Unternehmen wollen ihre Produkte interessant darstellen, auch wenn diese eher technisch, wenig aufregend und schwer zu verstehen sind. Aber wie soll das mit langweiligen Themen gelingen? Wer interessiert sich schon für komplizierte Fakten und schwer zu verstehende Funktionen?

Oft werde ich gefragt, wie man Interesse wecken kann. Wieso wecken? Interesse schläft doch nicht. Wenn etwas wach ist, dann Interesse. Wir haben uns angewöhnt, im Zusammenhang mit Interesse von „wecken“ zu sprechen, als ob das ein Vorgang wäre, bei dem man ein zutiefst schlafendes Interesse mühsam aufwecken müsste. Dabei ist das Gegenteil der Fall.

Interesse schläft nicht

Wenn Sie im Moment Interesse an etwas haben, ist Ihre Aufmerksamkeit enorm geschärft. Wenn Sie selbst gerade schwanger sind oder sich diesen Zustand herbeisehnen, werden Sie überall schwangere Frauen sehen. Das ist kein esoterischer Effekt, sondern ein Ergebnis Ihrer geschärften Aufmerksamkeit.

Genauso ist es, wenn Sie gerade Interesse an einer bestimmten Sportart, einem bestimmten Fahrzeug oder einem neuen Hobby haben – plötzlich begegnen Ihnen überall Hinweise auf Ihr besonderes Interesse.

Es wäre also einfacher, wenn wir uns auf bereits vorhandenes Interesse konzentrieren würden, statt neues Interesse erzeugen zu wollen. Wie wäre es, wenn wir als Erstes herausfinden, welche Perspektive potenzielle Kunden auf unser Produkt oder unsere Dienstleistung haben?

Interessant und spannend

Wenn wir verstanden und akzeptiert haben, dass selbst die hilfreichsten Fakten niemals so wirksam sein können, wie die Emotionen, die sich um vorhandenes Interesse ranken, dann werden wir die besten Entscheidungen in Marketing und Vertrieb treffen.

Produkte werden nicht durch Fakten interessant. Sie werden spannend und relevant, weil sie Emotionen auslösen. Das muss nicht unbedingt die emotional gesteuerte Kaufentscheidung im Supermarkt sein. Es ist beispielsweise ebenso die Entscheidung für oder gegen eine Investition in eine Maschine.

„Moment“, werden viele sagen, „bei einer Maschine muss ich als Kunde erkennen, wie diese genau funktioniert. Erst dann kann ich eine fundierte Entscheidung treffen.“ Wirklich? Sind es tatsächlich die Fakten, die Investitionen steuern? Oder sind es vielmehr die Erwartungen in ein künftiges Ergebnis?

Kopierpapier ist langweilig

Oft höre ich in Seminaren den Hilferuf nach Unterscheidbarkeit. „Wir haben ein vergleichbares Produkt. Wie können wir uns davon unterscheiden oder gar teurer verkaufen, wenn es doch zu 100% vergleichbar ist.“ Tja. Das wird schwer.

Oder vielleicht doch nicht. Wenn wir uns nur auf der Produktebene bewegen, ist es einfach nur Papier. Abgepackt in Päckchen à 250 Blatt. Vier davon in einem Karton mit insgesamt 1.000 Blatt. Geeignet für Tinte und Toner. 80 g/m2. Immer gleichlang und weiß.

Wenn Sie also Kopierpapier verkaufen, werden Sie vermutlich nie einen Entscheider zu Gesicht bekommen, der ein Gespräch führen will. Es ist ein Produkt, das man eben so kauft. Die Qualität ist genau definiert. Nur der Preis macht den Unterschied.

Dem Sinn auf den Grund gehen

Ist das Produkt wirklich einfach so austauschbar? Was bewirkt Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung? Verkaufen Sie Bohrmaschinen oder Löcher? Zugegeben, das Thema „Loch und Bohrmaschine“ ist ziemlich ausgelutscht. Jeder hat Folgendes vermutlich schon einmal gehört:

Wenn man Löcher kaufen könnte, würde sich niemand für Bohrmaschinen interessieren.

Damit ist gemeint, dass Menschen sich für Bohrer interessieren, wenn Sie eigentlich Löcher wollen. Unternehmen sollten also das „Wozu“ Ihrer Produkte betonen und nicht deren Eigenschaften. Obwohl Sie das vermutlich schon sehr oft gehört haben, bleibt die Frage, wer es schon erfolgreich umsetzt. Ich bin regelmäßig erstaunt – um nicht zu sagen erschrocken -, wie wenig die Menschen im professionellen Vertrieb den Sinn Ihrer Angebote im Auge behalten.

Geschichten bleiben in Erinnerung

In Ausgabe 220 haben wir bereits eine ähnliche Frage besprochen: „Wie stelle ich einen komplizierten Sachverhalt einfach und verständlich dar?„. Eine Idee war, eine Geschichte zu nutzen, um etwas verständlicher darzustellen. Das können wir auch nutzen, um Langweiliges interessant zu machen.

Vor einigen Jahren habe ich einen Vortrag einer amerikanischen Kollegin gehört. Glenna Salesbury gilt als Grand Dame der Rednerszene und erläuterte damals in Ihrem Vortrag eine Vorgehensweise, wie sie selbst ihre Vorträge auf Qualität prüft. Dafür nutzte Sie eine einfache Methode mit drei verschiedenfarbigen Textmarkern.

Sie nahm den Text Ihres Redeentwurfs und markierte den Inhalt in drei Farben, um die drei Elemente Botschaft, Anwendung und Story hervorzuheben.

Drei Elemente gegen Langeweile

Wenn Sie etwas zu sagen haben – ob in einem Vortrag oder einem geschäftlichen Umfeld –, dann muss die Botschaft klar sein. Das umfasst die wesentlichen Aussagen, Fakten, Ergebnisse und sonstige relevante Inhalte.

Ebenso wichtig ist es jedoch, die Anwendung dieser Inhalte für die Zuhörer zu klären, d.h. die Applikation, sprich die praktische Umsetzung für die Zielgruppe zu erläutern. Die Empfänger sollen dadurch verstehen, wie sie es umsetzen können und welche Ergebnisse sie zu erwarten haben.

Damit alles besser in Erinnerung bleibt, kommt das dritte Element ins Spiel: Storytelling. Wir können uns Geschichten einfach besser merken als Fakten. Das hängt damit zusammen, dass unser episodisches Gedächtnis offenbar eine wichtige Rolle für unsere Urahnen spielte. Als Bewohner der Steppe mussten sie sich offenbar Routen und Wege gut einprägen können, um zu überleben.

Storytelling macht Produkte unvergesslich

Sie können das ganz einfach überprüfen: Machen Sie doch einmal einen Spaziergang durch eine fremde Stadt. Oder vielleicht können Sie sich noch an Ihren letzten Spaziergang durch ein bis dahin unbekanntes Gefilde erinnern? Wichtig ist, dass es sich wirklich um einen Spaziergang und nicht um eine Fahrt mit einem schnelleren Gefährt handelt. Auch sollte es keine geführte Tour gewesen sein, bei der sie nicht auf die Umgebung achten mussten.

Vermutlich können Sie sich ziemlich leicht in Gedanken wieder in ihren Spaziergang hineinversetzen. Es könnte sein, dass Sie nahezu fehlerlos alle Wegpunkte in der richtigen Reihenfolge wieder abrufen könnten. Die wesentlichen Zusammenhänge sind sofort wieder präsent, auch wenn Sie sich während des Spaziergangs keine Mühe gaben, sich die einzelnen Punkte bewusst einzuprägen.

Wenn wir mit Geschichten arbeiten, nutzen wir die Erinnerungskraft des episodischen Gedächtnisses für unsere Zwecke. Eine Geschichte ist eine Abfolge von Ereignissen. Selbst kleine Kinder können nach einer bereits vorgelesenen Geschichte beim nächsten Vorlesen häufig sofort erkennen, wenn der Vorleser aus Faulheit einzelne Passagen überspringt. Auch Erwachsene erinnern sich besser an Märchen, die sie zuletzt in Ihrer Kindheit hörten, als an die Nachrichtensendung von letzter Woche. Diese Fähigkeit können Sie sich bei der Vermarktung Ihrer Produkte zunutze machen.

Langweilig oder merkwürdig – so machen Sie Ihre Produkte interessant

„Das ist aber merkwürdig“ sagen wir, wenn etwas seltsam, ungewöhnlich oder unerwartet ist. Unsere Sinne sind sofort geschärft, denn Unerwartetes könnte gefährlich sein. Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, sind wir hellwach und voll bei der Sache.

Wenn Sie sich die Bedeutung des Wortes „merkwürdig“ genauer ansehen, dann wird klar, dass der Begriff etwas beschreibt, das würdig ist, gemerkt, d.h. im Gedächtnis behalten zu werden. Auf diesen Aspekt möchte ich hier hinaus.

Fakten sind wichtig, aber langweilig und schlecht zu merken. Wenn zusätzlich noch erklärt wird, was diese Fakten für mich bedeuten und wie ich sie für mich nutzen kann, dann steigt mein Interesse jedoch. Wenn es dazu noch eine merkwürdige Geschichte zu erzählen gibt, werde ich dieser nicht nur aufmerksam lauschen, sondern sie vermutlich nie wieder vergessen. Selbst dann nicht, wenn ich mir noch nicht einmal besondere Mühe gebe, mir diese Geschichte einzuprägen.

Sie finden diese Geschichten, wenn Sie aufmerksam im Alltag sind. Fragen Sie Ihre Kunden nach deren Erlebnissen. Dramatisieren Sie ein wenig und reduzieren Sie die Geschichten auf die wesentlichen Punkte.

Ein wunderbares Beispiel dafür ist ein Video des Logistikanbieters DHL. Dort wird ein Unternehmenskunde vorgestellt. Thomann ist ein großer Versender für Musikinstrumente, der DHL nutzt, um seine Pakete zu versenden. In dem Video sieht man vor allem den heutigen Inhaber und Sohn des Gründers in einer Erzählerrolle. Er spricht über die Anfänge des Unternehmens, während er dabei im ehemaligen Büro seines Vaters sitzt; kurze Episoden aus dem Leben des Vaters und was heute aus dem Unternehmen geworden ist. Mir ist vor allem in Erinnerung geblieben, dass der verstorbene Vater, wenn er noch leben würde, vermutlich den ganzen Tag in der inzwischen umfangreichen Auswahl von Trompeten und anderen Instrumenten herumstöbern und jedes Instrument ausprobieren würde.

Interessant und spannend durch emotionale Geschichten

Die Botschaft ist, dass DHL Pakete versendet. Ich soll mir merken, dass der erfolgreichste Musikinstrumentenhändler weltweit den Service von DHL in Anspruch nimmt. In Erinnerung bleibt jedoch vor allem die Geschichte, die mich wieder an die eigentliche Botschaft denken lässt. Wenn ich irgendwann an Logistik denke, fördert mein Gehirn die Geschichte von Thomann hervor und bringt die Themen Logistik, Zuverlässigkeit, Leidenschaft und DHL zusammen. Ist das nicht besser, als mir zu erklären, wie viele zigtausend Pakete DHL befördert?

Wenn es Ihnen gelingt, neben den Botschaften nicht nur das Wozu, sondern auch eine gute Geschichte zu erzählen, wird es Ihnen gelingen, Ihre Produkte interessant und spannend darzustellen.

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