Im Umgang mit Geschäftskunden ist es, ganz im Gegensatz zum Verkauf an den Konsumenten, an der Tagesordnung, dass mehr als eine Person auf der Seite des Kunden ins Spiel kommt. Dabei stellt sich die Frage: Wie finde ich heraus, wer wirklich der Entscheider ist?
„Buying center“ lautet der Fachbegriff für die Gruppe unterschiedlicher Personen, die bei Geschäftskunden an der Kaufentscheidung mitwirken. Damit ein Verkaufsgespräch gelingt, ist es von Vorteil, dass wir die unterschiedlichen Rollen der Menschen verstehen und jeweils richtig behandeln.
Vier Typen von Ansprechpartnern
Mein Modell mit nur vier Ansprechpartnern will es Verkäufer erleichtern, Entscheidungen zu treffen und sich mit den relevanten Personen über die wichtigen Dinge zu unterhalten.
Der Entscheider
Das ist die Schlüsselperson für Ihre Vertriebsarbeit. Alle anderen Personen sind wichtig, aber letzendlich nicht entscheidend. Jede größere Investition können Sie nur mit dem Entscheider unterschriftsreif verhandeln.
Der Entscheider
- hat mehrere Alternativen und kann sich für eine entscheiden
- will Anerkennung für eine gelungene Initiative oder ein profitables Projekt
- interessiert sich für den Gegenwert der Investition, den ROI (Return on Investment); dabei ist er tendenziell angstfrei, wenn auch nicht blauäugig
- ist Experte darin, Entscheidungen zu treffen. Er ist grundsätzlich bereit, ein Risiko einzugehen
- denkt zuerst an das Ergebnis »Was haben wir davon?«. Außerdem wägt er ab »Was riskiere ich?«
Nur, wenn Sie die unverfälschte Perspektive des Entscheiders kennen, können Sie später wirklich ein passendes Angebot machen. Dazu ist es wichtig, dass Sie das Motiv, den Handlungsdruck und die Zielvorstellung kennen. Es ist Ihre Aufgabe im Verkaufsgespräch, diese Komponenten für eine spätere Entscheidung zu ermitteln.
In der Praxis treffen wir jedoch nicht immer sofort auf den Entscheider. Häufiger anzutreffen sind folgende Personen:
Der Empfehler
- sucht Anbieter, die eines seiner Probleme lösen können, will seine Arbeitsumgebung verbessern oder verfolgt durch die Anschaffung ein persönliches Interesse
- spricht (Kauf-)Empfehlungen aus, die jedoch häufig ignoriert werden, denn er hat keine Entscheidungsmacht
- hat eine klare Vorstellung davon, was »an der Basis« gebraucht wird, weiß jedoch wenig über die Denkweise der Führung
- ist gesprächig, liefert auf Nachfrage gute Hinweise zu Problemen und Hintergrund-informationen über die Organisation
Der größte Fehler von Verkäufern: Sie verfangen sich im Gespräch mit dem Empfehler, denn Empfehler reden liebend gerne über Fachthemen und finden das, was Sie verkaufen wollen, fast immer gut. Kritischer ist:
Der Beeinflusser
- will sich neutral, korrekt und »richtig« verhalten. Er möchte revisionssicher sowie unbeeinflusst die beste Auswahl aus mehreren Alternativen treffen
- reagiert negativ, wenn er sich beeinflusst oder manipuliert fühlt
- steht neuen Ideen und Ansätzen, die den ursprünglichen Lösungsgedanken erweitern, kritisch gegenüber
- tendiert dazu, Nachteile zu betonen, übermäßig kritisch zu denken und Argumente zu entkräften
Dieser Typ ist bei Verkäufern eher unbeliebt. Vielleicht auch deshalb, weil das alte Standardrezept aus der Verkäuferschule, nämlich eine gute Beziehung aufzubauen, bei ihm nicht funktioniert. Der Beeinflusser will und muss unabhängig sein. Deshalb verhält er sich distanziert und orientiert sich nur an Fakten. Das Beste, was ein Verkäufer mit ihm machen kann, ist, ihn wertfrei und vollständig zu informieren.
Versuchen Sie nicht, den Beeinflusser zu beeinflussen. Jeder Versuch, ihn von einer (subjektiv) objektiven Untersuchung abzubringen, wird er als unlautere Beeinflussung werten. Am besten liefern Sie ihm einfach die Fakten und sonst nichts. Fakten dürfen Sie ihm aber reichlich zur Verfügung stellen.
Wie finde ich heraus, wer wirklich der Entscheider ist?
Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob Ihr Gesprächspartner tatsächlich der Entscheider ist, können Sie diesen einfachen Satz zur Klärung nutzen:
„Wie ist in Ihrem Hause in diesem Fall der Ablauf der Entscheidungsfindung?“
Dieser Satz wirkt wie ein Universalschlüssel und ist wesentlich besser als jede geschlossene Frage à la „Sind Sie der Entscheider?“
Wenn Sie diese offene Frage stellen, bekommen Sie vielleicht als Antwort ein resolutes: „Das entscheide ich!“ Jetzt ist es sinnvoll, noch eine weitere Frage hinterherzuschicken:
„Wer unterschreibt nach Ihnen?“
Jetzt könnte eine Antwort kommen, die darauf hinweist, dass Sie es mit einem Empfehler oder Beeinflusser zu tun haben. So eine Antwort könnte wie folgt lauten: „Ich lege das noch meinem Chef vor, der unterschreibt aber alles, was ich ihm empfehle…“. In dem Fall wäre ich aber misstrauisch.
Noch offensichtlicher ist eine Antwort wie „Wir holen mehrere Angebote ein, die dann der Geschäftsleitung vorgelegt werden. Jetzt ist es noch offensichtlicher, dass es sich um einen Beeinflusser handelt.
Es könnte auch sein, dass Sie es mit dem Entscheider zu tun haben und dieser dennoch nicht endgültig die Entscheidung trifft. In größeren Unternehmen gibt es oft höher gelagerte Instanzen oder Gremien, die eine getroffene Entscheidung erst noch bestätigen müssen. Diese sind:
Der Abzeichner
- hat eine Veto-Macht und kann Entscheidungen zwar nicht treffen, aber verhindern
- interessiert sich für die Erfüllung seiner Überwachungs- oder Kontroll-Aufgabe
- will den Wert des Unternehmens nachhaltig steigern
- denkt strategisch: »Wie stellen wir uns auf?«
Für Sie als Verkäufer ist es entscheidend, zu erfahren, ob es wesentliche, übergeordnete Gründe geben könnte, ein Veto gegen die Entscheidung einzulegen. Abzeichner haben kein Interesse daran mit Verkäufern zu sprechen. Und zwar deswegen, weil sie sich erst mit einer Entscheidung beschäftigen wollen, wenn sie vom Entscheider getroffen wurde. Des¬halb werden sie vermutlich jeden Kontakt zum Verkäufer vor der Entscheidung verweigern.
Der Abzeichner will sicherstellen, dass die Entscheidung des Entscheiders nicht nachträglich als unsinnig oder überprüfenswert angesehen werden kann. Der Entscheider wird Sie dabei unterstützen, die Werte der Abzeichner zu verstehen, damit Sie in Ihrem späteren Angebot mögliche Gründe für ein Veto zu vermeiden können.
Wenn Sie sicher sein wollen, dass Sie ver¬stehen, was der Kunde kaufen wird, geht kein Weg am Entscheider vorbei. Selbst wenn der Empfehler und der Beeinflusser es gut mit Ihnen meinen und Ihnen aus ihrer Sicht klar sagen, dass Sie der beste Anbieter sind, heißt das noch lange nicht, dass das auch aus Sicht des Entscheiders so ist. Als Profi müssen Sie also die Sicht des Entscheiders kennen, um den Ausgang einer Kaufentscheidung beurteilen zu können.
Aus der Praxis meiner 15 Jahre als Verkaufstrainer weiß ich, dass es immer wieder ganz bestimmte Fragen aus der Praxis gibt, die meine Teilnehmer beschäftigen. Vielleicht helfen Ihnen meine Antworten auf diese Fragen.
Was tue ich, wenn es mehrere Entscheider gibt?
In diesem Modell gibt es nur einen Entscheider. In der Realität mag es verschiedene Menschen geben, die großen Einfluss auf eine Entscheidung haben, aber nach meiner Sichtweise gibt es in Unternehmen grundsätzlich nur einen Verantwortlichen. Zumindest dann, wenn man es mit einem klassischen Unternehmen zu tun hat. In kleineren Gebilden und insbesondere in modern geführten Start-ups kann es auch Gruppenentscheidungen und demokratische Abstimmungen geben.
Aber auch in Gruppen, die vermeintlich gleichberechtigt sind, kann es einen klassischen Entscheider geben. Man erkennt ihn daran, dass er letztlich persönlich die Verantwortung für eine Fehlentscheidung tragen würde. Die Praxis zeigt, dass es durchaus Entscheidungsfindungsprozesse gibt, an welchen Gruppen oder Teams beteiligt sind. Die Verantwortung für das Gelingen eines Investitionsprojektes wird jedoch immer nur eine Person tragen. Das ist der Entscheider.
Soll ich mich eher an dem fachlichen Entscheider oder an dem kaufmännischen Entscheider orientieren?
Die Erfahrung zeigt, dass der sogenannte Fachentscheider oder technische Entscheider lediglich ein Empfehler oder Beeinflusser ist. Das heißt: Diese Personen sind wegen ihrer fachlichen Expertise am Entscheidungsprozess beteiligt. Die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit der Investitionen tragen sie jedoch selten. Deshalb ist es sinnvoll, die fachlichen und technischen Zusammenhänge für den kaufmännischen Entscheider in Nutzenaspekte und ROI – Return on Investment – zu übersetzen. Denn letztlich wird eine Investitionsentscheidung nicht nach technischen, sondern nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen.
Wie finde ich einen Coach, der mich und mein Produkt intern verkauft?
Es ist völlig irrational anzunehmen, dass eine dritte Person großes Interesse daran hat, Ihre Themen tatsächlich zu verkaufen. Das ist ein Wunsch, der selten erfüllt wird. Es wird aber bestimmt nicht schaden, Freunde oder Befürworter eines Projektes beim Kunden zu haben.
Allerdings können Sie deren wahre Motive selten durchschauen. Gehen Sie davon aus, dass die Menschen, die Ihre Lösungen, Ihr Angebot oder Ihren Vorschlag intern befördern oder gutheißen, ein eigenes Ziel verfolgen. Im Gegensatz zu vielen klassischen Verkaufstrainern, empfehle ich nicht unbedingt, so einen Coach zu suchen. Wenn Sie ihn finden – prima. Und wenn Sie nicht finden, lassen Sie sich nicht davon ablenken, den wahren Entscheider ausfindig zu machen.
Wie finde ich heraus, wer wirklich der Entscheider ist?
Diese Frage ist eng verbunden mit einer der wichtigsten Fähigkeiten moderner Verkäufer im B2B. Die konzentrierte und unbeirrte Orientierung an der Entscheidungsmacht. Das ist nicht immer der Geschäftsführer oder Top-Manager, aber es ist die Person, die eine Investition verantwortet und an der Rückführung der eingesetzten Mittel (Return on Investment) interessiert ist.
Nur, wenn wir uns an dieser betriebswirtschaftlichen Interessenlage orientieren, uns nicht von vermeintlichen technischen Fakten ablenken lassen oder uns von angeblich niedrigeren Preisen vergleichbarer Angebote verwirren lassen, können wir die Entscheidung eines Geschäftskunden wirklich verstehen.
Fotoquelle Titelbild: © fotolia / SFIO CRACHO
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