Der ROI – Return on Investment – ist der Gegenwert, den eine Investition wieder einbringen soll. Er ist daher eine zentrale Kennzahl bei der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Investition. Viele Unternehmen geben ihren Vertriebsorganisationen Vorgaben mit auf den Weg, wie sie ihren Kunden den ROI bestimmen sollen. Dabei werden leider viele Fehler gemacht. Dieser Artikel liefert eine Orientierung, wie man im professionellen Vertrieb mit dem Return on Investment als substanziellem Kundennutzen umgehen sollte.

Entscheider wollen den ROI bestimmen

Meine Leser wissen, dass ich professionellen Verkäufern dazu rate, so schnell wie möglich Kontakt zum Entscheider aufzunehmen. Andere Gesprächspartner beim Kunden sind zumeist an völlig anderen Themen interessiert.

Empfehler beispielsweise suchen eher persönliche Vorteile, Arbeitserleichterungen, Wegfall lästiger Aufgaben oder Ähnliches. Wenn Verkäufer diese Nutzenerwartungen als Entscheidungsgrund sehen, machen sie einen Fehler. Denn für den Entscheider ist es betriebswirtschaftlich gesehen kein großer Vorteil, wenn eine bestimmte Tätigkeit leichter geht oder wegfällt, außer dies hat Konsequenzen, die sich auf den Gewinn auswirken. Doch bloß weil ein Mitarbeiter ein paar Stunden im Monat eine bestimmte Tätigkeit nicht mehr machen muss, steigt der Gewinn noch nicht.

Entscheider möchten schnell erkennen, ob die Investitionssummen mit großer Wahrscheinlichkeit wieder durch die Effekte der Investition hereingewirtschaftet werden können. Und sie möchten auch wissen, wie lange es dauert, bis die Investition sich selbst bezahlt gemacht haben wird. Dabei kann es je nach Branche und Erfahrungshintergrund sehr unterschiedliche Erwartungen geben. Ein langlebiges Geschäftsmodell, wie zum Beispiel die Petrochemie, plant die Rentabilität von Anlagen auf mehr als 10 Jahre oder länger. Schnelllebigere Geschäftsmodelle, wie die Medienindustrie, wird eher in Zeiträumen von 6 Monaten denken.

Wir brauchen also eine klare Vorstellung der Erwartungen des Entscheiders beim Kunden, um den ROI als Werkzeug einsetzen zu können. Entweder, weil wir im Einzelfall bereits Gespräche geführt haben, oder weil wir Erfahrungen aus einer Vielzahl von Gesprächen in einer Branche gesammelt haben.

Excel rechnet den ROI

In meiner Rolle als Verkaufstrainer komme ich oft mit den Alltagswerkzeugen der Verkäufer in Kontakt. Bisweilen sehe ich dann eine ROI-Kalkulation auf der Basis von Excel. In dem Fall haben sich Experten damit beschäftigt, wie man den ROI bestimmen kann und daraus eine Formel erstellt. Damit es für den Verkäufer besonders einfach zu bedienen ist, muss er nur noch einige Daten vom Kunden abfragen und in die Excel-Datei eingeben und schon errechnet sich der ROI.

Das funktioniert aber nicht, weil der Kunde keine Blackbox akzeptiert. Wenn der Kunde den Rechenweg nicht kennt, lehnt er das Ergebnis ab.

Baukasten statt Rechenformel

Wenn Sie vorgefertigte Formeln und Rechenwege einsetzen wollen, dann kann das nicht mit einem Mechanismus klappen, den der Kunde nicht versteht. Wie würden Sie reagieren, wenn ich Ihnen ein paar Fragen zu Ihrer Vertriebsorganisation stelle und dann sage: „Sie können nach meinem Training 43.850 € mehr Deckungsbeitrag pro Verkäufer erwarten!“ So kann man nicht den ROI bestimmen.

Das klingt wie Hokuspokus und ist daher nicht überzeugend und glaubwürdig. Wie wäre es hingegen, wenn ich im Gespräch mit Ihnen einige Ideen zum ROI erarbeite? Vielleicht ein wenig so, als hätte ich einen Sack mit Legobausteinen dabei, den ich auf dem Tisch zwischen uns ausleere, um dann gemeinsam mit Ihnen den ROI zu bauen. Manche Steine nehmen wir, andere, die nicht so gut passen, nehmen wir nicht. Sie bestimmen, was passt und was nicht. Schritt für Schritt entsteht auf diese Weise ein Konstrukt, das wir gemeinsam erstellt haben und das deshalb tragfähig ist. Es ist kein Hirngespinst eines Controllers, sondern ein gemeinsam erstelltes Rechenexempel, dem wir beide vertrauen.

Nach diesem Bild sollten Sie einzelne Bausteine vorbereitet haben, aus denen sich der ROI zusammensetzt. Letztlich sind das Effekte, die durch Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung entstehen und die entweder kostensenkend oder ertragssteigernd wirken.

Nehmen wir als Beispiel eine Investition in eine neue betriebswirtschaftliche Software, die für Auftragsabwicklung, Lager und Rechnungswesen verantwortlich ist. Sie könnte auf vielerlei Weise Nutzen bringen:

  • Steigerung der Anzahl der telefonischen Aufträge, die ein Mitarbeiter täglich bewältigen kann durch optimierte Benutzeroberfläche: geschätzt 15% mehr Aufträge x durchschnittlicher Auftragswert x 20 Arbeitstage
  • Verbessertes Cross-Selling durch automatische Artikelempfehlung an den Telefonverkäufer: geschätzt 5% Umsatzsteigerung
  • Anbindung an Online-Shop: geplant 10% Umsatzsteigerung
  • Automatisiertes Bestellwesen: 20% weniger Umsatzausfälle durch Bestand 0 bedeutet 2% Umsatzsteigerung
  • Reduzierung des Bestandes der C-Artikel bedeutet 5% weniger Kapitalbindung im Lager: x% weniger Finanzierungskosten
  • Automatisches Bestellwesen bei A- und B-Artikeln bewirkt 30% Arbeitsersparnis im Einkauf und spart einen Arbeitsplatz

Dies sind selbstverständlich nur Beispiele. Sie können ähnliche Punkte für Ihre Produkte und die jeweilige Marktsituation selbst erstellen. Wenn Sie so vorbereitet sind, können Sie gemeinsam mit Ihrem Kunden im Gespräch die passenden Bausteine finden und dann einen individuellen ROI erstellen.

Rückblick statt Versprechen

Der ROI ist auch in früheren Phasen des Verkaufsprozesses ein wichtiges Werkzeug. So kann er schon in der Akquise eingesetzt werden. Allerdings sollte man bei der Formulierung sehr genau sein. ROI bestimmen ist nichts, was man dem Kunden vorgeben sollte.

Es ist nicht glaubwürdig, wenn in einer frühen Phase des Kaufprozesses – wenn noch keine intensiven Gespräche mit dem Kunden stattfanden – genaue Aussagen zu den Effekten einer Investition gemacht werden.

Pauschale Aussagen zu Kosteneinsparungen oder Ertragssteigerungen in Marketingmaterialien oder Aussagen der Verkäufer sind nicht glaubwürdig. Der Kunde merkt in der Regel sofort, dass diese Aussagen schon feststanden, bevor er ins Spiel kam und sie deshalb beliebig und austauschbar sind. Wesentlich glaubwürdiger sind solche Prognosen erst dann, wenn eine individuelle Untersuchung stattgefunden hat.

Weil das in der frühen Phase des Kaufprozesses noch nicht möglich ist, sollten wir statt fragwürdigen Zukunftsprognosen lieber unstrittige Rückblicke auf die Vergangenheit zurate ziehen. Niemand kann Aussagen zu konkreten Ergebnissen der Vergangenheit ernsthaft anzweifeln, wenn sie wahr sind.

Machen Sie eindeutige Aussagen zu Effekten Ihrer Produkte und Dienstleistungen, die tatsächlich entstanden sind:

  • Bei den letzten 10 Projekten in der XY-Branche konnten wir im Schnitt x € an Kosten einsparen
  • Bei den im letzten Jahr durchgeführten Projekten konnten wir den Gewinn unserer Kunden um mehr als x% steigern
  • Durch den Einsatz unserer Materialien haben unsere Kunden die Standzeit der Werkzeuge um den Faktor 10 steigern können
  • Unsere Speditionskunden haben mit unseren Reifen im Jahresdurchschnitt den Benzinverbrauch um mehr als 4% senken können

Wenn Sie solche Tatsachen auf Ihren Materialien und bei Akquise-Gesprächen anführen, ist das viel wirksamer als in dieser frühen Phase bereits zu behaupten, Sie könnten beispielsweise den Benzinverbrauch dieser einen Spedition um 4% senken.

Keine Garantie auf den ROI

Die Gewinnchancen bei garantierten Erträgen sind sehr gering, was man sich bei den aktuellen Sparzinsen genau ansehen kann. Gewinnchancen steigen, wenn das Risiko steigt. In Bezug auf Investitionen bedeutet das, dass Unternehmer selbst mitwirken müssen, um den Ertrag der Investition zu sichern.

Wenn man einen ROI garantiert, verzichtet man in gewisser Weise auf die Mitwirkung des Kunden. Wenn Sie als Anbieter eine Produktionssteigerung durch den Einsatz einer Maschine garantieren, dann wird die Motivation zur Mitwirkung an dem gewünschten Ergebnis sinken. Schließlich ist der Erfolg ja schon garantiert. Und genau dadurch wird er verhindert, weil demzufolge die Mitwirkung des Kunden ausbleibt.

Wenn Sie stattdessen die Möglichkeit auf den gewünschten Erfolg in Aussicht stellen und der Kunde akzeptiert, dass Sie mit Ihrem Produkt ein Werkzeug zum Erreichen des Gewinns liefern – aber nicht den Gewinn selbst – , dann kann eine Investition wirklich das gewünschte Ergebnis bringen.

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