„Nur wer in der Lage ist, sich auszudrücken, ist auch in der Lage, seine eigene Biografie zu beeinflussen.“ Diesem Satz von dm-Gründer Götz Werner ist wenig bis gar nichts hinzuzufügen.
Die Kunst der Rhetorik gilt als Kernkompetenz jeglicher Führungskräfte, Verkäufer, Unternehmer und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Neben der Möglichkeit, ein professionelles Training in Anspruch zu nehmen, gibt es auch für den Alltag leicht umzusetzende Methoden, um seinen rhetorischen Handwerkskoffer zu erweitern.
Mein Kollege Michael Ehlers ist einer der profiliertesten Rhetoriktrainer im deutschsprachigen Raum. Im Sommer 2016 hatte ich selbst Gelegenheit eines seiner Trainings zu besuchen und mich von der Qualität zu überzeugen. Ich habe ihn gebeten, einen Artikel mit konkreten Übungen für meine Leser zu erstellen und hier ist das Resultat:
Übungen – Rhetorik im Vertrieb
Am Beispiel dreier Übungen zeige ich Ihnen, wie Sie in Alltagssituationen mehr Schlagfertigkeit beweisen können, Selbstsicherheit gewinnen und sich in gutem Zuhören beweisen.
1. Gut Zuhören
Rhetorik zeichnet sich nicht nur darin aus, selbst gut reden zu können, sondern vor allem auch im aufmerksamen Zuhören. Aber Zuhören will gelernt sein.
Zunächst ist anzumerken, dass schlechtes Zuhören vom „Nicht-Zuhören“ abzugrenzen ist.
Sicherlich waren Sie auch schon mal in einer Situation, in der Sie partout nicht zuhören konnten oder wollten. Sei es damals in der Schule, in der Universität oder während eines endlos scheinenden Vortrags gewesen. Abzuschweifen kann schnell passieren.
Ein guter Zuhörer zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass er seinem Gegenüber die volle Aufmerksamkeit schenkt. Nur macht ihn dies nicht gleich auch zu einem guten Zuhörer.
Die Quintessenz aus einer Unterredung mitzunehmen hilft wenig, wenn die Details des Gesprächs auf der Strecke liegen geblieben sind. Sie sind es schließlich, die unseren rhetorischen Ausführungen das nötige Fundament verleihen.
Rhetorik ist auch aktives Zuhören
Um das aufmerksame Zuhören zu lernen, empfehle ich Ihnen zwei Möglichkeiten. Entweder Sie machen sich während des Gesprächs schon Notizen oder Sie hören so konzentriert zu, dass Sie die zentralen Punkte im Nachhinein noch auf einem Blatt Papier zusammenfassen könnten. Wichtig dabei ist, diese Notizen direkt nach dem Gespräch anzufertigen.
Die zweite Möglichkeit ist natürlich etwas anspruchsvoller. Dabei kommt es aber nicht darauf an, jeden besprochenen Themenpunkt wiedergeben zu können. Sie sollten sich fragen:
- In welcher Ausgangslage hat sich das Gespräch befunden, als es begonnen hat?
- Welche Argumente hat der Gesprächspartner/die eigene Firma aufgeführt?
- In welchen Punkten waren sich die Gesprächspartner einig/uneinig?
- Wo wurden Kompromisse gemacht?
- Zu welchem Ergebnis kam die Gesprächsrunde?
Legen Sie sich ein Dokument an, in dem Sie sich die oben genannten Punkte vor Augen führen und Sie Schritt für Schritt beantworten. Entweder während des Gesprächs oder danach. Sie können diese Fragen auch an die jeweilige Ausgangslage eines Meetings oder eines Vortrags anpassen. Während eines Vorstellungsgesprächs beispielsweise ist es eher ungünstig, wenn Sie sich währenddessen Notizen zum Gesprächsverlauf machen.
Rhetoriktraining bedeutet Fokus
Allgemein gilt: Indem Sie sich fokussiert einer Mitschrift des Gesagten zuwenden, konzentrieren Sie sich automatisch auf das Wichtigste. Denn Nebensätze oder Exkurse sind klar von den zentralen Themen abzugrenzen. Fokussieren Sie sich einfach darauf, das Wichtigste zu erfassen. Die Methode ist einfach und gleichzeitig sehr hilfreich. Denn ein guter Zuhörer ist schließlich auch ein guter Redner.
2. Schluss mit verschränkten Armen und feuchtem Händedruck!
Allein die Vorstellung, vor fünf Personen ein Projekt vorzustellen, lässt Ihnen den Schweiß ausbrechen? Und kaum legen Sie los, wippen Sie nervös mit dem Fuß und verlieren den Faden? Ich kann Sie beruhigen: Das geht vielen so.
Dies ist jedoch kein Grund, sich seiner Schwäche hinzugeben. Denken Sie, dass professionelle Moderatoren niemals nervös sind? Wir sehen es nur nie.
Aber selbst der nervöseste Sprecher kann mit der richtigen Technik Berge versetzen. Zunächst ist es wichtig, sich seiner Angst bewusst zu werden. Ursache Ihrer Angst ist nämlich die Scham, die Sie befürchten zu empfinden, wenn Sie sich vor allen anderen blamieren. Damit Ihnen genau das nicht passiert gibt es ein paar Methoden, die Ihnen von vornherein helfen, Sicherheit auszustrahlen.
Dafür habe ich einen Rat für Sie, der Ihnen den Auftritt vor Menschen erst einmal erspart. Stellen Sie sich am besten Zuhause in einen Raum, in dem Sie niemand stört. Stellen Sie eine Kamera vor sich – es kann auch die Ihres Handys sein – und nehmen Sie Ihren Vortrag auf. Trockenübungen vor dem Spiegel sind meist wenig hilfreich. Lenkt es doch schließlich ab, wenn wir uns beim Reden selbst beobachten. Anschließend sehen Sie sich die Aufzeichnung an und beachten folgende Punkte:
- Welche Körperhaltung habe ich?
- Was mache ich mit meinen Händen?
- Sehe ich in die imaginäre Runde oder blicke ich nur auf meine Präsentationsunterlagen?
- In welcher Lautstärke trage ich vor?
Führen Sie sich alle Dinge vor Augen, die Sie gut und weniger gut fanden. Wichtig ist, den Blick ins Publikum zu richten und ihn von links nach rechts durch das Publikum schweifen zu lassen. So signalisieren Sie Sicherheit, denn lugen Sie ständig auf Ihre Notizen, könnte der Eindruck entstehen, dass Sie nicht gut vorbereitet sind. Sie sehen, es gibt einige Methoden, die Sie selbstsicher wirken lassen – auch wenn Sie es innerlich gar nicht so fühlen!
Rhetoriktraining für Körpersprache und Mimik
Doch auch, wenn Sie sich nicht in einer Vortragssituation befinden, helfen Ihnen Mimik und Gestik bei der eigenen Wirkung. Achten Sie zum Beispiel auf einen festen Händedruck und eine gerade Körperhaltung. Sehen Sie Ihrem Gegenüber, egal in welcher Situation, bei einer Unterhaltung in die Augen und weichen Sie nicht aus. Achten Sie in Alltagssituationen auch auf Ihre Stimmlage. Sind Menschen sich einer Sache unsicher, reden Sie oft leiser und langsamer. Formulieren Sie klare Sätze in angemessener Lautstärke und trauen Sie sich auszusprechen, was Sie sagen wollten.
Sie wissen oft nicht, was Sie mit Ihren Händen tun sollen? Ihre Hände haben vor allen Dingen nichts in Ihrem Gesicht zu suchen. Berühren Sie sich ständig an der Nase oder streifen sich die Haare hinter das Ohr, wirken Sie schnell unsicher auf Ihr Gegenüber. Lassen Sie die Hände entweder zu beiden Seiten hängen oder falten Sie sie auf Bauchhöhe ineinander. Folgende Punkte können Sie sich bewusstmachen: Verschränkte Arme signalisieren meistens Abweisung und Hände in den Hosentaschen Unsicherheit.
Meistens ist der eigene innere Kritiker der Beste, den man kriegen kann, deshalb gilt: Wer sich gut beobachtet und kritisch mit dem eigenen Verhalten umgeht, verändert langfristig etwas. Doch Achtung: Kritisch sein bedeutet nicht, sich innerlich klein zu machen! Bleiben Sie fair mit sich und loben Sie sich auch mal, wenn Sie etwas besonders gut fanden. Ich verspreche Ihnen: Daran werden Sie wachsen und selbstsicherer werden.
3. Ich, ich ich – Botschaften aus der Ich-Perspektive
„Du kannst das nicht, lass’ mich mal bitte machen!“ Egal, ob Sie diesen Satz möglicherweise genauso schon einmal gehört haben oder in einer Abwandlung davon. Er ist vor allem eines: demotivierend und verunsichernd. Sollten Sie derjenige gewesen sein, der diesen Satz ausgesprochen hat, können Sie das nächste Mal einiges besser machen.
Vor allem kommt es darauf an, aus welcher Perspektive Sie Botschaften versenden. Stellen Sie sich vor, eine Kollegin kritisiert Ihre Vorgehensweise bei einer Auftragsbearbeitung letzte Woche. Sie sagt „Wie du das letzte Woche gelöst hast, war enttäuschend.“ Was wäre Ihre erste Reaktion? Verständnis oder Resignation? Beantworten Sie sich die Frage doch einfach selbst, indem Sie sich fragen, wie Ihre Kollegin Ihnen die kritische Anmerkung alternativ hätte sagen können. Möglicherweise stören Sie sich an dem Ausdruck „enttäuschend“. Oder vielleicht klingt die Aussage allgemeingültig, als hätte das die halbe Abteilung genauso enttäuschend empfunden. Hier kann ich Ihnen versichern: Ihre Kollegin hätte sich anders ausdrücken können. Jedoch ungeachtet dessen, ob sie den Inhalt ihrer Nachricht wirklich so meint.
Perspektivwechsel: Botschaften rhetorisch verbessern
Hätte sie sich folgendermaßen ausgedrückt „Ich finde man hätte die Situation letzte Woche anders lösen können“, wären Sie doch sofort zu einer Diskussion bereit oder? Diese Formulierung gibt Ihnen Platz für eigene Anmerkungen und stellt Sie nicht von vorne herein als den „Blöden“ dar. Wichtig dabei ist die „Ich“-Perspektive, derer sich Ihre Kollegin bedient hat. Denn so drückt sie lediglich IHRE Meinung aus und gibt Ihnen die Chance etwas darauf zu erwidern.
Dass sie diese Meinung von Ihrem Vorgehen vertritt, können Sie nicht ändern. Sie wissen jetzt zumindest, wie sie darüber denkt. Zudem kommt es stark auf das Vokabular an. Versuchen Sie positiv besetzte oder mindestens neutrale Ausdrücke zu verwenden. „Enttäuschend“ ist ein sehr negativ anmutendes Wort und suggeriert Versagen. Die Formulierung „anders lösen“, ist neutral bis positiv und weist auf alternative Lösungswege, die zu dem beabsichtigten Ziel führen. Viel besser, oder? Achten Sie also in Zukunft – und das können Sie auch Ihren Kollegen ans Herz legen – auf möglichst positiv ausgedrücktes Feedback in einer Ich-Botschaft verpackt.
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