Die meisten Menschen haben den Begriff „Funnel“ im Zusammenhang mit Vertrieb oder Marketing schon einmal gehört. Aber was bedeutet es genau? Sales Funnel. Marketing Funnel. Customer Journey. Das sind alles Begriffe, die in einem ähnlichen Kontext verwendet werden. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie einen Funnel im professionellen Vertrieb am besten einsetzen.
Funnel bedeutet Trichter
Funnel ist das englische Wort für Trichter. Dieser Begriff wurde gewählt, weil in vielen Abbildungen der Ablauf von einer ersten Kontaktaufnahme bis zum Abschluss eines Geschäfts als auf dem Kopf stehendes Dreieck dargestellt wird. Damit will man erreichen, dass der Selektionsprozess sichtbar wird. Aus anfänglich vielen Chancen werden am Ende einige wenige. Funnel bedeutet also nichts anderes als ein Modell für einen Ablauf, den wir typischerweise im Vertrieb und im Marketing kennen.
Meiner Meinung nach hat das Wortbild Trichter eine Schwäche. Wenn ich mir einen Trichter vorstelle, dann sehe ich, dass alles, was oben in den Trichter eingefüllt wird, auch unten wieder herauskommt. Das ist bei einem typischen Vertriebsprozess aber nicht so.
Der Sales Funnel beschreibt eine Selektion
Das Bild wird besser, wenn wir uns einen Trichter vorstellen, der in einer Flasche steckt. Man kippt oben Flüssigkeit hinein, damit sie in der Flasche landet. Jetzt ändern wir unsere Vorstellung und sehen einen Trichter, dessen Außenwand durchlöchert ist. Sagen wir, ca. zehn Löcher mit unterschiedlichen Durchmessern. Wenn man jetzt den Trichter kontinuierlich von oben mit Flüssigkeit befüllt, landet ein Teil davon im Ziel – in diesem Fall der Flasche. Aber der größte Teil geht durch die Löcher im Trichter verloren.
Im professionellen Vertrieb nutzen wir die Metapher des Trichters, um den typischen Selektionsprozess besser beschreiben zu können. In keinem Verkaufsprozess gibt es immer nur 100-prozentige Erfolgsquoten. Nicht alle potenziellen Kunden werden auch tatsächlich zu zahlenden Kunden. Manche entscheiden sich für einen Wettbewerber oder kaufen nichts. Der Sales Funnel ist das Modell, um die wesentlichen Zustände und Meilensteine entlang dieser Selektion zu beschreiben.
Sales Funnel oder Customer Journey?
Wenn Sie sich in die Rolle eines Kunden hineinversetzen und Ihre kürzlichen oder demnächst anstehenden Kaufentscheidungen betrachten – gefällt Ihnen der Gedanke, in einen Trichter gesteckt zu werden?
Vermutlich nicht. Deshalb gibt es auch noch eine andere Sichtweise, die man Customer Journey nennt. Aus dieser Perspektive betrachten wir das Heranreifen der Entscheidung eines Kunden: Wie entwickelt sich erstes Interesse zur Entschlossenheit und eventuell sogar zum Stammkunden und Fan? Wir betrachten seine Reise und stellen uns seine verschiedenen Berührungspunkte mit unserer Marke und vielleicht auch anderen Marktbegleitern vor.
Jede dieser Reisen wird anders verlaufen. Zielstrebige Charaktere werden schnurstracks – sozusagen in der Ideallinie – vom ersten Kontaktpunkt zur Entscheidung streben. Andere werden zunächst nur passiv Inhalte konsumieren und sich hier und da mit Informationen versorgen. Vielleicht verwerfen sie sogar die Kaufentscheidung, weil gerade andere Dinge wichtiger sind. Bis dann doch wieder etwas geschieht, das das Interesse schürt.
Jeder Sales Funnel ist individuell
Es kann also nicht den einen „richtigen“ Sales Funnel geben. Dazu unterscheiden sich Konsumenten bzw. Geschäftskunden zu sehr. Das Heranreifen der Entscheidung ist der beste Strukturgeber für den Verkaufsprozess. Wenn sich Unternehmer Gedanken darüber machen, wie Kunden denken und welche Meinungsbildungsprozesse sie durchlaufen, dann können sie mit einer guten Kombination aus Marketing Funnel und Vertriebs-Funnel einen deutlichen Wettbewerbsvorteil erreichen.
Wenn man geschäftlich Kaufprozesse grundsätzlich beleuchtet und dabei zunächst nur die Entwicklung der Entscheidungsreife betrachtet, dann könnte man diese Abfolge von Entwicklungsschritten der Entscheidung festlegen:
- Awareness – Aufmerksamkeit: Der Kunde wird auf ein Problem und die dazu passende Lösung aufmerksam.
- Interest – Interesse: Weil sich die Auswirkungen eines Problems bemerkbar machen oder unangenehme Auswirkungen befürchtet werden, besteht Interesse an einer Lösung.
- Consideration – In Erwägung ziehen: Der Kunde erkennt, dass ein oder mehrere konkurrierende Angebote in Betracht kommen, um das Problem zu lösen.
- Intent – Kaufabsicht: Der Kunde beschließt, dass er investieren will, um das Problem zu lösen.
- Evaluation – Eignungstest: Der Kunde prüft, ob eine oder mehrere der angebotenen Lösungen zu seinen Anforderungen passt.
- Purchase – Einkaufsverhandlung: Der Kunde beginnt konkrete Einkaufsverhandlungen und will offenbar eine Lösung kaufen.
- Win – Kauf: Der Kauf hat stattgefunden und einer der potenziellen Anbieter kann Umsatz verbuchen.
Die Entwicklung einer Entscheidung kann man nicht beschleunigen. Jedes Individuum wird diesen Weg in unterschiedlicher Geschwindigkeit gehen. Manche werden unterwegs stehen bleiben – oder gar umkehren. Einige wenige werden sogar so schnell durch die Schritte hasten, dass man meinen könnte, sie hätten einzelne Schritte übersprungen.
Was ist der Unterschied zwischen Sales Funnel und Marketing Funnel?
Der Marketing Funnel kommt zuerst und von dort bewegt sich der Kontakt in den Sales Funnel. Je nach Geschäftsmodell und Markt gibt es andere Übergabepunkte. Vielleicht sprechen wir in zehn Jahren nicht mehr über die Trennung von Vertrieb und Marketing – wir werden sehen.
Im Moment ist es sicherlich in den meisten Unternehmen so organisiert, dass das Marketing die Arbeit übernimmt, bis aus einem ersten Kontakt ein echtes Interesse (MQL = Marketing Qualified Lead) heranreift. Wenn dann noch geprüft wird, ob das Individuum bzw. das Unternehmen hinter dem Kontakt alle wichtigen Kriterien erfüllt, wird es zum SQL, also einem Sales Qualified Lead. Dazu ist es notwendig, dass die sogenannten BANT-Kriterien erfüllt sind.
BANT ist ein Akronym für Budget, Autorität, Nutzen und Termin. Es soll also geprüft sein,
- dass der Kontakt genügend Mittel für einen Kauf hat,
- dass die Person bekannt ist, die später entscheiden wird,
- dass der Nutzen für diese Person klar ist,
- und dass ein Zeitplan für die Entscheidung steht.
Welcher Funnel eignet sich für meine Organisation?
Diese Frage lässt sich sehr präzise beantworten – allerdings ist einiges an Vorarbeit nötig. Weil es ja in erster Linie um die Entscheidung des Kunden geht und weniger um unsere Idealvorstellung, sollten wir diese analysieren. Diese Kriterien würde ich für solch eine Analyse heranziehen:
1. Tragweite der Entscheidung
Die Entscheidung für ein Fachbuch im Vergleich zur Anschaffung einer neuen Unternehmenssoftware ist ein großer Unterschied. Die Auswirkungen einer Fehlentscheidung sind sehr unterschiedlich. Ebenso wie die Intensität, mit der man die Richtigkeit der Entscheidung überprüfen wird. Die Tragweite bestimmt die Dauer, die Entscheidende benötigen werden, um eine Entscheidung zu treffen.
2. Informationsgewohnheiten
Entscheidungen sind anfangs oft nicht möglich, weil noch Informationen fehlen. Welche Art von Information benötigen die idealtypischen Personen, um eine gute Entscheidung zu treffen? Wie umfangreich und häufig sind diese Informationen erwünscht? Welche Medien bevorzugen die entscheidenden Personen, um eine Entscheidung möglich zu machen?
3. Übergabe Marketing an Sales
Wann ist der beste Moment, um den Kontakt an den Vertrieb oder den Onlineshop zu übergeben? Welche Informationen und Selektionsverfahren können schon vorher laufen, um die meist teure Vertriebsaktivität für besonders attraktive Verkaufschancen zu investieren?
4. Angebotsgestaltung
Muss das Angebot anhand von individuellen Kundenanforderungen für jeden Fall neu gestaltet werden? Oder kann man es eventuell sogar automatisiert erstellen und versenden? Muss das Angebot „erklärt“ werden oder kann man es einfach versenden?
5. Abschluss
Kann der Kunde die Entscheidung alleine treffen oder ist es notwendig, dies in einem Gespräch zu vereinbaren und eventuelle Sonderwünsche zu verhandeln? Gibt es üblicherweise ein Vergabeverfahren? Welche Wege muss die Entscheidung nehmen, bevor sie rechtskräftig wird?
Abhängig von diesen Faktoren können Sie die Dauer des Funnels von der ersten Interaktion bis zur Entscheidung festlegen. Überlegen Sie sich, wie viele Nachrichten und Interaktionen über welches Medium optimal sein könnten, um die Entscheidung zu begünstigen. Und legen Sie fest, ab welcher Stufe von Interesse und Qualifikation menschliche Interaktion hilfreich ist, um einen Abschluss zu tätigen.
Funnel-Struktur: Inhalt – Dialog – Entscheidung
Bei allen Unterschieden sollten Sie jedoch immer berücksichtigen, dass es eine immer gleiche Art der Entwicklung von Interesse gibt. Zunächst lockt eine Information, die mit den Gedanken, Sorgen oder Bedürfnissen einer Person in Resonanz geht. Diesen Bedarf an wertvollen Inhalten befriedigt man tunlichst, um daraus eine erste Beziehung zu entwickeln. Niemand will zu Beginn einer Beziehung mit Angeboten für was auch immer belästigt werden.
Wenn das geschafft ist, sollten Sie versuchen, den Monolog der Aussendung von Inhalten in einen Dialog zu verändern: Jetzt stellen wir gute Fragen. Offene Fragen werden seltener beantwortet als geschlossene Fragen, bringen aber besser Lernergebnisse: „Was interessiert Sie besonders im Zusammenhang mit …?“ Geschlossene Fragen eignen sich besser, um die Kontakte zu selektieren: „Haben Sie bereits eine Kältekammer für die Verformungstechnik im Unternehmen eingerichtet?“
Erst am Ende, wenn die Beziehung durch wertvolle Inhalte gefestigt ist und der Dialog angeboten wurde – erst dann kommt es zur Entscheidung. Die sollte dann aber auch so klar und konsequent wie möglich gefordert werden. An dieser Stelle im Ablauf des Funnels wollen wir eine Entscheidung des Kunden. Wir stellen eine annehmbare Forderung, wie zum Beispiel „Vereinbaren Sie jetzt einen Termin für ein erstes Beratungsgespräch“. Das ist annehmbar. Wer das nicht will, ist eben kein Sales Qualified Lead. Aber diejenigen, die das wollen, können jetzt im direkten Kundenkontakt weiterentwickelt werden.
Während die Klugen noch beraten, stürmen die Dummen die Burg
Ich habe vergessen, woher ich dieses Zitat habe. Aber es drückt so schön aus, was wir beim Entwerfen eines Funnels nicht tun sollten: Zu lange nachdenken, ob wir alles bedacht haben. Starten wir lieber mit einer guten, aber nicht perfekten Version und lernen wir dazu.
Fotoquelle Titelbild: © Golden Sikorka/stock.adobe.com
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