Entscheidungen treffen wir nur, wenn wir müssen. Das gilt zumindest für Investitionsentscheidungen. Entscheider unterschreiben nur dann einen Vertrag, wenn sie denken, dass es nötig ist. Weniger drängende Entscheidungen werden aufgeschoben. Professionelle Verkäufer müssen daher sicherstellen, dass sie nicht nur eine passende Lösung für ein Problem anbieten, sondern auch im Vorfeld genau verstehen, welchen Handlungsdruck der Entscheider für sich wahrnimmt.
Oft ist es so, dass Entscheider sich selbst noch nicht klar gemacht haben, welche Folgen ein vorhandenes Problem hat. Sie haben noch nie ausführlich darüber nachgedacht, welchen Schaden das Unternehmen im Moment nimmt, weil es bestimmte Investitionen nicht tätigt. Wenn der Entscheider denkt, dass das Problem keine nennenswerten Auswirkungen auf seine Unternehmensergebnisse hat, dann ist es nur verständlich, dass er selbst die beste Lösung in der aktuellen Situation nicht annimmt. Es besteht ja kein Handlungsdruck.
Schmerzen beschleunigen Entscheidungen
In diesem Beitrag lernen Sie, wie Sie bewirken, dass Ihr Kunde die Notwendigkeit erkennt, in einem bestimmten Bereich aktiv zu werden. Sie erfahren also, wie Sie die Entscheidungen des Kunden beschleunigen. Häufig ist es nämlich insbesondere im Geschäftskundenumfeld nicht zielführend, sobald das Problem erkannt ist, sofort in die Lösungsdiskussion zu gehen. In manchen Fällen kann sich sogar herausstellen, dass Sie die vermeintliche Verkaufschance besser aufgeben und nach neuen Potenzialen Ausschau halten.
Wann habe ich als Verkäufer keine Chance?
In vielen Unternehmen gibt es latente Probleme, die zwar selbst bis in die höchsten Ebenen bekannt sind, in deren Beseitigung aber trotzdem weder Zeit noch Geld investiert werden. Kommt ein Mitarbeiter einer solchen Firma also zu Ihnen und erkundigt sich pro forma, mit welchem (finanziellen) Aufwand Ihre Lösung verbunden wäre, ist es unwahrscheinlich, dass er Ihr Angebot annimmt. Ohne konkreten Handlungsdruck werden Sie kein Geschäft abschließen können.
Wie finden Sie also heraus, ob Ihr Interessent ernsthaft an einer Lösung seines Problems interessiert ist? Stellen Sie ihm mehrere Auswirkungsfragen nach dem Schema: „Weshalb wollen Sie das Problem beseitigen?“ Findet Ihr Gesprächspartner darauf keine konkrete Antwort, sollten Sie sich besser nach neuen Kundenpotenzialen umsehen. Andernfalls verstricken Sie sich nur in unzähligen Meetings und Angebotsschleifen, die letzten Endes doch zu einer Absage führen werden. Im ersten Moment werden Sie vermutlich das Gefühl haben, sich selbst um ein Geschäft gebracht zu haben. Dennoch ist es sinnvoller, dem Kunden klarzumachen, dass er keine Lösung erwarten kann, statt weiter in eine Nicht-Chance zu investieren.
Der Handlungsdruck ist einer von zwei wesentlichen Faktoren, um die Entscheidung bei komplexen Problemen und umfassenden Lösungen zu beschleunigen. In Ausgabe 213 haben wir die Frage „Wie finde ich heraus, was der Kunde wirklich will?“ bereits besprochen. Dabei handelt es sich um die zweite Komponente, die für komplexe Unternehmensentscheidungen absolut notwendig ist, um latenten Bedarf zu konkretem Bedarf zu entwickeln.
Wann kann ich sofort eine Lösung anbieten?
Sind Ausgangssituation und Problemstellung auf den ersten Blick klar, können gute Verkäufer direkt einen Lösungsvorschlag anbieten. Weniger komplexe Alltagsentscheidungen im Privatkundenumfeld können mit entsprechender Beratung schnell getroffen werden und bedürfen keiner weiteren Ermittlung des Handlungsdrucks. Die Antwort auf „Wie finde ich den wahren Schmerz beim Entscheider heraus?“ liegt also auf der Hand: Sie müssen einfach nur fragen. Stellen Sie sich vor, Ihre Kaffeemaschine ist defekt. Sie trinken täglich Kaffee und möchten ungern lange auf Ihren Muntermacher verzichten. Da Sie am liebsten schwarzen Kaffee trinken, brauchen Sie weder einen Milchaufschäumer noch ähnlichen Schnickschnack. Ihr einziger Wunsch ist, dass die Kaffeemaschine robust ist und die Möglichkeit einer Programmierung bietet, da Sie gerne direkt nach dem Aufstehen Ihre erste Tasse trinken. Ein geübter Verkäufer wird genau diese Informationen abfragen und kann Ihnen auf deren Basis in wenigen Minuten die passende Kaffemaschine empfehlen.
Ein vorliegendes Problem verursacht noch keinen Handlungsdruck
Bestehende Probleme sind häufig bekannt. Dennoch erzeugen sie nicht zwangsläufig das Bedürfnis, zu handeln. Am einfachsten lässt sich dieser Zusammenhang an einem anderen alltäglichen Beispiel verdeutlichen: Wenn sie in letzter Zeit bei einem Vorsorgetermin Ihres Zahnarztes waren, dann hat er Ihnen sicherlich dazu geraten, weiterhin Zahnseide zu benutzen. Denn falls sie auf die Benutzung von Zahnseide verzichten, um die Zwischenräume der Zähne mindestens einmal alle vierundzwanzig Stunden zu reinigen, dann kann es zu ernsthaften Erkrankungen im Mund kommen. Wenn Sie nicht die Beläge, die sich automatisch bilden, regelmäßig entfernen, dann können sich gefährliche Bakterien festsetzen und die Zahngesundheit erheblich verschlechtern. Letztendlich droht dadurch Zahnfleischschwund und Zahnausfall. Man könnte sagen, das ist ein ernsthaftes Problem. Doch wir wissen, dass viele Menschen trotzdem keine regelmäßige Anwendung von Zahnseide in ihren Alltag eingebaut haben. Obwohl das Problem klar ist, wird dennoch nicht an einer Lösung gearbeitet.
Das Problem an sich verursacht also keinen Handlungsdruck. Erst wenn deutliche Nachteile bzw. Schmerzen auftreten, beginnen die Menschen zu handeln. Kommt also ein Kunde zu Ihnen mit einem bestehenden Problem, das sich bereits über einen längeren Zeitraum aufgebaut hat, müssen Sie dennoch erst den Schmerz freilegen. Sie müssen dem Kunden spürbar machen, welche massiven Nachteile eine andauernde Ignoranz des Problems nach sich zieht.
Schmerz freilegen bei komplexen geschäftlichen Problemen
Im Geschäftskundenumfeld müssen Sie oft mehrere Auswirkungsfragen stellen, bevor Ihr Kunden den eigentlichen Schmerz erkennt. Die Problemstellungen sind meist so komplex und schlecht greifbar, dass Sie ihn gedanklich zum Handlungsdruck hinführen müssen. Nehmen wir als Beispiel Antiviren-Software, die Sie an mittelständisches Unternehmen verkaufen. Bei vielen Ihrer Kunden war es so, dass ein Mitarbeiter vor langer Zeit eine Software installiert hat und diese seitdem einfach gelaufen ist. Problematisch ist, dass die Version veraltet ist und deshalb nicht mehr optimal vor allen Gefährdungen des täglichen Gebrauchs schützt. Auf einigen neueren Rechnern ließ sich die Antiviren-Software sogar gar nicht mehr installieren. Da bisher aber noch keine akuten Bedrohungen aufgetreten sind, hat das Unternehmen noch nicht in eine neue Software investiert.
Stellen Sie sich nun ein Verkaufsgespräch vor. Ein Kunde kommt zu Ihnen mit den oben genannten Problemen und möchte nun von Ihnen ein Angebot für eine neue Antiviren-Software haben. Sie stellen sich nun sicherlich die Frage: „Wie finde ich den wahren Schmerz beim Entscheider heraus?“ Versuchen Sie die negativen Auswirkungen des Problems aus Sicht des Entscheiders zu verstehen.
Auswirkungsfragen ermitteln den wahren Schmerz
Wenn der Kunde zu Ihnen kommt, hat er bereits Probleme im Kopf. Diese beinhalten aber nicht zwangsläufig den wahren Schmerz. Dieser kann auch von außen kommen, in Form von Ansprüchen der Investoren oder geldgebenden Instituten. Diese fünf Auswirkungsfragen helfen Ihnen, den Schmerz beim Kunden freizulegen:
- Welche Probleme liegen derzeit vor?
- Welches dieser Probleme ist am wichtigsten bzw. am dringendsten?
- Was bringt Sie ausgerechnet jetzt dazu, handeln zu wollen?
- Das Problem besteht ja schon länger. Warum kommen Sie erst jetzt zu mir?
- Welche monetären Konsequenzen hätte es für Ihr Unternehmen, wenn das Problem weiter besteht?
Möglicherweise wird der Kunde von alleine diese Art von Auswirkungen für sich nicht entdecken. Ihre Fragen helfen ihm, den wahren Schmerz zu erkennen, und dadurch können Sie Handlungsdruck aufbauen. Sollte der Kunde auf die offenen Fragen keine gute Antwort parat haben, dann kann durch geschlossene Fragestellungen der gleiche Effekt erzielt werden. So kann man Auswirkungsfragen nach den Kosten, die zunächst nicht beantwortet werden, durch eine ungefähre Vorgabe des Kostenrahmens dennoch beantwortet werden.
Wozu muss ich den wahren Schmerz kennen?
Auf den ersten Blick reicht es scheinbar aus, wenn Ihr Kunde mit einem Problem zu Ihnen kommt, das er gerne gelöst haben möchte. Um ihn bestmöglich beraten zu können und auch wirklich die passende Lösung anbieten und vor allem zum Abschluss bringen zu können, müssen Sie wissen, was Ihren Kunden wirklich antreibt. Auswirkungsfragen können das Gespräch auch in eine andere Richtung als geplant lenken, aber auch das ist gut für Sie. Solange Ihr Kunde diese Erkenntnisse im Gespräch hat, können Sie selbst noch Einfluss darauf nehmen. Spätestens wenn Ihr Kunde, oder noch schlimmer der wahre Entscheider, das Angebot vorliegen hat, werden diese Fragen sowieso aufkommen. Die Dringlichkeit der Investition wird nochmals hinterfragt werden. Wenn Sie im Gespräch den Schmerz freigelegt und den Handlungsdruck aufgebaut haben, unterbindet Ihre Vorbereitung unnötiges Zögern sowie unüberlegte Entscheidungen. Sollte sich der Kunde die Auswirkungsfragen zum ersten Mal alleine und ohne Ihren Einfluss stellen, birgt das eine deutlich größere Gefahr.
Schaffen Sie es, durch offene Fragen typische Schmerzpunkte zu identifizieren, können Sie leichter Einfluss auf Ihren Kunden nehmen und dessen Handlungsdruck aufrecht erhalten. Sollte kein Handlungsdruck bestehen, wird sich Ihr vermeintlicher Kunde mit Sicherheit von Ihrem Angebot abwenden. Deshalb ist es insbesondere für Verkäufer im komplexen Geschäftskundenbereich wichtig, die Anwendung der Aktivierungsfragen zu beherrschen, um so den wahren Schmerz beim Entscheider herausfinden zu können.
Fotoquelle Titelbild: © shutterstock / T.Dallas
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