Kreativität verkauft
Freitagnachmittag, 15.30 Uhr, das gesamte Team sitzt zusammen, um gemeinsam eine neue Strategie zu entwickeln. Der Zeitrahmen ist klar definiert: Eine Stunde, dann müssen die Ideen sprudeln. Falls nicht, wird wahrscheinlich einer aus der Runde irgendwann in den nächsten Monaten seinen Hut nehmen müssen. Sagen Sie mir: Wie um alles in der Welt soll unter solchen Bedingungen Kreativität entstehen? Das funktioniert nicht – und trotzdem sind solche Situationen in vielen Unternehmen Alltag. Gut, möglicherweise ist nicht gleich der Arbeitsplatz in Gefahr, aber dennoch werden sich die Führungskräfte merken, wer abliefert und wer nicht. Und das, obwohl das Ziel, möglichst innovative Ideen zu sammeln, in den meisten Fällen sowieso nicht erreicht wird.
Wie geht es also besser? Wie können Firmen ihre Mitarbeiter anleiten, über den Tellerrand hinauszuschauen und das Unternehmen mit wegweisenden Vorschlägen voranzubringen? Die gute Nachricht: Dafür gibt es bestimmte Techniken. Die schlechte Nachricht: Kreativität braucht Zeit und Muse. Unter Druck geht gar nichts.
Wie entsteht Kreativität?
Ein amerikanisches Forscherteam hat einmal untersucht, unter welchen Bedingungen Kreativität entsteht. Die Erfolgsquote firmeninterner Meetings liegt demnach nur bei rund einem Prozent. Spitzenreiter sind Brainwalkings, also entspannte Spaziergänge in der Natur, bei denen Gedanken reifen können – oder eben auch nicht. Wer sich vornimmt, an seiner Kreativität arbeiten zu wollen, hat bereits den ersten wichtigen Schritt getan, aber jedem, der es versucht, muss auch bewusst sein, dass es die Gefahr des Scheiterns gibt. Probieren sollte man es trotzdem, denn Weiterentwicklung findet nur statt, wenn Neues entstehen kann. Und das funktioniert am besten mit einem gesunden Maß an Kreativität, das manchmal zwar vom Alltag verschüttet, aber dennoch in jedem von uns vorhanden ist. Denken Sie doch nur mal an die Zeit zurück, als Sie noch ein Kind waren. Kinder lieben es, auf Entdeckungstour zu gehen. Sie erforschen neue Dinge, probieren alles aus und haben dabei ein Funkeln in den Augen. Dieses Funkeln sollten auch wir uns zurückholen. „Das war schon immer so“, ist ein Satz aus der Erwachsenenwelt. Kinder sind hingegen kreativ, weil sie nach vorne schauen, statt zurück. „Geht nicht“, gibt es für sie nicht. Wenn eine Idee gefällt, dann wird versucht, sie in die Tat umzusetzen. Wir Erwachsenen können das auch – vorausgesetzt natürlich, wir trauen uns, selbst in alltäglichen Situationen über den Tellerrand hinauszuschauen. Versuchen Sie doch zum Beispiel mal, beim morgendlichen Zähneputzen eine andere Hand als üblich zu benutzen. Klingt verrückt? Mag sein, aber probieren Sie es aus. Jeder Schritt, der von der üblichen Routine abweicht, fördert die Kreativität. Es muss ja nicht unbedingt gleich das Tragen einer roten Clownsnase im Vertriebsmeeting sein…
Prinzipiell gilt:
Wenn wir uns bewusst in einen Zustand versetzen, in dem es uns gut geht, und in dem wir nicht darüber nachdenken müssen, was wir tun, sind wir am kreativsten. Spazierengehen, Joggen oder in der Sonne liegen, sind nur einige Beispiele. Wenn wir uns dann auch noch emotional mit dem Thema, für das wir eine Idee brauchen, identifizieren können, kann es uns schnell so gehen wie einst Isaac Newton. Newton konnte nicht deshalb als Erster die Schwerkraft erklären, weil er einem Apfel beim Fallen zusah, sondern weil er sich schon vorher mit dem Thema beschäftigt hatte. Der Apfel war nur der Auslöser für seinen Geistesblitz.
Aber was ist nun, wenn man seinen Mitarbeitern keine tagelangen Spaziergänge und Wellnessmassagen gönnen kann, um auf neue Ideen zu kommen? Nun, dann helfen gewisse Techniken. Probieren Sie doch zum Beispiel mal die Kopftstandmethode. Lassen Sie Ihre Leute Ideen zusammentragen, wie die beabsichtigte Lösung eines Problems unter Garantie nicht erreicht werden kann. Gehen Sie ins Extrem und spielen Sie gedanklich jedes Worst-Case-Szenario durch, das Ihnen einfällt. Am Ende drehen sie all das, was Sie an Ideen gesammelt haben, ins Gegenteil um; das Ergebnis wird Sie überraschen.
Oder was halten Sie zum Beispiel von der Sechs-Drei-Fünf-Methode, bei der jedes Teammitglied seine Ideen auf einem Blatt Papier notiert, das dann reihum weitergereicht und weiterbeschrieben wird. Vertrauen Sie mir: Damit erreichen Sie wahrscheinlich mehr als mit klassischem Brainstorming, bei dem der Lauteste in der Regel Recht bekommt.