In der Realität wird viel wertvoller Ertrag vorschnell verschenkt. Viele Verkäufer sind immer noch der Meinung, dass sie einen Auftrag nur dann bekommen können, wenn sie auch zu Preisverhandlungen bereit sind. Insbesondere Einkäufer und clevere Gesprächspartner nutzen dieses veraltete Handlungsmuster zu ihren Gunsten, indem sie versuchen, Verkäufer mit vermeintlichen Tiefpreisen, die die Konkurrenz angeblich gewährt, unter Druck zu setzen. In diesem Artikel erfahren Sie etwas über die psychologischen Hintergründe und worauf Sie konkret achten können, um sich nicht hereinlegen zu lassen. Es ist möglich, eine Preisverhandlung ohne Nachlässe oder Rabatte zu führen!
Schauen wir uns einmal einen Markt im Endverbraucherbereich an: Große Online-Versandhäuser wie Amazon bieten vor allem Elektrogeräte häufig zu einem niedrigeren Preis an, als es der stationäre Handel kann. Nicht selten kommt es deshalb vor, dass Kunden diese Preise im örtlichen Elektronikmarkt zur Sprache bringen und einen identischen oder besser noch einen niedrigeren Preis verlangen. Anfangs versuchten viele Händler noch, mit den Kampfpreisen des Internets mitzuhalten oder diese sogar zu unterbieten. Dieser Trend ist auch heute noch in einigen Märkten zu beobachten, wenngleich er doch nachgelassen hat, denn dem Endverbraucher ist mittlerweile wieder etwas anderes wichtiger geworden: Eine kompetente Beratung, ein ausgezeichneter Service und eine sofortige Verfügbarkeit seiner Ware. Für diese Vorteile gegenüber dem Onlinehandel ist ein Großteil der Kunden bereit, die Differenz zwischen den Online- und Offline-Preisen zu zahlen. Um dem Kunden einen Mehrwert bieten zu können, haben viele stationäre Händler sich in den letzten Jahren verstärkt auf genau diese Vorteile konzentriert. Aus diesem Grund lassen sich große Einzelhändler kaum noch auf eine Preisverhandlung ein – und das ist auch richtig so!
Wenn man nicht verhandeln will, fliegt man raus!
Vermutlich denken Sie jetzt, dass es in vielen Industrien einfach zum Brauchtum gehört, jedes Angebot zu verhandeln. Als Anbieter kann man sich nicht dagegen wehren, sonst fliegt man in hohem Bogen raus. Preisverhandlungen sind Pflicht! Aber stimmt das wirklich?
Erfolgreiche Marken wie Apple oder McDonald’s machen es vor: Ein fester Preis für ein Produkt über einen längeren Zeitraum, ohne wenn und aber – ein Festpreis muss kein Erfolgskiller sein.
Gehen wir einmal hiervon aus: Es gibt immer irgendeinen Anbieter, der es günstiger macht als Sie das können oder wollen. Oder wenigstens fast immer. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen ein günstigeres Angebot existiert, das aus Sicht des Kunden gleichwertig oder fast gleichwertig ist. Es ist also nicht verwunderlich, dass Einkäufer (oder Menschen, die sich in der Rolle des Einkäufers sehen) einen niedrigeren Preis fordern. Meistens mit der Begründung, dass es woanders angeblich diesen Preis gibt.
Ohne Nachlass: Festpreise verkürzen Verhandlungen auf ein Minimum
Einkäufer sind darauf trainiert, so lange über einen Preis zu verhandeln, bis vom Verkäufer ein klares Signal kommt, dass es sich bei dem angebotenen Preis um den Endpreis handelt und damit das Ende des Verhandlungsspielraumes erreicht ist. Die Grundregel lautet: Verhandle bis zum Imperativ!
Wenn Sie sich in die Perspektive eines Profi-Einkäufers begeben, dann können Sie seine Haltung verstehen. Aus der Verhandlungsposition des Einkäufers muss sichergestellt sein, dass er nicht unnötig viel bezahlt. Wenn es kein austauschbares Produkt, sondern ein Dienstleistungsprojekt ist, kann mangels echtem Vergleich gar nicht so leicht beantwortet werden, ob man überhöhte Preise bezahlt. Sicher könnte man feststellen, dass andere Anbieter günstigere Tagessätze haben, aber den Leistungsunterschied kann man im Vorfeld nicht prüfen. Das kann man ja selbst beim Friseur nicht. Sie wissen nunmal vorher nicht, ob ein Friseur, der 50 Euro für einen Haarschnitt verlangt, auch wirklich besser ist als einer, der 25 Euro verlangt.
Einkäufer bluffen und haben Erfolg damit
Einkäufer bluffen, indem Sie fragen, ob man am Preis noch etwas machen könne. Das tun sie oft, obwohl der Verhandlungspartner bereits der wirtschaftlichste Anbieter ist. Das ist eine Standard-Prozedur. Jetzt kommt es auf die Reaktion des Anbieters an. Wenn Sie im Konjunktiv antworten, wird weiter verhandelt. Beim Konjunktiv handelt es sich um Formulierungen wie: „Müsste man mal sehen…“, „Vielleicht könnten wir noch über eine Leistungsanpassung diskutieren …“, „Da sollten wir doch eine sinnvolle Vergleichsgrundlage heranziehen …“. Wenn solche Aussagen kommen, ist das geradezu eine Einladung an den Einkäufer, weiter zu verhandeln und bessere Preise zu fordern.
Konjunktiv eröffnet Möglichkeiten – Imperativ fordert Entscheidungen
Wenn jedoch im Imperativ geantwortet wird, ist das Ende der Preisverhandlung erreicht und eine Entscheidung muss getroffen werden: „Sie haben jetzt alle Fakten und dürfen bitte entscheiden“, „Jetzt können Sie selbst Ihre Wahl treffen“, „Alle Spielräume sind ausgeschöpft und ich kann Ihnen keinen Deut mehr entgegen kommen. Jetzt sind Sie dran …“
Ein Einkäufer, der seinen Job ernst nimmt, ist geradezu verpflichtet, weiter zu verhandeln, wenn Sie ihm durch den Konjunktiv weitere Möglichkeiten des Verhandlungserfolges andeuten. Er ist erst dann in der Lage eine Entscheidung zu treffen, wenn Sie ihm durch den Imperativ sprachlich anzeigen, dass er sich nun entscheiden muss. Kein Profi wird sich entscheiden, solange er sich nicht sicher ist, dass er sich entscheiden muss.
Wie wäre es also, wenn Sie in Ihren Verhandlungen von Anfang an einen realistischen Marktpreis für Ihre Lösung nennen, diesen als unverhandelbar kommunizieren und so auf zeitraubende Verhandlungen komplett verzichten? Lassen Sie uns sehen, wie Sie einen fairen Preis durchsetzen können, ohne dabei stur zu sein.
Preisverhandlungen ohne Rabatt: Überprüfen Sie Ihre Einstellung
Wenn es darum geht, sich auf einen sinnvollen Preis für ihr Produkt festzulegen, steht den meisten Verkäufern lediglich ihre eigene Einstellung im Weg. Wenn Sie sich einen Preis für Ihr Produkt überlegen, sollten Sie sich nicht fragen „Was ist ein guter Preis für mein Produkt?“, sondern „Was ist mein Produkt wert?“ Führen Sie sich vor Augen, welchen „Wert“ Ihr Produkt für Ihren Kunden haben wird. Wenn Ihr Kunde durch die Implementierung Ihres Produktes messbare Einsparungen oder Mehreinnahmen erzielen kann, dann berücksichtigen Sie dieses Wissen auch in Ihrer Preisgestaltung.
Warum fallen Festpreise so schwer?
Vielen Verkäufern fällt es schwer, ihr Produkt mit einem festen Preis zu versehen. Warum ist das so? Die Erklärung ist einfach: Wer eine Entscheidung einfordert, muss auch mit der Ablehnung leben. Und das macht Angst. Wer will schon ein „Nein“ hören, obwohl es eigentlich noch Verhandlungsspielraum gab? Also werden Verkäufer, solange sie sich noch einen Verhandlungsspielraum zurückbehalten haben, weiter verhandeln. Und diesen Spielraum zu verstecken fällt schwer. Wenn Sie nicht gerade ein professionell ausgebildeter Schauspieler sind, wird es Ihnen kaum gelingen, so zu tun, als ob Sie keinen Spielraum für Nachlässe mehr haben.
Selbst weniger geschulte Einkäufer erkennen intuitiv, wenn es bei Ihnen noch einen Spielraum gibt. Kleinste Gesten oder Formulierungen im Konjunktiv verraten Sie. Ich selbst stand zu Beginn meiner Selbstständigkeit oft vor diesem Problem: Bei jeder Verhandlung fragte ich mich: Ist das jetzt mein letzter Preis? Wie weit will ich noch runtergehen? Aber irgendwann wurde mir das zu anstrengend und ich kam an den Punkt, selbstbewusst sagen zu können: „Jetzt ist Schluss. Entweder Sie nehmen an oder Sie müssen sich einen anderen Dienstleister suchen.“ Das führte schließlich zu Entscheidungen. Nicht immer zu positiven, aber wer sich nur wegen des Preises nicht entscheiden wollte, den hätte ich ohnehin nicht genommen.
Ich beschloss also nur noch Festpreise zu nutzen, um mir so den Druck zu nehmen. Diese Festpreise überprüfe ich seit einigen Jahren regelmäßig zum Jahresanfang. Nur einmal pro Jahr mache ich mir also Gedanken über meine Preise, und dann sind diese unverrückbar. Immer. In Verhandlungen kann ich also entspannt bleiben. Ich muss nicht an meinem Preis zweifeln, denn der Preis ist fix. Auf diese Art und Weise finde ich Kunden, die den vollen Umfang meiner Dienstleistung zu schätzen wissen.
Verschenken Sie keine Erträge
Hat ein Unternehmen keine zentrale Preisstrategie, verschenkt es womöglich viele Erträge. Nehmen wir den Fastfoodriesen McDonald’s als Beispiel: Was wäre, wenn jeder Mitarbeiter der Burgerkette zehn Prozent Preisspielraum hätte? Wenn er den Hamburger, der einen Euro kostet, auch für 90 Cent verkaufen könnte? Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit würde es sich schnell rumsprechen, dass man bei McDonald’s verhandeln kann und jeder Kunde würde diese zehn Prozent Nachlass verlangen. Dies würde schlussendlich darin resultieren, dass der Erlös von McDonald’s um zehn Prozent sinkt.
Viele Unternehmen haben auch heute noch eine in der Hierarchie gestaffelte Preisflexibilität. Der Ranghöhere darf also mehr Nachlass geben als der Rangniedrigere. Der Chefverkäufer hat nach diesem Modell am meisten „Preiskompetenz“ und darf demnach die höchsten Rabatte aussprechen. Ich würde dieses System eher „Preisinkontinenz“ nennen. Es wird von jeder einkaufenden Organisation schnell durchschaut. Diese verhandelt dann nicht nur noch mehr, sondern erzwingt auch noch Managementreisen zu diesem Thema auf Ihre Kosten. Lassen Sie mich aus meiner Erfahrung sprechen: Es ist keine dauerhaft tragfähige Strategie, jeden Endpreis fallweise zu ermitteln. Große Unternehmen haben dies bereits erkannt und benennen daher für jeden einzelnen Markt einen Preisverantwortlichen, der Festpreise ermittelt. Der Verkäufer kann sich dann einzig und allein darauf konzentrieren, gute Verkaufsgespräche zu führen.
Etablieren Sie also Festpreise und befreien Sie sich selbst und Ihre Verkäufer von der Last, in jedem Verkaufsgespräch neue Preise verhandeln zu müssen. Haben Sie bereits Erfahrungen mit Festpreisen? Verzichten Sie schon auf Preisverhandlungen? Teilen Sie diese gerne mit mir in den Kommentaren.
Hallo Stephan,
..nicht „Was ist ein guter Preis für mein Produkt?“, sondern „Was ist mein Produkt wert?“ Dieser Satz hat es für mich richtig in sich. Herzlichen Dank für diesen Impuls, der gerade zur rechten Zeit kam.
Herzliche Grüße, Michael.
Gerne, Michael :-)
Hallo zusammen,
ich stimme Michael voll und ganz zu.
Auch wir sollten uns als Dienstleister nicht unter Wert verkaufen.
Billiger geht immer. Qualität mit einem für den Kunden messbaren Mehrwert stimmt am
Ende alle Parteien zufriedener.
Dann ist das von mir geforderte Honorar am Ende zweitrangig, wenn der Ertrag des Kunden
darüber liegt.
Herzliche Grüße und viele positive Menschen,
Armin