Kunden kaufen keine Produkte. Sie kaufen die Erwartung einer besseren Zukunft. Im Umgang mit Geschäftskunden bedeutet das weniger Kosten oder mehr Einnahmen. Oder die Kombination daraus: Mehr Ertrag. Das ist der Mehrwert, den man auch als Nutzen bezeichnen kann. Viele Verkäufer machen den Fehler, von sich zu sprechen, statt den Kunden und dessen Nutzen in den Mittelpunkt zu stellen. Das hört sich dann so an:

„Wir bieten an …“
„Unser Produkt macht das …“
„Wir können …“
„Ich rufe Sie an, weil …“

Dabei ist es ganz einfach, die Perspektive des Kunden einzunehmen und dessen Sichtweise zu formulieren:

„Sie profitieren …“
„Sie nutzen das Produkt so …“
„Ihnen kommt das zugute …“
„Unser Gespräch heute hat den Zweck …“

Wie man herausfindet, was interessant sein könnte

Kunden interessieren sich für den eigenen Nutzen. Diesen kann man aber erst erfahren, wenn man bereits mit dem Kunden im Dialog steht. Allerdings kann man aus Produktmerkmalen Vorteile des Produktes erarbeiten. Hier ein Beispiel:

Merkmal

Das Produkt ist aus einem neuartigen, sehr harten Material gefertigt.

Vorteil

Dieses Produkt verschleißt langsamer und hält gegenüber dem Vergleichsprodukt 4 x länger.

Nutzen

Das bedeutet für Sie …
… Kosteneinsparung bei der Anschaffung trotz höherem Einzelpreis
… Kosteneinsparung in der Produktion wegen vierfach geringerer Rüstkosten an der Maschine
… Kosteneinsparung durch weniger Entsorgungskosten, weil weniger Teile entsorgt werden müssen

Der Kunde interessiert sich für seinen Mehrwert

Aus diesem Beispiel können wir mindestens zwei Erkenntnisse gewinnen:

  1. Ein Produktmerkmal lässt sich immer in einen Vorteil übersetzen
  2. Aus einem Vorteil können sich mehrere, verschiedene Nutzen ergeben

Der Nutzen ist auf die individuelle Situation des Kunden bezogen und kann für unterschiedliche Kunden auch unterschiedlich reizvoll sein. So ist es möglich, dass beispielsweise die Kosteneinsparung bei der Beschaffung für den einen Kunden interessant ist, während ein anderer Kunde eher auf die gesunkenen Produktionskosten anspringt.

Mehrwert durch individuelles Interesse

Gehen wir dazu noch einmal auf die drei Begriffe Merkmal, Vorteil und Nutzen ein. Nehmen wir uns ein Motorrad als Anschauungsobjekt. Es hat zwei Räder und ist etwa einen Meter breit. Das sind kaum reizvolle Aussagen, die ein Motorrad attraktiv erscheinen lassen. Es sind ganz nüchterne Beschreibungen. Mit Eigenschaften kann man keinen Reiz erzeugen. Interesse? Fehlanzeige.

Ein Merkmal – oder neudeutsch „feature“ – beschreibt eine Eigenschaft des Produktes (oder der Dienstleistung) und ist im Verkauf gesehen nicht wichtig. Die Eigenschaft an sich erzeugt noch keinen Anreiz zum Kauf.

Produktmerkmale können den Verkauf behindern

Es ist sogar so, dass das Merkmal alleine unberechenbare Denkvorgänge beim Kunden auslösen kann. Wenn Sie beispielsweise sagen „Der Wagen hat satte 300 PS“ könnte man denken „coole Beschleunigung“, aber genauso auch „unnötiger Benzinverbrauch“. Und wenn Sie sagen „Wir sind als Unternehmen seit 1958 erfolgreich am Markt“, dann kann das als Reaktion auslösen „Prima. Da ist Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit zu erwarten“, aber ebenso könnte man denken „Oh je. Ein altbackener Mittelständler. Wir wollen lieber ein modernes Unternehmen als Partner.“ Ähnliche Effekte können bei jeglicher Aufzählung von Merkmalen entstehen.

Allerdings kann man die relevanten Merkmale des Produktes oder der Dienstleistung sehr gut als Vorteil formulieren. Ein Motorrad etwa hat den Vorteil, dass es wenig Platz zum Abstellen benötigt, was in belebten Städten sehr hilfreich ist. Auch wenn man morgens vom Stadtrand in die Großstadt pendeln muss, bietet ein Motorrad große Vorteile, weil man an langen Staus vorbeifahren kann und schneller am Ziel ist.

Vorteile aus Features erzeugen

Solche Vorteile kann man formulieren, ohne dass man einen spezifischen Kunden meint. Man kann sich einen Kunden vorstellen und sich ausdenken, welche Vorteile bestimmte Produkteigenschaften oder Dienstleistungen bewirken könnten. Deshalb sind Vorteile nicht zwingend vom Vertrieb zu benennen.

Gutes Marketing wird dafür sorgen, dass alle Aussagen zu Merkmalen grundsätzlich in sinnvolle Vorteile umformuliert werden. Das gilt für alle Prospekte, Webseiten und Produktverpackungen. Reine Merkmale gehören in ein Datenblatt, damit die Beeinflusser ihre Fakten finden. Im Verkaufsgespräch haben sie nichts verloren.

Nutzen ist immer individuell

Aber was nützt ein Motorrad, wenn man keinen passenden Führerschein hat? Oder wenn man nicht vom Stadtrand in die Großstadt pendelt? So wird der Unterschied zwischen Vorteil und Nutzen sonnenklar: Ein Vorteil ist lediglich ein potentieller Nutzen. Der eigentliche Nutzen kann erst ermittelt werden, wenn die individuelle Kundensicht klar ist.

Manche Menschen kaufen sich ein Motorrad, weil sie damit morgens schneller an der Arbeitsstelle sind. Andere kaufen sich genau das gleiche Motorrad, weil sie am Wochenende gerne daran herumschrauben. Und wieder andere tun es, weil sie damit vor der Eisdiele angeben wollen. Oder einfach nur, weil sie leidenschaftlich gerne Motorradtouren fahren.

Der Verkäufer kann nur im direkten Kontakt zum Kunden dessen individuelle Perspektive ergründen. Nur wer es schafft, das Produkt und dessen Eigenschaften auf die Seite zu stellen und sich ganz auf die Bedürfnisse des Kunden einzulassen, kann den jeweils relevanten Nutzen herausfinden. Das ist oft richtige Arbeit, weil Kunden sich nicht immer klar darüber sind, was sie genau wollen.

Durch clevere Fragen den Nutzen ermitteln

Exzellente Verkäufer verstehen sich darauf, die oft verschütteten Nutzenerwartungen freizulegen, indem sie sich ganz auf die Kundenperspektive konzentrieren. Vertriebsorganisationen müssen in der Lage sein, individuell und in jedem einzelnen Kundenkontakt den aus der Sicht des Kunden relevanten Nutzen herauszuarbeiten. Das ist schon deshalb keine einfache Aufgabe, weil wir Menschen dazu tendieren, alles was wir sehen, autobiografisch zu bewerten.

Man nennt das auch „autobiografisches Zuhören“. Bestimmt kennen Sie das: Sie sind in einem Gespräch – sagen wir in der Mittagspause mit Kollegen oder bei einem geschäftlichen Empfang – und Sie berichten von einem Erlebnis. Es dauert nicht lange, bis einer der Zuhörer sagt: „Das kenne ich! Bei mir war das so …“ Das menschliche Gehirn ist so aufgebaut, dass wir immer versuchen, unsere Umwelt nach bekannten Mustern abzutasten und danach zu bewerten. Aus Sicht der Verkäufer bedeutet das, dass sie die ersten Anhaltspunkte, die der Kunde zu seinem Nutzen äußert, sofort in ein bekanntes Muster einordnen.

Wenn der Kunde also beispielsweise andeutet, dass er sich eine Ersparnis erwartet, brennt es dem Verkäufer auf den Nägeln, jetzt zu erwähnen, dass es bei einem vergleichbaren Kunden eine Einsparung der Materialkosten in Höhe von drei Prozent gab. Allerdings wollte der Kunde eine ganz andere Ersparnis erreichen, nämlich eine, die sich auf Zeitersparnis und damit auf eine höhere Produktionsquantität bezieht. Da dieser Ansatz bisher noch von keinem anderen Kunden so explizit erwartet wurde, kommt der Verkäufer gar nicht auf den Gedanken, dass sein Produkt auch so wirken könnte.

Echtes Zuhören ist anstrengend – lohnt sich aber

Deshalb verdient die Aufgabe „Kunden-Nutzen präzise herausarbeiten“ so viel Aufmerksamkeit, wenn Sie die Leistungsfähigkeit Ihrer Vertriebsorganisation auf Dauer erhalten wollen. Es erfordert Anstrengung, sich in die Kundenperspektive hineinzudenken, ohne sofort eigene Erlebnisse und Erfahrungen in den Vordergrund zu stellen. Es erfordert Kraft, das eigene Ego zu falten und für einen Moment in die Aktentasche zu stecken, statt mit der eigenen Expertise zu prahlen. Und es erfordert eine gewisse Gelassenheit, den Kunden weiter nach seiner Sicht zu befragen, wenn dieser zu Beginn des Gesprächs sagt: „Na dann erzählen Sie mal, was Sie Tolles anzubieten haben…“

Drei Schritte: Wie Sie herausfinden, was Ihre Kunden interessiert

Verkäufer lassen sich oft dazu verleiten, ihren Bauchladen vorzuführen. Wenn der Kunde um eine Präsentation bittet oder auch nur sagt: „Was wollen Sie mir denn verkaufen?“ dann rennen sie gedanklich los, springen auf die Bühne und führen ihren Präsentationstanz vor. Klar, dass dann vor allem Features vorgetanzt werden. Allenthalben auch eine lange Liste mit möglichen Vorteilen.

Am Ende gleiten sie erschöpft zu Boden und blicken den Kunden erwartungsfroh an, der jedoch inzwischen das Interesse verloren hatte, denn es ging ja nur noch um den Verkäufer und nicht mehr um ihn, den Kunden.

Dabei ist ganz einfach, sich auf den Nutzen und den Kunden zu konzentrieren, wenn Sie sich an diese simple Vorgehensweise halten:

1. Features auflisten

Machen Sie sich eine Liste der interessantesten Eigenschaften Ihres Angebotes. Besondere Leistungsdaten, auffällige Unterschiede zum Wettbewerb und alle anderen besonderen Features.

2. Vorteile erarbeiten

Nehmen Sie sich einen typischen Beispielkunden vor. Jetzt überlegen Sie sich mögliche Vorteile, die eben dieser Beispielkunde durch Ihr Angebot bekommen könnte. Wenn Sie wollen, können Sie dazu auch die Liste der Wertschöpfungsfelder aus der Ausgabe 206 „Wie wecke ich das Interesse des Entscheiders“ nutzen. Machen Sie sich eine kompakte Liste der Vorteile und ordnen Sie diese nach Relevanz und Wirkungsweise. Konzentrieren Sie sich nicht nur auf Kosten, sondern auch auf Ertragssteigerung-Chancen.

3. Konstruieren Sie gute Fragen

Erinnern Sie sich noch an die FrageWie kann ich den echten Bedarf herausfinden“ aus Ausgabe 208? Dort haben wir den Beginn eines Verkaufsgesprächs behandelt.

Verwenden Sie Fragen nach diesem Muster:
„Wenn Sie jetzt an >>Vorteil<< denken,
was sind da Ihre wichtigsten Ideen? –
was läuft noch nicht so richtig rund?“

Mehrwert durch Fragen finden

Es ist wesentlich einfacher den Mehrwert zu erfragen, als ihn aufzuzeigen. Wer etwas „zeigen“ will, geht schnell in die Rolle des Eltern-Ichs und provoziert auf der anderen Seite trotzige Einwände. Niemand will ungefragt etwas gezeigt bekommen.

Gute Formulierungen von Fragen können Augenhöhe herstellen. Wenn Sie solche Fragen erdacht haben und sie passend im Gespräch verwenden, werden Sie sehr schnell herausfinden, was den Kunden wirklich interessiert.

Nutzen Sie auf jeden Fall das Arbeitsblatt zu dieser Ausgabe, um die drei Schritte zu gehen und perfekte Fragen für Ihre Vertriebssituation zu erschaffen.

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