Unternehmer investieren nur, wenn sie einen Gewinn erwarten. Wenn man an Unternehmen verkaufen will, muss man verstehen, welchen Nutzen der Unternehmer erwartet oder erhofft. Das funktioniert nur, wenn ich als Verkäufer erkenne, was der Kunde wirklich will oder welche Ziele er für das Unternehmen mit der geplanten Anschaffung verfolgt. Dazu ist es notwendig, eine geeignete Frage zu formulieren, die mir die Wunschvorstellung des Entscheiders liefert. Die Nutzenfrage ist sehr mächtig, um eine Investition vorzubereiten und dem Entscheider die Vision für eine gute Entscheidung zu vermitteln.

Unternehmen investieren, um Probleme zu lösen. Zunächst sollte der Entscheider also erkannt haben, dass ein Anbieter die mögliche Lösung bieten kann. Zusätzlich zu einem klaren Problem und der angebotenen Lösung ist jedoch auch ein gewisser Handlungsdruck notwendig, um eine komplexe Investitions- oder Kaufentscheidung zu treffen. Wenn es keinen Handlungsdruck gibt, wird die Entscheidung sehr oft auf die lange Bank geschoben. Besonders hilfreich ist es, dass man nicht nur weiß, was man nicht mehr will, sondern vor allem auch, was man genau erreichen möchte. Wenn beides zusammenkommt, der Handlungsdruck einerseits und andererseits die klare Zielvorstellung, dann ergeben sich gute Verkaufschancen.

Was der Kunde wirklich will, erklärt die Motivationspsychologie

Wenn Psychologen über Motivation sprechen, unterteilen sie Anreize in „Von-weg-Anreize“ und „Hin-zu-Anreize“. Der Handlungsdruck ist ganz klar, er beschreibt einen Anreiz, die aktuelle Situation zu verlassen. Das benötigen wir beim Gewinnen von Geschäftskunden, weil Investitionsentscheidungen in der Realität nur dann fallen, wenn der Status quo nicht mehr tragbar ist (oder demnächst untragbar werden wird).

Das alleine ist jedoch noch nicht genug, wenn Sie erreichen wollen, dass sich der Kunde bei der Vielzahl der ihm dargebotenen Optionen ausgerechnet für Sie entscheidet. Dafür muss auch ein ausreichender „Hin-zu-Anreiz“ zur Zusammenarbeit mit Ihnen gegeben sein. Vielleicht können wir das „Vision“ nennen?

Bestimmt kennen Sie den Spruch, den Helmut Schmidt in Zeiten des Wahlkampfes gebraucht hat, um eine Äußerung seines politischen Gegners lächerlich zu machen. Schmidt soll gesagt haben „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“. Dem stimme ich zu. Wer Visionen (Mehrzahl) hat, der möge sich Hilfe suchen. Wer eine einzige klare Vision hat, der wird sich davon leiten lassen.

Was der Kunde will, bestimmt seine Vision

Eine Vision ist eine konkrete Vorstellung einer zukünftigen Situation. Eine plastische Vorstellung, die eine (noch) nicht realistische, aber mögliche Zukunft beschreibt. Ein Bild, das stark beeinflusst und bei einer positiven Vision auch sehr stark anziehend wirkt. Umgekehrt ist es schwierig, sich für etwas einzusetzen, das man sich nicht vorstellen kann. Was ich nicht in meiner Fantasie erfinden kann, das kann ich auch in der Realität nicht anstreben.

Meine Großmutter war bekannt für den Spruch: „Wenn du wegen einer Erkältung zum Arzt gehst, dauert sie 14 Tage. Wenn nicht – zwei Wochen.“ Für sie stand fest, dass es keine Aussicht auf Besserung gibt, wenn man wegen einer einfachen Erkältung zum Arzt geht. Sie konnte sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht vorstellen, dass der Arzt hilft. Mit dieser Sichtweise wird man also wohl kaum zum Arzt gehen und sich behandeln lassen.

Wir tun also gut daran, die Vorstellung des Nutzens unserer Zusammenarbeit in der Vorstellungskraft des Entscheiders zu verankern. Wir müssen im Gespräch mit ihm genau skizzieren, was er bekommt, wenn er sich richtig entscheidet. Und dafür sollten wir die richtigen Fragen stellen.

Die richtige Nutzenfrage zeigt, was der Kunde wirklich will

Wie stellt man gute Fragen nach der Nutzenerwartung? Wie bringt man den Kunden dazu, sich seiner Vorstellungskraft zuzuwenden? Die Antwort ist bereits in der Frage enthalten: indem wir seine Fantasie und Vorstellungskraft ansprechen.

Sehen wir uns zum besseren Verständnis einen Dialog an:

Verkäufer (stellt Auswirkungsfrage): Ein Prozent Zinserhöhung – welche monetären Konsequenzen hätte das in etwa für Ihr Unternehmen ab dem kommenden Geschäftsjahr?

Kunde (erklärt Handlungsdruck): Nun, das wollen wir ja gerade vermeiden. Rein kalkulatorisch ergeben sich bei unserem Stand des Fremdkapitals zusätzliche Finanzierungskosten in der Größenordnung von circa 45.000 € pro Jahr.

Verkäufer: Nehmen wir an, wir treffen uns heute in einem Jahr wieder und blicken zurück auf ein sehr gelungenes IT-Projekt: Alle Risiken, die sich auf die Zinsbewertung auswirken, sind nachweislich verschwunden. Besser hätte es gar nicht laufen können. Was würde sich dann ganz konkret verändert haben?

Kunde: Na ja – das Risiko der Zinserhöhung müsste verschwinden.

Verkäufer: Okay. Ich denke, das lässt sich realisieren. Und woran genau werden Sie erkennen, dass das für Sie erreicht ist?

Kunde: Wenn ein Gespräch mit unserer Bank das bestätigt. Also wenn unser Betreuer von der Hausbank die Kriterien offenlegt und diese durch Ihre Lösung erfüllt sind.

Verkäufer: Verstehe. Also wenn wir die Kriterien der Hausbank erfüllen, um die Risikobewertung für Ihr Unternehmen zu halten (oder gar zu verbessern) dann wäre das für Sie Grund genug, diese Investition ernsthaft in Erwägung zu ziehen?

Kunde: Ja. Das wäre allerdings nur dann realistisch, wenn die Investitionssumme auch zum Return on Invest passt.

Verkäufer: Nehmen wir an, die Risikothematik ist gelöst – in welchem Verhältnis müsste die Investitionssumme zum Return on Invest stehen?

Kunde: Wir investieren nur in Projekte, wenn der ROI binnen 18 Monaten erreicht wird.

Verkäufer: Okay. Also wenn wir neben der Klärung der Risikobewertung eine von Ihnen bestätigte ROI-Rechnung vorlegen können, die binnen 18 Monaten oder schneller einen Ertrag zeigt, dann kommen wir ins Geschäft?

Kunde: Wenn das alles erreicht ist, kann ich mir das sehr gut vorstellen.

Dieser Dialog zeigt, dass es sehr sinnvoll sein kann, sich vollkommen in die Kundenperspektive hineinzuversetzen und genau zu verstehen, was er im Moment denkt. Es lohnt sich herauszufinden, was der Kunde wirklich will und woran er den künftigen Erfolg festmacht.

Nutzenerwartungen der Kunden sind individuell

Der in diesem Beispiel vom Kunden dargestellte Nutzen ist sehr speziell. Die Wahrscheinlichkeit, dass selbst ein erfahrener Verkäufer genau diesen Nutzen erraten hätte, ist sicherlich sehr gering. Daher ist es am einfachsten und gleichzeitig auch am wirkungsvollsten, wenn wir statt Argumenten in erster Linie Fragen produzieren. Nur so gelangen wir zu der Perspektive, die der potenzielle Kunde auf den möglichen Nutzen hat. Nur so bekommen wir den echten Nutzen. Nur so erfahren wir, was der Kunde wirklich will.

Ein Vorteil ist ein beliebiger, konstruierter, möglicher Nutzen. Ein echter Nutzen kann nur entstehen, wenn wir genau verstanden haben, was der Kunde will und wie präzise seine Erwartungshaltung an einen Nutzen ist. Und zwar, obwohl der Kunde sich in vielen Fällen selbst noch nicht klargemacht hat, was er genau will. Das gelingt nur durch geduldige Fragen, bei denen wir dem Kunden Zeit geben sich eine Vorstellung zu bilden.

Hier noch einige Beispiele für die Formulierung von Nutzenfragen:

„Lieber Kunde, stellen Sie sich vor, ich bin die Waldfee und Sie hätten drei Wünsche frei – welche idealen Verbesserungen würden Sie sich im Zusammenhang mit >Nutzenbeschreibung< für das Jahr 2019 wünschen?“

„Angenommen, wir treffen uns heute in einem Jahr wieder und blicken zurück auf ein erfolgreich realisiertes Projekt – Was genau würde sich im Zusammenhang mit >Nutzenbeschreibung< für Sie messbar verbessert haben?“

„Wenn es so etwas wie eine Zeitmaschine gäbe und wir jetzt die Gelegenheit hätten, auf diese Weise einen Blick in die Zukunft zu werfen – welche positiven Veränderungen könnten wir dann im Zusammenhang mit >Nutzenbeschreibung< heute in zwölf Monaten im besten Fall schon sehen?“

Bauplan für Nutzenfragen

Diese drei Beispiele sind nach einem Bauplan erstellt worden, den Sie gerne für Ihre Fragen verwenden dürfen.

1. Annahme statt Abfrage

Hier wurden mehr oder weniger fantastische Annahmen formuliert, sodass die Fantasie angeregt wird. Je verrückter die Annahme, desto freier die Vorstellungskraft. Wenn Sie abfragen würden; „Was wird sich verändert haben?“, dann bekämen Sie sicher eher zurückhaltende Antworten oder gar ein entrüstetes; „Ich kann doch nicht in die Zukunft sehen!“. Aber wenn Sie bewusst den Konjunktiv verwenden und offen lassen, ob es tatsächlich so wird, dann steigt die Bereitschaft, über das Mögliche nachzudenken.

2. Positiver Fokus

Die Fragen lenken alle den Blick auf ein „erfolgreiches Projekt“ und „positive Veränderungen“. Schon die Formulierung der Frage lässt das erwünschte Ergebnis im Kopf des Gesprächspartners entstehen. Und dabei beschreiben wir dieses positive Ergebnis nicht. Wir geben nichts vor. Wir wollen dadurch die Gedanken des Kunden dazu bringen, sich ein positives Wunschergebnis zu formen, ohne dass wir das vorgeben. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde an die Möglichkeit eines perfekten Ergebnis glaubt statt eine von uns vorgegebene Situation als zu optimistisch verkennt.

3. Konkrete Zukunft

Bestimmt ist Ihnen aufgefallen, dass alle Formulierungen einen konkreten Zeitraum beinhalten. Obwohl wir eine eher unrealistische Annahme wählen, um die Fantasie anzuregen, verwenden wir eine sehr präzise Aussage zum Zeitrahmen. Das dürfen Sie auch so übernehmen, damit die Antwort des Kunden nicht nur wilde Spekulation, sondern eine auf den Zeitpunkt bezogen realistische Annahme werden kann.

Wenn es uns gelingt, sowohl den Nutzen als auch den Schmerz des Kunden zu identifizieren, dann haben wir das wichtigstes Ergebnis der Gesprächsführung erreicht. Dann haben wir die beiden Komponenten für Investitionsentscheidungen gefunden. Beide zusammen ergeben den konkreten Bedarf. Solange wir nur ein Problem gefunden haben – und sei es noch so groß – sind wir nur beim latenten Bedarf. Denn wer ein Problem hat, der könnte eine Lösung gebrauchen. Das heißt noch lange nicht, dass er in eine Lösung investieren will, um einen neuen Status zu erreichen. Millionen von Rauchern führen das täglich vor: Obwohl Rauchen problematisch für die Gesundheit ist und obwohl es jede Menge Lösungsmöglichkeiten gibt, um davon wegzukommen, gibt es noch immer genügend Konsumenten von Tabakwaren.

Wenn Sie Ex-Raucher sind, dann können Sie bestimmt nachempfinden, wie für Sie der Entschluss entstanden ist, Nichtraucher zu werden und in die Rauchentwöhnung zu investieren. Zum einen haben Sie sich konkrete Auswirkungen klar gemacht (Schmerz), die Sie womöglich treffen werden, wenn Sie weiter rauchen würden. Das alleine reicht aber als Motivation noch nicht aus, um über die Hürden der ersten Tage ohne Zigaretten hinwegzuhelfen. Dazu benötigen Sie auch noch eine klare Vorstellung davon, was Sie genau erwartet, wenn Sie es geschafft haben. Das ist die Nutzenerwartung. Und diese beiden Komponenten zusammen, also Schmerz und Nutzenerwartung, diese beiden Teile ergeben den konkreten Bedarf.

Der Kunden kann nur wollen, was er sich auch vorstellen kann

Latenter Bedarf bedeutet, dass Sie etwas gebrauchen könnten. Erst wenn es konkreter Bedarf wird, wollen wir entscheiden. Professionelle Berater und Verkäufer haben gelernt, dieses Handwerkszeug anzuwenden. Sie sind in der Lage, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie benutzen diese Art der Fragetechnik, um „die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen“ zu sortieren. Doch Profis wissen, dass trotz bester Methoden zur Rauchentwöhnung noch immer genügend Raucher existieren. Und ebenso gibt es jede Menge potenzielle Kunden, die nie zu ihren Kunden zählen werden, obwohl sämtliche Voraussetzungen gegeben sind. Professionelle Verkäufer nutzen Fragen, um zügig diejenigen zu finden, die sich wahrscheinlich entscheiden werden und dort ihre Kraft zu investieren. Und eben nicht auf jeden latenten Bedarf hereinzufallen um dann hartnäckig ihre wertvolle Zeit zu verschwenden. Wenn Sie sich darauf konzentrieren, den konkreten Bedarf zu finden und andere Verkaufschancen ohne konkreten Bedarf aussortieren, dann werden Sie Ihre Vertriebsarbeit optimieren.

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