Die Ausgangssituation bestimmt oft das Problem. Deshalb beschäftigen wir uns mit der Frage, wie man die Fakten in Verkaufsgesprächen herausfindet: Wie viel? Wie oft? Wie schwer?

Aber ist das zielführend? Wer hat uns nur eingeredet, dass wir wichtige Kundengespräche mit einem Verhör beginnen sollten?

Wir denken, es sei hilfreich, zunächst die Fakten zu kennen, um dann mit weiteren Untersuchungen zu beginnen. Also liegt es auf der Hand, zunächst die genaue Situation aus Sicht des Kunden zu ermitteln. Auf der Basis dieser Erkenntnis lassen sich dann weiterführende Fragen stellen. Zumindest scheint das so, denn wie gefährlich solche Fragen nach den Fakten im Gespräch mit dem Entscheider sein können, zeigt dieses Beispiel:

Nehmen wir an, es geht um IT. Oder genauer um Unternehmenssoftware. Der Fachbegriff wäre ERP, also ein Software-System, mit dem alle grundlegenden Geschäftsprozesse des Unternehmens gesteuert werden. Stellen wir uns diese Fragen vor, die ein Verkäufer solcher Unternehmenssoftware dem Entscheider stellt:

Verkäufer: Wie viele Kunden haben Sie?

Entscheider: Etwa 4.000.

V: Wie viele davon werden pro Monat beliefert?

E: Etwa 1.500.

V: Wie viele Rechnungspositionen sind das pro Rechnung?

E: Weiß ich nicht, ich denke weniger als fünf.

V: Wie viele Kunden werden mehrmals pro Woche oder gar täglich beliefert?

E: Das müssten so ca. 50 bis 80 sein, schätze ich.

V: Wie oft überprüfen Sie das Kreditlimit?

E: Ich denke einmal im Monat.

V: Wie viele Lieferungen verlassen das Lager pro Monat?

E: Rund 5.000.

V: Wie viele Retouren haben Sie im Durchschnitt pro Monat?

E: Weiß ich nicht.

V: Wie viele unterschiedliche Artikel haben Sie auf Lager?

E: Ca. 10.000 Artikel sind gelistet, davon 80% mit Lagerbestand.

V: Wie viele Artikel haben eine monatliche Umschlagshäufigkeit von mehr als zwei?

E: Das kann ich nur wertmäßig auf das gesamte Lager sagen: das dreht sich 13 mal pro Jahr.

V: Wie oft machen Sie Inventur?

E: Zweimal jährlich

V: Was ist der durchschnittliche Inventur Fehlbetrag?

E: Das weiß ich nicht auswendig. Warum fragen Sie mir hier Löcher in den Bauch?

Verkaufsgespräch oder Verhör?

Sie haben es sofort erkannt: Das sind keine Fragen, das ist eine Befragung. Oder noch schlimmer: Ein Verhör!

Wenn Sie jetzt noch eine Schreibtischlampe direkt auf das Gesicht des Kunden richten, ist das Verhör-Ambiente perfekt. Spaß beiseite. Wenn wir uns auf Faktenfragen beschränken, dann entsteht eine Situation, in der der Befragte entweder gelangweilt ist, weil er die Antworten kennt, oder beschämt, weil er sie nicht kennt oder sich unsicher ist. Also in jedem Fall eine ungute Stimmung. Es ist wirklich keine gute Idee, schlechte Stimmung im Kundengespräch herbeizuführen. Und dennoch machen das viele Verkäufer unbewusst, wenn sie den Kunden gleich zu Beginn nach den Fakten ausquetschen.

Nur ist es meistens unverzichtbar die Fakten zu kennen, weil man sonst kaum wirklich versteht, was die Situation des Kunden ist. Wenn wir also diese Art von Fragen nicht stellen sollen, was ist dann die Alternative?

Empfehler liefern Fakten freiwillig und gerne

Neben dem Entscheider haben wir oft auch andere Ansprechpartner beim Kunden. Vielleicht erinnern Sie sich an die Einteilung der Gesprächspartner in vier verschiedene Rollen. Wir haben das auch im Beitrag zum „buying center“ ausführlich erläutert. Neben dem Entscheider finden Sie da auch den Empfehler und den Beeinflusser. Wenn Sie bereits Kontakt zu solchen Personen in der Organisation des Kunden haben, können Sie diese Gesprächspartner nach den Fakten befragen. Sie werden Ihnen bereitwillig alle Fragen zu den Fakten beantworten.

Die zweite Idee eignet sich besonders für typische Akquise-Situationen: Sie haben ein erstes Gespräch mit einem Entscheider am Telefon oder bei einer anderen Gelegenheit geführt. Bei jenem Gespräch wurde als nächster Schritt ein ausführliches Gespräch vor Ort vereinbart. Das steht jetzt an. Andere Ansprechpartner haben Sie (noch) nicht. Wie können Sie dennoch an die Informationen zu den Fakten kommen?

Fragebogen statt Verhör

Dazu ist etwas Vorbereitung notwendig. Eine Stunde dürfte genügen. Und das ist sicher nicht fehlinvestiert, weil Sie das Ergebnis künftig immer verwenden können. Nehmen Sie sich ein leeres Blatt Papier und skizzieren Sie einen Fragebogen, der alle Punkte abdeckt, die Sie wissen müssen. Achten Sie darauf, dass Sie alle Fragen streichen, die zu Beginn des Verkaufsprozesses noch nicht relevant sind. Alle wichtigen Fragen ordnen Sie sinnvoll auf dem Blatt an. Bestimmt können Sie den Fragebogen jetzt sauber gestalten oder Sie geben es an jemanden der es kann.

Den fertig gestalteten Fragebogen nehmen Sie sich dann im konkreten Fall zur Hand und füllen alle Felder selbst vorab aus, die schon bekannt sind. So verhindern Sie, dass der Entscheider verärgert ist, wenn Sie ihn nach Fakten fragen, die öffentlich verfügbar sind oder im Vorgespräch schon beantwortet wurden. Ich zum Beispiel wundere mich, wenn ich von meiner Bank ein Formular bekomme, wo ich unter anderem meine Kontonummer eintragen soll. Schließlich kennt meine Bank meine Kontonummer und könnte mir das Formular kundenfreundlich schon vorausgefüllt zusenden. Und vielleicht wollen Sie die in diesem Fall besonders wichtigen Fragen zusätzlich gelb markieren.

Dieses Unikat senden Sie mit einem Brief an die Assistenz Ihres Gesprächspartners. Der Brief könnte so lauten:

„Sehr geehrte >Name der Assistenz<, für das wichtige Gespräch mit >Name des Entscheiders<; am … um … möchten wir sicherstellen, dass wir auf der Basis valider Fakten arbeiten. Dafür fehlen uns noch einige Informationen. Es dürfte für Sie ein Leichtes sein, die offenen Punkte in beiliegendem Bogen in Ihrem Hause beantworten zu lassen. Es genügt, wenn die Fakten zu Beginn des Gesprächs vorliegen. Allerdings würden Sie mir die Vorbereitung erleichtern, wenn ich schon ein oder zwei Tage vor dem Gespräch die Fakten kenne. Mit freundlichen Grüßen…“

Die Assistenz des Entscheiders hilft mit

Es dürfte der Assistenz des Entscheiders in der Tat leichtfallen, die fehlenden Informationen herbeizuschaffen, denn es ist sicher eine der wichtigsten Aufgaben der Assistenz, Gespräche ihres Chefs sauber vorzubereiten. Meine Erfahrungen mit dieser Methode sind, dass in vier von fünf Fällen die Infos vorliegen. Dann können Sie zu Beginn des Gesprächs auf den Fragebogen zeigen und sagen: „Wir können das Gespräch auf der Basis dieser Fakten führen. Was gibt es aus Ihrer Sicht noch zu ergänzen?“ Diese Art von Gesprächseinstieg zeigt, dass Sie als Profi gut vorbereitet in das Gespräch gehen und dass Sie das nicht zum ersten Mal machen.

Wenn Sie weitere Ideen haben, wie Sie an die Fakten kommen, ohne den Entscheider mit Faktenfragen zu nerven, freue ich mich auf Ihre Ideen. Wichtig ist, dass wir die schädliche Wirkung von Faktenfragen im Entscheidergespräch verhindern.

Achtung Fehleinschätzung

Viele Verkäufer, die ich in unzähligen Seminaren und Workshops begleitet habe, hatten bei diesem Thema nur ein schiefes Lächeln für mich übrig. „Ich bitte Sie, Herr Heinrich! Das ist doch kalter Kaffee! Das wissen wir doch längst.“ Was ich inzwischen weiß, ist, dass das schiefe Lächeln oft zu einer peinlichen Fratze wird, wenn ich die gelebte Praxis einfordere.

Denn dann zeigt sich, dass zwar in der kühlen Entspannung des Meeting-Raumes „alles klar“ ist, aber in der Hitze des Kundengespräches dann doch alte Muster durchbrechen und eine lange Serie von Faktenfragen gestellt wird, weil einem sonst nichts einfällt.

Daher mein Tipp: Sorgen Sie mit exzellenter Vorbereitung dafür, dass Sie keine Faktenfragen mehr stellen müssen.

Vorsicht Falle

Bitte beachten Sie, dass es auch nicht darum geht, dem Kunden zu erzählen, wie sich die Fakten bei ihm darstellen. Bitte nicht! Es ist gut, wenn Sie es wissen, aber belassen Sie es dabei. Reiben Sie dem Kunden Ihre vermeintliche Schlauheit nicht unter die Nase. Daran ist schon so mancher Vertrag gescheitert.

Bitte prahlen Sie auch nicht mit Hintergrundwissen. Ich habe schon erlebt, dass Verkäufer das Gespräch mit dem Entscheider damit beginnen, dass sie von Informationen berichten, die Mitarbeiter des Entscheiders gegeben hatten. „Ihr Mitarbeiter sagte mir, dass Sie hier und dort diese und jene Situation haben …“ oder „Wie mir Ihr Mitarbeiter Herr Soundso sagte, gibt es momentan Schwierigkeiten mit …“ Bitte nicht. Es ist unangenehm, wenn wir mit dieser Art von Wissen prahlen. Informationen, die wir außerhalb des Dialoges mit unserem Gesprächspartner bekamen, sollten wir nicht offensiv besprechen.

Auch wenn Sie genau wissen was Sache ist, werden Sie es schön für sich behalten und interessiert die Augen groß machen, wenn der Entscheider berichtet. Erstaunen, Zustimmung und Erkenntnis sind die Rückmeldungen, die Kunden wollen.

„Danke, dass Sie mir dieses Verständnis geben“ ist das Mantra der Verkaufsgespräche, wenn es um die Fakten geht. Kurz: Sie sind bestens vorbereitet und wissen alles – aber erzählen es nicht.

Fazit: Wie bekomme ich die Informationen vom Kunden, die ich benötige?

Wenn Sie sich fragen, was dann der beste Einstieg in ein Gespräch ist, dann nutzen Sie doch die Idee aus dem Beitrag zur Frage „Wie kann ich den echten Bedarf herausfinden?“. Dort finden Sie den Bauplan für die Problemfragen, der es ganz einfach macht, ein Gespräch mit dem Entscheider zu beginnen.

Erst wenn Sie das Problem und das Handlungsmotiv verstanden haben, sollten Sie nach weiteren Fakten fragen, die für das Angebot evtl. notwendig sind. Wenn wir nochmals auf den Beispieldialog zu Beginn dieses Beitrags blicken, dann wird jetzt klar, dass die dort abgefragten Informationen allenfalls relevant für ein Angebot sind, aber sicher nicht, um das Problem des Entscheiders zu verstehen. Auch wenn es verlockend ist, zunächst bei den Fakten zu bleiben, fahren wir besser, wenn wir uns zunächst auf die wahren Bedürfnisse des Entscheiders konzentrieren.

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