Wie kann man mit einer Präsentation zum Kauf verführen, ohne etwas vorführen zu wollen? Wenn man Privatleute fragt, ob sie sich vorstellen können, ihr nächstes Auto zu kaufen, ohne eine Probefahrt zu machen, stößt man höchstwahrscheinlich auf Verwunderung. Die meisten Menschen würden die Augenbrauen hochziehen und verwundert den Kopf schütteln. Kein Wunder also, dass wir aus unseren eigenen Erfahrungen als private Käufer davon ausgehen, dass bei jeder nennenswerten Investition eine Art Vorführung geschehen muss, damit wir uns entscheiden können. Aber stimmt das wirklich?
Vielleicht gehen wir hier einem Denkfehler auf den Leim. Unsere Erfahrung stützt sich eben ausschließlich auf unsere private Einkaufserfahrung. Wenn die Anschaffung eines neuen Fahrzeuges oder größerer Möbelstücke auf dem Plan steht, wollen wir einfach sicher sein, dass wir uns wohlfühlen und auch im Nachhinein zu 100% mit dem Kauf zufrieden sein werden. Aber wie ist das, wenn im Geschäftskundenumfeld Entscheidungen getroffen werden? Was ist hier grundlegend anders?
Hier treffen wir auf einen Effekt, den ich den „Inkompetenz-Effekt“ nennen möchte. Entscheider und deren Mitarbeiter tendieren dazu, Entscheidungen durch Prüfungen zu stützen, die sie nicht kompetent beurteilen können.
Keine Ahnung, aber entscheiden wollen
Der „Inkompetenz-Effekt“ tritt typischerweise bei Entscheidungen auf, die der Entscheider nur sehr selten in seiner Karriere trifft. Als Erklärungsversuch ein Beispiel aus dem privaten Umfeld: Nehmen wir an, ich habe ein „Haglund-Syndrom“. Das ist eine schmerzhafte Knochenwucherung an der Ferse unter der Achillessehne. Der Knochen reibt permanent an der Sehne, die sich deshalb entzündet und man passt in keinen normalen Schuh mehr. Die Methoden zur Behandlung dieser Erkrankung sind vielfältig. Minimal-invasiv oder herkömmlich, mit oder ohne Schnitt an der Sehne selbst, bis zu abenteuerlichen orthopädischen Eingriffen mit Schrauben und selbst verwachsenden Dübeln aus Industriezucker.
Wie Sie wissen, bin ich kein Orthopäde. Wie soll ich also entscheiden, welcher dieser Eingriffe für mich geeignet ist, wo doch alle Methoden von drei unterschiedlichen und durchaus erfahrenen Ärzten angeboten werden? Jeder sagt mir, dass seine Methode in meinem Fall die beste ist. Wem soll ich glauben? Was ist richtig? Sicher werden Sie mir zustimmen, dass ich fachlich inkompetent bin – und trotzdem werde ich beginnen, Informationen zu sammeln, im Internet Erfahrungsberichte zu lesen und Videos auf Youtube anzusehen. Dadurch steigt meine Kompetenz jedoch in nicht. Ich werde höchstens lernen, was andere Gutes oder Schlechtes erfahren haben – auf meinen persönlichen Zustand kann ich diese Aussagen jedoch nicht 1:1 übertragen.
Nach der Entscheidung sind wir klüger
Ob es eine gute Entscheidung war, werde ich erst im Nachhinein gelernt haben. Und selbst wenn die Operation schiefging, heißt das noch lange nicht, dass eine der anderen Methoden besser gewesen wäre. Und umgekehrt, wenn es gut ging, habe ich noch immer keine Sicherheit, dass ich die beste Variante ausgewählt habe. Solche Entscheidungen finden wir fast immer, wenn ein Unternehmen eine Entscheidung für eine Investition treffen soll. Viele Parameter und keine Chance alle Eventualitäten kompetent zu prüfen. Wenn Sie meinen Blog schon länger verfolgen, dann wissen Sie, dass der Entscheider am Besten fahren würde, wenn er eine intuitive Entscheidung trifft.
Übertragen wir das private Beispiel einmal auf ein Unternehmen. Sagen wir es geht um eine neue Software zur Steuerung der wesentlichen Unternehmensbereiche: Logistik, Lager, Fertigung, Lieferung und Faktura – schlicht ERP (Enterprise Ressource Planning). Was denken Sie, wie oft wird ein typischer Entscheider im Laufe seiner Karriere eine solche Entscheidung treffen? Einmal? Zweimal? Sicher nicht öfter als dreimal. Wie kompetent ist er also, um die wichtigen Dinge zu berücksichtigen?
Bestimmt wird er nicht alles alleine entscheiden. Er hat vermutlich den Drang, seine betroffenen Mitarbeiter einzuspannen, um deren fachliche Urteile zu berücksichtigen. Aber wird er dadurch kompetenter? Ich denke, dass dadurch nur eine andere Form des „Inkompetenz-Effekts“ ausgelöst wird. Zur Verdeutlichung biete ich Ihnen meine Mofa-Geschichte an und ermutige Sie, diese auch in Ihrem Kundenumfeld zu nutzen.
Geben Sie der Schwarmdummheit keine Chance
Stellen Sie sich vor, Sie verkaufen Kipp-Laster, mit denen man effizient Schutt von A nach B transportiert. Sie treffen auf einen Kunden, der alle Voraussetzungen erfüllt, um dieses Produkt einzusetzen und erheblich davon zu profitieren. Sie sind sicher, dass Sie mit Ihrer Lösung eine entscheidende Verbesserung herbeiführen werden. Sie haben zigmal an ähnliche Kunden erfolgreich verkauft und Referenzkunden produziert. Das ist bekannt und alles ist besprochen, aber der Entscheider will seine Mitarbeiter noch „einbinden“.
Das Dumme an der Sache: Die bisherigen Prozesse in diesem Unternehmen basieren auf dem Transportmittel „Mofa“ mit einem Anhänger für den Schutt. Die Mitarbeiter sehen, dass es so nicht weitergeht, aber sie sind es nun mal gewohnt, die Arbeit mit dem Mofa zu erledigen. Jetzt sollen Sie die neue Lösung „Kipp-Laster“ testen und beurteilen. Ein Vorführtermin steht an, zu dem die wichtigsten Mitarbeiter auch selbst Hand anlegen dürfen. Der Schutt-Transport verläuft einwandfrei – und dennoch gibt es einige kritische Anmerkungen:
- Ein Lenkrad sei nicht das passende Mittel – eine Lenkstange wird verlangt
- Die Bremse sollte statt mit dem Fuß weiterhin mit der rechten Hand bedient werden.
- Die Kupplung dürfe nicht mit dem linken Fuß, sondern mit der linken Hand bedient werden, dafür allerdings
- müsse die Schaltung auf den linken Fuß verlegt werden, statt so wie in dem Demo-Kipp-Laster mit der rechten Hand…
Sie haben längst erkannt, was ich damit sagen will. Die Mitarbeiter werden die Innovation aus ihrer heutigen Routine heraus beurteilen. Und das führt zwangsläufig zu Fehleinschätzungen. Henry Ford soll einmal gesagt haben „Wenn ich meine Kunden befragt hätte, hätten sie wohl schnellere Pferde verlangt…“
Tests bringen Kunden zu dummen Entscheidungen
Wie können Sie damit umgehen, wenn so etwas in Ihrem Verkaufsprozess vorkommt? Nun, Sie könnten genau diese Geschichte hervorholen und Sie dem Entscheider präsentieren. Ich mache das zumindest so. Und wenn ich die Geschichte erzählt habe, mache ich eine kurze Pause, schaue dem Entscheider tief in die Augen und sage sinngemäß: „Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass wir einen ähnlichen Effekt auslösen, wenn Sie jetzt Ihre Mitarbeiter involvieren?“
Außerdem ist es häufig so, dass die neue Lösung sich mehr oder weniger auf die Arbeit der Mitarbeiter auswirken wird. Oft sogar in einer zunächst als bedrohlich wahrgenommenen Weise. Wer kennt nicht den Spruch: „Wer den Sumpf trockenlegen will, sollte nicht die Frösche fragen..:“
Aber was ist die Alternative? Wie können wir das große Verlangen des Kunden bedienen, wenn er sich durch Augenschein von etwas überzeugen will, was er kaum beurteilen kann? Wie können wir auf anderem Weg ein plastisches Bild erzeugen, dass die Entscheidung begünstigt? Wie können wir unserem Entscheider die nötige Zuversicht geben, wenn Vorführungen nicht sinnvoll oder möglich sind?
Provozieren Sie eine gute Entscheidung
Das ist möglich, indem wir ansprechende Geschichten erzählen, die in Erinnerung bleibt und einen Denkprozess auslöst, der Lust zum Handeln macht. Wenn Sie Drehbuchautor sind, dann wissen Sie was ich meine. Wenn nicht, lassen Sie mich eine sehr kurze Anleitung dazu anbieten. Wenn Sie tiefer einsteigen möchten, finden Sie am Ende des Artikels eine Liste mit weiterführenden Büchern.
1. Bewegung durch Rhythmus.
Die US-Amerikanische Autorin Nancy Duarte hat sich einen Namen gemacht, wenn es um eindrucksvolle Präsentation geht. In letzter Zeit hat sie sich auch mit außergewöhnlichen Reden beschäftigt. Sie erklärt die Wirkung verschiedener Reden mit einem Rhythmus, in dem zwischen den beiden Erzählebenen „Wie es heute ist“ und „Wie es künftig sein wird bzw. sein sollte“ gewechselt wird. Am Beispiel berühmter Reden zeigt sie, wie es den Vortragenden gelang, die Zuhörer auf eine Reise vom Heute in ein besseres Morgen einzuladen. Das können Sie auch.
Beginnen Sie von der aktuellen Situation zu sprechen. Machen Sie deutlich, dass es nicht um eine x-beliebige Situation geht, sondern genau um diese hier. Dann sprechen Sie davon, wie es sein wird, sobald die Entscheidung getroffen und in die Tat umgesetzt ist. Dabei stellen Sie die Ergebnisse in den Vordergrund und lassen die Details weg. Wechseln Sie immer wieder zwischen den beiden Ebenen heute und später hin und her, um eine gewisse Spannung zu erzeugen und enden Sie mit einer genüsslichen Beschreibung der Ergebnisse und des Nutzens.
2. Entscheider auf Heldenreise
Jede Investition ist ein Aufbruch ins Ungewisse. Gute Geschichten und erfolgreiche Filme beschreiben auf ihre Weise eine solche Reise. Ein Held bekommt den Auftrag, sich in ein Abenteuer zu begeben. Diesen Aufruf verweigert er zunächst, Schließlich nimmer er aber doch die Herausforderung an. Was dann folgt, ist eigentlich vorhersehbar: Aufbruch, anfängliche Probleme, unerwartete Hilfe, sich steigernde Probleme und neue Hilfe von außen. Es folgt die entscheidende Erkenntnis, der show-down, die den Helden verändert, so dass er zunächst nicht zurück in die alte Welt will. Dann jedoch der Aufbruch zurück in den Alltag, der mit den neuen Fähigkeiten und Erkenntnissen eine neue Qualität bekommt. Der Held ist gewachsen und auch sein Umfeld profitiert davon.
Dieser und ähnlichen Strukturen folgen alle spannenden Geschichten, die wir gerne miterleben wollen. Der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell hat diese Struktur geprägt und vielen Drehbuchautoren neue Möglichkeiten eröffnet. Setzen Sie Ihren Entscheider als Helden in eine solche Geschichte ein. Sprechen Sie von der Investitionsentscheidung und lassen Sie ihn teilhaben. Sprechen Sie über eine Heldenreise, die seine sein könnte und laden Sie ihn ein, sich da hineinzudenken.
3. Bleibende Erinnerung
Die Brüder Chip & Dan Heath beschäftigen sich mit der Frage, wie man Ideen so „verkauft“, dass Sie hängen bleiben. Sie haben festgestellt, dass man erfolgreiche Ideen an wenigen charakteristischen Merkmalen erkennt. Nicht erfolgreiche Ideen kann man jedoch nicht kategorisieren, weil jede für sich einzigartig schlecht ist. Die sechs Kriterien erfolgreicher Ideen, die die Autoren herausgearbeitet haben, sind:
Einfach – Was kann man noch weglassen ohne den Sinn zu verfälschen? Was ist zu kompliziert? Wie kann man es ohne Fremdworte sagen?
Unerwartet – Wo ist die Überraschung? Welche unerwartete Wendung gibt es?
Konkret – Wie kann man es mit bildhaften klaren, statt abstrakten Worten sagen? Welchen Bezug hat es zu hier, heute und uns?
Glaubhaft – Welche Zeugen gibt es? Welche Beweise kann man anführen? Wo ist es selbsterklärend?
Emotional – Wie kann man es emotional aufladen? Was bedeutet es für das Leben der Beteiligten?
Erzählend – Wie wird eine gute Geschichte daraus? Was muss ich beachten, damit sie weitererzählbar ist?
Präsentation oder Vorführung?
Machen Sie sich eine Checkliste mit diesen sechs Punkten und arbeiten Sie immer wieder an Ihren Präsentationen, Herleitungen, Beispielen und Anekdoten, die Sie erzählen, um diese Punkte von Mal zu Mal besser zu erfüllen. Sicher wird es nicht möglich sein, immer und in jedem Fall sämtliche Punkte abzudecken, aber je mehr dieser Kriterien erfüllt sind, desto eindrucksvoller werden Sie neue Ideen präsentieren.
Diese Artikelserie gibt Ihnen Tipps zu professionelle Präsentationen im Vertrieb und Angeboten, die auch wirklich angenommen werden. Verpassen Sie keine der dreizehn Ausgaben und tragen Sie sich hier ein!
Buchtipps:
Cristián Gálvez: Logbuch für Helden: Wie Männer neue Wege gehen
Chip Heath, Dan Heath: Made to Stick: Why Some Ideas Survive and Others Die (Englisch)
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