Der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Fragen ist leicht erklärt, aber schwer in der Praxis umsetzbar. Das zumindest ist meine Beobachtung vieler Verkaufsgespräche, denn eine gute Fragetechnik erfordert Übung.

Die richtige Fragetechnik: W-Fragen stellen ist nicht immer leicht

Die meisten Menschen haben schon von den sogenannten „W-Fragen“ gehört. Das sind die Fragen, die mit einem der Fragewörter Was, Wo, Wieviel, Warum, Wozu, Wann oder Wer anfangen. Man bekommt eine gute, offene Frage, wenn man die Frage mit einem dieser Wörter beginnt. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Um den wahren Hintergrund zu verstehen, lohnt es sich, etwas tiefer in die Vertriebspsychologie einzutauchen.

Bessere Verkaufsgespräche durch Vertriebspsychologie

„Bitte vergiss deine Jacke nicht – die Abende sind noch frisch!“. Wenn Sie das hören, welche Reaktion kommt Ihnen in den Sinn? Klingt das eventuell wie ein in der Pubertät oft gehörter, gut gemeinter Rat? Selbst wenn Sie diesen Satz noch nicht selbst gehört haben sollten, vielleicht können Sie dennoch nachvollziehen, was er vermutlich auslöst, nämlich Trotz.

Fragetechnik: W-Fragen © Fotolia 2016 / Marco2811

Fragetechnik: W-Fragen © Fotolia 2016 / Marco2811

Eine Stimme in Ihrem Kopf sagt jetzt so etwas wie „Ich kann selbst entscheiden, wann ich eine Jacke brauche!“ und Sie spüren den Impuls, trotzig zu reagieren. Aber warum nur? Dieses Hilfsangebot war doch sicher ganz lieb gemeint. Und vielleicht ist es auch sachlich begründet, weil es wirklich abends noch zu kühl ist um draußen zu sitzen, ohne sich zu wärmen.

Ablehnung obwohl man Recht hat

Wenn es also gut gemeint und sachlich begründet ist – warum verspüren wir dann dennoch den Impuls, ablehnend und rebellisch zu reagieren? Wenn man sich zur Erklärung dieser Reaktion das psychologische Modell der „Transaktions-Analyse“ heranzieht, dann wird das schnell klar.

Dieses Modell beschreibt drei „Ich-Zustände“ aus denen unsere Persönlichkeit zusammengesetzt ist: Eltern-Ich, Kindheits-Ich und Erwachsenen-Ich.

Das Eltern-Ich ist der Teil unserer Persönlichkeit, der von außen geprägt wurde. Es wird durch Eltern, Großeltern, Geschwister, Lehrer, Trainer und andere Vorbilder geprägt. Man nennt es auch das programmierte Ich, weil so von außen Wertvorstellungen, Regeln, Moral und Vorurteile in unsere Persönlichkeit gelangen.

Und man könnte das Eltern-Ich noch in zwei Hauptbestandteile unterteilen, die man kritisches und fürsorgliches Eltern-Ich nennt. Das kritische Eltern-Ich produziert in erster Linie mehr oder weniger freundliche Zurechtweisungen. Wenn jemand im kritischen Eltern-Ich ist, dann wird er freundlich bis wütend darauf hinweisen, dass er Recht hat und jemand anderes nicht. Feste Regeln, wie „Männer weinen nicht“, „Der Kunde hat immer Recht“ oder „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ sind solche typischen Botschaften, die über das Eltern-Ich Kontrolle über unser Handeln ausüben.

Das unterstützende Eltern-Ich produziert ungefragt Hilfsangebote. „Wenn Sie das so machen, geht es leichter“, „Wir haben für Sie ein Angebot erstellt“ oder „Wie möchten Ihnen dabei helfen, dass…“ wären solche Formulierungen aus jenem Teil des Eltern-Ichs.

Das Kindheits-Ich ist der zweite Bereich unserer Persönlichkeit, der dem entspricht, was trotz Erziehung von unserer Kindheit, übrig geblieben ist. Es besteht aus vier Elementen:

1. Dem natürlichen Kind, das unsere echten und tiefen Gefühle enthält.
2. Dem kreativen kleinen Professor, der neugierig und schaffensfroh ist, neue Ideen hat und alles erforschen will.
3. Das angepasste Kind, das sich unterwürfig verhält und sich stumm dem Willen anderer beugt.
4. Das rebellische Kind, das sich allem und jedem widersetzt und sofort auf die Barrikaden geht.

Das Erwachsenen-Ich ist der dritte Teil der Persönlichkeit, der erst im Laufe der Pubertät entsteht, wenn wir erkennen, dass wir selbst für unsere Handlungen verantwortlich sind. Es ist dafür da, die Impulse aus dem Eltern- und Kindheits-Ich zu dämpfen und nur das zuzulassen, was wir auch wirklich äußern wollen – was sicherlich nicht immer gelingt.

Wie bereits erwähnt, wird die Wirkungsweise von verbalen und nonverbalen Botschaften untersucht. Die zentrale These lautet, dass wir immer aus einem der drei Ich-Zustände heraus senden und dadurch die Reaktion der Gesprächspartner vorherbestimmen. Wenn wir eine Botschaft aus dem Kindheits-Ich senden, dann wird oft eine Reaktion aus dem Eltern-Ich folgen und umgekehrt. Nur Botschaften aus dem Erwachsenen-Ich locken eine Reaktion auf Augenhöhe aus dem Erwachsenen-Ich des Gegenübers.

So klingt Vertriebspsychologie im Alltag

A: „Ich habe eine tolle Idee: Wir sollten ab sofort allen neuen Kunden einen Blumenstrauß schicken und uns für das Vertrauen bedanken!“
B: „Unsinn. Das ist viel zu teuer und außerdem bringt das nichts.“

A: „Bei dem schönen Wetter würde ich am liebsten draußen arbeiten!“
B: „Du kannst ja heute Abend auch noch auf dem Balkon sitzen, wenn du Feierabend hast.“

In beiden Fällen können wir das Kind in der Äußerung A fast schon sehen. Es hat eine kreative Idee oder äußert ein spontanes Gefühl. Und die Antwort kommt nicht wirklich auf Augenhöhe. Sie ist im einem Beispiel kritisch und zurechtweisend und im anderen Beispiel bietet sie einen Lösungsvorschlag, der jedoch nicht gefragt war.

Das funktioniert selbstverständlich auch andersherum. Wenn eine Aussage aus dem Eltern-Ich kommt, dann ist eine Reaktion aus dem Kindheits-Ich zu erwarten. Allerdings kommt die Reaktion in unseren Landen fast immer aus dem rebellischen Kind.

A: „Nur mit der XY-Methode werden die besten Resultate erzielt.“
B: „Das kann man so nicht sagen, denn auch mit der AB-Methode haben wir schon gute Resultate erzielt!“

A: „Wir haben ein Konzept für Sie erarbeitet, das genau Ihr Problem löst.“
B: „Wenn es so einfach wäre, wären wir schon längst selbst darauf gekommen!“

Wenn Sie in geschäftlichen Situationen völlig zu Recht und gestützt durch Ihre fachliche Kompetenz etwas vorschlagen, dann ist es oft leider so, dass Sie das rebellische Kind Ihres potenziellen Kunden ansprechen und von dort Widerspruch erfahren. Im schlimmsten Fall merken Sie das nicht, weil der Kunde seine spontane Erwiderung höflich unterdrückt und Sie seine Ablehnung nicht merken.

Wie kann man bewusst auf Augenhöhe kommunizieren?

Es ist zumindest in der Theorie ganz einfach: Indem man Aussagen auf sich bezieht und nicht den anderen beurteilt, oder indem man ehrliche und offene Fragen stellt.

Die eine der beiden typischen Äußerungen bezieht sich auf den Unterschied zwischen Ich-Botschaften und Du-Botschaften. Wenn wir sinngemäß sagen „Du bist…“ dann ist das eine Wertung, die wiederum überheblich ist. Man hebt sich über den Anderen und urteilt. Das ist eine typische Aussage aus dem Eltern-Ich. Alternativ kann man solche Aussagen auch ohne Wertung formulieren. Dann lässt man den Bezug zum Anderen und damit die Wertung weg: „Ich sehe/fühle/denke…“

Also statt „Sie haben eine veraltete Software“ kann man immer alternativ formulieren: „Im direkten Branchenvergleich habe ich modernere Softwarelösungen gesehen“.

Die andere Form der Botschaft aus dem Erwachsenen-Ich ist die schon besprochene ehrliche und offene Frage. Ehrlich, weil wirklich eine Antwort erhofft wird und nicht nur eine verdeckte Botschaft gesendet wird. Sie erinnern sich bestimmt an das Beispiel „Wann willst du eigentlich dein Zimmer aufräumen?“ das rein semantisch als Frage gilt, aber wohl eher als Aufforderung zum Aufräumen gemeint ist. Und das ist eben nicht ehrlich. Und andererseits steht jede geschlossene Frage grundsätzlich unter dem Verdacht, eine Unterstellung zu sein, weil eben „Leiden Sie auch unter Fußpilz?“ unterstellt, der Befragte habe Fußpilz, auch wenn das von Fragesteller in keiner Weise so gemeint war.

Wenn Sie aus dem Erwachsenen-Ich sprechen, können Sie die Qualität Ihrer Unterhaltungen enorm verbessern

Das ist nicht immer leicht, weil wir gerade dann, wenn wir „blöd angemacht“ werden, eben impulsiv reagieren wollen. Allerdings zeigt es sich, dass beispielsweise Personal im Service, allen voran das fliegende Personal bei Fluggesellschaften, sehr gut lernen kann, Beschwerden und Angriffe nicht persönlich zu nehmen und auf Augenhöhe zu reagieren.

Menschen tendieren dazu, sich mit emotional geprägten Unterhaltungen die Zeit zu vertreiben. Eric Berne, ein US-Amerikanischer Psychologe, nannte das „Psycho-Spiele“. Bestimmt erinnern Sie sich an Unterhaltungen im Vertrieb, die alles andere als professionell liefen? Eventuell ist ein „Psycho-Spiel“ der Grund dafür gewesen? Vielleicht machte einer der Beteiligten eine unbedachte Äußerung, die der Andere als Angriff aus dem Eltern-Ich verstand und rebellisch quittierte? Wie viele Konflikt-Gespräche können auf diesen simplen Sachverhalt zurückgeführt werden? Wie viele konfliktgeladene Unterhaltungen könnten produktiv geführt werden, wenn die Beteiligten dieses einfache psychologische Modell im Alltag umsetzen würden?

Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Ego sozusagen „professionell zu falten und einzurollen“ und zumindest für die Dauer des Kundengespräches nicht unkontrolliert zu reagieren, sondern aufmerksam im Gespräch zu agieren, dann wird es wesentlich einfacher zu verstehen und später die passenden Angebote zu machen.

Vier Fragearten im Verkaufsgespräch

Wenn man untersucht, warum Verkäufer erfolgreich sind, könnte man erwarten, dass Zuhören, Auftreten, Eloquenz, Empathie und Überzeugungskraft sehr wichtig sind.

Ein Weltkonzern, der mit einem Produkt eine marktbeherrschende Stellung hatte, gründete ein weiteres Geschäftsfeld. Nun sollten Projekte verkauft werden statt wie bisher nur Produkte. Man machte die Erfahrung, dass die besten Produktverkäufer im Lösungsgeschäft keine guten Ergebnisse brachten.

Um das Problem zu lösen, wurde untersucht, welche Verhaltensweisen einen erfolgreichen Verkäufer ausmachen und was die bisherigen Star-Verkäufer dazulernen müssen, um auch im Projektgeschäft weiterhin erfolgreich zu sein. Man fand heraus, dass man die gestellten Fragen nach deren Ziel unterteilen kann. Und man fand heraus, dass das Mengenverhältnis der unterschiedlichen Fragetypen den Erfolg vorherbestimmt. Das bedeutet, dass Verkäufer, die bestimmte Fragen ausreichend oft stellten, erfolgreicher waren als andere, die wiederum andere Fragen öfter stellten.

Vier Kategorien für sinnvolle Fragen

Fakten – Fragen, die sich auf die aktuelle Situation beziehen und überprüfbare Fakten abfragen.
Motiv – Fragen, die Probleme, Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten aufdecken, die ein potenzieller Kunde beseitigen möchte.
Schmerzen – Fragen, die auf den Handlungsdruck abzielen und erkennen lassen, welche Bedeutung die Problemlösung hat.
Nutzenerwartung – Fragen, die ermitteln, was erfüllt sein muss, um aus Sicht des Klienten eine akzeptable Lösung erzielt zu haben.

In den kommenden Ausgaben werden wir uns mit diesen vier Fragetypen ausführlich beschäftigen.