Eine Reklamation ist immer ein Anlass, besondere Kundenorientierung zu beweisen. Häufig landen Beschwerden beim Vertrieb, und dieser hat dann die Chance, aus der unangenehmen Beschwerde ein positives Ereignis für den Kunden zu machen. Dieser Artikel legt einige grundlegende Überlegungen zu diesem Sachverhalt dar und zeigt verschiedene Wege auf, wie ein solcher Wandel gelingen kann.

Unzufriedene Kunden können sehr emotional sein. Wenn man darauf nicht vorbereitet ist, kann die emotionale Reklamation eines Kunden daher zu einer automatischen Reaktion des Verkäufers führen – und das endet selten positiv. Wenn es uns jedoch gelingt, die wütende Vorgehensweise des Kunden zu absorbieren und nicht ebenfalls emotional zu reagieren, dann können wir die Stimmung des Gespräch verändern.

Nehmen wir als Beispiel folgenden Satz, den ein Kunde wegen einer verzögerten Lieferung verärgert durchs Telefon schickt:

„Sie sind unzuverlässige Flaschen, und ich hätte große Lust, Sie zu verklagen!“

Die impulsive Reaktion auf eine derartige Beleidigung ist entweder Trotz („Stimmt ja gar nicht“), Entschuldigung („Es tut mir sehr leid“) oder Gegenangriff („Den Prozess verlieren Sie!“). Man muss nicht Psychologie studiert haben, um zu erkennen, dass Trotz und Gegenangriff nicht zur Lösung des Problems beitragen. Aber ist eine Entschuldigung eine gute Lösung?

Soll man sich bei Beschwerden entschuldigen?

Psychologisch gesehen ist der wütende Ausruf des Kunden eine Aussage aus dem Eltern-Ich. Die Transaktionsanalyse beschreibt drei solcher sogenannter „Ich-Zustände“, die sich aufgrund äußerer Einflüsse, unserem Wesen und persönlichen Erfahrungen entwickelt haben. Sie alle gehören zu unserer Persönlichkeit

Dabei ist das Eltern-Ich der Teil unserer Persönlichkeit, der von außen geprägt wurde. Es wird von Eltern, Großeltern, Geschwistern, Lehrern, Trainern und anderen Vorbildern beeinflusst. Man nennt es auch das programmierte Ich, weil Wertvorstellungen, Regeln, Moral und Vorurteile von außen in unsere Persönlichkeit gelangen.

Ein Teil des Eltern-Ichs ist das kritische Eltern-Ich. Dieser Ich-Zustand produziert in erster Line mehr oder weniger freundliche Zurechtweisungen. Wenn sich jemand im kritischen Eltern-Ich befindet, wird er freundlich bis wütend darauf hinweisen, dass er recht hat und ein anderer nicht. Scheinbar feste Regeln wie „Männer weinen nicht“, „Der Kunde hat immer recht“ oder „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ sind typische Botschaften, bei denen das Eltern-Ich Kontrolle auf unser Denken und Handeln ausübt. Der oben beispielhaft verwendete Satz des Kunden ist eine solche Botschaft aus dem kritischen Eltern-Ich und provoziert dementsprechend eine Reaktion aus dem Kindheits-Ich.

Das Kindheits-Ich repräsentiert das, was trotz Erziehung von unserem ursprünglichen Ich übrig geblieben ist. Es besteht unter anderem aus diesen beiden Elementen:

  1. Dem angepassten Kind, das sich unterwürfig verhält und sich stumm dem Willen Stärkerer beugt. Dieser Ich-Zustand ist die Basis für eine Entschuldigung, die Sie aussprechen, selbst wenn Sie gar nichts verschuldet hatten.
  2. Dem rebellischen Kind, das sich allem und jedem widersetzt und mutig auf die Barrikaden geht. Dieser Ich-Zustand ist verantwortlich für Trotz und Auflehnung. Wenn Sie so reagieren, dann wird die Emotion, mit der die Reklamation vorgebracht wurde, noch verstärkt.

Erwachsen mit Reklamationen umgehen

Das Erwachsenen-Ich entsteht erst im Laufe der Pubertät, wenn sich der Mensch seiner Verantwortung bewusst wird. Es ist dafür da, Impulse aus dem Eltern- und Kindheits-Ich zu dämpfen und nur das zuzulassen, was wir auch wirklich äußern wollen – was sicherlich nicht immer gelingt.

Die zentrale These lautet nun, dass Menschen ihre Kommunikationsinhalte immer aus einem der drei Ich-Zustände heraus senden und dadurch die Reaktion der Gesprächspartner beeinflussen. Das heißt: Wenn Sie eine Botschaft aus dem Eltern-Ich empfangen, wird intuitiv eine Reaktion aus dem Kindheits-Ich folgen und umgekehrt. Allerdings können wir trainieren, in solchen Situationen eben nicht intuitiv zu reagieren. Wir können bewusst im Erwachsenen-Ich bleiben. So locken wir eine Reaktion auf Augenhöhe aus dem Erwachsenen-Ich des Gegenübers hervor. Lassen Sie mich ein paar Beispiele untersuchen:

A: „Nur mit der XY-Methode werden die besten Resultate erzielt.“

B: „Das kann man so nicht sagen, denn auch mit der AB-Methode haben wir schon gute Resultate erzielt!“

Die belehrende Aussage aus dem kritischen Eltern-Ich bewirkt prompt eine rebellische Aussage aus dem Kindheits-Ich.

A: „Wir haben ein Konzept für Sie erarbeitet, das genau Ihr Problem löst.“

B: „Wenn es so einfach wäre, wären wir schon längst selbst draufgekommen!“

Auch hier bewirkt eine Aussage aus dem unterstützenden Eltern-Ich (Wir wollen ja nur helfen …) eine rebellische Aussage aus dem Kindheits-Ich.

Wie kann man auf Augenhöhe bleiben?

Zumindest in der Theorie ist es ganz einfach: Indem man nur über sich selbst Aussagen macht und den anderen nicht beurteilt oder indem man ehrliche und offene Fragen stellt.

Statt zu sagen „Bitte regen Sie sich nicht auf!“ wäre es besser zu erklären „Ich habe vollstes Verständnis für Ihren Ärger.“ Anstatt „Jetzt lassen Sie uns mal in Ruhe die Fakten klären.“ wäre es besser zu sagen: „Ich konzentriere mich jetzt darauf, möglichst schnell das Problem zu lösen.“

Wenn wir sinngemäß sagen „Du bist …“ oder „Tue dies …“, dann ist das entweder eine überhebliche Wertung, da man sich ein Urteil über das Gegenüber erlaubt, oder es ist eine Aufforderung. Beides sind typische Aussagen aus dem Eltern-Ich. Alternativ kann man solche Aussagen auch ohne Wertung formulieren. Dann lässt man den Bezug zum anderen und damit die Wertung einfach weg: „Ich sehe/fühle/denke …“

Die andere Form der Botschaft aus dem Erwachsenen-Ich ist die schon angesprochene ehrliche und offene Frage. Ehrlich, weil wirklich eine Antwort erhofft und nicht nur eine verdeckte Botschaft gesendet wird. „Wann willst du mal wieder den Müll runterbringen?“, mag zwar semantisch betrachtet als Frage gelten, ist aber wohl eher als Aufforderung zur Müllentsorgung zu sehen. Das ist nicht ehrlich. Andererseits steht jede geschlossene Frage grundsätzlich unter dem Verdacht, eine Unterstellung zu sein. Bei der (geschlossenen) Frage „Leiden Sie auch unter Fußpilz?“ schwingt beispielsweise mit, der Befragte habe Fußpilz – auch wenn das vom Fragesteller überhaupt nicht so gemeint war.

Wenn Sie sich angewöhnen, Ihre „Transaktionen“ aus dem Erwachsenen-Ich zu senden, können Sie die Qualität Ihrer Unterhaltungen enorm verbessern. Das ist nicht immer leicht, weil wir gerade dann, wenn wir „blöd angemacht“ werden, impulsiv reagieren wollen. Allerdings hat sich gezeigt, dass beispielsweise Servicepersonal, allen voran das Personal in Flugzeugen, sehr gut lernen kann, Beschwerden und Angriffe nicht persönlich zu nehmen und auf Augenhöhe zu reagieren.

Wie gehen wir mit unbegründeten Reklamationen um?

Es gibt eigentlich keine unbegründete Reklamation, denn im Moment der Reklamation ist für den Kunden ein Ärgernis oder eine Enttäuschung ja vorhanden und bewirkt seine Emotion. Auch wenn der Fehler vielleicht beim Kunden selbst liegt, ist dieser in diesem Augenblick nicht in der Lage, das zu erkennen. Es ist daher unsere Aufgabe, zunächst die Emotion aus der Unterhaltung herauszunehmen und zu versuchen, das Problem sachlich und ruhig zu klären.

Ein Beispiel: Ich hatte neulich die Situation, dass ich wegen eines Staus einen Flug verpasst hatte. Noch auf dem Weg wollte ich mir einen neuen Flug buchen. Die einzige Airline, die an diesem Tag noch auf der Route flog, war die Billig-Fluglinie Ryanair. Also buchte ich den Flug, der knapp drei Stunden später starten sollte, online.

Als ich jedoch am Flughafen einchecken wollte, war das nur mit einem Aufpreis von 55 Euro möglich. Außerdem musste ich den Gepäckaufgabe-Schalter mit meinem Gepäck wieder verlassen, quer durch den Flughafen zu einem anderen Schalter gehen und dort bezahlen. Meine Unzufriedenheit darüber habe ich dem Mitarbeiter am Ticket-Schalter deutlich gemacht.

Ich war aufgebracht, weil ich der Meinung war, dass Ryanair mir den Aufpreis für den Check-in am Flughafen hätte mitteilen müssen. Doch ich war im Unrecht, denn ich hatte den Hinweis zusammen mit der Buchungsbestätigung erhalten, was ich in diesem Moment allerdings noch nicht wusste. Noch immer war ich der Meinung, die Fluggesellschaft hätte mich über den Tisch gezogen.

Der Mitarbeiter am Ticket-Schalter war offenbar gut ausgebildet. Er nahm meinen Ärger sehr verständnisvoll auf und versprach mir dann, dass er alles Notwendige so schnell wie möglich erledigen wolle, damit ich pünktlich zum Abflug fertig sein werde.

Eine Entschuldigung wäre unangebracht gewesen, schließlich hatte er ja nichts getan. Es war ihm auch nicht wichtig, herauszufinden, wer den Fehler gemacht hatte. Er war einfach nur emphatisch und darum bemüht, mein Problem zu lösen. Ich konnte spüren, dass mein Ärger verflog und ich mich wieder auf die nächsten Schritte besinnen konnte, um mein Ziel zu erreichen.

Wie Sie künftig auf Reklamationen reagieren sollten

Vielleicht wollen Sie Ihre Standardreaktion auf Reklamationen einmal genauer beleuchten. Ist es wirklich immer eine gute Idee, sich zu entschuldigen? Was würde Sie aus der Fassung bringen und eine rebellische Reaktion hervorrufen? Wie können Sie sich selbst dabei ertappen, wenn Sie einfach nur reagieren, statt bewusst zu agieren?

Holen Sie sich den einfachen Drei-Punkte Plan, mit dem Sie künftig souverän und hilfreich auf Reklamationen reagieren werden und daraus eine positive Erfahrung für den Kunden machen können.

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