Zögern ist eine natürliche Reaktion, wenn wir unsicher sind, was wir tun sollen. Jeder kennt das: Wir sollen eine Entscheidung treffen, die bestimmte Folgen haben wird. Aber wir sehen noch keinen sicheren Zusammenhang zwischen dem, was wir entscheiden sollen und den Folgen, die das auslösen wird.

Ein einfaches Beispiel: Sie sollen an einer Weggabelung entscheiden, ob sie links oder rechts weitergehen sollen. Warum zögern Sie? Beispielsweise, weil Sie nicht wissen, welcher Weg zum Ziel führt. Und selbst wenn beide Wege zu Ihrem gewünschten Ziel ausgeschildert sind, fragen Sie sich, welcher der Wege der einfachere, bessere, risikolosere Weg sein könnte.

Sicherheit verhindert Zögern

Die meisten Kaufentscheidungen im Zusammenhang mit Investitionen sind objektiv unsicher. Zwar lässt sich der Ausgang einer Investitionsentscheidung im Vorfeld kalkulieren, ob sich jedoch diese Vorkalkulation als richtig erweisen wird, weiß zum Zeitpunkt der Entscheidung niemand. Falls Ihnen aus eigener Erfahrung solche Beispiele von Fehleinschätzungen noch nicht untergekommen sein sollten, kennen Sie sicherlich die Fehleinschätzungen bei großen öffentlichen Bauvorhaben – allen voran der Hauptstadtflughafen Berlin. Der Plan war sicher sehr detailliert, aber das Ergebnis weicht enorm vom Plan ab. Wenn also der Plan nicht sicher ist, wie soll man dann Sicherheit schaffen?

Am liebsten würden wir nur dann entscheiden, wenn wir den Ausgang der Entscheidung mit 100% Sicherheit vorhersagen können. Obwohl das zumindest bei komplexen Entscheidungen nicht möglich ist, belügen wir uns selbst und wünschen uns diese Sicherheit herbei. Wir schaffen uns eine alternative Realität, in der wir die Risiken ausblenden und die Chancen vergrößern.

Information vollständig machen

Können wir nicht vielleicht doch alle Entscheidungsfaktoren benennen und dann eine objektiv richtige Entscheidung treffen? Was wäre, wenn wir noch mehr Informationen beschaffen und danach mit größtmöglicher Sicherheit entscheiden? Mehr Information bringt doch bessere Entscheidungen, oder nicht?

Sehen wir uns einmal dieses Experiment an: Einer Gruppe von Testpersonen wird eine Auswahl von vier Gebrauchtwagen vorgelegt. Jeder Wagen war mit vier Eigenschaften angegeben (z.B. Laufleistung, Preis, Farbe und Marke). Nun sollten die Testpersonen das objektiv beste der vier Fahrzeuge finden, also das Fahrzeug, das seinen Preis wert ist.   Diese Aufgabe bekamen die Probanden getrennt voneinander in verschiedenen Gruppen, die unmittelbar vorher unterschiedlich eingestimmt wurden: entweder rational und methodisch oder intuitiv. Die eine Gruppe bekam viel Zeit, um rational zu entscheiden, die andere Gruppe sollte möglichst spontan entscheiden. Das Ergebnis war wenig überraschend: Die Gruppe mit mehr Zeit und rationalen Kriterien fand mit höherer Sicherheit das objektiv beste Angebot heraus. Halten wir fest: Bei wenig komplexen Entscheidungen ist die rationale Entscheidungsfindung passend.

Umso erstaunlicher war das Ergebnis bei einer Wiederholung des gleichen Versuchsaufbaus mit den gleichen vier Gebrauchtwagen, die jedoch diesmal mit jeweils zwölf Eigenschaften angegeben waren. Wohlgemerkt: Es waren exakt die gleichen Fahrzeuge, aber jetzt mit dreifach mehr Informationen. Wieder Testpersonen, die wieder entweder rational oder intuitiv an die Sache herangehen sollten. Diesmal war das Ergebnis genau entgegengesetzt: Die rational entscheidenden Studenten schafften das „richtige“ Ergebnis nur mit 25% Erfolgsquote, was dem puren Zufall entspricht. Allerdings hat die intuitiv entscheidende Gruppe jetzt mit über 60% den besten Wagen gefunden.

Rationale Kundenentscheidungen führen zu schlechteren Ergebnissen

Das heißt also, dass wir Abschied nehmen müssen von der Idee, dass man mit einer Ausschreibung oder einem rationellen Auswahlverfahren eine gute Entscheidung treffen kann, wenn viele Entscheidungskriterien angegeben sind. In Wirklichkeit treffen wir bei unübersichtlich viel Kriterien bessere Entscheidungen, wenn wir unsere Intuition die Auswahl machen lassen.

Lassen Sie uns daran arbeiten, diese Erkenntnis in die Büros der Entscheider zu tragen. Sicher nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber warum sollte man nicht dem Entscheider im Dialog seine wirklich relevanten Kriterien entlocken, statt sich willkürlichen Auswahlprozessen hinzugeben. Wir dürfen den Entscheider ermutigen, eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, statt diese an einen Algorithmus zu übertragen und falsch verstandenem Sicherheitsdenken Raum zu geben.

Erwartungen bildhaft verankern

In dem Wort „Entscheidung“ steckt es schon drin: Das Wort „Scheidung“. Wenn wir uns entscheiden, dann trennen wir uns von Alternativen und binden uns an die eine letzte Variante. Der Vorgang der Trennung von den anderen Möglichkeiten ist unangenehm. Niemand trennt sich gerne.

Oder doch? Ja, aber nur, wenn die Zeit nach der Trennung verheißungsvoll erscheint. Sie muss viel attraktiver erscheinen, als das, was wir jetzt kennen.

Wir können Entscheidungen beflügeln, wenn wir das Ergebnis als Lockmittel einsetzen. Das nennen wir auch Nutzenorientierung: Was bekommt der Kunde durch oder wegen der Entscheidung? Was ist das Ziel der Investition? Welches Ergebnis streben wir mit dem Projekt an?

Gute Verkäufer beschleunigen die Entscheidung, indem sie verbale Bilder malen. Sie benutzen ganz bewusst Formulierungen wie „Stellen Sie sich vor, Sie haben …“ Sie sagen Sätze wie „Ich sehe Sie schon mit <Hauptnutzen> und ohne <aktuelles Problem> das Leben genießen.“

Bitte nicht falsch verstehen: Das ist kein Plädoyer für überzogene Kundenerwartungen und unerfüllbare Garantieversprechen. Es ist der Hinweis darauf, dass Kunden nicht die Bohrmaschine kaufen wollen. Sie brauchen das Loch in der Wand, um beispielsweise den neuen Spiegel aufzuhängen. Der Verkäufer, der ein Bild vom Loch verkauft, gewinnt. Oder noch besser ein Bild vom hängenden Spiegel. Aber der Verkäufer, der zwar alle Eigenschaften der Bohrmaschine kennt und erklären kann, sich aber nicht für das Zielfoto des Kunden interessiert, der verliert. Das verlockende Bild des Zielfotos ist sehr hilfreich, aber es reicht oft nicht aus, um eine Entscheidung zu treffen. Was dann fehlt ist der

Handlungsdruck

Wir treffen schnelle und entschlossene Entscheidungen, wenn wir müssen. Oder zumindest denken, dass wir es müssen. Was uns zu schnellen Entscheidungen verleitet, sind Schmerzen oder die Angst vor Schmerzen. Im Geschäftsleben sind Schmerzen die unangenehmen, zumeist kostenintensiven Auswirkungen von Problemen.

Menschen treffen schnellere Entscheidungen, wenn sie klar sehen, was sie dadurch an Erleichterung bekommen. Das können wir ausnutzen. Professionelle Verkäufer nutzen methodische Gesprächsführung, um genau das herauszufinden: Das Problem des Kunden, die daraus entstehenden Auswirkungen oder Schmerzen und schließlich die Erwartung des Kunden an eine Zukunft ohne das aktuelle Problem.

Wenn Verkäufer gelernt haben, diese drei Erkenntnisse durch eine clevere Fragetechnik zu finden, dann können sie dadurch Entscheidungsdruck erzeugen. Zusätzlich kann dann der Entscheidungssog hin zu dem erhofften Ergebnis die Entscheidung noch mehr beschleunigen.

Entscheidungsflimmern

Wir alle kennen die Situationen, in denen wir hin- und hergerissen sind. In denen wir uns zwischen zwei Alternativen nicht entscheiden können, weil wir nicht wissen, was wir tun sollen. Manchmal gilt das auch, wenn wir nicht wissen, ob wir etwas wollen.

Wir schwanken zwischen den Alternativen. Manchmal so schnell, dass es fast schon wie ein Flimmern ist. Das nenne ich Entscheidungsflimmern. Je mehr Alternativen attraktiv erscheinen, desto größer ist die Gefahr des Flimmerns. Das müssen wir beachten und in die Strategie bei der Angebotserstellung einbauen.

Alternativen vermeiden

Kunden fragen nach Alternativen und das ist deren gutes Recht. Aber wenn ein Kunde nach Alternativangeboten fragt, dann stimmt etwas nicht. Warum? Weil Angebote gemacht werden, um angenommen zu werden. Ein Angebot mit mehreren Alternativen kann man nicht einfach annehmen. Man muss sich zwischen den Alternativen entscheiden.

Sollte also der Fall eintreten, dass ein Kunde nach mehreren alternativen Angeboten fragt, dann ist das ein Hinweis darauf, dass noch nicht der richtige Moment gekommen ist, um ein (annehmbares) Angebot zu machen. Wir müssen erst noch die beraterische Verkaufsarbeit fortsetzen, bis klar ist, was der Kunde wirklich braucht. Dann erst kann ein gutes Angebot entstehen, zu dem der Kunde nur noch „Ja!“ sagen will.

Geburtshelfer der Entscheidung

Wirklich gute Verkäufer wissen, dass man gar nicht verkaufen kann. Wir als Kunden lassen uns ja auch nichts verkaufen. Wir kaufen. Wir treffen die Entscheidung. Wir als Kunden sind diejenigen, die letztlich bestimmen, was passiert. Gute Verkäufer wissen das. Sie sind in der Lage, die beste Entscheidung des Kunden zu entbinden. Gute Verkäufer wissen, wann der beste Moment ist, um eine Entscheidung das Licht der Welt erblicken zu lassen. Nicht zu früh, aber auch nicht zu spät leiten sie mit den passenden Mitteln die Entscheidung ein und bringen sie sicher zur Welt. Wer das beherrscht, der wundert sich nicht mehr über das zögerliche Verhalten der Kunden.

Fotoquelle Titelbild: © Syda Productions/Shutterstock.com