Was ist der Unterschied zwischen Siegen und Gewinnen? Neben dem Sieger gibt es immer auch einen Verlierer. Gewinnen können mehrere. Die Frage ist, mit welcher Einstellung man dem Verhandeln gegenübersteht: Geht es darum den Verhandlungsgegner zu besiegen, oder will man ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis für sich erreichen und gewinnen?

Dieser Unterschied mag auf den ersten Blick nach Wortklauberei klingen, aber mit ein wenig Abstand wird einem schnell klar, dass es sich um einen grundlegenden Unterschied in der Einstellung handelt.

Verhandeln beginnt vor der Verhandlung

Verhandeln und Gewinnen © Fotolia/ pfpgroup

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Eine erfolgreiche Verhandlung benötigt eine umfassende Vorbereitung. Vor allem, wenn Sie mit professionellen Einkäufern eines Unternehmens verhandeln, müssen Sie absolut perfekt gerüstet sein. Ihre Gesprächspartner sind es in jedem Fall. Sie können davon ausgehen, dass der Einkäufer sich intensiv mit den Produktdetails auseinandergesetzt hat, alle Marktpreise kennt und vermutlich sogar über die Kostenkalkulation Ihres Unternehmens besser informiert ist, als Sie selbst. Sie wären nicht der erste Verkäufer, dem in der Preisverhandlung akribisch die eigenen Produktionskosten vorgerechnet werden und der sich dann aufgrund der angeblich unglaublich hohen Gewinnspanne zu Preisnachlässen hinreißen lässt.

Welche Tricks erwarten Sie?

Mit den Tricks, die Einkäufer beim Verhandeln gerne einsetzen, haben wir uns ja schon beschäftigt. Die Vorbereitung auf diese psychologischen Spielchen und das Einüben passender Formulierungen stellt natürlich einen wichtigen Teil der Vorarbeit dar. Am besten machen Sie diese allgemeinen Übungen zu einem Teil Ihrer wöchentlichen Routine. Dazu könnten Sie sich zum Beispiel jede Woche einen halbstündigen Termin im Kalender einstellen. An diesem Termin notieren Sie sich dann, mit welchen Spielchen, Tricks oder blöden Kommentaren Sie in der vergangenen Woche konfrontiert worden sind. Dann überlegen Sie sich eine bessere Reaktion darauf und üben sie ein. Im Laufe der Zeit werden Sie so auf eine immer umfangreichere Liste zurückgreifen und bald alle geläufigen Tricks mühelos bewältigen können.

Was sind Ihre Ziele?

Nun müssen Sie sich selbst einmal kritisch unter die Lupe nehmen: Was ist Ihr vorrangiges Ziel in einer Preisverhandlung? Möchten Sie den besten Preis erzielen, oder sind Sie insgeheim schon froh, wenn Sie den Auftrag überhaupt bekommen?  Das hängt natürlich auch in hohem Maße von der Philosophie Ihres Unternehmens ab.

Denken Sie doch einmal an ein konkretes Verhandlungsgespräch, das Sie in nächster Zeit führen werden. Was wollen Sie an diesem Termin erreichen? Soll das Geschäft schon komplett abgeschlossen werden oder sollen erst einmal nur die groben Rahmenbedingungen ausgehandelt werden?

Es ist wahnsinnig hilfreich, wenn Sie wissen, was Sie wollen. Nur dann können Sie das Gespräch nämlich auch auf Ihr Ziel hinsteuern. Andernfalls entstehen langwierige Verhandlungen ohne konkretes Ergebnis, bei denen am Ende alle Beteiligten unzufrieden sind.

Hilfreich ist es in diesem Zusammenhang auch, Ihr Ziel zu Beginn des Gesprächs ganz offen anzusprechen und mit den Vorstellungen Ihrer Gesprächspartner abzugleichen. So können Sie sich auf ein gemeinsames Ziel einigen und beide Seiten wissen, was zu erwarten ist.

Kennen Sie Ihr Limit beim Verhandeln?

Wozu beschäftigt ein Unternehmen überhaupt eine eigene Abteilung für den Einkauf? Warum können die Fachabteilungen nicht selbst entscheiden, welches Angebot für sie am passendsten ist? Die Antwort auf diese Fragen ist ganz einfach: Weil es wirtschaftlich gesehen notwendig ist. Im Einkauf arbeiten Verhandlungsprofis, die sich ganz allein auf das kaufmännische Ziel konzentrieren können, den bestmöglichen Preis aus einem Angebot herauszuholen.

Um inhaltliche Aspekte braucht sich der Einkäufer zum Zeitpunkt der Preisverhandlungen meist nicht mehr zu kümmern, denn nur qualitativ passende Angebote haben es überhaupt durch den Auswahlprozess bis auf seinen Schreibtisch geschafft. Es geht also im Prinzip (fast) nur noch um den Preis. Ein Einkäufer, der den Auftrag erteilt, bevor ihm der Verkäufer absolut glaubwürdig versichert hat, dass am Preis wirklich nichts mehr zu machen ist, erledigt seinen Job nicht gut.

Ich denke, ich muss nicht erklären, warum ein möglichst hoher Verkaufspreis Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung nur Vorteile bringt. Dennoch gehen viele Verkäufer im Verhandlungsprozess – und der beginnt häufig schon vor den wirklichen Preisverhandlungen – im Preis sehr weit nach unten. Manchmal sogar gefährlich nahe an die eigene Nullprofit-Grenze. Das liegt daran, dass Verkäufer nicht mit einem geplatzten Deal nach Hause kommen können, wenn im Preis noch Luft war. Es wäre aber besser, wenn das kein Problem wäre. Langfristig gesehen holen Abschlüsse mit höheren Auftragswerten durch geringe Rabatte in der Verhandlung den verlorenen Gewinn einzelner geplatzter Geschäfte locker wieder rein.

Für Sie als Verkäufer bedeutet das in erster Linie, dass Sie sich ein ganz konkretes Limit setzen sollten, bis zu dem Sie im Preis nachgeben können. Dieser Punkt muss weit oberhalb der Nullprofit-Grenze liegen und Sie müssen ihn wirklich absolut glaubwürdig vertreten können. Oder Sie entscheiden sich direkt für Festpreise. Das funktioniert sehr erfolgreich bei vielen Unternehmen: Apple, McDonald’s – und auch bei mir. Damit ersparen Sie sich die anstrengenden, immer wiederkehrenden Überlegungen zum Preislimit.

Um also dem Einkauf im späteren Preisgespräch wirklich glaubwürdig Ihr Limit klarmachen zu können, müssen Sie selbst davon überzeugt sein. Legen Sie den Betrag in der Vorbereitung konkret fest – und zwar am besten auf den Euro genau. Verkaufen Sie Ihr Produkt nicht „um jeden Preis“!

Haben Sie Alternativen zu verhandeln?

Überlegen Sie sich im Vorfeld, was Ihre Alternativen sind, falls das Geschäft nicht zustande kommt. In der Regel werden Sie noch andere potenzielle Kunden in der Pipeline haben. Falls ihr jetziger Kunde also doch noch abspringen sollte, können Sie Ihre gesamte Energie für andere potenzielle und bestehende Kunden verwenden. Ihre Alternativen könnten aber auch anderer Natur sein. Wenn es nicht klappt, haben Sie vielleicht unerwartete Freizeit gewonnen, die Sie mit Ihrer Familie oder Ihren Hobbys verbringen können.

Mit diesen Alternativen im Hinterkopf können Sie gleich viel entspannter in eine Verhandlung starten. Und vielleicht stellen Sie schon bald fest, dass Ihre geänderte mentale Einstellung auch den Kunden beeinflusst. Einkäufer merken nämlich, ob ein Verkäufer verzweifelt unbedingt einen Abschluss erzwingen will, oder ob er selbstsicher und ruhig sein Angebot vertritt.

Welche Interessen beherrschen die Verhandlung?

Ich habe einmal ein Gespräch mit einem Kollegen zu diesem Thema geführt. Er sagte mir, dass er am liebsten Aufträge annimmt, die in Baden-Württemberg liegen. Und warum? Weil dort seine Tochter mit ihrer Familie lebt, und er jede Möglichkeit nutzen möchte, sie zu besuchen. Der Wert dieser Besuche ist für ihn besonders hoch, sodass die geografische Lage eines Auftrags für ihn sehr wichtig ist – vielleicht sogar noch wichtiger als der Preis. Diese Motivation wird aber kaum einer seiner Kunden kennen und demzufolge auch nicht darauf eingehen.

Die unterschiedlichsten Arten von Interesse an einem Geschäft können daher – sowohl auf Seite des Einkäufers als auch auf der des Verkäufers – die Entwicklung einer Verhandlung beeinflussen. Nicht immer können Sie herausfinden, was genau Ihren Kunden besonders interessiert – versuchen müssen Sie es aber immer! Worin genau liegt das Interesse des Kunden an Ihrem Produkt? Liegt es an offensichtlichen Kriterien wie der hohen Qualität, dem individuell angepassten Angebot oder dem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis? Oder passen die Zahlungsmodalitäten vielleicht besser als die der Wettbewerber? Oder gibt es, wie in meinem Beispiel, versteckte, persönliche Gründe, die für das Produkt sprechen?

Und Ihr eigenes Interesse am Kunden, was ist das? Der Profit, die Referenz, die räumliche Nähe?
Nur wenn Sie diese Aspekte möglichst gut verstehen, können Sie im Gespräch wirklich auf Ihren Kunden eingehen.