Manchmal übernimmt man eine Funktion in einer Vertriebsorganisation, die zuvor von einem anderen Kollegen ausgefüllt wurde. Es kann vorkommen, dass der Vorgänger keine gute Arbeit geleistet hat und sozusagen einen Scherbenhaufen hinterlassen hat. Insbesondere bei Kundenbeziehungen, die auf lange Zeit angelegt sind, sollte man sich eine passende Strategie überlegen, um die Situation zu bereinigen.

Es könnte sein, dass die schlechte Betreuung sich auf die Beziehungen zu den Kunden ausgewirkt hat. Oft kommt es auch vor, dass Kunden sich von einem Unternehmen abwenden, wenn sie mit der Betreuung durch den Verkäufer nicht einverstanden sind. Der Nachfolger, der den Scherbenhaufen aufräumen soll, hat also einige Altlasten zu bewältigen.

Was ist das Gute am Schlechten

Manchmal hilft es schon, wenn man eine gegebene Situation aus einer völlig anderen Perspektive sieht. Wenn die Kunden bislang nicht mit der Betreuung zufrieden waren, dann ist es in erster Linie eine gute Nachricht, dass nun ein Wechsel ansteht. Die Kunden könnten froh sein, dass nun ein neuer Betreuer die Arbeit beginnt.

Man könnte denken: „Oh je! Alle Kunden sind bestimmt sehr negativ auf uns eingestellt. Das wird eine schwierige Aufgabe! Ich muss erst die schlechte Laune der Kunden wieder geradebiegen.“ Diese Haltung ist es sicherlich verständlich und bei der gegebenen Situation könnte sie sehr häufig vorkommen.

Genauso könnte man aber auch so denken: Wunderbar! Endlich bekommen unsere Kunden wieder eine passende Betreuung. Bestimmt werden sie mich mit offenen Armen empfangen. Der erste Kontakt mit meinen Kunden aus dem neuen Vertriebsgebiet wird der Startschuss für eine neue Qualität der Zusammenarbeit.

Es ist ganz sicher nicht verboten, die Welt positiv zu sehen und das Gute zu erwarten. Unsere Erwartungen und die damit verbundenen Gedanken wirken sich auf unser Handeln aus. Wenn wir eine Stresssituation erwarten, werden wir entsprechend in das Gespräch starten und sicherlich dadurch auch bereits auf unser Gegenüber einwirken. Wenn wir eine positive Stimmung voraussetzen, werden wir mit einer völlig anderen, positiven Einstellung das Gespräch beginnen und selbstverständlich auch dadurch unser Gegenüber – in diesem Fall positiv – beeinflussen.

Zuerst die Einstellung korrigieren

Wenn ich einen Kunden in so einer Frage beraten müsste, würde ich auf zwei Dinge Wert legen: Einstellungen und Strategie. Wenn es gelingt, mit einer positiven Einstellung und der dazugehörigen Erwartung in das Gespräch zu starten, dann werden wir dadurch schon einen wichtigen Grundstein für die Gesprächsführung legen. Zunächst würde ich also empfehlen, die eigene Einstellung bewusst positiv zu setzen und mit Freude und guter Laune in die Gespräche mit den neuen Kunden zu starten.

Gute Laune alleine macht aber noch keinen professionellen Verkäufer. Allerdings haben professionelle Verkäufer berufsmäßig gute Laune. Wer mit einer positiven Einstellung an schwierige Aufgaben herangeht, hat wesentlich bessere Erfolgschancen als jemand, der angespannt und defensiv auf Menschen zugeht.

Strategie für schwierige Gespräche

Abgesehen von der inneren Einstellung sollten wir uns auch eine Strategie zurechtlegen, um schwierige Gespräche zu meistern. Ich empfehle die Strategie der drei „V“: Verständnis – Vorwärts – Vereinbarung

1. Verständnis

Verständnis ist die Basis positiver Kommunikation. Wenn zwei Menschen miteinander sprechen und es darauf anlegen, sich wirklich zu verstehen, dann ist das eine sehr gute Grundlage für eine positive Beziehung. Deshalb sollten wir zunächst erreichen, dass wir wirklich verstehen, was unser Kunde denkt.

Anstatt uns selbst großspurig vorzustellen und viele Worte über uns zu machen, sollten wir lieber darauf konzentriert sein zu verstehen, was dem Kunden am Herzen liegt. Dafür empfiehlt sich eine Fragetechnik, die ein mögliches Problem des Kunden identifiziert. Der Bausatz für diese Frage ist Fokus – Fakten – Emotion.

Beispielsweise könnte die Frage so lauten: „Im Zusammenhang mit unserer Geschäftsbeziehung, was sind da Ihre wichtigsten Prioritäten, was liegt Ihnen persönlich am Herzen.“ Diese ist bewusst so offen gestaltet, dass nicht schon durch die Frage ein Problembewusstsein geschaffen wird. Deshalb ist diese Frage wesentlich besser, als beispielsweise eine solche Formulierung: „Was muss ich tun, um die Zusammenarbeit zwischen unseren Unternehmen zu verbessern?“ Diese Fragestellung setzt ein Problem voraus und wird die Gedanken des Kunden auf das Problem lenken. Daher ist die bessere Variante, eine neutrale Frage nach dem Muster Fokus – Fakten – Emotion zu formulieren.

Vielleicht bekommt der Kunde jetzt die Gelegenheit, sein Leid zu klagen und die unangenehmen Vorkommnisse der vergangenen Zeit zu schildern. Lassen Sie ihn sprechen. Kommentieren Sie nichts. Machen Sie sich Notizen. Sobald der Kunde sich leer geredet hat, sollten Sie Verständnis für seine unangenehme Erfahrung zeigen und seine Geduld und seine Treue anerkennen.

Vorsicht mit Entschuldigungen

Ich rate dazu, mit Entschuldigungen sehr vorsichtig und sparsam umzugehen. Entschuldigen kann man sich in der Regel nur für Dinge, die man selbst zu vertreten hat. Falls Sie selbst und persönlich an den Vorkommnissen der Vergangenheit unbeteiligt waren, gibt es auch keinen Grund für eine Entschuldigung.

Stattdessen sollten Sie Anerkennung zeigen für die Verhaltensweise Ihres Gesprächspartners. Geben Sie ihm eine positive Rückmeldung für sein Verhalten. Bedanken Sie sich für seine Treue. Nutzen Sie diesen Moment, um den zweiten Teil der Strategie zu starten.

2. Vorwärts

Die Vergangenheit können wir auch bei größter Anstrengung nicht mehr ändern. Was wir gestalten können, ist die gemeinsame Zukunft. Deshalb sollten wir an geeigneter Stelle den Fokus wieder auf die Zukunft richten.
Die wichtigste Frage lautet: Was wollen wir gemeinsam erreichen? Und genau diese Frage sollten wir stellen. Mir ist aufgefallen, dass meine Seminarteilnehmer manchmal sehr befremdlich auf diesen Vorschlag reagieren. Sie denken, dass sie in einer Konfliktsituation nicht einfach den Blick wieder in die positive Zukunft lenken können. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, die Vergangenheit zu erklären und vielleicht sogar zu rechtfertigen.

Die Frage “Was wollen wir gemeinsam erreichen?“ ist ein ganz bewusster Bruch mit der Vergangenheit und eine konsequente Ausrichtung in die gemeinsame Zukunft. Diese Formulierung ist bewusst so gewählt, dass wir unsere Gedanken von der Vergangenheit lösen und in mögliche gemeinsame künftige Aktivitäten lenken.

Es könnte sein, dass man nicht beim ersten Versuch sofort erfolgreich ist. Es könnte sein, dass der Kunde noch in seinen negativen Emotionen gefangen ist. Deshalb sollten Sie nicht sofort verzagen, wenn es beim ersten Mal nicht gelingt. Wiederholen Sie die Frage. Bleiben Sie freundlich und bestimmt bei dem Versuch, die Vergangenheit abzuhaken und die Zukunft gemeinsam zu planen.

3. Vereinbarung

Sobald Sie verstanden haben, was den Kunden bewegt und gemeinsam eine positive Zukunft geplant haben, sollten Sie diesen Plan in eine Vereinbarung packen. Dabei denke ich nicht in erster Linie an eine juristische Vereinbarung. Es geht eher um eine gemeinsame Willenserklärung, künftig positiv zusammen zu arbeiten.

Wenn Ihnen klar geworden ist, was der Kunde für die Zukunft erwartet und Sie der Meinung sind, dass Sie das leisten können, dann sollten Sie das als eindeutige Vereinbarung formulieren. Das könnte dann zum Beispiel so lauten:
„Herr Kunde, wir haben vereinbart, dass Sie es mit uns noch einmal versuchen werden. Wir werden die nächsten drei Monate probeweise zusammenarbeiten und Sie werden genau prüfen, ob wir die drei Leistungsversprechen (z.B. Liefertermintreue, telefonische Erreichbarkeit und Produktqualität) einhalten. Sollte es Abweichungen von Ihren Erwartungen geben, werden Sie mich umgehend informieren. Ich werde dann sofort alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihre Anforderungen zu treffen. Wenn wir Ihre Anforderungen erfüllen, wird das der Beginn einer langfristigen Zusammenarbeit. Können wir beide das so vereinbaren?“

Eine Vereinbarung hat den Reiz, dass beide eine gewisse Verpflichtung eingehen. Der amerikanische Psychologe Robert Chialdini hat in seinem Buch „Die Psychologie des Überzeugens“ den Effekt „Commitment und Konsistenz“ genannt. Damit ist gemeint, dass Menschen, die sich selbst verpflichtet haben etwas zu tun, dies mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich tun werden.

Wir sollten diesen Effekt nutzen und mit dem Kunden vereinbaren, was nun zu tun ist, um die Geschäftsbeziehungen wieder für beide Parteien positiv und ertragreich zu gestalten. Die psychologische Wirkung steigt noch dadurch, dass wir uns symbolisch die Hände reichen und den Vertrag mit Handschlag und Augenkontakt besiegeln. Das deutsche Wort „sich vertragen“ hat genau diese Bedeutung. Man verträgt sich, indem man eine gemeinsame Vereinbarung trifft.

Nutzen Sie zur Vorbereitung von schwierigen Gesprächen das Arbeitsblatt zur Vorbereitung von Konfliktgesprächen im Vertrieb. Sie bekommen es als Download zu diesem Artikel.

Mit Einstellung und Strategie Konflikte meistern

Wenn es Ihnen gelingt, die beiden Teile Einstellung und Strategie zu vereinen, dann werden Sie Konfliktgespräche grundsätzlich besser bewältigen. Achten Sie darauf, dass Sie bewusst positiv gestimmt in das Gespräch gehen. Halten Sie sich methodisch an die Strategie der drei „V“: Verständnis – Vorwärts – Vereinbarung. So gerüstet werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein, auch wenn Ihr Vorgänger einen ziemlichen Scherbenhaufen hinterlassen hat.

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