Das Ziel von Verkaufen ist, dass der Kunde eine Entscheidung fällt – und dazu ist es auch nötig, ein Preisgespräch zu führen. Manchmal kann er die Kaufentscheidung sofort beim allerersten Kontakt fällen. Bei Geschäftskunden sind jedoch fast immer mehrere Schritte notwendig. Und wenn man es genau betrachtet, dann sind die einzelne Schritte zur letzten Kaufentscheidung auch kleine Entscheidungen – etwa für einen nächsten Termin, ein Vorprodukt, oder einen Testlauf. Gerade jetzt, wo der weltweite Chipmangel sowie begrenzte Seefracht-Kapazitäten Preiserhöhungen bedingen, müssen Verkäufer emotionale Konflikte klären und Preisgespräche mit Plan führen.
In dieser Ausgabe werfen wir einen Blick hinter die Kulissen der Kundenentscheidung. Wir stellen den Homo oeconomicus auf den Prüfstand und finden heraus, ob wir wirklich so rational entscheiden, wie wir denken. Wir zerlegen den B2B-Entscheidungsprozess in drei Phasen und legen fest, welche Handlungen in den drei Abschnitten den Unterschied ausmachen. Schlussendlich räumen wir den Irrglauben aus, dass Alternativen die Entscheidung begünstigen.
Dieser Beitrag wurde am 10.01.2022 aktualisiert.
Preisgespräch bedeutet, den besten Preis auszuloten
Aus der Verhandlungsposition des Einkäufers muss sichergestellt werden, dass er nicht unnötig viel bezahlt. Wenn es kein austauschbares Produkt, sondern ein Dienstleistungsprojekt ist, kann mangels echtem Vergleich gar nicht so leicht beantwortet werden, ob man überhöhte Preise bezahlt. Sicher könnte man feststellen, dass andere Anbieter einzelne Elemente scheinbar günstiger anbieten. Zum Beispiel, weil sie günstigere Tagessätze haben. Aber den Leistungsunterschied kann man ja im Vorfeld nicht prüfen.
Dieses Problem lösen Einkäufer, indem sie sinngemäß fragen, ob man am Preis noch etwas machen könne. Jetzt kommt es auf die Reaktion des Anbieters an. Wenn im Konjunktiv geantwortet wird, muss weiter verhandelt werden: „Müsste man mal sehen…“, „Könnten wir noch über Leistungsanpassung diskutieren …“, „Sollten wir doch eine sinnvolle Vergleichsgrundlage heranziehen …“
Wenn jedoch im Imperativ geantwortet wird, ist Ende der Verhandlung und Beginn der Entscheidung: „Sie haben jetzt alle Fakten und müssen bitte entscheiden“, „Sie müssen selbst Ihre Wahl treffen“, „Ich kann keinen Deut (mehr) entgegen kommen. Jetzt sind Sie dran…“
Ein Einkäufer ist geradezu verpflichtet, weiter zu verhandeln, wenn Sie ihm durch den Konjunktiv weitere Möglichkeiten des Verhandlungserfolges andeuten. Und er ist erst dann in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, wenn Sie ihm durch den Imperativ sprachlich anzeigen, dass er sich nun entscheiden muss. Kein Profi wird sich entscheiden, solange er sich nicht sicher ist, dass er sich entscheiden muss.
Wann ist was wichtig?
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Wohnhaus geerbt. Ein kleines, aber feines Wohnhaus mit vier Wohnungen in einer Kleinstadt. Groß genug, um interessant zu sein, aber zu klein, um alleine davon leben zu können. Und das Gebäude ist renovierungsbedürftig: 1958 gebaut, ist die damals installierte Ölheizung nicht mehr lange tragbar. Sie wissen, dass Sie früher oder später renovieren müssen.
Nehmen wir an, Sie nutzen die Gelegenheit, dass die Fachmesse „Haus-Bau-Energie“ stattfindet und Sie besuchen die Messe, um sich über neue Heizungsanlagen zu informieren. Sie betreten einen professionell aufgemachten Stand, ein freundlicher Mensch spricht Sie an und Sie erklären ihm Ihre Ausgangslage. Er stellt ein paar Fragen zum Objekt und Sie sagen ihm alles, was Sie wissen: Anzahl der Wohnungen, Quadratmeter der Gesamtwohnfläche, Anzahl der Stockwerke, Anzahl der Heizkörper, Baujahr etc. Irgendwann sagt der Berater, dass er Ihnen sicher eine gute neue Heizungsanlage verkaufen kann. Und Sie fragen als nächstes, was Sie das ungefähr kosten wird.
Was denken Sie, wird der bemühte Verkäufer eines Heizungsunternehmens jetzt wohl sagen? Ich befürchte, er wird etwas sagen wie: „Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Da müssten wir erst noch weitere Informationen haben.“ Hhhhm. Was denken Sie jetzt? Was werden Sie als nächstes tun? Vermutlich werden Sie sich freundlich bedanken und zum nächsten Heizungsanbieter gehen, weil dieser ja offenbar inkompetent ist und selbst nicht weiß, was seine Leistung kostet.
Klarheit oder Inkompetenz im Preisgespräch?
Kommt Ihnen das von Ihren Kunden bekannt vor? Ich meine, dass diese nach dem Preis fragen, obwohl Sie noch nicht abschließend geklärt haben, welchen Umfang die Lösung haben wird? Dass ein Angebot gefordert wird, obwohl weder das Problem noch der Umfang der Lösung genau beschrieben wurde. Warum verhalten sich Kunden so irrational?
Die Erklärung ist relativ einfach. Wenn der Kunde zu Beginn nach dem Preis fragt, meint er nicht: „Was kostet es genau?“, sondern er will eigentlich fragen: „Kann ich mir das leisten?“ bzw.: „Passt der Preis zum Nutzen?“ Und diese Fragen zu beantworten ist doch ganz leicht.
Gehen wir noch einmal zu unserem Beispiel mit der neuen Heizung. Sagen wir, die Wohnungen haben in Summe 300 qm und die Mieteinnahmen sind 7,50 Euro pro qm und Monat. Also haben Sie Mieteinnahmen von rund 27.000 Euro im Jahr. Das wissen Sie auswendig. Natürlich haben Sie auch im Kopf, dass man das Objekt für ca. 500.000 Euro verkaufen könnte und Sie deshalb sicher einen Kredit über 50.000 Euro, 100.000 Euro oder mehr bei der Bank bekommen würden. Diese Daten sind sozusagen Ihre unternehmerischen Entscheidungskriterien.
Kunden wollen entscheiden können
Welche Möglichkeiten haben Sie jetzt? Lassen wir die Variante „Verkauf der Immobilie“ einmal weg. Denn diese Möglichkeit hätte ja auch jeder Unternehmer jederzeit, wenn er ein Problem in seinem Unternehmen sieht. Die anderen Alternativen sind:
- eine Lösung finden und realisieren oder
- noch warten.
Und um diese erste Entscheidung zu treffen, müssen Sie die möglichen Kosten bzw. Investitionssummen dem Nutzen gegenüberstellen. Wenn der Vergleich nicht eindeutig den Nutzen überwiegen lässt, werden Sie vermutlich noch mit der Entscheidung warten.
In dieser Phase des Entscheidungsprozesses geht es also nicht um den genauen Preis. Es geht um die generelle Abwägung. Wenn Sie jetzt fragen: „Was kostet die neue Heizung?“, dann ist es in dieser Phase noch egal, ob sie 30.000 oder 40.000 Euro kosten würde. Für Sie ist jetzt nur wichtig zu entscheiden, ob das Angebot des Heizungsbauers für Sie erschwinglich und rentabel ist.
Entscheidungen erst ermöglichen, dann vorantreiben
Die erste Teilentscheidung nach der Erschwinglichkeit ist gegeben. Selbst wenn Sie jetzt nicht in der Lage sein sollten, 40.000 Euro aufzubringen. Jede Bank würde Ihnen gerne einen günstigen Kredit geben, um die Renovierung zu finanzieren. Die Raten für den Kredit könnten Sie selbst bei überhöhten Zinsen ganz leicht von den Mieteinnahmen bezahlen. Also können Sie es sich leisten.
Der zweite Teil der Entscheidung bezieht sich auf die Rentabilität der Investition. Das ist schon schwieriger zu beantworten. Lohnt es sich, es jetzt zu tun? Warum nicht erst zum nächstem Jahr? Wenn es nur kostet, aber nichts bringt, dann kann man ja problemlos noch warten. Vielleicht sinken die Preise sogar noch. Oder vielleicht entsteht gar eine völlig neue Lösung, die Sie jetzt noch nicht erkannt haben.
Wie können wir als Verkäufer und Berater die Mechanismen der Entscheidungsfindung bei unserer Arbeit besser berücksichtigen? Wie können wir zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Dinge tun, um die Entscheidung für den potenziellen Kunden zu vereinfachen?
Phase 1 des Preisgesprächs – Bedarf definieren
Der Preis hat ganz zu Anfang in dieser Phase hohe Bedeutung. Dann gerät er bis zur dritten Phase des Preisgesprächs in Vergessenheit. Das Problem ist wichtig und wird im besten Fall im Verlauf sogar noch gesteigert. Erste Ansätze zur Lösung werden diskutiert. Risikogefühl gibt es jetzt noch nicht. In dieser Phase will der Kunden seinen Bedarf prüfen.
Er fragt sich:
- Muss ich wirklich etwas ändern?
- Was brauche ich?
- Was kostet es?
Die Aufgabe des Verkäufers ist es jetzt, den Bedarf zu entwickeln. Er kann jetzt eine Vision von der Lösung erschaffen. In dieser Phase ist die Persönlichkeit des Verkäufers und seine Überzeugungskraft besonders wichtig.
Phase 2 – Möglichkeiten untersuchen
Preis und Risiko sieht der Kunde im Moment nicht als wichtig an. Die Lösung ist jetzt das Wichtigste. Das Problem wird durch die Dominanz der angebotenen Lösung(en) in den Hintergrund gedrängt. Der Kunde will jetzt Alternativen prüfen.
Er stellt sich diese Fragen:
- Löst das mein Problem?
- Was davon trifft meinen Bedarf?
- Wie kann ich es verifizieren?
Der Verkäufer sollte sich an dieser Stelle im Preisgespräch darauf konzentrieren, einen Beweis für seine Leistungsfähigkeit zu schaffen und zu zeigen, wie die Möglichkeiten der Lösung zu der Vision des Kunden passen. Ein guter Verkäufer hilft dem Kunden dabei, eine Wertvorstellung von der Lösung zu entwickeln und den Entscheidungsdruck durch freigelegte Schmerzen zu erhöhen. In dieser Phase ist die Lösung und ihr konkreter Nutzen für den Kunden relevant.
Phase 3 – Risiko abschätzen
Jetzt sind Preis und Risikogefühl für den Kunden sehr dominant. Das Problem ist in den Gesprächen mit den Anbietern wegdiskutiert worden. Auch die Vision des Nutzens könnte jetzt verblassen. In dieser Phase steht der Kunde kurz davor, sich zu entscheiden.
Er fragt sich:
- Soll ich es tun?
- Was sind die Konsequenzen?
- Ist das der beste Preis, den ich bekommen kann?
Der Verkäufer sollte sich jetzt darauf konzentrieren, den Auftrag zu holen. Erst jetzt ist es sinnvoll, zu „closen“. Erst jetzt kann man eine Entscheidung herbeiführen. Gute Verkäufer helfen dem Kunden in diesem Moment dabei, die Angst vor den Konsequenzen realistisch zu sehen. Erst in dieser Phase spielen das Unternehmen des Verkäufers und seine Reputation eine große Rolle.
Preisgespräch: Preise nennen ohne Preis zu nennen
Gehen wir nochmals zurück zu unserem Beispiel mit der Heizungsanlage.
In Phase 1 kann der Verkäufer noch kein fundiertes Angebot machen. Aber er muss eine Aussage treffen, die zeigt, dass der Kunde es sich leisten kann. Und ideal ist es, wenn er zusätzlich noch eine Aussage zur Rentabilität machen könnte.
Hier eine Idee: „Die neue Anlage reduziert die Heizkosten in Ihrem Fall um schätzungsweise 1,30 Euro pro qm. Wenn Sie diesen Betrag auf die Miete umlegen, dann hat sich die Investition nach etwa zehn Jahren von selbst bezahlt gemacht, ohne dass Sie oder Ihre Mieter auch nur einen Euro pro Monat mehr Belastung haben. Ganz abgesehen davon, dass der Wert des Objektes enorm steigt. Und wenn Sie 2 Euro pro qm umlegen können, dann ist das nach sechs Jahren schon erreicht.“
Mit dieser Aussage kann der Kunde etwas anfangen. Er kann sofort den nächsten Schritt gedanklich mitgehen, weil er weiß: „Das kann ich mir leisten!“
Woher soll ein Verkäufer solche Aussagen zur Investitionssumme ad hoc treffen können? Nun, wenn man ganz genau hinsieht, dann lässt sich bestimmt in jeder Branche eine solche Kalkulationsformel auf der Basis von für den Kunden relevanten Zahlen herstellen. In diesem Fall sind es die Quadratmeter. In meiner Branche sind es beispielsweise die Ausbildungskosten pro Mitarbeiter im Vertrieb und der Beratung. Wenn ich gefragt werde, was die Zusammenarbeit mit mir kostet, bevor ich Genaueres einschätzen kann, dann lautet meine fundierte Aussage: „Wenn Sie von plus-minus zehn Mitarbeitern ausgehen, dann können Sie kalkulatorisch von 130 Euro pro Mitarbeiter und Monat ausgehen“. Das ist für jedes solide Unternehmen finanzierbar, so dass wir als nächstes im Gespräch die individuell durch meine Mitarbeit erzielbaren Zusatzerlöse herausfinden können.
In Phase 2 wird der professionelle Verkäufer vor allem verstehen, was genau für den Kunden relevant ist.
In der Phase 3 geht es darum, die Entscheidung zu bekommen. Ein wenig so, als würde der Verkäufer wie ein Geburtshelfer die Kundenentscheidung entbinden. Das kann man nicht beschleunigen, wenn der Kunde noch nicht reif dafür ist. Aber man darf es auch nicht dadurch gefährden, dass man die richtigen Kniffe nicht kennt, wenn es zur Sache geht.
Immun gegen Emotionen beim Preisgespräch
Weil wir dazu tendieren, im Preisgespräch emotional zu reagieren, ist es hilfreich, sich diese drei Punkte immer wieder klar zu machen und uns so auf den sachlichen Kern der Botschaft zu besinnen:
- Wenn Sie sich selbst in die Haltung bringen, dass Sie „über alles reden können, nur nicht über den Preis“, dann verschaffen Sie sich Preisstabilität. So blenden Sie die Möglichkeit, den Preis zu reduzieren, komplett aus. Sie wollen nicht darüber reden. Dadurch schaffen Sie sich selbst den Freiraum und die mentale Kapazität, über andere wichtige Punkte zu sprechen. Sie können sich auf den Nutzen und dessen Wert konzentrieren und eventuell noch einmal genau untersuchen, ob Sie verstanden haben, welchen monetären Nutzen der Kunde sich genau erwartet. Weil Sie Rabatt und Discount komplett ausblenden, können Sie sich weiterhin auf das Wesentliche konzentrieren.
- Verschließen Sie Ihre Ohren gegen störende Emotionalisierungen der Kundenaussagen und verstärken Sie dafür die Sach-Informationen. „Sie wollen doch etwas verkaufen! Dann müssen Sie mir schon ein bisschen entgegenkommen.“ So oder so ähnlich kann die Aussage des Einkäufers im Preisgespräch lauten. Er versucht, Ihnen das Problem unterzuschieben. Wer das Problem hat, muss folgen und wer die Lösung hat, kann führen. Wenn Sie denken, Sie hätten das Problem, dann werden Sie sich führen lassen. Das will der Einkäufer so. Schließlich ist seine Ausgangssituation schlechter: Er muss etwas beschaffen. Er hat in Wirklichkeit das Problem. Eigentlich müsste er Ihnen folgen, weil Sie eine Lösung anbieten. Aber wenn er gut ausgebildet ist, schafft er es, Ihnen das Problem unterzujubeln. Dann denken Sie, „Ich muss den Auftrag holen“ und dann werden Sie sich führen lassen. Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht durch diesen Trick in eine ungünstige emotionale Haltung bringen lassen. Bleiben Sie in der Position des Problemlösers und behalten Sie die Führung im Gespräch.
- Achten Sie darauf, dass Sie mit Ihren Aussagen die Entscheidung des Einkäufers erst möglich machen, indem Sie klar machen, dass die Verhandlung beendet ist und die Entscheidung beginnen kann. Erst wenn Sie durch Ihre klare Aussage verdeutlichen, dass keine Verhandlung (mehr) möglich ist, wird der professionelle Einkäufer eine Entscheidung treffen können. Solange Sie vage bleiben und Worte wie „könnte, würde, wäre, …“ verwenden, laden Sie den Einkäufer förmlich dazu ein, weiter zu verhandeln. Eine Entscheidung kann erst fallen, wenn Sie sehr vehement sagen: „Jetzt können Sie sich entscheiden. Das Ende der Verhandlung ist erreicht.“ Ein Einkäufer, der vor diesem Moment eine Entscheidung trifft, würde seinen Job nicht gut machen.
Wenn Sie diese Punkte in Ihrer Preisverhandlung berücksichtigen, werden sie wesentlich seltener „über den Tisch gezogen“. Sie können die Praktiken von gut geschulten Einkäufern entlarven und zurück zu einer Preisgesprächsführung auf Augenhöhe wechseln.
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