Das Unterbewusstsein macht den Menschen zum Gewohnheitstier – viele unserer Handlungen basieren auf Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gesammelt haben. Wenn wir A kennen und damit zufrieden sind, warum sollten wir B ausprobieren? Für den Verkäufer heißt das: Auch unsere Kunden entscheiden in vielen Fällen auf Basis von Erfahrungen, die sie durch frühere Entscheidungen bereits gesammelt haben. Wie kann man es schaffen, diesen Kreislauf zu durchbrechen und etwas Neues verkaufen?

Um zu verstehen, wie unser Unterbewusstsein funktioniert, lernen Sie in diesem Beitrag unter anderem ein Konzept meines Kollegen, dem Speaker, Buchautor und Hypnosetrainer Alexander Hartmann kennen: den Reality-Loop.

Der Loop besteht aus vier Elementen, die jeweils bei allen Erfahrungen, die wir in unserem Alltag machen, gleichzeitig auf unterschiedlichsten Ebenen stattfinden.

Imagination

Bei der Imagination handelt es sich um unsere Vorstellungskraft. Sie beschreibt alle potenziellen Auswirkungen einer Handlung, die wir uns vorstellen können.

Physiologie

Der physiologische Teil des Reality-Loops umfasst alle Auswirkungen, welche die Imagination auf unseren Körper haben kann. Die einfachste Form ist das Begreifen im wörtlichen Sinne: was ich anfassen, sehen, hören und riechen kann. Dazu zählen ebenfalls alle Körperreaktionen. Nervosität, Zittern und Freude gehören beispielsweise zu den körperlichen Reaktionen, die die Imagination hervorrufen kann.

Erfahrung

Das, was mit unserem Körper nun passiert, wird automatisch zu einer Erfahrung. Ruft die Vorstellung der telefonischen Neukundenakquise bei Ihnen beispielsweise Stress und Angst hervor, so werden Sie diese Reaktion als Erfahrung im Zusammenhang mit der Akquise abspeichern.

Glaubenssätze

Erfahrungen können sich zu Glaubenssätzen entwickeln. Ich habe Kalt-Akquise ausprobiert, habe erfahren, dass es nicht klappt, also glaube ich, dass es nicht geht. Meine Imagination beinhaltet dann womöglich nur negative Auswirkungen im Zusammenhang mit der Akquise, wie Ablehnung, Zurückweisung und Misserfolg.

Reality-Loop ©Alexander Hartmann

Der Reality-Loop ©Alexander Hartmann

Das Konzept des Reality-Loops ist ein Kreislauf

Meine reine Vorstellung lässt mich bereits fühlen. Wenn ich mir intensiv vorstelle, in eine Zitrone zu beißen, bewirkt das schon körperliche Reaktionen, die auf Erfahrungen basieren. Wenn ich schon einmal auf eine heiße Herdplatte gefasst habe, kenne ich den Schmerz, der dadurch ausgelöst wird. Die Erfahrung ist das, was ich bislang erlebt habe. Je intensiver diese Erfahrung ist, desto unumstößlicher sind meine Glaubenssätze. Und was ich glaube, formt wiederum meine Vorstellung. Der Kreislauf ist perfekt.

Wer Verhalten ändern will – etwa, weil ein Kunde sich für mich statt für einen Wettbewerber entscheiden soll – muss Wege finden, diesen Kreislauf zu durchbrechen und an geeigneter Stelle Gedanken, Bilder, Handlungen oder Erfahrungswerte einfließen zu lassen, die dafür sorgen, dass sich die Einstellung gegenüber einem Sachverhalt verändern kann.

Der Elefant am Pflock

Der argentinische Psychiater Jorge Bucay entwickelte einen interessanten Vergleich, der dieses Konzept ebenfalls aufgreift: Stellen Sie sich einen ausgewachsenen Elefanten vor. Im Durchschnitt wiegt ein solches Tier zwischen 2 und 5 Tonnen. Wir bewundern den Elefanten für seine Kraft, die er im Zirkuszelt unter Beweis stellt. Außerhalb des Zirkuszeltes jedoch ist er an einem einfachen Holzpflock angebunden. Aus der Perspektive des Elefanten ist der Pflock nichts weiter als ein Zahnstocher, den er eigentlich ohne weitere Mühe aus dem Boden reißen könnte, um sich zu befreien. Warum tut er dies nicht?

Als kleines Jungtier hat der Elefant mehrere Male die Erfahrung gemacht, dass er dazu nicht in der Lage ist. Damals war er an einen fest verankerten Pflock gekettet, den er auch mit all seiner Kraft nicht herausreißen konnte – egal wie oft er es auch versucht hat. Diese körperliche Erfahrung führt mehrmals wiederholt dazu, dass der Elefant ab einem bestimmten Zeitpunkt glaubt, dass er schlicht nicht in der Lage ist, sich von dem Holzpflock zu entfernen. Also versucht er es irgendwann auch nicht mehr.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der Mensch. Frei nach dem Motto „Wir haben das schon immer so gemacht“ sind viele Strukturen eingefahren und man ist selten dazu bereit, neue Impulse aufzugreifen.

In einem Beitrag aus der Reihe Vertriebsführung bin ich beispielsweise vor Kurzem auf Gründe eingegangen, die gegen eine variable, also provisionsbasierte, Entlohnung von Vertriebsmitarbeitern sprechen. Das grundsätzliche Problem lässt sich auch hier im Reality-Loop finden. An irgendeinem Punkt in der Geschichte muss es einen Vertriebsleiter gegeben haben, der diese Art der Entlohnung für sinnvoll erachtete und dies auch so einem jungen Verkäufer kommunizierte. Der junge Verkäufer ist ab diesem Zeitpunkt der Ansicht, dass eine in Aussicht gestellte Provision einen gewissen Antrieb mit sich bringt. Ist der gleiche Verkäufer dann Jahre später als Vertriebsleiter auf der Suche nach einem Anreiz für seine Mitarbeiter, so wird er in erster Linie auf dieses Element zurückgreifen, da sein Unterbewusstsein gespeichert hat, dass der Ausblick auf eine Provision auch ihn damals motiviert hat. Dieses eingefahrene Denken führt dazu, dass effektivere Methoden zur Mitarbeitermotivation nur selten Einzug in große Unternehmen finden.

Den Kreislauf öffnenDas Unterbewusstsein im Vertrieb © fotolia/ra2 studio

Sieht man sich diesen Kreislauf genauer an, gilt es also, einen Weg zu finden, eingefahrene Verhaltensweise zu erkennen, bei sich selbst oder bei einem potenziellen Kunden aufzubrechen und mit den geeigneten Mitteln und Ideen neue Gedanken zu setzen. So ändern wir die Realitätswahrnehmung.

Dem Unterbewusstsein Nutzen verkaufen

Bestes Beispiel ist die klassische Nutzenformulierung beim Verkauf eines Produktes. Im Reality-Loop wirkt die nutzenorientierte Formulierung auf die Imagination und kann von dort aus starken Einfluss auf die nachfolgenden Elemente ausüben.

Plakatives, aber bestes Beispiel: der klassische Staubsaugervertreter. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Mutter von zwei Kindern im Grundschulalter bereitet das Mittagessen für ihre Sprösslinge vor, die jeden Moment aus der Schule kommen. Der Staubsaugervertreter klingelt an der Tür und sie öffnet. Nun gibt es mehrere Punkte, die den weiteren Ablauf des Verkaufsgespräches beeinflussen können, sowohl auf der Seite des Verkäufers als auch auf der der potenziellen Kundin.

Schafft der Vertreter es, dass die Kundin einer Produktpräsentation zustimmt, hat er an diesem Punkt die Möglichkeit, den Reality-Loop seiner potenziellen Kundin aufzubrechen und durch das Einsetzen neuer Erfahrungen nachhaltig zu beeinflussen.

Um an diesem Punkt nicht die falschen Gedanken in den Kopf des potenziellen Kunden zu setzen, sollte der Verkäufer vorher für sich genauestens analysiert haben, welche Argumente in der individuellen Situation am ehesten passen.

Wie das Unterbewusstsein Kaufentscheidungen beeinflusst

Eine Mutter von zwei Kindern im Grundschulalter wird sich wohl kaum von den neusten Innovationen in der Motorentechnik von Staubsaugern beeindrucken lassen. Der Verkäufer muss hier die richtigen Bilder hervorrufen und der Mutter ein Gerät verkaufen, dass dafür sorgt, dass die Hausarbeit schneller und gründlicher erledigt ist.

Oder wenn der neue Staubsauger ohne Filterbeutel arbeitet, wird diese Vorstellung kaum Kraft genug haben, um etwas bei der Kundin zu bewirken. Aber wenn der Verkäufer einen Fokus darauf legt, dass die Familie das Geld, das sie bei Filterbeuteln einspart, in andere Dinge investieren kann, wird diese Vorstellung ein anziehendes Bild in der Imagination hervorrufen.

Ebenso könnte sich der Verkäufer auf die Imagination einer negativen Idee konzentrieren. Wenn der neue Staubsauger einen Feinstaubfilter hat, dann kann dadurch verhindert werden, dass Keime, die die Kinder an ihren Schuhsolen aus der Schule mitbringen, durch einen altmodischen Staubsauger erst in der Atemluft der Wohnung verteilt werden und die ganze Familie schädigen. Diese Vorstellung wird bei der Hausfrau womöglich eine positive körperliche Reaktion wie Vorfreude auf das neue Gerät bzw. Angst vor dem alten Gerät auslösen, was wiederum den Kaufwunsch steigern kann.

Unser Unterbewusstsein hat einen großen Einfluss auf unsere Entscheidungen. Mit diesem Wissen und den geeigneten Methoden schaffen wir es, die besten Bruchstellen im Reality-Loop zu finden. Dort öffnen wir den Kreis und bringen neue Impulse ein. So können wir sowohl das Denken unserer potenziellen Kunden, was unser Produkt betrifft, beeinflussen als auch unser eigenes Denken, wenn es beispielsweise um unsere persönliche Zielsetzung geht.

Weil viele Leser dieses Blogs eher im Umgang mit Geschäftskunden ihre Erfahrungen machen, ist das Beispiel mit dem Staubsauger auf den ersten Blick unpassend. Aber es eignet sich besonders gut, den Zusammenhang mit den beiden wichtigsten Motiven zu erläutern. Bei dem Themenschwerpunkt Verkaufsgespräch haben wir bereits die Schmerzfragen und Nutzenfragen erläutert.

Wir lenken durch geschickte Fragen die Vorstellung unserer Gesprächspartner auf bestimmte negative Folgen ihres aktuellen Verhaltens. So können wir die Vorstellung dieser unangenehmen Auswirkungen zu einer Reaktion und sogar zu einer Erfahrung steigern. Wenn wir das nun kombinieren mit einem Plan B, der nicht nur die Schmerzen tilgt, sondern sogar noch eine erwünschte Vorstellung mit einem konkreten Nutzen bringt, dann machen wir einen guten Job als Verkäufer.

Das Unterbewusstsein verkauft für Sie weiter

Wenn es uns gelungen ist, diese Vorstellungen im Kopf des Kunden zu erzeugen, dann werden diese auch dann noch wirken, wenn wir längst nicht mehr im Raum sind. Gerade im Umgang mit Geschäftskunden treffen die Kunden ihre Entscheidungen sehr oft erst dann, wenn der Verkäufer längst nicht mehr anwesend ist. Wenn Sie es geschafft haben, den Reality Loop Ihres Kunden auf eine neue Bahn zu senden, dann wird er auch ohne Ihre direkte Einwirkung weiter funktionieren.

Nehmen wir dafür noch einmal das Staubsaugerbeispiel: Wenn die Familie ihre Entscheidungen im Team trifft, dann wird die Mutter den Kauf des Gerätes wohl noch mit dem Vater besprechen wollen, bevor die Investition erfolgt. Wie viel chancenreicher wäre es, wenn das Ehepaar nun nicht den Kauf eines Staubsaugers bespricht, sondern freies Budget für neue Anschaffungen verplant oder gar die Gesundheit der Familie rettet.

Sicherlich ist das ein wenig übertrieben, aber ich denke, es wird sofort klar, worum es geht: Der Kreis der Gewohnheit – der Reality-Loop – hält uns in einer Bahn. Unsere Aufgabe ist es, bei uns selbst und beim Kunden auf diesen Kreislauf einzuwirken. Dann können wir sozusagen die Kraft des inneren Elefanten nutzen.

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