Das beste Produkt, die beste Dienstleistung und das durchdachteste Angebot sind nichts wert, wenn sie nicht die Bedürfnisse des Kunden stillen. Doch wie genau der Bedarf eines Kunden aussieht und was seine Beweggründe für oder gegen eine Entscheidung sind, ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Mit der richtigen Fragetechnik und ein wenig Einfühlungsvermögen lässt sich der Bedarf im Gespräch jedoch gut ermitteln.

Warum der konkrete Bedarf von Kunden so wichtig ist

Jeder Ihrer Kunden möchte im Endeffekt weder ein Produkt noch eine Dienstleistung von Ihnen kaufen – er möchte eine Lösung für eine Herausforderung oder ein Problem. Diese Denkweise lässt sich anhand eines einfachen Beispiels aus dem privaten Bereich nachvollziehen: Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Schuhgeschäft, weil Sie ein neues Paar Schuhe brauchen. Und zwar häufig nicht, weil Sie Schuhe so sehr lieben, sondern weil Sie Ihre Füße schützen möchten. Oder weil Sie für einen bestimmten Anlass passend angezogen sein wollen. Oder auch nur, weil Sie sich mit neuen Schuhen für etwas belohnen wollen. Der Schuh ist nur Mittel zum Zweck – und genau das Gleiche gilt auch für Ihre Angebote. Dem Kunden ist es letztlich meistens egal, ob ihn Produkt A von Firma X oder Produkt B von Firma Y zum Erfolg führt. Softe, irrationale Faktoren wie Prestige spielen im B2B-Bereich nur eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist das Ergebnis und damit der konkrete Bedarf.

Motivation ist nicht gleich Motivation

Der konkrete Bedarf ist an eine bestimmte Motivation gekoppelt. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Arten:

  • Sogenannte Push-Faktoren motivieren uns, weil wir eine bestimmte Sache oder Situation vermeiden wollen – das befürchtete (oder bereits eingetretene) Worst-Case-Szenario schubst uns quasi in eine neue Richtung.
  • Pull-Faktoren sind hingegen Anreize, die uns motivieren, auf eine Sache zuzugehen – wir werden vom Wunschergebnis angezogen.

Für ein Unternehmen könnten beispielsweise ein höherer Umsatz, mehr Kunden oder eine Expansion Pull-Faktoren sein. Push-Faktoren hingegen wären Ereignisse wie eine drohende Insolvenz, der Aufkauf durch die Konkurrenz oder mögliche Entlassungen. In einem Fall ist Zuversicht der Motor des Kunden, im anderen Fall Angst. Bei der Bedarfsermittlung müssen diese beiden Emotionen entsprechend bedient werden, um den wirklichen Wunsch des Kunden herauszufinden.

Häufige Kundenwünsche im B2B-Bereich sind Wachstum, Fortschritt, Kostensenkungen, Zeitersparnis, Gewinnsteigerung, Prozessoptimierung und Sicherheit. Sie werden im Laufe Ihrer Karriere vermutlich immer wieder mit den gleichen Bedürfnissen konfrontiert – doch lassen Sie sich das nicht anmerken! (Mehr dazu weiter unten.)

So gehen Sie den Bedürfnissen des Kunden auf den Grund

Grundsätzlich ist die Ermittlung des Kundenbedürfnisses ganz einfach: Fragen Sie ihn. Vermutlich wird Ihr Gegenüber zunächst ein wenig überrascht sein, wenn Sie Ihr Treffen nicht wie gewohnt mit Small Talk und einer anschließenden Verkaufspräsentation starten, sondern stattdessen die einfache Frage „Was kann ich für Sie tun? Was erwarten Sie von mir und meinem Produkt?“ in den Raum stellen. Der Kunde wird so auf höfliche Weise gezwungen, sich mit seinen bewussten oder auch unbewussten Bedürfnissen auseinanderzusetzen – und präsentiert Ihnen diese im Idealfall direkt auf dem Silbertablett, sodass Sie Ihr Angebot und Ihre Verkaufsstrategie entsprechend anpassen können.

Doch nicht immer funktioniert diese offene Fragestellung und viele Geschäftspartner fühlen sich so überrumpelt oder sogar angegriffen, dass Sie keine gescheite Antwort bekommen werden. Dann müssen Sie etwas komplexere Fragetechniken anwenden, um den Bedarf im Laufe des Gesprächs zu ermitteln.

Thesen, Fakten und Emotionen: Das unschlagbare Trio

Zunächst wird die Konfrontation etwas abgeschwächt, indem statt einer konkreten Feststellung eine theoretische Annahme aufgestellt wird. Dadurch wird Ihr Gegenüber weniger unter Druck gesetzt und gerät nicht automatisch in einen bockigen Verteidigungsmodus. Im Anschluss werden das mögliche Problem und die erwünschte Lösung in den Mittelpunkt gerückt. Hier kommen wir auf die Push- und Pull-Faktoren der Motivation zurück. So könnte eine Frage Ihrerseits zum Beispiel so aussehen:

„Gehen wir einmal davon aus, dass Sie die Umsätze Ihres Unternehmens unbedingt um 20% steigern müssen, um nötige Investitionen tätigen zu können. An welchen Stellen würden Sie ansetzen? Wie sähe der ideale Ablauf für Sie aus?“
Durch dieses etwas softere „Verhör“ im Konjunktiv fühlt sich Ihr Kunde sicherer und nicht sofort auf seine Aussagen festgenagelt. Er gerät eher ins Plaudern und Sie bekommen als Verkäufer die Möglichkeit, den wirklichen Bedarf und die Wünsche des Kunden herauszufiltern.

Die Gefahr der Erwartungen

In einem Seminar arbeitete ich mit einem Team von Verkäufern, die Anlagen für Inhouse-Logistik und Lagertechnik bauen. Wir hatten ein Kundengespräch simuliert. Der erfahrene Verkäufer führte ein kurzes Gespräch mit mir, weil ich den Kunden spielte. Nach ein paar Fragen sagte er, dass er ein Angebot machen würde, durch das ich so-und-soviel Prozent des Arbeitsaufwands im Lager sparen würde. Ich war in meiner Rolle als Kunde wenig begeistert. Ich hatte nämlich ein ganz anderes Problem: Ich wollte das Unternehmen nach 25 Jahren verkaufen. Die nagelneue Produktionshalle war schon eindrucksvoll, aber immer, wenn potenzielle Käufer das alte Lager besichtigten, scheiterte der Deal. Das alte Lager machte einfach einen schlechten Eindruck und deshalb lagen die Kaufangebote unter den Erwartungen. Alles, was ich wollte, war ein Lager, das sehr modern wirken und so richtig Eindruck machen sollte. Diesen Bedarf konnte der Verkäufer aber nicht finden, weil er eine Abkürzung genommen hatte.

Als ich am Ende der Übung zum Beweis mein schriftliches Briefing für die Kundensituation vorzeigte, war er fast wütend. Er sagte: „Das ist doch völlig unrealistisch! Das kommt ja nie vor.“ Nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte, einigten wir uns darauf, dass es zwar noch nie vorgekommen war, aber durchaus vorkommen könnte. Die bittere Erkenntnis war jedoch, dass er wohl ohne diese „Lektion“ auch in Zukunft nur noch solche Kundenprobleme gefunden hätte, die er vorher schon einmal gefunden hatte.

Jeder Kunde möchte etwas Besonderes sein

Gerade erfahrene Verkäufer denken sich, dass der ganze Aufwand zur Bedarfsermittlung und rhetorische Tricks überflüssig sind. Schließlich kennen sie Ihre Kunden und Ihre Zielgruppe genau und wissen, dass im Endeffekt immer wieder die gleichen Probleme mit nur kleinen Variationen auftauchen. Vielleicht denken Sie das auch und damit haben Sie vermutlich sogar recht. Dennoch sollten Sie den Kunden niemals spüren lassen, dass Sie viel besser wissen, was er braucht und dass er einfach nur auf Sie hören muss, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ihr Gegenüber dann nicht ernst genommen fühlt, vielleicht sogar an Ihrer Kompetenz zweifelt und sich im schlimmsten Fall für einen Ihrer Wettbewerber entscheidet, ist hoch. Vermeiden Sie also Sätze wie „Wir kürzen das Ganze mal ab, ich weiß genau, wo Ihr Problem liegt“, selbst wenn das der Wahrheit entspricht, und lotsen Sie den Kunden lieber im gemeinsamen Gespräch in die richtige Richtung.

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