Ein Einstellungsgespräch mit einem Verkäufer unterscheidet sich in vielen Punkten von anderen Personalgesprächen. Das macht das Recruiting im Vertrieb zu einer Herausforderung. Schließlich sind gute Verkäufer in der Lage, sich selbst auch gut zu verkaufen. Wer Verkäufer einstellen will, sollte sich daher eine gute Methode zurechtgelegt haben, um die guten Verkäufer von den Dampfplauderern zu unterscheiden.

Mehrstufige Gespräche

Es ist nicht realistisch, zu erwarten, dass man durch ein einziges Recruiting-Gespräch eine fundierte Grundlage für eine Personalentscheidung schaffen kann. Dazu benötigen wir mehrere Gespräche an unterschiedlichen Tagen. Auch deshalb, weil wir für uns selbst ausschließen wollen, dass Ausreißer bei der Tagesform Einfluss auf unser Beurteilungsvermögen oder die Selbstdarstellung des Bewerbers haben.

Die einzelnen Stufen könnten sich so darstellen:

1. Recruiting: Das telefonische Interview

Zunächst vereinbaren Sie mit dem Bewerber ein Telefonat. Ich empfehle, dass Sie sich anrufen lassen. Vielleicht sogar über ein Vorzimmer, damit Sie später auch das Feedback der Assistenz zu dem Verhalten des Anrufers mit in die Bewertung einfließen lassen können. Schließlich muss ein Verkäufer auch telefonisch sofort sympathisch und zielstrebig erscheinen.

Wenn Sie den Bewerber zum Interview einladen, könnten Sie einen kurzen Text verwenden, der den Bewerber auf das Gespräch vorbereitet und gleichzeitig eine Gesprächsstruktur für Sie bietet. So könnte der Einladungstext lauten:

„Sehr geehrte/r …

Ihre Bewerbung war erfolgreich. Jetzt wollen wir Sie kennenlernen. Das erste Interview führen wir telefonisch. Bitte rufen Sie mich am … um … unter dieser Nummer an: 0123…..

Es wäre gut, wenn Sie sich 30 Minuten Zeit für unser Gespräch einplanen. Im Gespräch mit Ihnen möchte ich über folgende Punkte sprechen:

  • Was Sie heute verkaufen und warum Sie Ihr Talent nun bei uns einbringen wollen.
  • Welche Erfahrungen Sie im Umgang mit Kunden in unserer Branche bereits gemacht haben.
  • Was Sie generell am Vertrieb reizt und welche Ihrer persönlichen Eigenschaften Sie dafür besonders geeignet macht.
  • Eine wahre Geschichte über einen außergewöhnlichen Misserfolg in Ihrem Verkäuferleben und was Sie daraus gelernt haben.
  • Welche (drei) einfachen Methoden Sie in der Praxis anwenden, um Ihre Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen.
  • Wenn wir statt einem Bewerbungsgespräch ein Verkaufsgespräch führen würden und ich der Kunde wäre – welche Fragen würden Sie stellen und welche Argumente würden Sie verwenden?
  • Was ist der eine Punkt, den ich über Sie in Erinnerung behalten soll – selbst wenn wir uns nicht einig werden sollten?

Vielleicht möchten Sie sich auf diese Punkte vorbereiten, damit Sie sich nicht überrumpelt fühlen und auch wirklich das antworten können, was Ihnen wichtig ist.

Ich freue mich auf unser Telefonat.

Mit freundlichen Grüßen“

Wenn Sie diesen Text per Post oder E-Mail als Einladungstext versenden, kann sich der Bewerber gut vorbereiten, und Sie können die Punkte sozusagen als Fahrplan für das Interview nutzen. Selbstverständlich können Sie die Punkte auch ergänzen oder erweitern.

Führen Sie das Telefonat, und nutzen Sie das PDF als Gesprächsleitfaden sowie als Bewertungsformular. So können Sie Ihre Gespräche zielstrebig führen und nachher eine gute Auswahl für die nächste Stufe treffen:

2. Das persönliche Recruiting-Interview

Verkäufer wirken durch ihre Persönlichkeit und ihr Auftreten. Das persönliche Gespräch ist also nicht nur eine Bewerbung, sondern gleichzeitig auch eine Arbeitsprobe. Auch hier schlage ich einen Einladungstext vor:

„Sehr geehrte/r …

unser Telefonat hat mir sehr gut gefallen. Jetzt möchten wir Sie gerne persönlich kennenlernen. Wir freuen uns über Ihren Besuch am … um … hier bei uns …

In diesem persönlichen Gespräch wollen wir noch einmal die Punkte behandeln, die wir bereits telefonisch kurz besprochen hatten. Insbesondere folgende Punkte sind uns wichtig:

  • Welche Erfahrungen Sie im Umgang mit Kunden in unserer Branche bereits gemacht haben.
  • Was Sie generell am Vertrieb reizt und welche Ihrer persönlichen Eigenschaften Sie für diesen Bereich besonders geeignet macht.
  • Welche (drei) einfachen Methoden Sie in der Praxis anwenden, um Ihre Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen.

Außerdem würden wir gerne eine konkrete Aufgabe mit Ihnen durcharbeiten:

Stellen Sie sich vor, Sie müssten ein Verkaufsgespräch führen. Das Gespräch wird mit einem Mitarbeiter Ihres potenziellen Kunden stattfinden. Der Name lautet „Peter Obermeier“, dieser arbeitet als Lagerleiter eines Maschinenbauers. Der Kontakt kam auf einer Messe zustande, und Sie wissen bereits, dass er 800 neue Regalplätze braucht. Sie können also ein Palettenregal im Wert von etwa 24.000 EUR verkaufen. Mehr Informationen haben Sie im Moment nicht. Jetzt ist Ihre Aufgabe, ein erstes Sondierungsgespräch mit Herrn Obermeier zu führen. Diese Übung ist Teil des Gespräches, das wir mit Ihnen führen wollen.

Bestimmt möchten Sie sich darauf vorbereiten. Wir freuen uns auf unser Gespräch.

Mit freundlichen Grüßen“

In dem Recruiting-Gespräch sollten Sie erneut auf die Punkte aus dem ersten Telefoninterview eingehen. Machen Sie sich erneut Notizen. Vergleichen Sie später die Antworten aus dem Telefoninterview mit denen aus dem persönlichen Interview. Es ist sinnvoll, dass Sie das Gespräch nicht alleine führen, sondern einen weiteren Kollegen dabeihaben, der sich nach dem gleichen Schema Notizen macht. Später können Sie dann Ihre Notizen vergleichen und bei deutlich abweichenden Eindrücken neu bewerten.

Zur Durchführung der Übung „Verkaufsgespräch“ stellen Sie sich einfach vor, dass Sie Lagerleiter eines Maschinenbauers sind. Weil im Moment fast alle Paletten im großen Lager auf dem Boden stehen, sind einige Unfälle mit Staplern vorgefallen. Dabei ist einiges an wertvollem Material zu Bruch gegangen. Der Schaden geht in die Zehntausende. Wenn Sie darauf angesprochen werden, sind Sie bereit, das zu offenbaren. Sie sprechen es aber nicht ungefragt an. Lassen Sie den Bewerber das Gespräch mit Ihnen führen, und machen Sie sich Notizen zur Gesprächsqualität.

Interessant wäre es zu sehen, ob der Bewerber tatsächlich interessiert ist und gute Fragen stellt, um den Bedarf herauszufinden. Oder ist er mehr darauf konzentriert, zu reden und bereits ein Angebot über ein Palettenregal mit 24.000 EUR zu machen? Seien Sie gespannt, ob er es schafft, im Gespräch auszumachen, wer später über die Investitionen entscheiden wird. Dabei ist es nicht wichtig, ob Sie als Lagerleiter tatsächlich der Entscheider sind, oder ob ein höhergestellter Manager entscheiden wird. Wichtig ist nur, ob der Bewerber diesen Sachverhalt erfragt.

Beobachten Sie, ob der Bewerber sich Notizen macht und ob er methodisch vorgeht, d.h. eventuell sogar eine Checkliste für das Gespräch dabeihat. Stellen Sie sich die Frage, ob er angesichts dieser für ihn vermutlich ungewohnten Ausgangssituation dennoch ruhig und konzentriert arbeitet. Der Nutzen der Übung ist, dass Sie sofort erkennen, ob der Bewerber in der Lage ist, ein Verkaufsgespräch souverän zu führen.

Falls der Bewerber auch im persönlichen Interview überzeugt, empfehle ich als nächste Stufe einen Probearbeitstag.

3. Probearbeitstag

Im Recruiting ist es inzwischen üblich, eine Arbeitsprobe zu verlangen. Der Probearbeitstag dient dazu, den Bewerber noch besser kennenzulernen. Kaum jemand kann es schaffen, sich über sechs oder sieben Stunden durchgehend zu verstellen. Daher gibt der Probearbeitstag Ihnen und den künftigen Kollegen des potenziellen neuen Mitarbeiters Gelegenheit, sich gegenseitig genauer unter die Lupe zu nehmen.

Man beginnt den Tag mit einem Treffen einiger Kollegen und dem oder den Kandidaten, die den Probearbeitstag durchführen wollen. Wenn wir das in unserem Team machen, nutzen wir dafür den großen Meetingraum, d.h. einige Kollegen verlegen für diesen Tag ihren Arbeitsplatz dorthin. So haben wir Gelegenheit, den gesamten Tag gemeinsam mit dem/den Bewerber/n zu verbringen. In der Mittagspause gehen wir nicht essen, sondern kochen gemeinsam, um noch mehr Nähe herzustellen.

In der Form könnte ein Probearbeitstag für einen Verkäufer im B2B aussehen. Man startet mit einer kurzen Besprechung, in der sich alle Beteiligten vorstellen und erläutern, welche Aufgaben sie im Unternehmen wahrnehmen. Dann wird ein konkreter Fall eines existierenden Kunden präsentiert, evtl. anonymisiert. Der oder die Bewerber bekommen die Notizen des Verkäufers gezeigt und werden darüber informiert, wie das Angebot aussah, das zum Erfolg führte.

Im Anschluss daran nehmen Sie als Zuhörer an einem Verkaufsgespräch mit einem neuen Kunden teil, der noch nicht gekauft hat. Danach bekommen der oder die Bewerber die Aufgabe, ein Angebot zu erstellen. Das Musterangebot dient als Hilfe dazu. Danach präsentiert der Bewerber sein Angebot und erklärt seine Strategie.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen ist Zeit für ein oder mehrere Interviews mit Nachbarabteilungen wie Marketing, Service oder Logistik. So kann auch die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen bewertet werden.

Hiernach ist der Bewerber wieder Zuhörer – diesmal bei einem Akquise-Telefonat. Er hört zu und macht sich Notizen. Später präsentiert er seine Beobachtungen und erläutert, wie er jetzt weiter vorgehen würde.

Schließlich gibt es eine Feedbackrunde aller Beteiligten, und die Bewerber werden verabschiedet. Danach folgt ein interner Austausch zwischen den Kollegen, bei dem sie ihre Bewertungen und Beobachtungen aufschreiben und dem für die Einstellung verantwortlichen Kollegen übergeben.

4. Onboarding gehört zum Recruiting

Wenn der Bewerber den Probearbeitstag erfolgreich absolviert hat, erhält er ein Vertragsangebot. Falls das angenommen wird, ist der Bewerbungsprozess bzw. das Recruiting jedoch noch nicht beendet. Ab dem ersten Tag der Zusammenarbeit sollten Sie einen Prozess an der Hand haben, mit dem der neue Mitarbeiter in das Unternehmen eingeführt wird.

Dabei sollten Sie mehrere Prüfpunkte eingebaut haben, und vor allem das Ende der Probezeit als letzten wichtigen Termin der Bewerbung im Auge haben. Aber schon von Anfang an können Sie konkrete Aufgaben stellen und deren Erledigung bewerten.

Zu Beginn geht es darum, mit den vorhandenen Werkzeugen und Prozessen zu arbeiten. Man lernt den Umgang mit dem CRM-System und anderen Werkzeugen. Schulungen zum tieferen Verständnis der eigenen Produktpalette und den wichtigsten Referenzkunden werden ebenfalls am Anfang stehen.

Schon kurz danach ist es ratsam, konkrete Teilziele der Einarbeitung festzulegen. Wann ist der erste Telefonkontakt mit einem Kunden zu absolvieren? Wann der erste Besuch? Wie kann man die Qualität dieser Interaktionen testen? Welchen Kollegen bekommt der neue Mitarbeiter als „Mentor“, dem er ab und zu Fragen stellen kann?

Je mehr dieser Teilziele Sie definiert haben, desto fundierter werden Sie zum Ende der Probezeit die Entscheidung über den weiteren Verbleib des neuen Vertriebsmitarbeiters treffen.

Verkaufen Sie mir diesen Stift

Vielleicht kennen Sie den Hollywoodfilm „The Wolf of Wall Street“ aus dem Jahr 2013, in dem die Biografie des umstrittenen Börsenbetrügers Jordan Belfort verfilmt wurde. In der Schlussszene tritt der inzwischen wieder aus dem Gefängnis entlassene Betrüger in einer Art Motivationsveranstaltung auf. Er nimmt seinen Kugelschreiber aus der Tasche, hält ihn hoch und sagt: „Verkaufen Sie mir diesen Stift“.

Man kann anschließend beobachten, wie die Teilnehmer reagieren. Auch wenn es sicher keine „richtige“ Reaktion auf diese Aufforderung gibt, so gibt es doch viele falsche Reaktionen. Die mehrstufige Vorgehensweise beim Recruiting neuer Vertriebsmitarbeiter ist daher eine Methode, mit der man prüfen kann, welche Bewerber eben nicht passen. Sie ersparen sich durch diese auf den ersten Blick aufwendige Methode noch schlimmere Folgekosten.

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