Viele Vertriebsbücher sind über „den Abschluss“ geschrieben worden. Neudeutsch „closing“ nennt man das in der Verkäufersprache. Allerdings ist es nicht besonders sinnvoll, das Closing losgelöst vom restlichen Entscheidungsprozess zu betrachten. Schließlich können Entscheidungen nicht beliebig herbeigeführt werden.

Man könnte sagen, dass Entscheidungen erst dann getroffen werden können, wenn Sie möglich sind. Wer also auf Entscheidungen einwirken will, der kann sie zunächst nur ermöglichen. Etwa indem man die nötigen Informationen liefert oder dabei hilft die sinnvollen Alternativen zu beleuchten und zu bewerten. Erst später, nachdem die Entscheidung möglich ist, kann man sie herbeiführen. Erst Sog, dann Druck.

Es ist absolut sinnlos, eine Entscheidung weiterhin nur zu ermöglichen, wenn sie bereits getroffen werden könnte. Wenn es möglich ist, die Entscheidung zu treffen, geschieht das jedoch nicht immer von alleine. Oft müssen professionelle Verkäufer dann diese Entscheidung herbeiführen. Dann erst ist es sinnvoll das anzuwenden, was gemeinhin als Closing bezeichnet wird. Es ist absolut nicht hilfreich, eine Entscheidung herbeiführen oder erzwingen zu wollen, wenn noch nicht alle Informationen vorliegen.

Der Abschluss ist schwer, weil Entscheidungen unbeliebt sind

Niemand trifft gerne Entscheidungen. In dem Wort Entscheidung steckt Schmerz. Scheidung heißt Trennung. Und wer trennt sich schon gerne? Bei der Entscheidung müssen wir uns von Alternativen verabschieden und uns festlegen. Ent-Scheidung eben. Das eine, ja – das andere leider nicht. Kaum jemand tut das gerne.

Betrachten wir einmal einen Entscheidungsprozess etwas genauer. Mein Lieblingsbeispiel ist „Schatz im Schuhgeschäft“. Vielleicht kommt Ihnen das völlig untypisch vor, aber mein Schatz zeigt einen dreistufigen Entscheidungsprozess. Zunächst geht es um die Auswahl, dann die Trennung und dann wird getröstet.

Phase 1 – Auswahl

Die große Auswahl im Schuhgeschäft wird ausführlich genutzt. Alle nur ansatzweise sinnvollen Alternativen werden geprüft, bewertet und dann in die engere Auswahl gezogen oder abgelehnt. Nach und nach sammeln sich mehrere Paar Schuhe rund um den ergatterten Sitzplatz von meinem Schatz an. Wenn eine gute Verkäuferin anwesend ist, dann wird sie jetzt vorsichtig aber beherzt die weniger attraktiven Alternativen wieder wegnehmen und aufräumen. An Abschluss ist jetzt noch nicht zu denken. Das ist sehr gut gedacht, denn jetzt kommt die zweite Phase und das bedeutet:

Phase 2 – Trennung

Wenn nur noch einige Alternativen übrig sind, müssen wir uns trennen. Nach und nach verringern wir die Anzahl der Möglichkeiten. Von fünf auf vier – Autsch. Noch eines weniger – Seufz. Von drei auf zwei – ach menno! Und jetzt nur noch zwei Alternativen. Die? Oder die? Oder doch die? Das Falscheste, was man jetzt als Verkäufer machen könnte, wenn nur noch zwei Alternativen bestehen, ist eine dritte ins Spiel zu bringen. Wenn Schatzi nur noch zwei Alternativen hat und jetzt noch eine dritte auftaucht, dann ist es ganz aus. Dann kann sich Schatzi nicht entscheiden. „Heute ist kein guter Tag zum Schuhekaufen …“ lautet dann der hilflose Ausruf. Ein guter Verkäufer wird also weniger attraktive Alternativen schnell beseitigen oder gar nicht anbieten. Der Abschluss wird dabei helfen, die Entscheidung zu ermöglichen, indem er geschickt den nächsten Schritt von der Trennung zum Trost vorbereitet.

Phase 3 – Trost

Viele von Ihnen kennen das wunderbare Gefühl, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Alle Last und Mühsal des Vergleichens und des Entscheidens ist abgefallen und wir freuen uns auf das Neue. Das kann ein guter Verkäufer vorwegnehmen und dadurch den Abschluss erleichtern, indem er diesen Zustand der Zufriedenheit anspricht, wenn der Kunde noch in seinem Entscheidungsflimmern gefangen ist. Was würde wohl passieren, wenn der Schuhverkäufer jetzt sagt: „Die hier können Sie zum Kostüm genauso tragen, wie zur Jeans. Und stellen Sie sich vor, Sie kommen aus einem wichtigen geschäftlichen Meeting und es hat angefangen zu regnen: Für Sie kein Problem, denn diese Schuhe sind hoch geschlossen und dennoch elegant.“ Durch diese Aussage baut der Verkäufer eine Brücke über das Entscheidungsflimmern.

Entscheidungsflimmern heilen

Bestimmt kennen Sie diesen Zustand zwischen Trennung und Trost. Dieses Gefangensein zwischen Wohl und Wehe. Man weiß, dass man sich entscheiden sollte. Man weiß auch, dass die Optionen gut sind, aber man ist sich nicht sicher, was die beste Option ist. Je länger man diesen Zustand der Unsicherheit ertragen muss, desto schwieriger wird die Entscheidung. Wenn wir das sehen, warum sollten wir dann Kunden in diesem unangenehmen Zustand belassen? Was können wir für die optimale Verhaltensweise des Verkaufs davon ableiten?

Abschluss im Umgang mit Geschäftskunden

Unser Beispiel aus dem Schuhgeschäft macht sicher einiges deutlich, es ist jedoch nicht direkt auf den Umgang mit Geschäftskunden übertragbar. Das liegt vor allem daran, dass Entscheidungsprozesse bei größeren Investitionen zumeist nicht mit einem Kundenkontakt abgeschlossen werden.

Wie können wir als Verkäufer die Mechanismen der Entscheidungsfindung bei unserer Arbeit mit Geschäftskunden besser berücksichtigen? Wie können wir zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Dinge tun, um die Entscheidung für den potenziellen Kunden zu vereinfachen?

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So verändern sich die vier Faktoren in der Wahrnehmnung des Kunden im Verlauf des Verkaufsprojektes.

Phase 1 – Bedarf definieren

Der Preis hat ganz zu Anfang in dieser Phase hohe Bedeutung. Dann gerät er bis zur dritten Phase in Vergessenheit. Das Problem ist wichtig und wird im besten Fall durch die Gespräche sogar noch gesteigert. Erste Ansätze zur Lösung werden diskutiert. Risikogefühl gibt es jetzt noch nicht. In dieser Phase will der Kunden seinen Bedarf prüfen. Er fragt sich: Muss ich wirklich etwas ändern? Was brauche ich? Was kostet es?

Die Aufgabe des Verkäufers ist es jetzt, den Bedarf zu entwickeln. Er kann jetzt eine Vision von der Lösung erschaffen. In dieser Phase ist die Person des Verkäufers und seine Überzeugungskraft besonders wichtig.

Phase 2 – Möglichkeiten untersuchen

Preis und Risiko sieht der Kunde im Moment nicht als wichtig an. Die Lösung ist jetzt das Wichtigste. Das Problem wird durch die Dominanz der angebotenen Lösung(en) in den Hintergrund gedrängt. Der Kunde will jetzt Alternativen prüfen. Er stellt sich diese Fragen: Löst das mein Problem? Was davon trifft meinen Bedarf? Wie kann ich es verifizieren?

Der Verkäufer sollte sich jetzt darauf konzentrieren, einen Beweis für seine Leistungsfähigkeit zu schaffen und zu zeigen, wie die Möglichkeiten der Lösung zu der Vision des Kunden passen. Ein guter Verkäufer hilft dem Kunden eine Wertvorstellung von der Lösung zu entwickeln und den Entscheidungsdruck durch freigelegte Schmerzen zu erhöhen. In dieser Phase ist die Lösung und ihr konkreter Nutzen für den Kunden relevant.

Phase 3 – Risiko abschätzen

Jetzt sind der Preis und das Risikogefühl für den Kunden sehr dominant. Das Problem ist in den Gesprächen mit dem oder den Anbietern wegdiskutiert worden. Auch die Vision des Nutzens könnte jetzt verblassen. In dieser Phase steht der Kunde kurz davor sich zu entscheiden. Er fragt sich:  Soll ich es tun? Was sind die Konsequenzen? Ist das der beste Preis, den ich bekommen kann?

Der Verkäufer sollte sich jetzt darauf konzentrieren, den Auftrag zu holen. Erst jetzt ist es sinnvoll zu „closen“. Erst jetzt kann man eine Entscheidung herbeiführen. Gute Verkäufer helfen jetzt dem Kunden, die Angst vor den Konsequenzen realistisch zu sehen. Erst in dieser Phase spielt das Unternehmen des Verkäufers und seine Reputation eine große Rolle.

Die Chancen auf Abschluss verbessern

Zum einen ist es wichtig, dass wir den Zeitraum, in dem sich der Kunde in dieser Situation des Entscheidungsflimmerns befindet, so kurz wie möglich halten. Bestimmt kennen Sie solche Situationen: Sie haben sich für eine Investition interessiert und einige Gespräche mit Anbietern geführt. Sie haben inzwischen auch schon mindestens ein passendes Angebot erhalten. Das Angebot liegt griffbereit in einem Stapel. Sie könnten es jederzeit annehmen. Andererseits drängt Sie ja auch niemand. Das Angebot liegt also weiter dort. Je länger es so daliegt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es je angenommen wird. Je länger die Lösung fertig zur Entscheidung daliegt, aber nicht entschieden wird, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass eine Entscheidung stattfindet.

Der Abschluss wird durch Warten nicht leichter

Ich nenne diesen Effekt die „Halbwertszeit des Angebotes“. Je länger es liegt, je geringer wird die Strahlkraft der Lösung. Beim Kunden entsteht der Eindruck, dass er jederzeit die Lösung haben könnte, aber die Probleme auch nicht drängender werden, wenn er wartet. Also bleibt die Lösung in Sichtweite liegen – wird immer entbehrlicher und schließlich verworfen.

Dagegen können wir zwei Strategien nutzen: 1. Die letzte Phase der Entscheidungen von unnötigen Verzögerungen befreien. Sorgen Sie dafür, dass alle zeitintensiven Prozesse, wie zum Beispiel das Prüfen der Vertragsbedingungen, schon vor Abgabe des Angebotes erledigt sind. 2. Verringern Sie das Risiko in Relation zum Nutzen.

Das kann sehr gut klappen, wenn Sie sich darauf konzentrieren, das Problem, den Handlungsdruck und die Lösungsvision zu verstehen und dies immer wieder zu betonen. Das haben wir bereits im Schwerpunkt Gesprächsführung genau erläutert.

Und es kann klappen, indem Sie einen Evaluationsplan nutzen, um die große Entscheidung in viele kleine Entscheidungen zu zerteilen, wie wir das im letzten Beitrag schon genauer erläutert haben.

Dann verändert sich die Darstellung von oben ein wenig:

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