Viele Unternehmen verzichten auf die Funktion der Telefonzentrale. Wenn es jedoch eine Telefonzentrale gibt, hat diese den Auftrag, die richtigen Menschen mit den richtigen Mitarbeitern zu verbinden. Aber wenn diese Zentrale erkennt, dass es sich um einen unerwünschten Anruf handelt, wird das zu einer unüberwindlichen Hürde für Verkäufer. Außer man versteht, worum es geht.
Wenn wir Entscheider erreichen wollen, dürfte fast immer eine Instanz vorgeschaltet sein. Denn nur in den wenigsten Fällen ist es möglich, direkt und ohne Umweg bei der ersten Kontaktaufnahme zum Entscheider durchzudringen. Also lohnt es sich, das Gespräch mit vorgeschalteten Personen gesondert zu besprechen.
Versetzen wir uns in die Situation der Zielperson. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in der Telefonzentrale eines mittleren oder größeren Unternehmens und Ihre Aufgabe ist es, wichtige von weniger wichtigen Telefonaten zu unterscheiden und Letztere zur richtigen Person durchzustellen.
Verkäufer werden enttarnt
Ich arbeite mit einem Büroservice zusammen. Wenn Sie meine Büronummer anrufen, können Sie 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche mit einem echten Menschen sprechen. Dieser Büroservice informiert mich dann über die eingegangenen Anrufe per E-Mail und ich habe die Möglichkeit, sofort zurückzurufen. Die freundlichen Menschen bei diesem Dienstleister kennen mich nicht persönlich. Es handelt sich dabei um ein großes Team in einem Callcenter, das im Schichtbetrieb Anrufe annimmt. Sie wissen nur: Wenn jemand über meine Telefonnummer anruft, sollen sie sich mit meinem Firmennamen und einem vorher abgestimmten Text melden. Ganz selten wird einer dieser Mitarbeiter öfter als einmal die Woche einen Anruf für mich entgegennehmen. Die meisten der Mitarbeiter in diesem Callcenter habe ich vorher noch nie gesprochen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass diese Menschen wissen, welche Personen für mich wichtig sind und welche nicht. Sie kennen mein Fachgebiet zu wenig, um am gesprochenen Inhalt erkennen zu können, was relevant ist und was nicht.
Und dennoch gelingt ihnen etwas Erstaunliches: Immer wenn jemand anruft, der mich nicht kennt und der etwas verkaufen will, erkennen sie das. Ich bekomme dann eine als unwichtig gekennzeichnete Nachricht, in der sinngemäß steht „Vertreter wurde auf den Postweg verwiesen“. Stellen wir uns die Frage, wie diese Menschen erkennen können, ob und welche Telefonate wichtige Telefonate sind, und welche wohl nur irgendein Vertreteranruf sind. Ich habe das noch nicht genau untersucht, aber ich vermute, dass diese Mitarbeiter, die den ganzen Tag nichts anderes machen, als eine sehr professionelle Telefonzentrale abzugeben, eben ein gewisses Gespür dafür entwickelt haben, wenn jemand im Stil eines Callcenters anruft. Sie merken, dass da ein Mensch am Telefon ist, der täglich einen Anruf nach dem anderen macht, um Termine zu vereinbaren oder irgendwelche Produkte zu verkaufen. Aber – woran erkennen sie das?
Floskeln entlarven Vertreter
Ich habe da so einen Verdacht: Man erkennt das sofort, wenn seelenlose Standardfloskeln verwendet werden, wie zum Beispiel in diesem Dialog:
Zentrale: Schönen guten Tag! Hier ist Firma ABC, Zensi Trale. Was kann ich für Sie tun?
Anrufer: Ich hätte gerne mit dem Verantwortlichen für XY gesprochen.
Zentrale: Worum geht’s denn?
Anrufer: Das müsste ich dann mit dem entsprechenden Herrn selbst besprechen …
Zentrale: Ich darf leider niemanden durchstellen. Bitte schicken Sie doch eine E-Mail an Info@…
Kennen Sie solche Dialoge? Ich denke, wenn man sie nüchtern betrachtet, wird sofort klar, warum sogar eine wenig in der Sache informierte Telefonzentrale sofort erkennt, dass es sich hier um ein unbedeutendes Telefonat handelt. Im Englischen gibt es das schöne Wort „desperate“, das keine deutsche Entsprechung hat, aber sinngemäß so etwas wie „verzweifelt und getrieben sein“ bedeutet. Viele Verkäufer strahlen genau das aus. Sie sind „desperate“, das hört man.
Drehen wir also die Frage mal um: Woran erkennen inhaltlich nicht im Thema steckende Mitarbeiter der Telefonzentrale, dass es sich um ein wichtiges Telefonat handelt, das ohne weiteres Nachfragen durchgestellt werden sollte. Ich denke, man erkennt es an der Entschlossenheit und der Klarheit, die der Anrufer an den Tag legt.
Augenhöhe hilft
Angenommen, Sie möchten an einem bestimmten Tag um 14:30 Uhr einen Kunden kalt anrufen. Dann machen Sie sich in Ihrem Kalender an ebendiesem Tag um 14:30 Uhr eine Notiz: „Telefontermin mit ABC, Herrn Ritter“. Wenn Sie dann zum Hörer greifen, könnte sich der Dialog wie folgt anhören:
Zentrale: Schönen guten Tag! Hier ist Firma ABC, Zensi Trale. Was kann ich für Sie tun?
Sie: Hier ist Paul Meyer. Schönen guten Tag …
Zentrale: Ja bitte?
Sie: Also, in meinem Kalender steht, dass ich jetzt um 14:30 Uhr einen Telefontermin mit Herrn Ritter habe.
Zentrale: Ein Moment. Ich stelle Sie durch …
So einfach kann das sein. Und das ist ja sicherlich nur ein Beispiel. Überlegen Sie sich bitte, wie Sie auftreten, wenn Sie in der Telefonzentrale landen und tatsächlich einen wichtigen Termin mit einem wichtigen Gesprächspartner haben. Und zwar völlig egal, ob es bei Ihrem Kunden oder bei einem Lieferanten oder sonst einem Geschäftspartner ist. Machen Sie sich bewusst, was Sie dann sagen und wie Sie auftreten, wie Sie Ihre Stimme verwenden, wie Sie betonen, und mit welcher resoluten Klarheit Sie mitteilen, worum es geht. Und wenn Sie das vergleichen mit so manchen Standardfloskeln, wie man sie sich in der Akquise zurechtgelegt hat, dann wird sofort klar, warum das nicht zum Ziel führt.
Torwächter und Drachen
Gehen wir also davon aus, dass Sie die Zentrale hinter sich gelassen haben. Im besten Fall haben Sie jetzt Ihren Gesprächspartner am Telefon. Aber nehmen wir der Übung halber an, dass zunächst die Assistenz am Telefon ist. Wenn Sie es so machen, wie die meisten, die ich kenne, dann dürften sich die ersten Worte am Telefon wohl so anhören:
Assistenz: Schönen guten Tag! Hier ist Anita Sistent. Was kann ich für Sie tun?
Anrufer: Schönen guten Tag. Mein Name ist Hans Huber von der Lösung GmbH. Ich hätte gerne mit Herrn Ritter gesprochen.
Assistenz: Worum geht es geht bitte?
Anrufer: Ja … also … das sollte ich wohl besser direkt mit Herrn Ritter besprechen.
Assistenz: Ich darf niemand durchstellen, wenn nicht vorher eine schriftliche Unterlage vorliegt. Würden Sie mir bitte zunächst einmal etwas Schriftliches hereinreichen, damit ich es ihm vorlegen kann? Wir würden uns dann bei Ihnen melden, wenn es für uns interessant ist …
Höflich ausgedrückt bedeutet das „Lass mich in Ruhe“. Auch hier wird deutlich: Ein Gesprächspartner, der auf Augenhöhe und mit der entsprechenden Wichtigkeit ein Gespräch mit Herrn Ritter haben möchte, würde sich wohl kaum so verquarzt ausdrücken. Was halten Sie von dieser Alternative?
Assistenz: Schönen guten Tag! Hier ist Anita Sistent. Was kann ich für Sie tun?
Sie: Guten Tag Frau Sistent. Mein Name ist XY. Ihre Zeit ist knapp, lassen Sie mich gleich zum Punkt kommen: Mein Ziel ist es, gemeinsam mit Ihnen in den nächsten 5 Minuten herauszufinden, wie wir künftig zusammenarbeiten können, um >passendes Nutzenversprechen< in die Tat umzusetzen. Und deshalb möchte ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen – einverstanden? …
Akzeptanz durch Augenhöhe
Wenn wir inhaltlich auf Augenhöhe eine Frage stellen, so wie das in meinem Textvorschlag gestaltet ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich größer, dass die Assistenz selbst und aufgrund ihrer Fachkompetenz entscheidet, wer der passende Gesprächspartner für sie ist. Erwarten Sie also, dass Sie bei dieser Vorgehensweise in den meisten Fällen direkt danach mit dem Entscheider sprechen.
Sozialverträglich zum Entscheider kommen
Lassen Sie mich das mit einer Geschichte aus der Praxis erklären: Ich war bei einem größeren Kunden eingeladen, einen bezahlten Orientierungsworkshop durchzuführen, um gemeinsam mit dem Entscheider und verschiedenen anderen Personen die genaue Anforderung für ein Ausbildungsprojekt im internationalen Vertrieb zu erarbeiten. Die grobe Anforderung lautete, eine Fortsetzung eines bereits durchgeführten Trainings mit dem Titel „Value Selling“ zu vertiefen.
An dem bezahlten Workshop-Tag sollte auch der Entscheider anwesend sein. Als es so weit war, stellte sich heraus, dass der Entscheider doch nicht anwesend sein würde. Es wurde ein arbeitsreicher Tag gemeinsam mit mehreren Empfehlern und Beeinflussern. Am Ende dieses Tages hatten wir eine umfangreiche Definition für das bevorstehende Trainingsprogramm gefunden. Kurz vor Ende unseres gemeinsamen Tages sagte einer der Empfehler: „Bitte machen Sie uns dazu ein Angebot.“
Meine Antwort darauf entspricht der Technik „Die dritte Macht“. Ich sagte: „Wir haben herausgefunden, dass wir unsere Qualität in Bezug auf Kundenzufriedenheit und Projektgenauigkeit erheblich verbessern können, wenn wir grundsätzlich vor der Zusendung eines Angebotes einmal für zehn Minuten mit dem späteren Entscheider sprechen können. Deshalb haben wir diesen Zwischenschritt des Entscheidergesprächs als zwingende Voraussetzung vor den Versand eines Angebots gestellt. Dadurch ist für unsere Kunden und uns eine höhere Qualität sichergestellt. Werden Sie mir dabei helfen, ein zehnminütiges Telefonat mit dem Entscheider zu führen, oder soll ich mich selbst um einen geeigneten Termin kümmern?“
Bestimmt können Sie sich vorstellen, dass diese Antwort die Damen und Herren Beeinflusser und Empfehler zunächst ein wenig verstimmte. Allerdings hat meine klare Aussage zu einem kurzen Telefonat mit dem späteren Entscheider geführt. Sie werden gleich verstehen, warum dieses Telefonat so entscheidend für den Erfolg in dieser Sache war. Zu Beginn des Telefonats habe ich Folgendes gesagt: „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Alle Details habe ich ja bereits mit Ihren Experten und Fachleuten ausführlich diskutiert und geklärt. Jedoch ist noch eine wichtige Frage für mich offengeblieben: Wenn Sie jetzt rund 150 Ihrer Mitarbeiter durch dieses Ausbildungsprojekt schleusen – was genau soll sich für Sie selbst und Ihre Wertschöpfung verbessern?“ Nach kurzer Denkpause sagte er: „Wir müssen unsere Bord Room Competence verbessern.“ Weil ich diesen Begriff nicht kannte, fragte ich nach: „Der Begriff an sich ist natürlich selbsterklärend, nur was genau meinen Sie in Bezug auf das Training damit?“ Und er erklärte mir, dass er damit die Fähigkeit meinte, gute Kontakte und eine tragfähige Beziehung zu den Führungskräften auf oberster Ebene, also dem so genannten C-Level oder der Führungsspitze, aufzunehmen.
Wenn Sie das mit dem vergleichen, was seine sicherlich wohlmeinende Mannschaft mir gegenüber als Ziel des Projektes genannt hat, werden Sie entscheidende inhaltliche Abweichungen feststellen. Es ist also klar, dass ich in meinem Angebot die Ziele und Vorstellungen des Entscheiders in den Vordergrund gerückt habe. Das war eine wichtige Grundlage für den Zuschlag in dieser Sache. Dieses Beispiel zeigt, dass man nur dann die wahren Beweggründe für eine mögliche Investition kennenlernen kann, wenn man die Perspektive des Entscheides kennengelernt hat.
Fotoquelle Titelbild: © tsyhun/Shutterstock.com
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