Preisverhandlungen überstehen, Konditionen sicher verhandeln, Einwände behandeln und Jahresgespräche meistern – für all das braucht man ein gutes Verhandlungstraining. Wer aber so richtig erfolgreich verhandeln will, muss auch mit der richtigen Einstellung ins Gespräch gehen. In diesem Beitrag bekommen Sie einen nachvollziehbaren Plan, um sich und Ihre Kollegen für die wildesten Verhandlungen fit zu machen.

Dieser Beitrag wurde am 07.03.2022 aktualisiert.

Wie kann man besser verhandeln? Ein Verhandlungstraining allein reicht nicht

Genügt ein Verhandlungstraining, um in der nächsten Verhandlung mit einem professionellen Einkäufer oder ausgefuchsten Geschäftsführer wirklich zu bestehen?

Gegenfrage: Genügt es, wenn ich am Wochenende einen Pilotenkurs mache, um dann eine 747 von Frankfurt nach Los Angeles zu fliegen? Vielleicht ja, aber nur, wenn alle Bedingungen optimal sind und nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt. Also in der Realität will ich bei so einem Piloten sicher nicht mitfliegen. Ich hätte gerne einen Piloten, der nicht nur ein- oder zweimal trainiert hat, sondern immer wieder kitzlige Situationen im Training meistert und schwierige Manöver im Simulator ausprobiert hat.

Aber was bedeutet das in Bezug auf Verhandlungen zwischen Einkauf und Verkauf? Wie kann man auf all die unvorhergesehenen Wendungen reagieren? Wie landet man seine Verhandlung sicher und mit Ertrag? Lassen Sie uns dazu ein Gedankenspiel wagen.

Angenommen Sie nehmen an einer Konferenz oder einem Seminar in einer fremden Stadt teil. Der Tag war anstrengend, vielleicht sogar weil die Konferenz in einer Fremdsprache gehalten wurde und Sie sehr konzentriert zuhören mussten. Jetzt schwirrt Ihnen der Kopf und Sie wollen sich bei einem Spaziergang die Beine vertreten und den Kopf klar bekommen.

Sie lassen sich durch die Straßen treiben und bekommen langsam wieder einen klaren Kopf. Dann stellen Sie fest, dass Sie die Orientierung verloren haben und ziehen Ihr Smartphone, um den Stadtplan aufzurufen. Allerdings ist das komplett leer. Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als einen Passanten zu fragen, wie Sie den Weg zurück zum Hotel finden können.

Verhandlungstraining: Wer hat das Problem?

Also sprechen Sie einen einheimisch aussehenden Menschen an und fragen in der lokalen Sprache: „Entschuldigung – Können Sie mir den Weg zum Hotel Royal erklären?“ Sie lächeln und warten auf die Antwort: „Da gehen Sie schon in die passende Richtung. Jetzt noch weiter bis zur dritten Ampel. Dort rechts und dann an der zweiten Ampel wieder links. Nach 200 Meter ist das Hotel auf der linken Seite.“ Der Befragte erklärt den Weg und nutzt große Gesten, um rechts und links zu unterstreichen, grüßt zum Abschluss und geht dann weiter.

Wie reagieren Sie? Vermutlich grüßen Sie zurück und machen sich auf den Weg zum Hotel, indem Sie den Anweisungen folgen. Aber warum vertrauen wir in diesem Fall so gutgläubig einer fremden Person? Schließlich hätte man Sie ohne ein Risiko einzugehen auf den völlig falschen Weg schicken können. Oder der Befragte wusste nicht, wo das Hotel ist und hat irgendetwas gesagt, um sich nicht bloßzustellen. Oder vielleicht hat er das Hotel verwechselt und versehentlich einen falschen Weg genannt. All das wäre möglich und dennoch kommen wir in der Regel nicht auf die Idee, dass etwas nicht stimmen könnte.

Wer die Lösung hat, führt die Verhandlung

Weil der Befragte klar und deutlich gezeigt hat, dass er die Lösung hat (ohne, dass wir das prüfen konnten) waren wir bereit ihm zu folgen. Wer die Lösung hat, kann führen. Wer das Problem hat, muss folgen. Schließlich ist uns klar, dass wir das Problem haben, wenn wir den Weg nicht kennen. Wenn der Einheimische ohne zu zögern eine Antwort gibt, gestehen wir ihm zu, dass er die Lösung hat. Dadurch vereinbaren wir die Rollenverteilung im Gespräch ganz automatisch.

Grundsätzlich ist es so, dass jeder, der eine Dienstleistung oder ein Produkt einkaufen will, damit ein Problem lösen will. Wenn das nicht so wäre, müsste man ja nichts einkaufen und also auch nicht verhandeln. Man könnte also sagen, dass der Einkäufer grundsätzlich in der Position ist ein Problem zu haben und eine Lösung zu suchen. Allerdings ist das, wie wir eben aufgedeckt haben, keine gute Ausgangsposition für eine Verhandlung. Sehen Sie das als erste Lektion dieses kleinen Verhandlungstrainings.

Profi-Einkäufer wollen, dass Sie ein Problem haben

Deshalb wird ein professioneller Einkäufer grundsätzlich versuchen, den oder die Anbieter in die Situation des Probleminhabers zu drängen. „Sie wollen doch hier Umsatz machen, oder?“ könnte ein typischer Spruch sein. Oder auch: „Das, was Sie anbieten, bekomme ich überall günstiger!“

Diese taktischen Aussagen müssen nicht immer wahr sein. Genauer gesagt habe ich in vielen Verhandlungen festgestellt, dass es lediglich frei erfundene und theatralisch gut vorgetragene Behauptungen sind, um den Verkäufer einzuschüchtern und ihn denken zu lassen „Ich muss mir etwas einfallen lassen…“

In meinen Verhandlungstrainings für den Vertrieb stelle ich immer wieder fest, dass die Teilnehmer öfter Aussagen machen, wie „Aber ich muss doch…“, „Wenn ich nicht mitmache, dann…“ oder „Ich kann doch nicht…“ All diese Aussagen sind Hinweise darauf, dass der Verkäufer sich in die Rolle des Probleminhabers hat drängen lassen. Er ist mental nicht mehr in der Lage zu führen, weil er denkt er müsse dem Einkäufer folgen.

Ihre Verhandlungsstrategie lautet: Behalten Sie die Führung!

Wenn es Ihnen gelingt, sich immer wieder daran zu erinnern, dass Sie die Lösung für das Problem des Einkäufers haben und deshalb ganz zu Recht die Verhandlungen führen, dann wird sich das sehr positiv auf Ihre nächsten Verhandlungen auswirken. Das mag zu Beginn ein wenig ungewohnt wirken und gut ausgebildete Einkäufer werden auch nicht sofort kapitulieren. Sie werden vermutlich sogar immer größere Geschütze auffahren.

Bleiben Sie dennoch standhaft, lächeln Sie und bleiben Sie in der Führungsrolle, indem Sie die Lösung betonen und den Entscheidungsprozess durch Fragen und Aussagen aus dem Eltern-Ich steuern.

Dieses bekannte Denkmodell stammt vom kommt Psychologen und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun. Es besagt, dass jede Aussage genau vier unterschiedliche Kanäle transportiert. Diese vier Kanäle sind Sachinformation, Beziehung, Appell und Selbstoffenbarung.

Verhandlungstraining © Fotolia/thingamajiggs Das Vier-Ohren-Modell. © Fotolia/thingamajiggs

Verhandlungstraining: Wir hören mit vier Ohren

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Nehmen wir an, Sie haben für Ihr „Schatzi“ gekocht und sich dabei mit einer kompletten Menüfolge mächtig ins Zeug gelegt. Nun ist es Zeit für den zweiten Gang. Sie servieren das „Graupen-Risotto mit grünem Spargel“. Schatzi blickt auf den Teller und sagt: „Da ist etwas Grünes in meinem Risotto!“

Jetzt kommt es darauf an, wie Sie auf diese Botschaft reagieren möchten. Es gibt mehrere Möglichkeiten.

  1. Sach-Info: Sie verstehen: „Da ist etwas Grünes in meinem Teller“ und sagen „Ja, das ist grüner Spargel.“
  2. Selbstoffenbarung: Sie verstehen: „Wenn ich kochen würde, gäbe es nicht so grünes Zeug“ und sagen „Dann koch’ Du doch, wenn Du es besser kannst.“
  3. Appell: Sie verstehen: „Nimm mir das grüne Zeug von meinem Teller“ und sagen „Oh, ich wusste ja nicht, dass Du keinen grünen Spargel magst. Warte ich nehme ihn dir gleich runter“
  4. Beziehung: Sie verstehen: „Du liebst mich nicht, sonst wüsstest Du, dass ich so etwas nicht mag!“ und antworten ebenfalls verletzt „Immer wenn ich koche, musst du motzen!“

Was bedeutet das in Bezug auf Verhandlungen? Viele Menschen erwarten bereits, dass eine Erwiderung kommt und haben deshalb ihr Appell-Ohr auf Empfang geschaltet. Wenn der Kunde beispielsweise fragt: „Kann man an dem Preis noch etwas machen?“ dann kommt im Appell-Ohr an „Mach mir einen besseren Preis!“, obwohl das ganz bestimmt nicht gesagt wurde. Mein Tipp lautet: Verschließen Sie in Verhandlungen Ihr Appell-Ohr – und Ihr Beziehungs- und Selbstoffenbarungs-Ohr am besten gleich mit. Es kommt einzig und allein auf Ihr Sachinfo-Ohr an. So können Sie sich wirklich auf die Aussagen des Kunden konzentrieren und werden nicht durch die emotionalen Zwischenrufe der anderen Kanäle der Kundenaussage verunsichert. Das wäre vielleicht ein gutes Verhandlungstraining und führt zu verblüffenden Ergebnissen.

Durch kontinuierliches Training Verhandlungsführung stärken

Wie wäre es, wenn Sie Ihre üblichen Meetings und Vertriebstagungen nutzen würden, um im gesamten Vertriebsteam Verhandlungstaktiken zu verbessern und auf Dauer eine der wichtigsten Stellschrauben für ertragreiche Kundenbeziehungen optimal einstellen?

Hier kommen zwei einfache Übungen, die Sie in Ihre Vertriebsmeetings einbauen können, um immer wieder ein kontinuierliches Verhandlungstraining durchzuführen.

1. Übung für Ihr selbstständiges Verhandlungstraining – Fordern und Nachgeben

Bei dieser Übung geht es darum, in (fast) ausweglosen Situationen zu verhandeln. Es gibt einerseits berechtigte Forderungen, die aber andererseits nicht erfüllbar erscheinen. Die Teilnehmer üben, ihre Forderungen zu stellen, zu verhandeln und zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen.

Jeweils zwei Teilnehmer bekommen unterschiedliche Ausgangssituationen vorgesetzt, die sie in Ruhe lesen und verstehen sollen.

Danach sitzen Sie sich in einem Gespräch bzw. Telefonat gegenüber und sollen sich einigen. Dazu muss einer von beiden seine ursprüngliche Haltung aufgeben, weil sonst keine Einigung möglich ist. Hier zwei Ausgangssituationen als Beispiel:

Ausgangssituation A

Sie wollen am Wochenende in ein Möbelgeschäft fahren, um einige dringend benötigte Einrichtungsgegenstände für Ihr Gästezimmer zu kaufen, damit am übernächsten Wochenende Ihre Familie zu Besuch kommen kann. An diesem Wochenende hat sich ein kräftiger Freund (ohne Auto) bereit erklärt, Ihnen beim Tragen zu helfen, weil Sie den Transport alleine unmöglich schaffen können. Es geht aber nur an jenem Wochenende, weil er während der Woche keine Zeit hat. Ein Kollege, dem Sie neulich bei seinem Umzug geholfen hatten, hatte zugesagt, dass Sie gerne sein geräumiges Auto leihen können, wann immer Sie es einmal brauchen. Sie rufen den Kollegen an, um Bescheid zu geben, dass es diesen Samstag so weit ist, und Sie das Auto jetzt brauchen.

Ausgangssituation B

Sie haben einen geräumigen PKW, der sich bestens für kleinere Transporte eignet. Neulich hat Ihnen ein Kollege beim Umzug geholfen. Sie hatten damals gesagt, dass Sie sich gerne revanchieren und das Auto verleihen, wenn es notwendig sein sollte. Jetzt bekommen Sie einen Anruf und die Bitte, das Auto am Samstag auszuleihen, damit Möbel gekauft und transportiert werden können. Aber gerade an diesem Wochenende (Freitag bis Sonntag) ist ein guter Freund aus Frankreich zu Besuch, mit dem Sie die Gegend erkunden wollen, und sie brauchen das Auto selbst. Gleichzeitig sind Sie dem Kollegen aber ehrlicherweise einen Gefallen schuldig.

Keine friedliche Einigung möglich?

Die Aufgabe lautet nun, ein Gespräch zu führen und seine Haltung zu bewahren und dennoch eine Einigung zu bewirken. Man soll seine Forderung behaupten und dennoch kein „zerschlagenes Porzellan“ hinterlassen. Eine unlösbare Aufgabe?

Bei dieser Übung lernen die Teilnehmer, wie es sich anfühlt „hart“ zu bleiben und seine Forderung zu vertreten, auch wenn man den anderen „irgendwie verstehen“ kann. Es ist eine emotionale Erfahrungsübung:

  • Wie fühlt es sich an, hart zu sein, obwohl das nicht meinem Naturell entspricht?
  • Wie kann ich Beziehungen erhalten und dennoch in der Sache hart bleiben?
  • Und wie vertrete ich Forderungen, die ich in meinem privaten Umfeld so unnachgiebig nie stellen würde?

Verhandlungstraining emotional erleben

Diese Übung ist sehr hilfreich, um nicht nur in der Theorie über Verhandlungen zu sprechen und zu erläutern, was man machen würde, wenn es zu einer Verhandlung käme. Stattdessen können die Teilnehmer am eigenen Leib erleben, wie es sich anfühlt, wenn man in der Sache bestimmt, aber in der Beziehung vorsichtig verhandelt.

Wenn Sie möchten, können Sie das Übungsmaterial für dieses Verhandlungstraining herunterladen. Dann bekommen Sie die oben gezeigte Übung und viele weitere Ausgangssituationen als PDF. Dann müssen Sie das PDF nur noch ausdrucken und können damit sofort die Übung in Ihrem nächsten Vertriebsmeeting umsetzen.

2. Übung – Preisverhandlungen für Profis

Bei Preisverhandlungen wird ja seitens des Einkaufs gerne behauptet, die Preise seien zu hoch. Und der Verkäufer hat vielleicht noch einen letzten Spielraum, will diesen aber nicht aufgeben, weil das seinen Erfolg schmälert.

Aber wo ist der Punkt der Einigung? Solange nicht alle die Wahrheit sagen (was bei Preisverhandlungen durchaus üblich ist) kann man nicht eindeutig bestimmen, was der bestmögliche Punkt der Einigung ist. Diese Übung ist dazu geeignet, um zu erkennen, wie man feststellt, wo der Punkt der Einigung ist und wo man ohne Not nachgibt, bzw. die Einigung riskiert, weil das eigene Ego im Wege ist.

Verhandlungstraining kann besser vorbereitet werden

In dieser Übung bekommen zwei zufällig geloste Teilnehmer jeweils eine Ausgangssituation vorgesetzt. Zum Beispiel diese:

Verkäufer

Einkäufer

Angebotspreis 100 100
Zielpreis 100 110
Harte Grenze 90 120

In diesem Beispiel ist es so, dass der Verkäufer schon niedriger angeboten hatte, als der Einkäufer zu zahlen bereit gewesen wäre. Das gibt dem Einkäufer aber gleichzeitig die Idee, dass da noch mehr geht.

 

Verkäufer

Einkäufer

Angebotspreis 100 100
Zielpreis 100 90
Harte Grenze 95 105

In diesem Beispiel hat der Einkäufer das Ziel noch tiefer zu gehen, obwohl der Verkäufer kaum noch Verhandlungsbereitschaft zeigt. Allerdings wäre für beide auch schon eine Einigung beim ursprünglichen Angebotspreis möglich.

 

Noch eine dritte Variante:

Verkäufer

Einkäufer

Angebotspreis 100 100
Zielpreis 110 90
Harte Grenze 100 95

In diesem Beispiel ist formal keine Einigung möglich. Der Verkäufer hat schon zum Tiefstpreis angeboten. Er sollte eigentlich mehr verlangen. Der Einkäufer hat allerdings andere Vorgaben, die so niedrig sind, dass keine Einigung machbar erscheint.

Gehen Sie in ein mentales Verhandlungstraining mit sich selbst

Probieren Sie die Übungen doch mal aus, um ganz einfach ein Gratis-Verhandlungstraining im eigenen Team durchzuführen. Und behalten Sie immer zwei Fragen im Kopf, wenn es „ans Eingemachte“ geht:

  • Habe ich die Lösung oder das Problem?
  • Mit welchem Ohr höre ich die Kundenaussagen?

Diese beiden Fragen sind nicht abschließend zu beantworten. Aber nehmen Sie diese beiden Fragen mit in Ihren Alltag und Sie bekommen sozusagen im Vorbeigehen Ihr eigenes Verhandlungstraining, um andauernd besser zu werden. Viel Erfolg!