Soziale Bewährtheit beschreibt die grundlegende Neigung des Menschen, anderen nachzueifern und ähnlich zu handeln. Ein solches Verhalten ist vor allem immer dann zu beobachten, wenn eine Situation unklar erscheint. Verkäufer können diesen Effekt nutzen, um potenziellen Kunden die Entscheidungsfindung zu erleichtern.

Sind wir uns in einer bestimmten Situation nicht eindeutig sicher, wie wir handeln sollen, so orientieren wir uns in der Regel am Verhalten anderer Menschen.

Ein Beispiel:

Bei einer Umfrage unter 100 Studenten sollte folgende Frage beantwortet werden: „Wie lang ist die Grenze zwischen der Schweiz und Italien?“

Der mathematische Mittelwert aller Antworten liefert bei einer geheimen Umfrage eine annähernd richtige Antwort (782 km). Dieses Ergebnis kann man der vielzitierten „Schwarmintelligenz“ zuordnen.

Erfahren die einzelnen Teilnehmer jedoch, was die Anderen tippen, bevor sie sich selbst entschieden haben, verschlechtert sich das Ergebnis. Also sind wir offenbar geneigt, uns von den Einschätzungen anderer leiten zu lassen. Ein ähnliches Phänomen erleben wir, wenn es um das Thema Zivilcourage oder spontane Hilfeleistungen geht.

Der Zuschauereffekt

Verschiedene Experimente haben seit den 1960er Jahren gezeigt, dass wir in der Gruppe dazu neigen, die Verantwortung für eine Entscheidung auf andere abzuschieben. Dies tun wir sogar dann, wenn wir uns nicht einmal sicher sein können, dass ein anderer tatsächlich die Verantwortung übernimmt.

So gab es beispielsweise bei einem Überfall in New York im Jahre 1964 genau 38 Zeugen, von denen kein einziger die Polizei alarmierte, ehe das Opfer starb – und das, obwohl die Zeit womöglich ausreichend gewesen wäre, um dies zu verhindern.

Warum? – Eindeutige Antworten konnte keiner der Zeugen auf diese Frage liefern.

Psychologen erklärten diesen Umstand später wie folgt: Dadurch, dass die Zeugen sich bewusst darüber waren, dass sie nicht die einzigen Beobachter dieses Vorfalls waren, sank in jedem einzelnen das Gefühl der Verantwortlichkeit. Wenn also alle der Meinung sind, dass jemand anderes etwas tut oder bereits getan hat, so tut letzten Endes niemand etwas.

Als weiteren Grund, warum keiner der Zeugen die Polizei alarmierte, führten die Wissenschaftler auch das Prinzip der sozialen Bewährtheit an. In diesem Fall insbesondere den Effekt des kollektiven „Nichtsehen-Wollens“. Denn sehr oft ist eine Notlage nicht eindeutig als solche erkennbar. Handelt es sich bei dem lauten Geschrei in der Wohnung nebenan um einen Einbruch, bei dem die Polizei alarmiert werden muss, oder um einen Ehekrach, bei dem jede Einmischung unangebracht und unerwünscht wäre?

Diese Unsicherheit führt dazu, dass wir uns an unseren Mitmenschen orientieren, um anhand ihrer Reaktionen herauszufinden, ob es sich um einen Fall handelt, der unser Eingreifen erfordert, oder eben nicht.

Dabei übersehen wir leider häufig, dass sich alle anderen Beobachter ebenfalls an ihren Mitmenschen orientieren, um nach Hinweisen für das sozial Bewährte Ausschau zu halten. Da wir gleichzeitig alle dazu neigen, sicher und gefasst auf andere wirken zu wollen, bleiben wir dabei so ruhig wie möglich. Daher wird wahrscheinlich jeder Beteiligte seine Umgebung als ruhig und untätig wahrnehmen. Dies hat wiederum zur Folge, dass das Ereignis in vielen Fällen nicht als Notfall interpretiert wird.

Ist der Mensch sich also nicht sicher, wie er in einer bestimmten Situation handeln soll, orientiert er sich an anderen Menschen und übernimmt deren Handeln.

Soziale Bewährtheit im Vertrieb

Das Prinzip der sozialen Bewährtheit besagt also, dass Menschen darauf achten, was andere Leute in einer Situation glauben oder tun, um zu entscheiden was sie selbst in einer ähnlichen Situation glauben oder tun sollen.

Forscher haben solche Nachahmungseffekte sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auf den unterschiedlichsten Gebieten beobachtet: bei Kaufentscheidungen, in Bezug auf die Spendenfreudigkeit oder bei der Heilung von Phobien.

In Bezug auf den Vertrieb kann dieses Prinzip angewandt werden, indem Sie dem potenziellen Kunden vermitteln, dass viele andere Personen bereits die gleiche Kaufentscheidung getätigt haben und mit dem Ergebnis zufrieden waren.

Neben dem Faktor, dass bei Kaufentscheidungen nahezu immer eine gewisse Unsicherheit existiert, kann dieser Effekt umso mehr verstärkt werden, wenn es sich bei der genannten Orientierungsperson gleichzeitig jemanden handelt, der dem Wunschkunden in irgendeiner Art und Weise ähnlich ist.

Sorgen Sie deshalb nach Möglichkeit dafür, dass in Ihren Angeboten und in Ihrer Kommunikation Menschen zu Wort kommen, die Ihrem Wunschkunden gleichen und bereits mit Ihnen arbeiten.

Wie man Soziale Bewährtheit im Business nutzen kann

Wie können Sie das Phänomen der sozialen Bewährtheit nun ganz konkret in Ihrem Vertriebsalltag nutzen? Vermutlich nutzen Sie bereits einige dieser Möglichkeiten. Vielleicht ist diese Auflistung für Sie hilfreich, um alle Möglichkeiten zu berücksichtigen:

Referenzen: Positive Kundenmeinungen wirken sich immer gut auf Ihre Reputation aus. Wenn dazu ein Gesicht und ein Name steht, wirkt das wesentlich besser als nur eine anonyme Firma. Wenn Sie nach Referenzen gefragt werden, ist es nicht immer hilfreich, sofort drauflos zu plaudern, denn Referenzen müssen passen. Wenn Sie die Lufthansa als Kunden anführen können, wird das ein mittelständisches Unternehmen eher abschrecken – und umgekehrt. Wie man geschickt die passenden Referenzen findet, habe ich hier beschrieben.

„Bekannt aus“: Viele Unternehmen nutzen diese Aussage, um für sich zu werben. Eine moderne Variation dieses Prinzips sind gezielte Produktplatzierungen an Stellen, die von der Zielgruppe nur indirekt als Werbeplatzierung wahrgenommen werden. Unzählige Beispiele dafür lassen sich in aktuellen Film- und Fernsehproduktionen finden.

Symbole und Zertifizierungen: Unabhängige Gütesiegel erhöhen nachweislich das Vertrauen potenzieller Kunden in Ihr Unternehmen. Wenn Sie bereits einen Preis oder eine Auszeichnung verliehen bekommen haben, dann zeigt das, dass Ihre Qualität von anderen Autoritäten bestätigt wurde. Das wirkt grundsätzlich positiv. Schließlich ist ein Oscar, den ein Film gewonnen hat eine solide Auszeichnung. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch Ihnen der Film gefällt ist groß, auch wenn man das natürlich nicht garantieren kann. Wenn Sie die Gelegenheit bekommen, an einem renommierten Wettbewerb mitzumachen um einen Preis oder ein Gütesiegel zu bekommen, dann sollten Sie diese Gelegenheit auch nutzen.

Soziale Medien: Die Zahlen und Fakten, wie die Anzahl der Likes oder das Feedback der Community, spielen heutzutage eine immer größer werdende Rolle. Ein Unternehmen, das in den sozialen Medien nicht positiv wahrgenommen, wird es vor allem bei einer jungen Zielgruppe schwer haben. Auch wenn Sie vielleicht denken, dass Ihre Zielgruppe nicht bei Facebook anwesend ist, sollten Sie dort dennoch eine gute Figur abgeben. Vermutlich sind auch ihre Auftritte in XING und LinkedIn sehr relevant, um positive Rückmeldungen, Follower, Kontakte oder Likes zu bekommen.

Schärfen Sie Ihre eigenen Sinne

Nutzen Sie das Wissen aus diesem Beitrag, um Ihre eigene Anfälligkeit für gefälschte soziale Belege zu reduzieren – denn schwarze Schafe gibt es in jeder Branche. Werfen Sie deshalb stets einen kritischen Blick auf Informationen, die sich darauf beziehen, was andere Menschen, die Ihnen angeblich ähnlich sind, tun, und nutzen Sie diese Informationen nicht als einzige Grundlage für eine Entscheidungsfindung.

Sicherlich haben Sie auch schon von Einkäufern den Spruch gehört, dass alle Anbieter einen Mindestrabatt geben müssen. Oder dass Ihr Angebot als einziges einen so hohen Preis hat, oder dass Sie als einziger Anbieter noch nicht 120 Tage Zahlungsziel gewähren. All das sind gezielte Manipulationsmethoden, bei denen das Prinzip der sozialen Bewährtheit gegen Sie angewendet wird.

Möchten Sie bei Ihrem nächsten Kundentermin selbst von dem Effekt der sozialen Bewährtheit profitieren, so sollten Sie bei der Vorbereitung noch einmal einen genaueren Blick auf Ihre bisherigen Kunden werfen. Gleichen Sie die Branchen und das Erreichte mit dem Geschäftsfeld Ihres Wunschkunden und dessen potenziellen Zielen ab. Finden Sie Übereinstimmungen, so scheuen Sie sich nicht, dieses Wissen aktiv mit in das Verkaufsgespräch zu nehmen.

Es lohnt sich, von Zeit zu Zeit genau zu erarbeiten, was der Markt von Ihnen und ihrem Angebot denkt. Und nicht nur denkt, sondern sogar über Sie sagt. Allerdings können Sie auch selbst aktiv werden, um Kundenstimmen einzuholen: Fragen Sie danach! Hier einige Ideen:

  • Senden Sie Ihren Kunden einige Tage nach dem Kauf einen Brief oder eine E-Mail, um eine Meinung zu bekommen. Die Antwortquote dürfte bei ca. 10% liegen und Sie bekommen neue Kundenstimmen.
  • Nutzen Sie ein Bewertungsportal, das zu Ihrer Branche passt. Ich nutze beispielsweise Provenexpert. Solche Portale gibt es inzwischen in jeder Branche. So können Sie Stimmen von Kunden einfangen und für Ihre Verkaufsarbeit nutzen.
  • Auf Veranstaltungen und Messen können Sie die Kunden in einer Interview-Situation vor der Kamera befragen. Ein Smartphone und ein zusätzliches Mikrofon genügt. Dann stellen Sie vorbereitete Fragen und lassen Kunden darauf antworten. So sammeln Sie unkompliziert Video-Material mit kleinen Referenzgeschichten.

Wie auch immer Sie Referenzen und Kundenstimmen nutzen wollen, wichtig ist, dass Sie aktiv nach Referenzen fragen und sie die erhaltenen Kundenstimmen sinnvoll ordnen. Dann können Sie für die jeweils passenden Kundengespräche auch die passenden Referenzen nutzen.