Wer brauchte zu Zeiten der Kontaktbeschränkung noch den Außendienst im Vertrieb? So gut wie niemand. Keine Reisen. Keine persönlichen Geschäftskontakte. Kein Außendienst. Diese Erfahrung hat einiges ausgelöst. Zumindest drängt sich jetzt eine Frage auf:

Brauchen wir noch den klassischen Außendienst im Vertrieb?

Ich selbst habe meine Vertriebskarriere im Außendienst begonnen. Anfang der 1980er-Jahre hatte ich einen der ersten Dienstwagen mit Katalysator und war von Montag bis Donnerstag in meinem Gebiet in NRW unterwegs. Von Aachen bis Paderborn, von Münster bis Bonn. Im Kofferraum eine Kiste mit Falk-Plänen der einzelnen Städte und die Autobahnkarte auswendig im Kopf. Das Ziel: Zwölf bis fünfzehn Kundentermine pro Woche und einen Bürotag am Freitag, um die Ergebnisse aufzuarbeiten und die kommende Woche vorzubereiten.

„Was? Nur 15 Termine die Woche? Und was habt ihr ab Dienstag gemacht?“ Das könnte der bissige Kommentar eines Verkäufers der digitalen Zeit sein. Ungläubige Blicke aus der konservativen Ecke. Ist das wirklich ein seriöser Kommentar?

Wie effektiv ist der Außendienst im Vertrieb?

Stellen Sie sich vor, Sie sind seit 20 Jahren im Außendienst tätig. Inzwischen können Sie mit Navi und einigen Assistenzsystemen die Fahrten etwas einfacher, bequemer und sicherer gestalten. Telefon mit Freisprecher im Fahrzeug erleichtert die kurzfristige Änderung der Tagesplanung und macht die Fahrzeiten fast schon zu Zeiten, in denen man wie gewohnt weiter Kundenkontakt halten kann.

Aber Sie sind noch immer darauf fokussiert, den Kunden persönlich zu besuchen. Das ist das, was ein Außendienst eben macht: herumfahren und Termine wahrnehmen. Aber ist es das, was Unternehmen wollen? Fahren und Besuchen? Unternehmen wollen die Kundenbeziehung optimal gestalten und dafür sorgen, dass daraus profitable Geschäfte entstehen. Das ging vor einigen Jahren nicht anders als per Anreise beim Kunden.

Sie haben sich darauf eingestellt, Karriere im Vertriebsaußendienst zu machen. Sie haben sich von einem einfachen Golf zum Passat oder vielleicht sogar schon zum BMW oder Audi hochgearbeitet. Das Auto ist zum Insignium der erfolgreichen Verkäufer geworden. Es steht am Wochenende sichtbar für alle in der Einfahrt. Und während der Woche bezeugt dessen Abwesenheit – bis weit über die Arbeitszeiten eines typischen Angestellten hinaus – die erfolgreiche Tätigkeit im Vertriebsaußendienst. Das alles soll jetzt nichts mehr wert sein?

Blick in die Geschichte: Warum gibt es eigentlich „Vertreter“?

Gehen wir zurück in das Jahr 1935 und stellen uns einen reisenden Bibelverkäufer vor, wie er als Figur im Film “Paper Moon” aus dem Jahr 1973 vorkommt. Die Reisenden brauchte man, weil nur so die Distanz zwischen der Fabrik und den Abnehmern überwunden werden konnte. Der Vertreter fuhr zur Fabrik, kaufte die Produkte ein und verkaufte sie mit einem Aufschlag an die Kunden, die zu weit von der Fabrik weg waren. Die Überbrückung der Distanz war die Wertschöpfung, für die der Reisende bezahlt wurde.

Später ergaben sich Konstellationen, wo die Produkte so teuer wurden, dass der Vertreter sie nicht einkaufen konnte, weil ihm dazu die Kapitalkraft fehlte. Wer kann schon teure Maschinen einkaufen und durch die Gegend fahren, um sie vielleicht verkaufen zu können. Deshalb wurde die Provision erfunden: Der Vertreter bekam einen prozentualen Anteil des Verkaufspreises, sobald der Verkauf im Namen der Fabrik zustande kam. Später bekam der Reisende im Laufe der rechtlichen Entwicklung des Status als Handelsvertreter gesetzlichen Schutz seines Gebiets, das er langsam und oft mühsam für die Produzenten aufbaute.

Nicht nur deshalb wurde es für Unternehmen immer attraktiver, die Verkäufer selbst einzustellen, statt sie als freie Handelsvertreter zu verpflichten. So konnten die Unternehmen wieder selbst die Kontrolle über die Verkaufsgebiete übernehmen. Nur die Provision als typischer Bestandteil der variablen Bezahlung von Menschen in Vertriebsberufen ist noch heute ein Relikt aus dieser Zeit.

Ist digital besser als persönlich?

Wir alle haben erlebt, welche enorme Entwicklung die Akzeptanz digitaler Medien seit März 2020 erlebt hat. Heute weiß jeder, was Zoom oder MS-Teams ist. Wir alle haben diese Art von virtuellen Treffen erlebt, schätzen und oft auch hassen gelernt. „Das ist nicht so persönlich wie ein Treffen mit echtem Augenkontakt“, denken viele zu Recht. Ein Handschlag und die persönliche Begegnung ist wohl auch in Zukunft durch nichts zu ersetzen.

Welche Rolle haben also digitale Kommunikationswerkzeuge und das gute alte Telefon im Vergleich zu persönlichen Kundenbesuchen, Messen und Konferenzen? Niemand wird bestreiten, dass ein Telefonat eine weniger intensive Begegnung darstellt als eine persönliche Begegnung. Aber wollen Sie wirklich immer persönlich bei Ihrem Friseur oder Zahnarzt vorbeifahren, um einen Termin zu vereinbaren? Wohl kaum. Wir sehen diese telefonischen Kontaktmöglichkeiten eher als Vorteil. So können wir bequemer und kostengünstiger die Aufgabe der Terminvereinbarung wahrnehmen. Müssten wir persönlich erscheinen, um einen Termin zu vereinbaren, würden wir das eher als Bürde wahrnehmen denn als „intensivere Erfahrung“. Was wäre, wenn es unseren Kunden in Bezug auf digitale Meetings ebenso erginge? Vielleicht wollen viele Unternehmen gar keinen persönlichen Kontakt mehr für die einfachen und alltäglichen Begegnungen im Business?

Stop: Was Fahrverbot im Außendienst bedeutet

Schon lange vor den durch die Pandemie ausgelösten Kontaktbeschränkungen erfuhr ich von einem Missgeschick einer meiner Kunden. Die Person hatte im Fitnessstudio – vielleicht ausgelöst durch zu intensives Krafttraining – einen kurzen Blackout. Der sofort herbeigerufene Notarzt konnte bei seinem Eintreffen bei der inzwischen wieder komplett regenerierten Person nichts mehr feststellen. Dennoch entschied er sich sicherheitshalber, einen „Verdacht auf einen epileptischen Anfall nicht auszuschließen“. Tja. Das hatte weitläufige Konsequenzen. In Deutschland bedeutet das ein Jahr Fahrverbot, bis der Verdacht komplett ausgeschlossen werden kann.

Das ist einerseits eine beruhigende Vorschrift zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer, aber für meinen Kunden war es in diesem Moment eine katastrophale Nachricht.

Wie soll man den Beruf im Vertriebsaußendienst ausüben, wenn man nicht selbst fahren darf? Eine Hilfskraft als Fahrer einstellen? Das hätte wohl mehr als das verfügbare Einkommen aufgezehrt. Staatliche Hilfe? Schutz durch die Krankenversicherung? Fehlanzeige. Also musste eine andere Lösung her:

  • Wie wäre es, wenn man Treffen online und digital machen könnte?
  • Wie wäre es, wenn man die Handykamera des Kunden einsetzen könnte, um fast wie vor Ort eine Begehung machen zu können?
  • Was wäre wenn man so deutlich mehr Termine pro Woche schafft und nur noch einen halben tag mit Hilfe eines Fahrers vor Ort sein muss?

Die Investition in einen Fotohintergrund für das Home-Office und eine gute Web-Cam war schnell getan. Und ab sofort waren deutlich mehr Kundenkontakte, weniger Fahrzeiten und eine effektivere Ausübung des Berufs im Verkauf möglich. Die Umsatzergebnisse spiegeln diese erhöhte Effektivität wieder. Alles in allem ein großer Erfolg. Die Erkenntnis: manchmal ist eine massive Störung des Status quo die beste Beschleunigung für Innovation.

Was kommt nach dem Außendienst?

Vertriebsaußendienst ohne „außen“ ergibt Vertriebsdienst. Das könnte die Antwort sein. Verkaufen bedient sich der Mittel, die eben notwendig sind, um den Kunden zu einer Entscheidung zu führen. Telefon, Online Meetings und Besuche, je nach Anlass, Kundenwunsch und Notwendigkeit.

Das bedeutet auch, dass wir das Gefälle zwischen Innendienst und Außendienst neu bewerten müssen. Ist es wirklich noch ein Karrierepfad, wenn jemand vom Innendienst in den Außendienst “aufsteigt”? Ich kenne genug Menschen, für die vier Tage pro Woche im Auto und 45.000 selbst gefahrene Kilometer pro Jahr eher ein Abstieg wären. Wer will denn schon in unserer Zeit bereitwillig Familie und private Beziehungen gefährden, um seinen Beruf auszuüben?

Würden Sie Ihrem Kind raten, in den Außendienst zu gehen?

Ich kenne wenige “alte Hasen” im Außendienst, die das uneingeschränkt so an ihre Kinder weitergeben wollen. Und vielleicht ist das auch nicht nötig. Das Auto als Statussymbol, Fahren an sich und die ökologischen Auswirkungen unnötiger Mobilität sind ohnehin inzwischen eher negativ belegt.

Aber was gibt es Schöneres, als Menschen dazu zu bewegen gute Entscheidungen zu treffen? Was ist auf Dauer erfüllender, als nachgewiesenermaßen dazu beizutragen, dass Unternehmen nachhaltige und sinnvolle Entscheidungen treffen, die sie alleine vielleicht nicht so getroffen hätten? Wer würde nicht gerne als Geburtshelfer von sinnvollen Investitionsentscheidungen einen wichtigen Beitrag leisten?

Genau das ist es, was Geschäftskundenvertrieb immer war und zumindest für die Profis in diesem Feld auch immer bleiben wird: Dienstleister zu sein für exzellente Kundenentscheidungen. Vielleicht nicht in jedem Einzelfall für eine Entscheidung, von der man selbst profitiert, aber sicherlich so, dass ehrliche Vertragspartner auf Dauer auch die präferierten Partner sind.

Menschen im Vertrieb mit Mobilitätshintergrund gesucht

Niemand sollte wollen, dass der persönliche Kontakt zum Kunden abgeschafft wird – ganz im Gegenteil. Menschen sind dazu gemacht, sich zu begegnen, sich auszutauschen und vielleicht sogar am Feuer zu sitzen und sich Heldengeschichten zu erzählen. Aber die persönliche Begegnung wird immer teurer und bekommt daher den Status, den sie verdient: eine besondere Begegnung mit Tiefgang und wenig Routine.

Verbannen wir den Alltag aus unseren Kundenbeziehungen. Nehmen wir günstige Möglichkeiten zur Abwicklung der alltäglichen Geschäfte. Und akzeptieren wir bewusst die persönliche Begegnung als das, was sie ist: Besonders wertvoll. Nicht immer nötig aber von Zeit zu Zeit unersetzlich.>Bestärken wir die Menschen im Vertrieb, Ihre Einsatzbereitschaft für Geschäftsreisen zu erhalten. Gönnen wir ihnen den Erfolg im Verkauf auch ohne die ständige Zeit hinter dem Steuer. Vertrieb und Verkauf ist moderner, mehr online und digitaler geworden. Nutzen wir das im Interesse der Mitarbeiter im Verkauf und unserer Kunden.

Wenn Sie Lust haben, sich weiter mit der Digitalisierung in Vertrieb und Marketing auseinanderzusetzen und mehr dazu lesen wollen, tragen Sie sich hier ein. Dann bekommen Sie ab und zu meine Gedanken dazu in Ihr persönliches Postfach. Wir hören voneinander und bis dahin wünsche ich: Gute Geschäfte.