Kommunikation findet zwangsweise immer statt, wenn mindestens zwei Individuen aufeinandertreffen. Dieses Phänomen umschrieb der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick ziemlich passend mit den Worten: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“

Verschiedenste Arten der Kommunikation stellen einen Hauptaspekt der täglichen Arbeit im Verkauf dar. Deshalb sollte sich jeder Verkäufer regelmäßig mit den wichtigsten Kommunikationsmodellen auseinandersetzen. Zum einen, um Kundenaussagen richtig deuten zu lernen, und zum anderen, um eigene Aussagen kundengerecht zu vermitteln.

Das Vier-Ohren-Modell

Das Vier-Ohren-Modell des deutschen Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun sollte jedem Verkäufer grundsätzlich ein Begriff sein. Um die verschiedenen Aspekte dieses Modells noch besser zu verinnerlichen, sollte es dennoch ein wichtiger Bestandteil in Fort- und Weiterbildungen sein. Denn anders als andere Kommunikationsmodelle schafft es das Vier-Ohren-Modell, die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger auf eine simple Art und Weise abzubilden, ohne dabei wichtige Aspekte außen vor zu lassen.

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Nehmen wir an, Sie haben für Ihre bessere Hälfte gekocht. Sie haben sich Mühe gegeben und ein ausgefallenes Rezept für eine Menüfolge eines Sternekochs ausprobiert. Als Vorspeise servierten Sie eine „tomatisierte Karottensuppe“, die äußerst gut ankam. Nun ist es Zeit für den zweiten Gang. Sie servieren das „Graupen-Risotto mit grünem Spargel“. Ihr Schatz blickt auf den Teller und sagt: „Da ist etwas Grünes in meinem Risotto!“

Jetzt kommt es darauf an, von welchem Ihrer Ohren diese Aussage aufgenommen wird. Es gibt folgende Möglichkeiten:

  • Sach-Info: Sie verstehen: „Da ist etwas Grünes in meinem Risotto“ und sagen „Ja, das ist grüner Spargel.“
  • Selbstoffenbarung: Sie verstehen: „Wenn ich kochen würde, gäbe es nicht so grünes Zeug“ und sagen „Dann koch’ du doch, wenn du es besser kannst.“
  • Appell: Sie verstehen: „Nimm mir das grüne Zeug von meinem Teller“ und sagen „Oh, ich wusste ja nicht, dass du keinen grünen Spargel magst. Warte ich, nehme ihn dir wieder raus.“
  • Beziehung: Sie verstehen: „Du liebst mich nicht, sonst wüsstest du, dass ich so etwas nicht mag!“ und antworten ebenfalls verletzt „Immer wenn ich koche, musst du motzen!“

Was bedeutet dieser kulinarische Ausflug in Bezug auf Verhandlungen? Viele Menschen erwarten bereits eine Erwiderung und haben deshalb ihr Appell-Ohr auf Empfang geschaltet. Fragt der Kunde beispielsweise: „Kann man an dem Preis noch etwas machen?“, dann kommt im Appell-Ohr an „Mach mir einen besseren Preis!“, obwohl das eigentlich gar nicht so gesagt wurde.

Deshalb sollten Sie in der Kommunikation mit Ihrem Kunden Ihr Appell-Ohr verschließen

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihr Appell-Ohr und idealerweise gleich auch noch Ihr Beziehungs- und Selbstoffenbarungs-Ohr schalldicht verschließen. Gleichzeitig vergrößern Sie Ihr Sach-Ohr und stellen es besonders empfindlich, sodass Sie sich wirklich nur auf die reinen Aussagen des Kunden konzentrieren können und nicht durch die emotionalen Zwischenrufe der anderen Kanäle der Kundenaussage verunsichert werden. Das wäre vielleicht ein gutes Verhandlungstraining und führt zu verblüffenden Ergebnissen:

Auf die Aussage: „Das bekomme ich woanders billiger“, sagen Sie: „OK. Und was bedeutet das in Bezug auf Ihre Entscheidung zu unserem Angebot?“ Oder auf: „Das haben wir nicht im Budget“, könnten Sie antworten: „Was werden Sie tun, um das Budget sinnvoll anzupassen?

Wo finden wir Situationen, in denen sich das in der Praxis einsetzen lässt?

Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel nennen: Rufen Sie sich einmal Ihren Lieblingsimbiss ins Gedächtnis, den, bei dem die Currywurst Ihrer Meinung nach einfach am besten schmeckt. Das wissen nicht nur Sie sondern auch andere Menschen. Wenn Sie also beschließen, dort in der Mittagspause auf eine leckere Currywurst hinzugehen, dann müssen Sie ein wenig Zeit mitbringen. Sie stehen also in der Schlange und Ihnen fällt auf, dass Sie gerne noch ein kaltes Getränk zu der Wurst hätten. Sie greifen in den Kühlschrank, um festzustellen, dass die kalte Limonade mit 2,50 Euro gekennzeichnet ist.

Verhandlungstraining im Alltag

Wissen Sie, was diese Limonade im Supermarkt kostet? Das schwankt sicherlich ein wenig, aber sagen wir mal 95 Cent. Was würde wohl passieren, wenn Sie sich aufregen würden und rufen: „Was? Zwei Euro und Fünfzig! Das ist ja viel mehr als im Supermarkt!“ Rechnen Sie damit, dass der Imbissbetreiber jetzt in die Preisverhandlung mit Ihnen einsteigt? Etwa, dass man sich auf einen Kompromiss einigt? Wohl kaum!

Der Verkäufer dort wird kaum sein Appell-Ohr offen haben. Das müsste nämlich offen sein, um zu denken „Ich muss verhandeln“. Stattdessen wird er im besten Fall mild lächeln und Sie fragen, ob Sie die Limo nun kaufen wollen oder nicht.

Dieses Modell ist sehr gut dafür geeignet, sich immer wieder folgende Frage vor Augen zu führen: Mit welchem Ohr höre ich Kundenaussagen?

Nehmen Sie diese Frage mit in Ihren Alltag und Sie bekommen im Vorbeigehen Ihr eigenes Verhandlungstraining, um ständig besser zu werden.

Wahrnehmung von Kommunikation

Wie wir die Aussagen unseres Gegenübers wahrnehmen, hängt nicht zuletzt auch von unserer persönlichen Prägung und Erfahrungen der Vergangenheit ab.

Ein Modell aus der Transaktionsanalyse beschreibt drei „Ich-Zustände“, aus denen unsere Persönlichkeit zusammengesetzt ist, die sich aufgrund äußerer Einflüsse, unserem Wesen und persönlichen Erfahrungen entwickelt.

Das Eltern-Ich ist der Teil unserer Persönlichkeit, der von außen geprägt wurde. Es wird von Eltern, Großeltern, Geschwistern, Lehrern, Trainern und anderen Vorbildern geprägt. Man nennt es auch das programmierte Ich, weil von außen Wertvorstellungen, Regeln, Moral und Vorurteile in unsere Persönlichkeit gelangen.

Man könnte das Eltern-Ich weiter in zwei Hauptbestandteile unterteilen, die man kritisches und fürsorgliches Eltern-Ich nennt. Das kritische Eltern-Ich produziert in erster Line mehr oder weniger freundliche Zurechtweisungen. Wenn jemand im kritischen Eltern-Ich ist, dann wird er freundlich bis wütend darauf hinweisen, dass er Recht hat und ein Anderer nicht. Feste Regeln wie „Männer weinen nicht“, „Der Kunde hat immer Recht“ oder „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ sind typische Botschaften, bei denen das Eltern-Ich Kontrolle auf unser Handeln ausübt.

Das unterstützende Eltern-Ich produziert ungefragt Hilfsangebote. „Wenn Sie das so machen, geht es leichter“, „Wir haben für Sie ein Angebot erstellt“ oder „Wir möchten Ihnen dabei helfen, dass…“ wären solche Formulierungen aus diesem Teil des Eltern-Ichs.

Das Kindheits-Ich ist der zweite Bereich unserer Persönlichkeit, der dem entspricht, was trotz Erziehung von unserer Kindheit übriggeblieben ist. Es besteht aus vier Elementen:

  1. Dem natürlichen Kind, das unsere echten und tiefen Gefühle widerspiegelt.
  2. Dem kreativen kleinen Professor, der neugierig und schaffensfroh ist, neue Ideen hat und alles erforschen will.
  3. Dem angepassten Kind, das sich unterwürfig verhält und sich stumm dem Willen Anderer beugt.
  4. Dem rebellischen Kind, das sich Allem und Jedem widersetzt und sofort auf die Barrikaden geht.

Das Erwachsenen-Ich ist der dritte Teil der Persönlichkeit, der erst im Laufe der Pubertät entsteht, wenn wir erkennen, dass wir selbst für unsere Handlungen verantwortlich sind. Es ist dafür da, die Impulse aus dem Eltern- und Kindheits-Ich zu dämpfen und nur das zuzulassen, was wir auch wirklich äußern wollen – was aber nicht immer gelingt.

Dieses Modell stammt aus der Transaktionsanalyse, die sich so nennt, weil sie die Wirkungsweise von verbalen und nonverbalen Botschaften untersucht. Die zentrale These ist, dass wir unsere Kommunikation immer aus einem der drei Ich-Zustände heraus senden, und dadurch die Reaktion der Gesprächspartner vorherbestimmen. Das heißt, wenn wir eine Botschaft aus dem Kindheits-Ich senden, dann wird oft eine Reaktion aus dem Eltern-Ich folgen und umgekehrt. Nur Botschaften aus dem Erwachsenen-Ich bewirken eine Reaktion auf Augenhöhe aus dem Erwachsenen-Ich des Gegenübers.

Wie kann man also auf Augenhöhe im Erwachsenen-Ich bleiben?

Nun, zumindest in der Theorie ist es ganz einfach: Indem man Aussagen auf sich bezieht und den Anderen nicht beurteilt oder indem man ehrliche und offene Fragen stellt.

Eine der beiden typischen Äußerungen bezieht sich auf den Unterschied zwischen Ich-Botschaften und Du-Botschaften. Wenn wir sinngemäß sagen „Du bist…“, dann ist das eine Wertung, die überheblich ist. Man urteilt über den Anderen. Das ist eine typische Aussage aus dem Eltern-Ich. Alternativ kann man solche Aussagen auch ohne Wertung formulieren. Dann lässt man den Bezug zum Anderen und damit die Wertung einfach weg: „Ich sehe/fühle/denke…“

Die andere Form der Botschaft aus dem Erwachsenen-Ich ist die ehrliche und offene Frage. Ehrlich, weil wirklich eine Antwort erhofft wird, und nicht nur eine verdeckte Botschaft gesendet wird. „Wann willst du eigentlich dein Zimmer aufräumen?“, mag zwar rein semantisch als Frage gelten, ist aber wohl eher als Aufforderung zum Aufräumen zu sehen. Das ist nicht ehrlich. Andererseits steht jede geschlossene Frage grundsätzlich unter dem Verdacht, eine Unterstellung zu sein. Bei der Frage „Leiden Sie auch unter Fußpilz?“ schwingt mit, der Befragte habe Fußpilz – auch wenn das vom Fragesteller in keiner Weise so gemeint war.

Wenn Sie sich angewöhnen, Ihre „Transaktionen“ aus dem Erwachsenen-Ich zu senden, können Sie die Qualität Ihrer Unterhaltungen enorm verbessern. Das ist nicht immer leicht, weil wir gerade dann, wenn wir „blöd angemacht“ werden, impulsiv reagieren wollen. Allerdings zeigt es sich, dass beispielsweise das Personal im Service, allen voran das fliegende Personal bei Fluggesellschaften, sehr gut lernen kann, Beschwerden und Angriffe nicht persönlich zu nehmen und auf Augenhöhe zu reagieren.

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