Verkäufer wollen Entscheidungen beschleunigen. Das liegt in der Natur der Sache. Allerdings geht das nur in sehr begrenztem Maße. Man kann Entscheidungen nur dann beschleunigen, wenn der Käufer zu einer Entscheidung auch bereit ist. Wir müssen also zunächst sicherstellen, dass das Treffen einer Entscheidung überhaupt möglich ist, bevor wir versuchen, diesen Vorgang zu beschleunigen. Aber der Reihe nach.

Viele Vertriebsbücher sind bereits über „den Abschluss“ geschrieben worden – Neudeutsch auch „Closing“ genannt. Man sollte das Closing jedoch nicht losgelöst vom restlichen Entscheidungsprozess betrachten. Schließlich können Entscheidungen nicht beliebig herbeigeführt werden.

Entscheidungen können erst dann getroffen werden, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen. D.h. wer auf Entscheidungen einwirken will, der kann sie zunächst einmal nur ermöglichen. Etwa, indem er die nötigen Informationen liefert oder dabei hilft, sinnvolle Alternativen zu beleuchten und zu bewerten. Erst später kann man die Entscheidung herbeiführen. Erst Sog, dann Druck.

„Willst Du mich heiraten“ klappt auch nicht in den ersten Minuten nach dem Kennenlernen

Wie schon oft vergleiche ich die abstrakte Tätigkeit des Verkaufens mit dem natürlichen Werben um einen Lebenspartner. Der Heiratsantrag entspricht dem Abschluss. Es ist eine geschlossene Frage: „Willst Du mich heiraten?“ Ja oder Nein könnte die Antwort ausfallen. Und „Vielleicht“ bedeutet „Nein“. Oder zumindest „Nein, noch nicht.“

Wenn man will, dass eine Entscheidung getroffen wird, muss man sie herbeiführen. Und das sollte man erst tun, wenn man denkt, dass die meisten Unsicherheiten geklärt sind. Erst dann ist es sinnvoll, das anzuwenden, was gemeinhin als Closing bezeichnet wird. Es ist absolut nicht hilfreich, eine Entscheidung erzwingen zu wollen, wenn noch nicht alle Informationen vorliegen. Ist es allerdings so weit, dann sollte man nicht unnötig Zeit verstreichen lassen. Es ist vollkommen sinnlos, eine Entscheidung weiterhin zu ermöglichen, wenn sie bereits getroffen werden könnte.

Ein wenig ist das wie bei der Geburtshilfe. Auch da ist es nicht sinnvoll, eine Geburt einleiten zu wollen, wenn die Zeit dafür noch nicht reif ist. Eine gute Hebamme wird sich kaum dafür einsetzen, eine Geburt in Gang zu setzen, wenn noch nicht alle Voraussetzungen gegeben sind. Aber wenn es so weit ist, gibt es auch keinen unnötigen Aufschub mehr. Dann wird dafür gesorgt, dass die kleine Entscheidung das Licht der Welt erblickt. Vielleicht können Verkäufer im Geschäftskundenvertrieb diese Analogie verwenden, um unnötige Beschleunigungsversuche zu verhindern. Man muss eben den richtigen Moment abwarten, um nachzuhelfen.

Entscheidung ist schmerzhafte Trennung

In dem Wort Entscheidung steckt Schmerz, denn Scheidung bedeutet Trennung. Und wer trennt sich schon gerne? Bei der Entscheidung müssen wir uns von Alternativen verabschieden und uns festlegen. Ent-scheidung eben. Für das eine – gegen das andere. Kaum jemand tut das gerne.

Betrachten wir einmal einen Entscheidungsprozess etwas genauer. Mein Lieblingsbeispiel nenne ich „Schatz im Schuhgeschäft“. Vielleicht kommt Ihnen das völlig untypisch vor, aber mein Schatz macht einen dreistufigen Entscheidungsprozess durch. Zunächst geht es um die Auswahl, dann um die Trennung und zum Schluss tröstet man sich selbst.

1. Auswahl

Im Schuhgeschäft gibt es eine große Auswahl. Diese wird ausgiebig genutzt. Alle nur ansatzweise infrage kommenden Möglichkeiten werden geprüft, bewertet und dann entweder in die engere Auswahl gezogen oder abgelehnt. Nach und nach sammeln sich mehrere Paar Schuhe rund um den Sitzplatz von meinem Schatz an. Wenn eine gute Verkäuferin anwesend ist, dann wird sie jetzt vorsichtig, aber beherzt die weniger attraktiven Alternativen wieder wegräumen. Das ist sehr gut, denn jetzt kommt die zweite Phase und das bedeutet:

2. Trennung

Wenn nur noch einige Alternativen übrig sind, dann müssen wir uns trennen. Nach und nach verringern wir die Anzahl der Möglichkeiten. Von fünf auf vier – autsch. Noch eine weniger – seufz. Von drei auf zwei – „ach menno!“ Jetzt gibt es nur noch zwei Alternativen. Die? Oder doch lieber die anderen? Wenn nur noch zwei Alternativen vorhanden sind, wäre das Falscheste, was man als Verkäufer machen kann, zusätzlich noch eine dritte ins Spiel zu bringen. Wenn es nur noch zwei Alternativen gibt und man sich zwischen beiden entscheiden soll (Diese? Oder sind die besser? Oder soll ich mich doch für die entscheiden …?) und der Verkäufer plötzlich mit einer dritten Alternative auftaucht, dann ist es ganz aus. Dann kann sich meine Frau nicht entscheiden. „Heute ist kein guter Tag zum Schuhe kaufen …“, lautet dann der verzweifelte Ausruf. Ein guter Verkäufer wird also weniger attraktive Alternativen schnell beseitigen oder gar nicht erst anbieten. So wird er dabei helfen, die Entscheidung zu ermöglichen, indem er geschickt den nächsten Schritt von der Trennung zum Trost vorbereitet.

3. Trost

Viele von Ihnen kennen das wunderbare Gefühl, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Alle Last des Vergleichens und Entscheidens ist abgefallen, und wir freuen uns auf das Neue. Das kann ein guter Verkäufer vorwegnehmen, indem er diesen Zustand der Zufriedenheit anspricht, wenn der Kunde noch in dem Prozess seiner Entscheidungsfindung steckt. Stellen Sie sich vor, der Schuhverkäufer sagt: „Die hier können Sie zum Kostüm genauso tragen wie zur Jeans. Und angenommen, Sie kommen aus einem wichtigen geschäftlichen Meeting und es hat angefangen zu regnen: Für Sie kein Problem, denn diese Schuhe sind hochgeschlossen und dennoch elegant.“ Durch diese Aussage baut der Verkäufer eine Brücke über das Entscheidungsflimmern.

Schnelle Entscheidung statt Entscheidungsflimmern

Bestimmt kennen Sie den unangenehmen Zustand zwischen Trennung und Trost. Dieses Zaudern zwischen den letzten Alternativen. Man weiß, dass man sich entscheiden sollte. Man weiß auch, dass die Optionen gut sind, aber man ist sich noch nicht sicher, welche die beste Option ist. Je länger man diesen Zustand der Unsicherheit ertragen muss, desto schwieriger wird die Entscheidung. Wenn wir das erkennen, warum sollten wir unsere Kunden dann in diesem unangenehmen Zustand belassen? Und was können wir daraus für die optimale Verhaltensweise im Verkauf ableiten?

Zunächst ist es wichtig, dass wir den Zeitraum, in dem sich der Kunde in der Situation des Entscheidungsflimmerns befindet, so kurz wie möglich halten. Bestimmt kennen Sie die Situation: Sie haben sich für eine Investition interessiert und einige Gespräche mit Anbietern geführt. Sie haben inzwischen auch schon mindestens ein passendes Angebot erhalten. Das Angebot liegt griffbereit auf einem Stapel. Sie könnten es jederzeit annehmen. Andererseits drängt Sie ja auch niemand. Das Angebot liegt also weiter dort. Je länger es so daliegt, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es angenommen wird. Je länger die Lösung fertig zur Entscheidung daliegt, aber nichts entschieden wird, desto unwahrscheinlicher wird es, dass eine Entscheidung überhaupt jemals stattfindet.

Entscheidungen beschleunigen durch weniger Alternativen

Ich nenne diesen Effekt die „Halbwertszeit des Angebotes“. Je länger es liegt, desto geringer wird die Strahlkraft der Lösung. Beim Kunden entsteht der Eindruck, dass er jederzeit eine Lösung haben könnte und dass die Probleme nicht drängender werden, wenn er wartet. Also bleibt die Lösung in Sichtweite liegen, wird immer entbehrlicher und schließlich verworfen.

Um das zu vermeiden, können wir zwei Strategien nutzen:

  1. Die letzte Phase der Entscheidungen von unnötigen Verzögerungen befreien. Sorgen Sie dafür, dass alle zeitintensiven Prozesse, wie zum Beispiel das Prüfen der Vertragsbedingungen, schon vor Abgabe des Angebotes erledigt sind.
  2. Sorgen Sie dafür, dass klare Termine, z.B. die Angebotsgültigkeit, den Entscheidungsprozess in ein zeitliches Raster zwängen.

Außerdem ist es wichtig, Varianten zu vermeiden. Es ist viel einfacher, ein Angebot anzunehmen, wenn man einfach „Ja“ sagen kann. Wenn innerhalb eines Angebotes bereits mehrere Alternativen enthalten sind, dann kann man es nicht so einfach annehmen, da man ja noch weitere Entscheidungen treffen muss. Jede Entscheidung ist allerdings bekanntlich eine Trennung und damit ein weiteres Risiko für Entscheidungsflimmern. Deshalb sollten wir nur eindeutige Angebote machen.

Wenn Kunden die Bitte nach einem Angebot mit Varianten äußern, dann haben wir noch nicht gut genug gearbeitet. Dann müssen wir im Gespräch noch herausarbeiten, was der Kunde eigentlich genau entscheiden will. Oder die Situation ist einfach noch nicht reif für ein Angebot und eine einfache Investitionsübersicht wäre die beste Antwort.

Entscheidung beschleunigen – Erste Hilfe

Wenn die Entscheidung des Kunden zu lange dauert, können Sie daher diese kurze Checkliste durchgehen:

Unnötige Alternativen vermeiden

Es ist einfacher „Ja“ zu sagen, als sich zwischen Alternativen zu entscheiden. Deshalb sollten Sie nur eine Variante anbieten.

Wenn der Kunde mehrere konkurrierende Alternativen möchte, haben Sie noch nicht den idealen Moment für ein Angebot erreicht. Sie sollten besser versuchen, zunächst noch genauer zu verstehen, was der Kunden wirklich will, bevor Sie ihr Angebot abgeben.

Trost durch Nutzen

Achten Sie darauf, dass Nutzen und Return on Investment als „Trost“ immer in Sichtweite sind. Wenn der Kunde immer wieder auf die persönliche Verbesserung hingewiesen wird, die ihm die Entscheidung bringt, ist diese nicht ganz so schmerzhaft.

Langwieriges vorziehen

Manche Abstimmungstätigkeiten, wie Prüfung der AGBs, Einkaufsbedingungen, Lizenzbedingungen und Ähnliches, verzögern die letzte Einigung, obwohl sie eigentlich schon möglich wäre. Daher ist es eine gute Strategie, diese Abstimmungstätigkeiten im Verkaufsprozess so weit wie möglich nach vorne zu ziehen und nicht damit bis zum Schluss zu warten.

Termin setzen

Wenn man keinen festen Termin hat, muss man sich auch nicht entscheiden. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Kunden einen gewissen Entscheidungsdruck verspüren. Bei vielen Geschäftsmodellen kann man Verknappung herbeiführen, indem man Entscheidungstermine festlegt, die einen bestimmten Vorteil für den Kunden bieten.

Außerdem sollte die Gültigkeit von Angeboten zeitlich klar begrenzt sein. Am besten fragen Sie, bis wann der Kunde eine Entscheidung getroffen haben möchte und setzen die Gültigkeit genau auf diesen Termin.

Geschlossene Fragen

„Willst Du mich heiraten?“ ist eine geschlossene Frage. „Wann willst Du mich heiraten?“ ist eine offene Frage. Offene Fragen sind gut, um die Haltung, Meinung und Sichtweise der anderen Person zu verstehen. Mit geschlossenen Fragen führen wir jedoch eher Entscheidungen herbei. Achten Sie daher darauf, dass sie geschlossene Fragen nutzen, um Entscheidungen zu beschleunigen.

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