Kunden interessieren sich nicht für Produkte und Leistungen, sondern für die Ergebnisse, die sie damit erreichen wollen. Niemand braucht Verkaufstrainings, aber viele Vertriebsorganisationen wünschen sich bessere Erträge, mehr Neukunden und stabile Preisverhandlungen. Das Verkaufstraining ist nur das Mittel zum Zweck.

Wir können zwar annehmen, was der Kunde will, aber wir sollten nicht zwangsläufig denken, dass diese Annahmen stimmen werden. Wie schön, dass wir im Vertrieb im direkten Gespräch genau diesen Bedarf individuell herausarbeiten können. Schließlich wird der Kunde nur dann kaufen, wenn er seine persönliche Nutzungserwartung bestätigt sieht. Wie kann ich den echten Bedarf herausfinden?

Was kann ich heute für Sie tun?

Stellen Sie sich vor, dass Sie genau das zu Beginn in jedem Verkaufsgespräch sagen: „Was kann ich heute für Sie tun?“ Dann lächeln Sie interessiert und sind still. Es wird jetzt vermutlich einen Moment dauern, denn Ihr Gesprächspartner ist bestimmt von vielen anderen Gelegenheiten gewohnt, dass der Verkäufer mit Argumenten über ihn herfällt. Er geht davon aus, dass der Verkäufer über sich, seine großartige Firma und seine großartigen Produkte wortreich berichtet und dabei gleich auch ein paar begeisterte Referenzkunden ausspuckt. Aber nun ist Ihr Gesprächspartner selbst gefragt. Es kann deshalb auch zunächst vorkommen, dass er verwirrt und vielleicht sogar gereizt ist und etwas Derartiges sagt wie: „Moment mal! Sie wollten mir doch etwas verkaufen. Dann erzählen Sie mal!“

Lassen Sie sich davon nicht in diese alte Spur zurückwerfen. Weniger erfahrene Verkäufer und Berater werden jetzt sofort in den Erzählmodus schalten, weil sie sich dort sicherer fühlen. Schließlich sind sie in ihrem Fachgebiet ja Experten. Da macht ihnen so schnell keiner etwas vor. Also packen sie ihr Wissen aus und erzählen von sich, ihren Produkten und anderen Heldengeschichten.

Die Gesprächseröffnung bereitet die Suche nach dem echten Bedarf vor

Wie wäre es aber, wenn Sie im Verstehens-Modus bleiben und die eingangs gestellte Frage ein wenig abgewandelt wiederholen? Hier ein paar Ideen, die Sie gerne aufgreifen können, um sie so oder in Abwandlungen für Ihre Gespräche zu verwenden:

„Weil wir uns im ersten Telefonat schon über Ihre Situation und die daraus entstehenden Bewegründe unterhalten haben, interessiert mich jetzt vor allem, was wir heute gemeinsam erreichen wollen. Was ist aus Ihrer Sicht das bestmögliche Ergebnis unseres Gesprächs?“

„Lassen Sie uns gleich die verschiedenen Möglichkeiten unseres Leistungsangebotes aufgreifen. Damit alles nach Ihren Anforderungen gestaltet werden kann, bitte ich Sie aber vorher zur Sicherheit nochmal, die wesentlichen Punkte zu nennen, die Ihnen am Herzen liegen. Was sind die wichtigsten Punkte, die Sie jetzt im Moment anpacken wollen?“

Wenn die Eröffnung geglückt ist, kann das Gespräch beginnen, weil jetzt der Kunde darauf eingestellt ist, dass es um seine Sichtweise geht.

Wie kann ich den echten Bedarf herausfinden?

Nur, wenn Sie ein Meister der Bedarfsermittlung sind, können Sie Ihr ganzes Potenzial als Verkäufer entwickeln. Wenn Kunden etwas entscheiden, dann nur, wenn es auch ein Handlungsmotiv gibt. Dieses zuverlässig zu finden, ist unser Ziel.

Eines ist sicher klar: Wer kein Problem hat, braucht auch keine Lösung. Und wer kein Problem hat, ist selten bereit Geld zu investieren. Also liegt es auf der Hand, zunächst herausfinden zu wollen, welches Problem einen Kunden zu einer Handlung – also einer Investition oder einem Kauf – bewegen könnte.

Lassen Sie uns akzeptieren, dass der Begriff des Problems für viele Menschen ein unangenehmer ist. Nicht nur deshalb scheint die einfache Frage „Was haben Sie für ein Problem?“ für unsere Zwecke gänzlich ungeeignet. Was können wir also fragen, wenn wir herausfinden wollen, welches Motiv unseren Gesprächspartner auf den Gedanken bringen könnte, eine Investition zu tätigen.

Bedarfsermittlung durch Fragen

Ehrliche Fragen sind der beste Weg, wenn man etwas herausfinden will. Das gilt ganz besonders für die Fragen, die ein Problem ergründen sollen. Warum ist das so? Nehmen wir an, ich würde Ihnen eine aus meiner Sicht ganz neutrale und fachlich relevante Frage stellen. Eine Frage, die für mich wichtig ist, um mehr Verständnis aufzubringen. Die Frage lautet „Haben Sie auch Schwierigkeiten mit Fußpilz?“.

Sie merken sofort, dass die Frage aus Sicht des Empfängers ganz leicht als unangenehme Unterstellung verstanden werden kann. So sachlich sie vom Fragesteller auch gemeint ist – eine geschlossene Problemfrage kann schnell so verstanden werden: „Sie haben doch  bestimmt auch Schwierigkeiten mit Fußpilz, stimmt’s?“

Das gilt selbstverständlich auch für jedes geschäftliche Problem. Nehmen wir an, Sie stellen einem Geschäftsführer diese, aus Ihrer Sicht absolut sachlich gemeinte Frage: „Haben Sie auch Schwierigkeiten mit Ihrer bisherigen Anlage?“ Auch wenn es gute Gründe für diese Frage gibt und man ganz sachlich darauf antworten könnte – bei dieser Formulierung ist es eher wahrscheinlich, dass Sie eine rebellische Antwort bekommen. Eine Antwort die, obwohl tatsächlich einige Probleme bestehen, aus einer Stimmung ähnlich einem trotzigen Kind, eher so lautet wird: „Bei uns ist alles prima!“

Dem Beweggrund auf die Spur kommen

Für professionelle Verkäufer ist das klar. Zumindest glauben dies die meisten Profis aus Verkauf und Beratung. Wenn allerdings Verkäufer in vielen Gesprächen mit ähnlichen Kunden immer wieder die gleichen Problem-Szenarien genannt bekommen, dann ändert sich ihre Erwartung. Sie gehen in die Gespräche hinein und denken „Das ist doch jetzt sicher wieder dieses Problem …“ Und das dürfte auch meistens stimmen.

Jeder Berater, der seit vielen Jahren in seiner Branche erfolgreich unterwegs ist, wird wohl feststellen, dass die Anzahl der typischen Probleme sehr klein ist. Man findet immer die gleichen Probleme mit ganz geringen Variationen. Kein Wunder also, dass Verkäufer dazu tendieren, die Abkürzung zu nehmen. Die schnellste Möglichkeit ist schließlich, dem Kunden sinngemäß zu sagen: „So wie ich das sehe, ist das Ihr Problem, stimmt’s?“

Haben Sie die Lösung oder sind Sie selbst das Problem?

Allerdings führt diese Abkürzung nicht zum Erfolg. Die Erklärung dafür kann ganz leicht an einem Beispiel erklärt werden: Stellen Sie sich vor, Sie haben sich beim Sport am Knie verletzt. Erst dachten Sie, es heilt von allein. Aber jetzt, nach ein paar Wochen und vergeblichen Selbstbehandlungsversuchen, sehen Sie ein, dass Sie professionelle Hilfe brauchen. Durch Zufall sprechen Sie mit einem alten Freund. Er erzählt Ihnen, dass er einen Kniespezialisten vor Ort kennt, der weltweiten Expertenruf genießt. Man bekommt dort nur Termine nach vielen Monaten Wartezeit – aber weil Ihr alter Freund mit diesem Kniespezialisten schon zusammen im Kindergarten war, kann er Ihnen schon übermorgen einen Termin beschaffen.

Gerne nehmen Sie an und warten zwei Tage später in der Praxis, dass Sie drankommen. Als Sie aufgerufen werden humpeln Sie zum Behandlungszimmer, klopfen an und treten ein. Sie machen ein paar Schritte auf den hinter seinem Schreibtisch wartenden Professor zu, der Sie und Ihren humpelnden Gang aufmerksam beobachtet. Kaum sind Sie drei Schritte gegangen, sagt der Arzt: „Wunderbar. Ich sehe gleich, was Ihnen fehlt.“ Währenddessen kritzelt er auf einem Rezeptblock, hält Ihnen das fertige Rezept vor die Nase und sagt freundlich lächelnd: „Danke, dass Sie hier waren. Das Mittel können Sie sich unten in der Apotheke abholen. Wenn Sie Ihr Knie damit dreimal am Tag einreiben, dann müsste bald alles gut sein…“

Genie oder Scharlatan?

Was denken Sie jetzt wohl über diesen Arzt? Halten Sie ihn für einen Experten oder gar eine Koryphäe auf dem Gebiet der Knieverletzungen. Wohl kaum. Aber weshalb nicht? Schließlich sind Sie vermutlich selbst kein Knie-Experte und kaum in der Lage, seine Kompetenz zu beurteilen. Vielleicht konnte er allein anhand Ihres Humpelns das Leiden erkennen. Ein echter Super-Spezialist eben? Wohl kaum. Eher ein Scharlatan? Möglich. Weil er Sie nicht wirklich untersucht hat, sprechen Sie ihm die Kompetenz ab – ohne dass Sie das wirklich einschätzen können.

Was wäre gewesen, wenn der Arzt das Rezept heimlich schon während Ihres Ganges zur Behandlungsliege geschrieben hätte. Dann hätte er sich zehn Minuten Zeit genommen, um Ihr Knie zu betasten, ein paar Bewegungen damit zu machen und Ihnen einige Fragen zur Verletzung und Ihren Beschwerden zu stellen. Und erst danach hätte er Ihnen das Rezept mit den gleichen Worten ausgehändigt. Wie würden Sie seine Kompetenz dann beurteilen?

Ich denke, diese kleine Geschichte macht deutlich, dass die Kompetenz von Experten nicht durch eine schnelle Diagnose, sondern durch eine gründliche Anamnese an den Kunden vermittelt wird. Bezogen auf den Geschäftskundenvertrieb heißt dies, dass frühzeitige Lösungsvorschläge kaum hilfreich sind. Auch wenn Sie, als Experte für die Probleme des Kunden, sofort erkennen, wie sein Problem gelöst werden kann, sollten Sie sich viel Zeit nehmen, um das Problem zu hinterfragen und genau zu verstehen. Wenn Sie die verlockende Abkürzung nehmen, schaden Sie sich und Ihrem Ruf als Problemlöser. Und gerade erfahrene Berater tappen besonders oft in diese Falle, denn sie sind ja in der Lage, Kundenprobleme spontan zu erkennen.

Bauplan für Problemfragen

Und wie sollte eine gute Problemfrage aufgebaut sein? Wie stellt man Fragen, die ein Gesprächspartner gerne beantworten wird? Sie können sich ganz leicht die passenden Fragen zusammenstellen, wenn Sie diesem einfachen Bauplan folgen: 1. Thema aus Kundensicht plastisch machen und 2. Offene, ehrliche Fragen kundengerecht stellen. Hier hören Sie ein paar Beispiele:

Angenommen, wir sprechen über die Optimierung Ihrer Ausgangsfrachten – Was sind aus Ihrer Sicht die drei Prioritäten? Was liegt Ihnen persönlich am Herzen?

Wenn Sie jetzt an die Leistungsfähigkeit Ihrer Vertriebsmannschaft denken, insbesondere im internationalen Leistungsvergleich – Was sind die wichtigsten Punkte? – Was läuft noch nicht rund?

Stellen wir uns vor, es geht um die Frage, wie Sie den Krankenstand im Unternehmen im Sinne der Mitarbeiter und des Unternehmens senken können – An welche Schritte denken Sie? – Welche Überschriften erscheinen vor Ihrem inneren Auge?

Das Prinzip ist sicher schon klargeworden. Lassen Sie uns die drei Bestandteile noch etwas genauer betrachten.

Fokus – Fakten – Emotion

Der erste Teil soll den Blick des Gesprächspartners auf das Thema lenken. Dabei hilft es, wenn Sie seine Perspektive berücksichtigen. Also nicht „es geht um Ausgangsfrachten“ sondern „Ihre Ausgangsfrachten“. Um die Phantasie zu beflügeln, lohnt es sich “ „bewusstseinserweiternde Formulierungen“ zu verwenden. Deshalb mag ich Formulierungen, wie „Angenommen …“, „Stellen wir uns vor …“, „Wenn Sie an … denken…“.

Teil zwei und Teil drei bestehen aus einer offenen Doppel-Frage. Kombinieren Sie rational geprägte Fragen und emotional-intuitiv geprägte Fragen. Rational geprägte Fragen richten sich nach den Prioritäten, Auflistungen und Argumenten. Emotionale Faktoren sind eher Befindlichkeiten, Gefühle und Sichtweisen.

Bedarf ist beides: Rational und emotional

Die Doppelfrage spricht unsere beiden Denksysteme an und spricht sowohl die Intuition als auch die Rationalität an.

Achten Sie darauf, dass Sie nicht nur eine Problemfrage stellen, sondern mehrere hintereinander. Machen Sie sich Notizen zu den Antworten. Stürzen Sie sich nicht auf das erste Problem, das der Kunde nennt, denn es ist fast nie das wichtigste. Notieren Sie sich das Gesagte, wiederholen Sie es kurz und stellen Sie dann weitere Fragen. „Ich habe mir notiert … ist ein problematischer Aspekt. Und darüber hinaus – was noch …?“ Sammeln Sie auf diese Art einige Aspekte des Problems, bis Sie wirklich gutes Verständnis entwickelt haben.

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