Bieten Sie ein äußerst hilfreiches Produkt oder eine nützliche Dienstleistung an? Handelt es sich vielleicht auch „nur“ um ein Angebot, das wohl jeder in Ihrer Zielgruppe sehr gut gebrauchen könnte? Fragen Sie sich auch manchmal, „Wie wecke ich das Interesse des Entscheiders?“, besonders wenn Sie etwas Hilfreiches anzubieten haben? Und dennoch ist es nicht so, dass die Kunden Ihnen die Türen einrennen – obwohl Ihr  Angebot doch so passend und hilfreich ist.

Die einfache Erklärung lautet: Menschen interessieren sich nur für ihre eigenen Themen.

Betrachten wir einmal folgende, weit verbreitete Meinung: Wenn man etwas erreichen will, dann muss man überzeugend sein. Aber inwiefern stimmt das wirklich? Wenn das „überzeugen wollen“ wünschenswert ist, dann müsste die logische Konsequenz daraus sein, dass es doch auch Menschen geben muss, die sich wünschen, von Ihnen überzeugt zu werden.

Verständnis ist eine Tugend, allein deshalb, weil Menschen sich Verständnis von anderen erhoffen. Auch Zuwendung gilt auch deshalb als Tugend, weil man sich Zuwendung von anderen wünscht. Das Gleiche gilt für Tugenden wie Verzeihung, Liebe, Güte oder Aufmerksamkeit

Das heißt dann im Umkehrschluss aber doch auch: Wie kann man ernsthaft erwarten, erfolgreich zu sein, wenn man eine Haltung einnimmt, die sonst niemand haben will? Wer wünscht sich schon, überzeugt zu werden? Wer will denn ernsthaft beeinflusst werden?

Selbst die besten Tricks werden irgendwann lahm. Dann wird schnell klar, dass sich eine Absicht dahinter verbirgt, die zumindest vom Opfer so nicht erwünscht ist. Hundertfach strömen Botschaften über alle Kanäle auf uns ein. Ständige Reizüberflutung. Permanente Berieselung. Ein deutliches Überangebot an Sendern. Und jetzt wollen auch Sie noch Ihre Idee hinausposaunen?

Vielleicht müssen wir das Interesse des Entscheiders gar nicht wecken.

Nehmen wir mal ein ungewöhnliches Beispiel. Angenommen, ich möchte Sie für ein neues Hobby begeistern: Fliegenfischen. Wenn Sie den Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ gesehen haben, wissen Sie zumindest, was das ist. Falls nicht: Es ist eine besondere Art des Angelns. Kunstvoll aus Nylonfäden gestaltete Köder, die unterschiedliche Insekten überraschend naturgetreu nachahmen, werden mit einer langen Angel und wunderbar rhythmischen Bewegungen weit ausgeworfen. Fische halten diese Köder für Insekten, die ins Wasser fallen, und schnappen zu. Ein wundervolles, traditionsbeladenes und kunstvolles Hobby.

Wie kann ich Ihr Interesse wecken?

Angenommen, Sie sind noch kein Fan des Fliegenfischens: Wie kann ich Sie begeistern? Vielleicht, indem ich versuche, herauszufinden, was Sie interessiert. Möglicherweise würde ich Sie fragen, was Sie von einem Hobby halten, das bei extrem hohem Erholungswert nur minimales Budget erfordert. Oder ich würde mich nach Ihrer Meinung zu einer Freizeitbeschäftigung erkundigen, die in warmen Jahreszeiten eine Betätigung an der frischen Luft ermöglicht und dennoch auch im Winter, wenn man lieber zu Hause bleibt, spannende Tätigkeiten bietet. Oder ich möchte wissen, wie Sie über ein Steckenpferd denken, das sowohl handwerkliches Geschick als auch körperliche Betätigung verlangt. Und dabei würde ich genau hinsehen und zuhören. Ich würde mich für Sie, Ihre Gedanken und Ihre Emotionen wirklich interessieren. Und ich würde auf das Leuchten in Ihren Augen warten. Und dann würde ich mit Ihnen über genau dieses – Ihr – Interesse sprechen.

Es ist sehr viel einfacher, vorhandenes Interesse zu finden, als Interesse zu erzeugen.

Wir können vorhandenes Interesse dazu nutzen, Entscheidungen zu bewirken oder mindestens zu begünstigen. Es klingt vielleicht ungewöhnlich, aber Interesse kann man nicht wecken, aber man kann es finden.

Muss man dazu wirklich lernen, ein Verkaufsgespräch zu führen? Kann man Gespräche auch „falsch“ führen? Wir alle sind es gewohnt, andauernd Gespräche zu führen und in der täglichen Praxis denken wir kaum darüber nach, nach welchen Mustern unsere Unterhaltungen funktionieren.

Es geht nicht um künstliche und aufgesetzte Formulierungen, sondern um die Selbstreflexion während des Gesprächs. Dabei steht immer eine Frage im Vordergrund: Welchen Zweck hat das Gespräch? Und zwar sowohl für mich als auch für meinen Gesprächspartner.

Interesse kann man nicht wecken, aber man kann es finden!

Zurück zu dem Beispiel mit dem Interesse für Fliegenfischen. Dieses Interesse ist entweder da oder nicht. Man kann und muss es nicht künstlich erzeugen. Wenn der Funke des Interesses bereits da ist, dann lodert er ohnehin schon, und wenn er nicht da ist, dann kann man ihn auch nicht herstellen.

Kann ich Ihr Interesse also wecken im Sinne von „wachrufen“? Kann ich ein Thema vorgeben und dann dafür sorgen, dass Sie sich dafür interessieren? Ich denke die Antwort auf diese Frage ist: Nein! Wenn wir umgangssprachlich davon sprechen, dass unser Interesse geweckt wurde, dann müsste es präziser eigentlich heißen, dass unser Interesse gefunden wurde. Das Interesse war immer zuerst da. Das gilt auch, wenn wir Verkaufsgespräche führen.

Vielleicht kennen Sie den Effekt der selektiven Wahrnehmung, den Sie erleben, wenn Sie eine neue Anschaffung planen – etwa ein neues Auto, besondere Schuhe, ein lang ersehntes Sportgerät oder ein anderer begehrter Gegenstand, der zu Ihrem liebsten Hobby gehört. Sobald wir uns für dieses Objekt der Begierde interessieren, sehen wir überall in unserem Umfeld Hinweise darauf. Wir scheinen umzingelt von Plakatwänden mit entsprechender Werbung zu sein und wir haben plötzlich den Eindruck, dass es in unserem Alltag nur so von diesem Objekt wimmelt. Der Grund: Interesse schärft die Wahrnehmung.

Das Interesse des Entscheiders beeinflusst seinen Wahrnehmungsfilter – auch im Verkaufsgespräch

Aber wie finden wir nun das Interesse unserer Gesprächspartner? Was denken unsere Kunden wirklich? Wenn ein Verkäufer behauptet, „ich kenne meine Kunden in- und auswendig“, dann werde ich sofort misstrauisch. Ich kenne einige Menschen, die das auch von ihren Lebenspartnern gedacht haben – und von deren Handlungen dann doch sehr überrascht waren. Wer kann schon wirklich von sich behaupten, zu wissen, was ein anderer Mensch denkt? Wir können dem höchstens sehr nahe kommen: Wir können verstehen wollen.

Wie wecke ich das Interesse des Entscheiders? – Verständnis ist wichtiger als Argumente

Letztlich ist unser Denken die Summe unserer bisherigen Eindrücke. Alles, was wir bislang erlebt, gesehen, gelesen, geschmeckt, gerochen, gefühlt und gedacht haben, macht uns aus. Wir sind ein Produkt unserer Vergangenheit. Weil alle Menschen unterschiedliche Lebensläufe haben, ist es unmöglich, wirklich zu verstehen, was ein anderer Mensch denkt. Allerdings können wir, wenn wir einen großen Teil unseres Lebens gemeinsam mit einem bestimmten Menschen verbracht haben, vieles besser verstehen und uns in diesen Lebensgefährten besser hineindenken als in gänzlich fremde Menschen.

Inzwischen wissen wir, dass unser Urteilsvermögen durch unsere eigene Geschichte bestimmt wird. Was wir gut oder schlecht finden, hat seinen Ursprung in unseren bisherigen Eindrücken. Begriffe und Wörter, die wir bislang in einem bestimmten Kontext gehört oder selbst verwendet haben, bekommen dadurch eine Bewertung, die bei jedem Menschen sehr unterschiedlich sein kann.

Sobald Sie einen beliebigen Begriff verwenden, verlieren Sie ein Stück weit die Kontrolle über das Gespräch, weil Sie nicht einordnen können, was Ihr Gesprächspartner mit diesem Begriff assoziiert. Verkaufsgespräche zu führen bedeutet, bewusst vorsichtig mit abstrakten Begriffen umzugehen.

Die Fähigkeit unseres Gehirns, sofort zu assoziieren und Analogien zu finden, war in Urzeiten ein wichtiger Garant für unser Überleben. Blitzschnell ein Urteil fällen zu können und etwas als  „gut“ oder „schlecht“ einzuschätzen, war immens wichtig, um Chancen und Gefahren zu erkennen und sofort – ohne großes Nachdenken – richtig zu reagieren. Also halten wir fest:

Wenn wir Verkaufsgespräche führen, sind wir gut darin, spontan Urteile zu bilden

Weil es uns leicht fällt, schnelle Vergleiche („Das kenne ich. Das ist so wie …“) und Urteile („Das ist schlecht/gut. Das will ich/nicht“) zu fällen, tun wir es andauernd. Leider steht dieser Instinkt aber einem guten Gespräch im Weg. Manche Menschen hören zu, um sich eine passende Antwort oder Erwiderung zu überlegen. Professionelle Verkäufer hören zu, um zu verstehen.

Eine wichtige Fähigkeit, die Verkäufer und Berater von gut ausgebildeten Therapeuten lernen können, ist es, die eigenen Meinungen, Überzeugungen und Sichtweisen bewusst auszublenden und sich somit ganz auf die Aussagen, Perspektiven und Emotionen des Klienten zu konzentrieren. Und weil exzellente Therapeuten genauso wenig vom Himmel fallen wie hervorragende Verkäufer, lautet die gute Nachricht: Jeder kann es lernen. Es geht darum, sich selbst für einen kleinen Moment nicht so wichtig zu nehmen, das eigene Ego sorgfältig gefaltet in einer mentalen Schublade zu verstauen und sich mit aller Kraft, Empathie und Interesse in den Gesprächspartner hineinzuversetzen.

Wir können ein Verkaufsgespräch führen und dabei aktiv passiv sein

Eine wichtige Voraussetzung ist es, sich mehr auf gute Fragen als auf gute Aussagen zu konzentrieren. Verkäufer lernen schon früh, dass es wichtig ist, Fragen zu stellen und die Antworten genau zu verstehen. Wenn ich meine Seminarteilnehmer frage, worauf sie beim Stellen der Frage achten, dann sagen Sie häufig: „Man sollte offene Fragen stellen.“ Eine offene Frage ist eine Frage, bei der die Antwortmöglichkeiten nicht durch die Frage festgelegt ist.

Eine typische geschlossene Frage wäre etwa: „Haben Sie morgen Zeit?“ Die Antworten darauf sind streng genommen nur „Ja“ oder „Nein“. Es ist sehr schwer, mit geschlossenen Fragen Verständnis zu erlangen. Der Fragesteller ist zu sehr damit beschäftigt, die Fragen zu formulieren und wegen der kurzen Antworten gerät er damit auf Dauer unter Druck. Es entsteht eine Situation, die vergleichbar mit der altehrwürdigen Fernsehsendung „Was bin ich? Das heitere Beruferaten mit Robert Lembke“ ist. Die Fragesteller müssen sich anstrengen, über geschlossene Fragen eine Antwort zu finden, die mit einer einzigen offenen Frage sofort klar gewesen wäre: „Welchen Beruf üben Sie aus?“

Verkaufsgespräche führen – Echtes Verständnis als Grundlage für modernen Verkauf

Offene Fragen sind ein wichtiges Handwerkszeug. Allerdings möchte ich noch eine Erweiterung anfügen: Es sollten offene und ehrliche Fragen sein. Eine ehrliche Frage erkennt man daran, dass der Fragesteller wirklich an der Antwort interessiert ist, und nicht nur eine als Frage getarnte Aussage machen will. Solche rhetorischen Fragen entlarven wir leicht und wir sind genervt, wenn ein Finanzberater fragt: „Möchten Sie Ihr verfügbares Einkommen um 200 Euro im Monat steigern?“ Halten wir also den letzten Punkt fest:

Offene und ehrliche Fragen sind der Generalschlüssel zu mehr Verständnis

Gerade, wenn die Produkte nicht zu den schillerndsten Produkten gehören, sondern eine eher untergeordnete und pragmatische Rolle spielen, ist es wichtig das Problem des Kunden sauber herauszuarbeiten. Ich verwende dafür die Fragetechnik „VisionSelling“, um das Problem des Kunden zu verstehen.

Bitte überprüfen Sie genau, mit wem Sie Gespräche führen. Welche anderen wichtigen Gesprächspartner können Sie erreichen? Konzentrieren Sie sich nicht zu sehr auf den Facheinkäufer, weil dieser selten ein Problem mit dem Status Quo hat. Andere Personen, nämlich jene, die mit den Ergebnissen konfrontiert werden, können aber durchaus an dem besonderen Nutzenpotential Ihrer Produkte interessiert sein.

Das Video zu diesem Beitrag zeigt zwei Ideen, wie Sie den erwarteten Kundennutzen des Entscheiders vorausdenken können.

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