Bauprojekt vor. Stellen Sie sich vor, dass Sie die Bausteine für die Investitionsrechnung in einem kleinen Beutel dabei haben. Die Bausteine sind Lego-Steine, die Sie gemeinsam mit Ihrem Kunden verwenden, um die Investitionsrechnung zu bauen. Manche Steine werden nicht berücksichtigt, weil sie nicht passen oder gefallen. Andere bekommen einen besonders prominenten Platz. Auf diese Weise entsteht ein Konstrukt, das nachher sowohl von Ihnen als auch vom Kunden akzeptiert wird.
Das nachfolgende Beispiel ist eine Investitionsrechnung für ein neues ERP-System. Dabei sind die Ertragssteigerungen einzeln und auf die kommenden Monate errechnet worden, die Herleitung der Beträge ist mit dem Kunden abgestimmt. So wurde etwa geschätzt, dass die Mitarbeiter in der Auftragsannahme anfangs 20 und später 30 Stunden pro Periode einsparen. Das bedeutet mehr Telefonate und bei gegebener Erfolgsquote und durchschnittlichem Ertrag pro Auftrag einen genau berechneten Zusatzertrag pro Periode (Monat). Ebenso wurden weitere Ertragskomponenten und Kosteneinsparungen genau geplant. Das folgende Bild zeigt die Tabelle dazu.
In der kommenden Woche erwartet Sie der Abschluss dieses Kapitels zur gelungenen Kunden-Entscheidung. Dann werden wir uns mit der modernen Gehirnforschung beschäftigen und erklären, warum Rationalität vermutlich nur eine Illusion ist.
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