In unserer Zeit sind Zwänge selten geworden sind. Aus einer Welt des Müssens ist eine Welt des Könnens geworden. Entscheidungsprozesse geraten ins Stocken. Das betrifft unsere privaten Entscheidungen und im selben Maße auch geschäftliche Entscheidungen. Professionelle Berater und Verkäufer wollen sich mit dieser Ausgangssituation auseinandersetzen und ihre besten Handlungsmöglichkeiten abwägen. Nur wer die richtigen Fragen im Verkaufsgespräch stellt, kann sicher sein, dass der Kunde wirklich investieren wird.
In dieser Ausgabe werden wir erarbeiten, wie wir den Konjunktiv zum Imperativ entwickeln. Es wird dabei helfen, das „könnte vielleicht“ zum „muss jetzt“ zu steigern und eine Entscheidung des Kunden zu bewirken – oder eben selbst die professionelle Entscheidung zu treffen, eine andere Verkaufs-Chance zu suchen. Dieses Kapitel betrifft die vielleicht wichtigste Eigenschaft des modernen Verkäufers. Es ist der wichtigste Schritt, um die Spreu vom ergiebigen Weizen zu trennen.
Konjunktiv oder Imperativ – könnte kaufen oder will kaufen
Viele weniger erfahrene Verkäufer machen den häufigen Fehler, dass Sie auf der Basis eines gefundenen Problems sofort in die Lösungs-Diskussionen gehen. Das ist allerdings falsch, zumindest bei komplexeren Entscheidungssituationen im Geschäftskunden-Umfeld.
Bei weniger komplexen Entscheidungen kann sofort nach dem Problemverständnis eine Lösung gefunden werden. Stellen Sie sich vor Ihre alte Kamera ist defekt und sie möchten für Ihre nun anstehende Urlaubsreise eine neue Kamera mitnehmen. Geplant ist eine Städtereise. Die Kamera sollte also hochwertig aber nicht zu groß sein damit man sie ohne großen Aufwand in eine Tasche stecken kann. Hier ist die Situation und das Problem relativ einfach. Deswegen kann ein guter Verkäufer sofort nachdem er das Problem verstanden hat einen Lösungsvorschlag machen.
Die richtigen Fragen verhindern, dass der Entscheidungsprozess ins Stocken gerät
Die Sachlage wird allerdings völlig anders wenn es um ein komplexes geschäftliches Problem geht, dass ihr Kunde lösen will. Nehmen wir als Beispiel Unternehmenssoftware, die an ein mittelständisches Unternehmen verkaufen werden soll. Die bestehende Software wurde durch einen ehemaligen Mitarbeiter vor langer Zeit programmiert, der inzwischen nicht mehr im Unternehmen ist und auf denen man nicht mehr zurückgreifen kann. Problematisch daran ist, dass wichtige Veränderungen oder Erweiterungen nicht mehr an der Software durchgeführt werden können. Außerdem ist unklar ob künftige Betriebssystemupdates noch kompatibel zu dieser Unternehmenssoftware sein würden.
Betrachten wir die Entscheidungssituation des Kunden am Beispiel eines einfachen alltäglichen Themas: Wenn sie in letzter Zeit bei einem Vorsorgetermin ihres Zahnarztes waren, dann hat er Ihnen sicherlich stark geraten, weiterhin Zahnseide zu benutzen. Denn falls sie auf die Benutzung von Zahnseide verzichten, um die Zwischenräume der Zähne mindestens einmal alle vierundzwanzig Stunden zu reinigen, dann kann es zu ernsthaften Erkrankungen im Mund kommen. Wenn Sie nicht die Beläge, die sich automatisch bilden, regelmäßig entfernen, dann können sich gefährliche Bakterien festsetzen und die Zahngesundheit erheblich verschlechtern. Letztendlich droht dadurch Zahnfleischschwund und Zahnausfall. Man könnte sagen ein ernsthaftes Problem. Und dennoch wissen wir, dass viele Menschen keine regelmäßige Anwendung von Zahnseide in ihren Alltag eingebaut haben. Woran liegt das? Das Problem ist doch klar! Weshalb wird dennoch auf eine Lösung verzichtet?
Den Entscheidungsprozess beflügeln
Handlungsdruck wird nicht durch das Problem an sich, sondern durch die hierdurch verursachten Schmerzen erzeugt. Es ist in der Regel nicht besonders schmerzhaft, keine Zahnseide zu verwenden. Ebenso gibt es kaum offensichtliche Schmerzen, wenn ein unternehmerisches Problem sich langsam aufgebaut hat. Der Schmerz ist nicht an der Oberfläche. Deshalb muss ein professioneller Verkäufer in der Lage sein diesen Schmerz im Kundengespräch freizulegen und für den Kunden spürbar zu machen.
Ein vorbildlicher Dialog mit Auswirkungsfragen
Verkäufer: Gut. Ich habe mir die drei genannten Probleme notiert, also die Tatsache das nicht weiter angepasst werden kann, dass eventuelle Inkompatibilitäten auftreten werden und dass Mitarbeiter Schwierigkeiten bei der Benutzung der bestehenden Software haben. Welche der genannten Punkte ist aus ihrer Sicht der wichtigste?
Kunde: Ich denke bedrohlich ist vor allem die Inkompatibilität, die auf uns zukommen könnte.
Verkäufer: Sie können sich bestimmt vorstellen, dass ich in meiner Funktion häufig mit Problemen dieser Art konfrontiert werde. Viele Unternehmen in ihrer Branche haben ähnliche Schwierigkeiten mit drohender Inkompatibilität. Was bringt Sie dazu, Jetzt etwas dagegen zu unternehmen?
Kunde: naja. Ich denke wir sollten da jetzt dringend etwas tun.
Verkäufer: wenn ich sie richtig verstehe ist dieses Problem ja nicht plötzlich und seit gestern entstanden. Das heisst, in den letzten Wochen, Monaten und vielleicht Jahren konnten sie ganz gut damit leben. Weshalb möchten Sie jetzt investieren um die Situation zu bereinigen?
Kunde: Die Stabilität unserer Lieferlogistik hängt zu 100% von unserer Software ab. Wenn wir diese Software aus irgendeinem Grund nicht mehr verwenden könnten, würde sich das erheblich auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens auswirken. Deshalb müssen wir noch dieses Jahr etwas tun.
Verkäufer: Bitte helfen Sie mir, den Handlungsdruck zu verstehen der sich für Sie im Moment ergibt. Weshalb müssten sie noch dieses Jahr dringend etwas ändern? Weshalb nicht sagen wir nächstes Jahr in der ruhigen Sommerzeit?
Kunde: Der Zusammenhang zwischen ERP Software und Unternehmenserfolg ist auch unserer Hausbank klar. Für die Verlängerung diverser Kredite im nächsten Geschäftsjahr ist nach geltenden Vorschriften wegen der veralteten Software ein Risikozuschlag fällig. Wenn wir hier nicht zeigen können, dass unnötige Risiken beseitigt wurden, dann könnte sich das mit mehr als einem Prozent Verschlechterung der Zinssätze bemerkbar machen.
Verkäufer: Ein Prozent Zinserhöhung. Welche monetären Konsequenzen hätte das in etwa für Ihr Unternehmen ab dem kommenden Geschäftsjahr?
Kunde: Nun, das wollen wir ja gerade vermeiden. Rein kalkulatorisch ergeben sich bei unserem Stand des Fremdkapitals zusätzliche Finanzierungskosten in der Größenordnung von circa 45.000 € pro Jahr.
Durch Fragen den Entscheidungsprozess ermitteln
Dieser sicherlich optimale Verlauf zeigt die besondere Kraft, die durch gute Auswirkungsfragen entstehen kann. Möglicherweise wird der Kunde von alleine diese Art von Auswirkungen für sich nicht entdecken. Sollte auf die offene Frage nach den Auswirkungen vom Kunden keine gute Antwort kommen, dann kann durch geschlossene Fragestellungen dennoch der gleiche Effekt erzielt werden. So kann man Auswirkungsfragen nach den Kosten, die zunächst nicht beantwortet werden mit einer Frage dieser Art dennoch beantworten lassen: „Sind die gestiegenen Finanzierungskosten eher bei 10.000 € oder bei 50.000 € pro Jahr?“
Wenn es gelingt wie in diesem Beispiel durch offene Fragen typische Schmerzpunkte des Kunden zu identifizieren, dann ist es in der Folge wesentlich leichter den Handlungsdruck für den Kunden aufrecht zu erhalten. Wenn umgekehrt kein Handlungsdruck besteht, dann wird auch das vermeintlich größte Problem weiterhin ertragen. Deshalb ist diese Episode, die sich mit dem Herausarbeiten des Handlungsdrucks beschäftigt, vor allem für Berater und Verkäufer von komplexen Unternehmenslösungen und Beratungsprojekten absolut entscheidend.
Tote Pferde nicht reiten, sondern beerdigen
Wenn trotz cleverer Anwendung von Auswirkungsfragen der Kunde keinen Handlungsdruck für sich erkennen kann, dann ist es sicherlich besser das Verkaufsprojekt an dieser Stelle zu beenden. Denn wenn eine Frage nach dem Schema „Weshalb wollen Sie dieses Problem nun beseitigen?“ vom Kunden nicht beantwortet werden kann, dann ist das gut. Viele Verkäufer werden jetzt vermutlich die Stirn runzeln. Weshalb soll das gut sein? Denn durch diese Frage bringe ich den Kunden ja geradezu auf den Trichter, nun keine Lösung anschaffen zu wollen.
Auf den ersten Blick ist es deswegen keine gute Idee solche Fragen zu stellen. Bei genauerer Betrachtung ist es jedoch sehr wichtig. Denn wenn ich den Kunden in meiner Gegenwart durch passende Fragen zu diesen Überlegungen führen, dann kann ich eventuell noch Einfluss nehmen. Denn eines ist klar: Spätestens wenn das Angebot mit der Investitionssumme auf dem Tisch liegt, wird sich der Kunde sich selbst genau diese Fragen stellen: „Brauche ich das wirklich? Kann ich denn nicht ohne diese Investition weiter machen?“ Und deswegen halte ich es für essenziell, dass trotz dieses vordergründigen Risikos dennoch diese Art von Fragen im Beisein des Kunden gestellt werden. Der Verkäufer hat dann die Möglichkeit den Handlungsdruck gemeinsam mit dem Kunden zu erarbeiten. Die Gefahr, dass der Kunde sich die Auswirkungsfragen zum ersten Mal alleine und in Abwesenheit des Verkäufers stellen wird, ist wesentlich größer.
Und wenn nun kein Handlungsdruck gefunden werden kann, dann sollte die Verkaufs-Chance beendet werden und statt dessen die frei werdende Zeit in das Auffinden neuer Kundenpotentiale investiert werden. Hoffnung ist selten ein guter Berater. Wenn kein Handlungsdruck gefunden wurde, ist ein Ende mit Schrecken für das verkaufende Unternehmen besser, als Meetings, Angebote, Präsentationen und Nachfassversuche ohne Ende. Sie erinnern sich an die wichtigste Aufgabe im Geschäftskundenvertrieb, die wir bereits behandelt haben? Trenne die Chancen von den Nicht-Chancen.
Der Handlungsdruck ist einer von zwei wesentlichen Faktoren um die Entscheidung bei komplexen Problemen und umfassenden Lösungen zu beschleunigen. In der kommenden Woche beschäftigen wir uns mit der zweiten Komponente die für komplexe Unternehmensentscheidungen absolut notwendig ist, um latenten Bedarf zu konkretem Bedarf zu entwickeln.
Fotoquelle Titelbild: © fotolia/ Bulat
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