Wie macht man professionellen Vertrieb, wenn der Entscheider nicht weiß, was er oder sie will? Manchmal verzweifeln Verkäufer daran, dass ihre Kunden nicht über alle Lösungsmöglichkeiten informiert sind. Sie wissen nicht was sie wollen, weil die mögliche Lösung ihrer Probleme so innovativ ist, dass sie diese Lösungsmöglichkeit nicht wollen – weil sie diese nicht kennen.

Kunden fragen nicht nach Lösungen, die sie nicht kennen. Oder schlimmer: Weil sie nicht wissen, dass es eine bestimmte Lösung für ihr Problem gibt, sind sie zufrieden und suchen nicht nach Lösungen. Schließlich ist das Problem vertraut oder noch nicht einmal als Problem bewusst.

Die Europäer des vergangenen Jahrhunderts wussten nichts von der Belastung durch Feinstaub und Vegetarier wurden in den 80er Jahren mitleidig bedauert wie Kranke. Wenn wir kein Problembewusstsein haben, suchen wir nicht nach einer Lösung.

Das Problem freilegen

Es gibt eine Methodik, die dabei hilft, den Kunden zum Nachdenken zu bringen. Wenn wir Gelegenheit haben, mit dem Entscheider ein Gespräch zu führen, können wir herausfinden, was er oder sie wirklich will. Dieses Verfahren ist mehrstufig. Zunächst suchen wir nach dem Problem. Wer kein Problem hat, braucht keine Lösung – das ist selbstverständlich. Aber wie finden wir das Problem, wenn der Kunde selbst noch nicht weiß, dass er ein Problem hat?

Wir nutzen die Erkenntnisse der neueren Verhaltensforschung. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat in seinem viel beachteten Buch „Schnelles Denken. Langsames Denken.“ eine wichtige Erkenntnis für uns Verkäufer dargestellt.

Zwei Denksysteme bestimmen Entscheidungen

Eines unserer Denksysteme ist das intuitive, schnelle Denken. Wir erkennen in einer Menschenansammlung spontan ein Gesicht. Oder wir betreten einen Raum und haben schlagartig das Gefühl hier schon einmal gewesen zu sein. Diese Denkvorgänge erfolgen schnell und ohne große Mühe.

Das andere Denksystem benötigen wir für Denkvorgänge wie das Ausrechnen von Mathematikaufgaben: Multipliziere 211 mit 13. Das können wir zur Not im Kopf rechnen, jedoch bedeutet es Mühe. Im Gegensatz zum schnellen Denken müssen wir bewusst denken.

Eine wesentliche Erkenntnis von Kahneman ist, dass wir dazu tendieren uns den leichteren Weg zu suchen. Das bedeutet, dass wir das intuitive Denken benutzen, auch wenn wir für bestimmte Aufgaben besser das mühevolle langsame Denken nutzen sollten.

Nehmen wir ein Beispiel: Sie sitzen in einer Vortragsveranstaltung und ein neuer Redner betritt die Bühne. Sie wollen wissen, ob er zu dem Thema, über das er jetzt sprechen wird, auch kompetent ist. Die richtige Methode, um Kompetenz zu bestätigen, wäre es seine Publikationen zu sichten, zu recherchieren wie oft er von anderen Wissenschaftlern zitiert wurde und ob seine Artikel in renommierten Wissenschaftsmagazinen erschienen sind. Weil uns das im Moment viel zu mühevoll erscheint, wählen wir einen anderen Weg.

Wir fragen uns stattdessen, ob der Redner kompetent wirkt. Die Antwort auf diese intuitiv und mühelos zu beantwortende Frage setzen wir unterbewusst gleich mit der Antwort auf die eigentliche, viel schwieriger zu beantwortende Frage. Diese menschliche Schwäche beim Einsatz unserer Denksysteme sollten professionelle Verkäufer kennen und nutzen.

Erkennen, was der Kunde ändern will

Professioneller Verkauf bedeutet, den Nutzen zu ergründen, den der Kunde bekommen wird, selbst wenn im Moment noch kein Änderungswunsch erkennbar ist. Das kann gelingen, wenn wir Kommunikation bewusst einsetzen und sein intuitives Denken ebenso ansprechen, wie sein rationales langsames Denken.

Das kann gelingen, indem wir eine dreiteilige Frage stellen, die den Kunden auf das Thema fokussiert und dann beide Denksysteme reizt. Zunächst ist aber die Aufgabe, eine Formulierung zu finden, die den potentiellen Kunden auf das Thema konzentriert. Eine Einleitung, die seine Aufmerksamkeit in ein Feld lenkt, das wir mit ihm besprechen wollen.

Dabei sollten wir nicht schon das Problem vorgeben, weil der Kunde ja vermutlich das Problem noch gar nicht realisiert hat. Stattdessen lenken wir sein Denken auf einen Themenbereich. Nehmen wir an, Sie verkaufen verschiedene Maschinen, die einzelne Prozesse in der Verarbeitung von Blechen wesentlich vereinfachen. Die neue Technologie schafft besondere Vorteile, wo die meisten blechverarbeitenden Betriebe im Moment unnötig Kosten produzieren. Weil aber diese Kosten „normal“ erscheinen, wirken sie nicht problematisch.

Das Feld in dem wir nach einem möglichen Problem forschen wollen, sind also die Prozesse in der Blechverarbeitung – speziell die dabei anfallenden unterschiedlichen Kosten.

Methodisch nach Problemen fragen

Vielleicht kennen Sie den Liedtext der Fantastischen Vier. „Es könnte; alles so einfach sein, isses aber nicht …“ Wenn es einfach wäre, könnten wir ganz einfach fragen: „Was ist Ihr Problem?“ Oder ein wenig ausführlicher „Was stimmt nicht mit Ihrer Blechverarbeitung?“ man muss kein erfahrener Psychologe sein um zu erkennen, dass diese beiden Fragen zwar rational richtig gestellt sind, aber kaum die passende Reaktion beim Kunden hervorrufen dürften.

Wenn wir komplett rational denkende Lebewesen wären, dann könnten wir die Kommunikation extrem vereinfachen – aber das ist nunmal nicht so. Daher wählen wir für die Formulierung der Frage einen Bauplan, der aus drei Teilen besteht: Fokus – Fakten – Emotion. Der erste Teil ist der Fokus, den wir vorhin schon angedacht haben:

„Wenn Sie jetzt an Ihre Blechverarbeitung denken – speziell an die darin verborgenen versteckten Kosten, was sind da Ihre wichtigsten Prioritäten, was liegt Ihnen besonders am Herzen?“

Diese Frage klingt auf den ersten Blick überfrachtet und unser Deutschlehrer hätte diese Formulierung auch nicht gemocht. Allerdings erfüllt diese Frage genau ihren Zweck: Sie bringt den Kunden zum Denken. Jetzt ist er angeregt innerhalb des Fokus (Blechverarbeitung und die dabei entstehenden Kostenprobleme) über Fakten und Emotionen nachzudenken. Genau das wollen wir erreichen.

Vermutlich werden wir auf die erste Frage eine eher profane Antwort bekommen. Eine Antwort, die noch nicht die beste Antwort ist, um das Problem offenzulegen. Das macht aber nichts. Wir notieren die Antwort und dann fragen wir nochmals nach. Und zwar mit einer leicht abgewandelten Frage mit dem gleichen Bauplan:

Mehrfach fragen und den Kern freilegen

„Ok. Das habe ich notiert. Und darüber hinaus – also in Bezug auf die verdeckten Kosten in Ihrer Blechverarbeitung – was sind da Ihre wichtigsten Punkte, was läuft noch nicht so richtig rund?“

Diese Formulierung ist im Prinzip identisch zur ersten Frage, diesmal nur mit anderen Worten. Beide Fragen setzen den Fokus und fragen dann nach Fakten um am Ende mit einer Frage nach der Emotion die Antwort zu erleichtern.

So fragen wir immer weiter, und notieren die Antworten – so lange, bis der Kunde deutlich macht, dass er nicht weiter befragt werden will. Das zeigt sich in der Regel durch eine körperliche Reaktion, wie zum Beispiel eine deutliche Veränderung der Sitzposition. Oder eine direkte ablehnende Geste, wie Zurücklehnen und gleichzeitiges Verschränken der Arme. Ein emphatischer Verkäufer erkennt diesen Moment sofort.

An dieser Stelle lesen wir die notierten Antworten noch einmal vor und fragen im Anschluss: „Von den hier genannten Themen – was ist aus heutiger Sicht das Wichtigste?“ Vermutlich bekommen wir jetzt eine Antwort und damit einen sehr guten Hinweis auf das echte Problem des Kunden.

Durch Fragen das Problem mit dem Kunden ausgraben

Diese Methode erinnert schon fast ein wenig an psychologische Archäologie: Man nutzt einen feinen Besen und ein kleines Schäufelchen und legt so Stück für Stück das eigentliche Problem frei. Das ist notwendig, weil der Kunde in der Regel noch nicht selbst die Denkarbeit geleistet hat und sein Problem analysiert und strukturiert hat. Er hat das Problem bislang nicht oder nur unterbewusst wahrgenommen. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit ihm die Worte zu finden um das Problem zu benennen.

Der Aufbau der Problemfrage mit Fokus – Fakten – Emotion hilft dem Befragten, eine gute Antwort zu entwickeln. Das mehrfache Nachfragen bringt verschiedene Facetten des Problems zutage. Die abschließende Auflistung der genannten Punkte verbunden mit der Frage nach dem wichtigsten Punkt „aus heutiger Sicht“ erlaubt dem Kunden eine intuitive Abschätzung, die vermutlich den Kern des eigentlichen Problems zutage fördert. Das klappt auch dann, wenn der Kunde zunächst selbst nicht weiß, was sein Problem ist.

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