Der souveräne Umgang mit Einwänden ist bestimmt eine der wichtigsten Fähigkeiten im Verkauf. Ganz besonders dann, wenn es um den zu-teuer-Einwand geht. Viele, selbst erfahrene Verkäufer, scheitern an dieser Stelle. Das muss aber nicht sein, wenn man als Verkäufer die richtigen Werkzeuge einsetzt. Dieser Beitrag lädt Sie zu einem Ausflug in die Psychologie ein und erklärt, wie wir Einwände vermeiden können, statt sie zu „behandeln“.

„Bitte vergiss deinen Schal nicht – Die Nächte sind noch kühl!“. Wenn Sie das hören, welche Reaktion kommt Ihnen in den Sinn? Klingt das eventuell wie ein in der Pubertät oft gehörter, gut gemeinter Rat? Sehen Sie schon die Person, die das sagt, vor Ihren Augen? Selbst wenn Sie diesen Satz noch nicht gehört haben sollten, vielleicht können Sie dennoch nachvollziehen, was dieser Satz vermutlich auslöst – nämlich Trotz.

Eine Stimme in Ihrem Kopf sagt jetzt so etwas wie „Ich kann selbst entscheiden, wann ich einen Schal brauche!“ und Sie spüren den Impuls, trotzig zu reagieren – oder man könnte sagen, einen Einwand zu bringen. Aber warum nur? Dieses Hilfsangebot war doch sicher ganz lieb gemeint. Die vermutlich mütterlich fürsorgliche Person, die Ihnen den Schal empfiehlt, meint es doch sicher gut. Und vielleicht ist es auch sachlich begründet, weil es wirklich abends noch zu kühl ist, um draußen zu sitzen ohne sich zu wärmen.

Wenn es also gut gemeint und sachlich begründet ist – warum verspüren wir dann dennoch den Impuls, ablehnend und rebellisch zu reagieren? Wenn man sich zur Erklärung dieser Reaktion ein psychologisches Modell heranzieht, dann wird das schnell klar.

Einwände kann man komplett vermeiden, wenn die eigene Psyche mitspielt

Einwand © Fotolia/vege

Vermeiden Sie Einwände mit der Transaktionsanalyse.

Dazu darf man ein Modell aus der klassischen Psychologie verstehen, mit dem man die Reaktionen auf Aussagen erklären kann, die zumindest inhaltlich unverständlich sind.

Das Modell kommt aus der „Transaktions-Analyse“ und beschreibt drei „Ich-Zustände“, aus denen unsere Persönlichkeit zusammengesetzt ist. Diese drei Teile nennt man Eltern-Ich, Kindheits-Ich und Erwachsenen-Ich. Lassen Sie mich diese drei Zustände unserer Persönlichkeit kurz skizzieren und danach können wir uns erarbeiten, weshalb wir in unserem beruflichen Alltag davon profitieren können, wenn wir das Modell verstehen.

Das Eltern-Ich ist der Teil unserer Persönlichkeit, der von außen geprägt wurde. Es wird durch Eltern, Großeltern, Geschwister, Lehrer, Trainer und andere Vorbilder geformt. Man nennt es auch das programmierte Ich, weil von außen Wertvorstellungen, Regeln, Moral und Vorurteile in unsere Persönlichkeit gelangen.

Das Eltern-Ich provoziert Einwände

Und man könnte das Eltern-Ich noch in zwei Hauptbestandteile unterteilen, die man kritisches und fürsorgliches Eltern-Ich nennt. Das kritische Eltern-Ich produziert in erster Linie mehr oder weniger freundliche Zurechtweisungen. Wenn jemand im kritischen Eltern-Ich ist, dann wird er freundlich bis wütend darauf hinweisen, dass er Recht hat und jemand anderes nicht. Feste Regeln, wie: „Männer weinen nicht“, „Der Kunde hat immer Recht“ oder „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ sind solche typischen Botschaften, die über das Eltern-Ich Kontrolle über unser Handeln ausüben.

Das unterstützende Eltern-Ich produziert ungefragt Hilfsangebote. „Wenn Sie das so machen, geht es leichter“, „Wir haben für Sie ein Angebot erstellt“ oder „Wir möchten Ihnen dabei helfen, dass…“ wären solche Formulierungen aus diesem Teil des Eltern-Ichs.

Das Kind in uns erfindet Vorwände oder Einwände

Im Schwerpunkt Verkaufsgespräche haben wir bereits in einem Beitrag genauer den Unterschied zwischen Einwand und Vorwand untersucht und festgestellt, dass es keinen relevanten Unterschied gibt. Also konzentrieren wir uns auf die psychologische Erklärung, warum es Einwände und Vorwände überhaupt gibt.

Das Kindheits-Ich ist der zweite Bereich unserer Persönlichkeit, der dem entspricht, was trotz Erziehung von unserer Kindheit übrig geblieben ist. Es besteht aus vier Elementen:

  1. Dem natürlichen Kind, das unsere echten und tiefen Gefühle enthält.
  2. Dem kreativen kleinen Professor, das neugierig und schaffensfroh ist, neue Ideen hat und alles erforschen will.
  3. Das angepasste Kind, das sich unterwürfig verhält und sich stumm dem Willen Anderer beugt.
  4. Das rebellische Kind, das sich allem und jedem widersetzt und sofort auf die Barrikaden geht.

Auf Augenhöhe kommunizieren heißt erwachsen kommunizieren

Das Erwachsenen-Ich ist der dritte Teil der Persönlichkeit, der erst im Laufe der Pubertät entsteht, sobald wir erkennen, dass wir selbst für unsere Handlungen verantwortlich sind. Es ist dafür da, die Impulse aus dem Eltern- und Kindheits-Ich zu dämpfen und nur das zuzulassen, was wir auch wirklich äußern wollen – was sicherlich nicht immer gelingt.

Bevor wir uns mit den psychologischen Zusammenhängen von Argumenten und Einwänden beschäftigen, sehen wir uns dazu einmal typische Dialoge an und konzentrieren uns auf das, was zwischen den Worten ausgedrückt wird und wie wir darauf zumeist reagieren.

Ich-Zustände bestimmen unsere Reaktion auf Argumente

ich-zustaende_155_03_ki-elWie bereits erwähnt, stammt das Modell der drei Ich-Zustände aus der Transaktionsanalyse, die sich so nennt, weil sie die Wirkungsweise von verbalen und nonverbalen Botschaften untersucht. Die zentrale These lautet, dass wir unsere Kommunikation immer aus einem der drei Ich-Zustände heraus senden und dadurch die Reaktion der Gesprächspartner vorherbestimmen. Das heißt, wenn wir eine Botschaft aus dem Kindheits-Ich senden, dann wird oft eine Reaktion aus dem Eltern-Ich antworten und umgekehrt. Nur Botschaften aus dem Erwachsenen-Ich locken eine Reaktion auf Augenhöhe aus dem Erwachsenen-Ich des Gegenübers. Lassen Sie uns ein paar Beispiele untersuchen.

A: „Ich habe eine tolle Idee: Wir sollten ab sofort allen neuen Kunden einen Blumenstrauß schicken und uns für das Vertrauen bedanken!“

B: „Unsinn. Das ist viel zu teuer und außerdem bringt das nichts.“

A: „Heute bei dem schönen Wetter würde ich am liebsten draußen arbeiten!“

B: „Du kannst ja heute Abend auch noch auf dem Balkon sitzen, wenn du Feierabend hast.“

In beiden Fällen können wir das Kind in der Äußerung fast schon sehen. Es hat eine kreative Idee oder äußert ein spontanes Gefühl. Und die Antwort kommt nicht wirklich auf Augenhöhe. Sie ist in einem Beispiel kritisch und zurechtweisend und im anderen Beispiel bietet Sie einen Lösungsvorschlag, der jedoch nicht gefragt war.

So fordern Sie Ihre Kunden zu einem Einwand auf, ohne es zu wollen

ich-zustaende_155_04_el-kiWenn eine Aussage aus dem Eltern-Ich kommt, dann ist eine Reaktion aus dem Kindheits-Ich zu erwarten. Allerdings kommt die Reaktion hier fast immer aus dem rebellischen Kind – zumindest in West-Europa.

A: „Nur mit der XY-Methode werden die besten Resultate erzielt.“

B: „Das kann man so nicht sagen, denn auch mit der AB-Methode haben wir schon gute Resultate erzielt!“

A: „Wir haben ein Konzept für Sie erarbeitet, dass genau Ihr Problem löst.“

B: „Wenn es so einfach wäre, wären wir schon längst selbst draufgekommen!“

Es mag in anderen Teilen der Welt durchaus vorkommen, dass man auch im Geschäftsleben unterwürfige Reaktionen auf Äußerungen aus dem Eltern-Ich erlebt, aber in der freien Welt ist das seltener und in unserer Sozialisierung in West-Europa reagieren die meisten Menschen rebellisch auf jede Art von zur Schau gestellter Macht. Und nichts anderes als eine Machtdemonstration bzw. Überlegenheit ist jede Äußerung aus dem Eltern-Ich, sei sie noch so „gut gemeint“ oder „sachlich richtig“.

Wenn Sie in geschäftlichen Situationen völlig zu Recht und gestützt durch Ihre fachliche Kompetenz etwas vorschlagen, dann ist es oft leider so, dass Sie das rebellische Kind Ihres potenziellen Kunden ansprechen und von dort Widerspruch erfahren. Im schlimmsten Fall merken Sie das nicht, weil der Kunde seine spontane Erwiderung höflich unterdrückt und Sie seine Ablehnung nicht sofort erkennen.

Einwände und Vorwände clever vermeiden

ich-zustaende_155_02_er-erWie kann man also auf Augenhöhe im Erwachsenen-Ich bleiben? Nun, es ist zumindest in der Theorie ganz einfach: Indem man Aussagen auf sich bezieht und nicht den anderen beurteilt oder indem man ehrliche und offene Fragen stellt.

Die eine der beiden typischen Äußerungen bezieht sich auf den Unterschied zwischen Ich-Botschaften und Du-Botschaften. Wenn wir sinngemäß sagen „Du bist…“ dann ist das eine Wertung, die wiederum überheblich ist. Man hebt sich über den Anderen und urteilt. Das ist eine typische Aussage aus dem Eltern-Ich. Alternativ kann man solche Aussagen auch ohne Wertung formulieren. Dann lässt man den Bezug zum Anderen und damit die Wertung weg: „Ich sehe/fühle/denke…“

Also statt: „Sie haben eine veraltete Software“ kann man immer alternativ formulieren: „Ich sehe im direkten Branchenvergleich wesentlich modernere Softwarelösungen“.

Einwände verhindern mit offenen Fragen

Die andere Form der Botschaft aus dem Erwachsenen-Ich ist die schon besprochene ehrliche und offene Frage. Ehrlich, weil wirklich eine Antwort erhofft wird und nicht nur eine verdeckte Botschaft gesendet wird. Die vermeintliche Frage der Mutter: „Wann willst Du eigentlich dein Zimmer aufräumen?“ gilt rein semantisch als Frage, ist aber wohl eher als Aufforderung zum Aufräumen gemeint. Und das ist eben nicht ehrlich, weil eine Aufforderung hinter der Frage versteckt ist. Eine ehrliche Frage will auch wirklich eine Antwort hervorbringen, die dem Fragesteller eine Information liefert.

Wenn eine Frage zwar ehrlich gemeint aber geschlossen formuliert ist, ergibt sich eine andere Problematik. Jede geschlossene Frage steht grundsätzlich unter dem Verdacht, eine Unterstellung zu sein. Beispielsweise „Leiden Sie auch unter Fußpilz?“ mag neutral gemeint sein, aber beim Empfänger kommt vermutlich die Unterstellung an, der Befragte habe Fußpilz, auch wenn das vom Fragesteller nicht direkt behauptet wurde.

Wenn Sie sich angewöhnen, Ihre „Transaktionen“ aus dem Erwachsenen-Ich zu senden, können Sie die Qualität Ihrer Unterhaltungen enorm verbessern. Das ist nicht immer leicht, weil wir gerade dann, wenn wir „blöd angemacht“ werden, eben impulsiv reagieren wollen. Allerdings zeigt es sich, dass beispielsweise Personal im Service – allen voran das fliegende Personal bei Fluggesellschaften – sehr gut lernen kann Beschwerden und Angriffe nicht persönlich zu nehmen und auf Augenhöhe zu reagieren.

Zustimmung statt Einwände

Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Ego professionell zu falten und einzurollen und zumindest für die Dauer des Kundengespräches nicht unkontrolliert zu reagieren, ist das gut für Sie. Wenn Sie aufmerksam ins Gespräch gehen, dann wird es wesentlich einfacher zu verstehen und Einwände gar nicht erst entstehen zu lassen. Es ist eine Übung in Zurückhaltung und sozusagen ein Dressur-Akt des eigenen Egos. Und wenn Sie entspannt aber kontinuierlich daran arbeiten, werden Sie schon bald gute Resultate erzielen.

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