Erfolgreiche Verkäufer sind in der Lage, den Bedarf ihrer Kunden klar herauszuarbeiten. Nur wenn ihnen das gelingt, können sie individuelle Wünsche und Erwartungen zielgerichtet erfüllen und ein Angebot machen, das gerne angenommen wird. Worauf es dabei ankommt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Weshalb benötigen Sie im Vertrieb einen Blick für die Bedürfnisse Ihrer Kunden?

Im Vertrieb sind Begriffe wie Bedarf oder Bedarfsermittlung allgegenwärtig. Dennoch wird ihnen im Vertriebsalltag oft nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Sei es aus Zeitmangel oder aus dem Gefühl heraus, ohnehin bereits zu wissen, was die Bedürfnisse des Kunden sind.

Lassen Sie uns aus diesem Grund zunächst in aller Kürze beleuchten, was es mit der Notwendigkeit einer Bedarfsermittlung überhaupt auf sich hat.

Was versteht man unter Bedarf im Vertrieb?

Wenn wir einen Blick auf den entsprechenden Artikel im Duden werfen, werden für den Bedarf Synonyme wie Bedürfnis, Interesse und Nachfrage aufgelistet.

Unabhängig davon, welches dieser Beispiele Ihnen am sympathischsten erscheint, steht eines fest: Wenn Kunden sich für das Angebot eines Unternehmens entscheiden, dann nur, weil es ein entsprechendes Handlungsmotiv gibt. Wer kein Problem hat, braucht schließlich keine Lösung. Und ganz sicher wird eine rundum zufriedene Person auch kaum bereit sein, unnötig Geld in Ihre Produkte oder Dienstleistungen zu investieren. Deshalb liegt es auf der Hand, dass wir zunächst herauszufinden müssen, welches Problem einen Kontakt zu einer bestimmten Handlung – also zu einer Investition oder einem Kauf – bewegen könnte.

Probleme gibt es im Vertrieb nicht … oder etwa doch?

Vielleicht haben Sie auch schon einmal den folgenden Satz gehört: „Probleme gibt es nicht – nur Herausforderungen“. Es soll sogar Experten geben, die empfehlen, den Begriff Problem komplett aus dem Sprachschatz zu entfernen. Sie behaupten, dass seine Verwendung die Gedanken in eine negative Richtung lenken würde. Stattdessen sei es viel sinnvoller, Worte wie „Chance“ zu verwenden. Außerdem hält sich auch hartnäckig das Gerücht, dass im Chinesischen die Schriftzeichen für „Krise“ und „Chance“ dieselben seien.

Davon abgesehen, dass diese Behauptung nicht stimmt, halte ich Wortverbote für Unsinn. Sonst müsste man schließlich auch Begriffe wie „Krankheit“ in „Gesundheitsgelegenheit“ umbenennen. Wäre das nicht albern? Und was machen wir mit dem Wort „Unfall“? Also sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich weiterhin die Dinge so wie im Duden vorgesehen beim Namen nenne.

Die Formulierung macht den Unterschied: Weshalb Sie für eine durchdachte Bedarfsermittlung Ihre Wortwahl bearbeiten sollten

Lassen Sie uns akzeptieren, dass der Begriff “Problem” für viele Menschen einen unangenehmen Beigeschmack hat. Nicht nur deshalb scheint die einfache Frage „Was haben Sie für ein Problem?“ für unsere Zwecke ungeeignet. Welche Formulierungen können wir also stattdessen nutzen? Wie können wir herausfinden, welches Motiv einen Kontakt auf den Gedanken bringt, eine Investition zu tätigen? Wie können wir unsere bisherige Wortwahl sinnvoll bearbeiten?

Mit cleveren Fragen ins Kundenherz: So finden Sie den Bedarf heraus

Ehrliche Fragen sind der beste Weg, wenn man etwas herausfinden will. Das gilt ganz besonders dann, wenn ein Problem ergründet werden soll. Sehen wir uns zu diesem Zweck einige Beispiele an.

Nehmen wir an, ich würde Ihnen eine aus meiner Sicht neutrale und fachlich relevante Frage stellen. Eine Frage, die für mich wichtig ist, um mehr Verständnis für Ihre Situation aufzubringen. Die Frage lautet: „Haben Sie auch Schwierigkeiten mit Fußpilz?“

Sie merken sofort, dass diese simple Nachfrage aus Sicht des Empfängers ganz leicht als Unterstellung verstanden werden kann. In etwa so, als hätte ich Sie gefragt: „Sie haben doch bestimmt auch Schwierigkeiten mit Fußpilz, stimmt’s?“

Dasselbe Phänomen gilt selbstverständlich auch für jedes geschäftliche Problem. Nehmen wir an, es gibt ein Unternehmen, dessen Geschäftsführer Sie zum Gespräch eingeladen hat. Ihre erste Frage lautet: „Haben Sie auch Schwierigkeiten mit Ihrer bisherigen Anlage?“ Selbst wenn es gute Gründe für diese Nachfrage gibt, haben Sie sich mit dieser Formulierung vermutlich ins eigene Bein geschossen. Es ist wahrscheinlich, dass Sie eine rebellische Antwort bekommen. Eine Antwort, die – obwohl besagter Geschäftsführer mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert ist – ähnlich einem trotzigen Kind in etwa so lauten wird: „Bei uns ist alles prima!“ Die erhoffte Investition in Ihre Produkte oder Dienstleistungen rückt damit in weite Ferne.

Theorie und Praxis: Kommen Sie dem Bedarf wirklich auf die Spur?

Für erfahrene Verkäufer ist all das klar. Zumindest behaupten das die meisten Profis aus Verkauf und Beratung. Und dann ergibt sich oft eine überraschende Erkenntnis.

Wenn ich den Punkt der Bedarfsermittlung in meinen Seminaren bespreche, ernte ich fast immer ein mitleidiges Lächeln. „Das wissen wir längst. Das ist Stoff aus einem Artikel für Anfänger“, scheint der Gesichtsausdruck meiner Teilnehmer zu sagen. Zumindest so lange, bis in der Folge Praxisübungen zum Thema Bedarf anstehen. Wenn dann die gleichen Teilnehmer in Rollenspielen ihr Vorgehen bei der Bedarfsermittlung demonstrieren wollen, zeigt sich ein anderes Bild. Es stellt sich heraus, dass das, was in der Theorie klar ist, in der Praxis nur selten funktioniert.

Der Wunsch als Vater des Gedankens: Weshalb so viele Profis im Vertrieb den Bedarf falsch einschätzen

Warum weichen selbst erfahrene Verkaufsprofis so häufig von dem ab, was sie sich vornehmen? Warum stellen sie zum Beispiel geschlossene Fragen, obwohl sie wissen, dass es keine gute Idee ist? Was läuft hier schief?

Nun, ich denke es ist der Gewöhnungseffekt. Wenn Menschen in vielen Gesprächen mit ähnlichen Kunden in vergleichbaren Unternehmen immer wieder dieselben Problem-Szenarien genannt bekommen, dann ändert sich ihre Erwartung. Sie gehen in die Gespräche hinein und denken sich: „Das ist doch jetzt sicher wieder dieses Problem…“

In den meisten Fällen dürfte diese Einschätzung sogar stimmen. Jeder Berater, der seit vielen Jahren in seiner Branche erfolgreich unterwegs ist, wird feststellen, dass die Anzahl der typischen Probleme im Vertrieb sehr klein ist. Man findet immer die gleichen Probleme mit ganz geringen Variationen. Kein Wunder also, dass viele Verkäufer dazu tendieren, ihrem eigenen Wunsch entsprechend eine Abkürzung zu nehmen. Und die schnellste Möglichkeit, das Thema Bedarf abzuhaken, besteht nun einmal darin, dem Kunden sinngemäß zu sagen: „So wie ich das sehe, ist das Ihr Problem, stimmt’s?“

Haben Sie bei der Bedarfsermittlung die Lösung oder sind Sie das Problem?

Allerdings führt diese Abkürzung in der Regel nicht zum Erfolg. Die Erklärung für dieses Phänomen ist leicht an einem Beispiel erklärt: Stellen Sie sich vor, Sie haben sich beim Sport verletzt. Sagen wir am Knie. Erst dachten Sie, es heilt von alleine. Nach ein paar Wochen vergeblicher Behandlungsversuche aus der Hausapotheke sehen Sie allerdings ein, dass Sie professionelle Hilfe brauchen. Durch Zufall sprechen Sie mit einem alten Freund. Er erzählt Ihnen, dass er einen Kniespezialisten vor Ort kennt, der weltweit als Experte bekannt ist. Üblicherweise bekommt man dort Termine nur nach vielen Monaten Wartezeit. Die Nachfrage ist einfach zu groß. Aber weil Ihr alter Freund mit diesem Kniespezialisten schon zusammen im Kindergarten war, kann er Ihnen auf Ihren Wunsch hin in zwei Tagen einen Termin beschaffen.

Zwei Tage später humpeln Sie auf den hinter seinem Schreibtisch wartenden Professor zu. Dabei werden Sie und Ihr Gangbild aufmerksam beobachtet. Kaum, dass Sie am Schreibtisch angekommen sind, sagt der Arzt: „Wunderbar. Ich weiß, was Ihnen fehlt.“ Er kritzelt etwas auf seinen Block, hält Ihnen das fertige Rezept vor die Nase und sagt freundlich lächelnd: „Danke, dass Sie hier waren. Bitte drei Mal täglich mit dieser Salbe einreiben, dann müsste alles gut sein. Auf Wiedersehen.“

Genie oder Scharlatan? Weshalb Sie sich für die Ermittlung des Bedarfs Zeit nehmen sollten!

Was denken Sie jetzt wohl über diesen Arzt? Halten Sie ihn immer noch für die bestmögliche Wahl auf dem Gebiet der Knieverletzungen? Wohl kaum. Aber weshalb ist das so? Als Laie sind Sie doch überhaupt nicht in der Lage, seine Kompetenz zu beurteilen. Vielleicht konnte er ja wirklich innerhalb weniger Sekunden anhand Ihres Humpelns Ihr Leiden erkennen. Fakt ist: Weil er Sie nicht wirklich untersucht hat, sprechen Sie ihm einen großen Teil seiner Kompetenz ab – ohne dass Sie das wirklich einschätzen können.

Der Zusammenhang zwischen Bedarf und Kompetenz: Nehmen Sie das Bedürfnis Ihres Kunden ernst!

Was wäre gewesen, wenn sich der Arzt zehn Minuten Zeit genommen hätte, um Ihr Knie zu betasten? Was wäre, wenn er Ihnen einige Fragen zu Ihrer Verletzung und Ihren Beschwerden gestellt hätte? Was wäre, wenn er auf diese Weise zum selben Ergebnis gekommen wäre?

Ich denke, diese kleine Geschichte macht deutlich, dass die Kompetenzanmutung von Experten nicht durch eine schnelle Diagnose, sondern durch eine ausreichende Anamnese gestärkt wird. Bezogen auf den Geschäftskundenvertrieb heißt das, dass frühzeitige Lösungsvorschläge kaum hilfreich sind. Selbst wenn Sie als Experte für die Bedürfnisse und den Bedarf Ihres Kunden sofort erkennen, was er benötigt, sollten Sie sich viel Zeit für ihn nehmen. Nur wenn Sie das Problem bewusst hinterfragen, werden Sie ihn bestmöglich verstehen. Wenn Sie die verlockende Abkürzung nehmen, schaden Sie sich und Ihrem Ruf als Problemlöser. Gerade erfahrene Berater im Vertrieb tappen besonders oft in diese Falle!

Schritt für Schritt: Ihr Bauplan für Fragen zum Bedarf

Wie sollte eine gute Problemfrage nun aufgebaut sein, um den Bedarf zu ermitteln? Wie können Sie Fragen stellen, die Ihr Gesprächspartner gerne beantworten wird? Sie können ganz leicht die passenden Formulierungen finden, wenn Sie diesem einfachen Bauplan folgen:

Aufgabe 1: Thema aus Kundensicht plastisch machen

Aufgabe 2: Offene und ehrliche Fragen kundengerecht stellen.

Hier ein paar Beispiele, an denen Sie sich bei der Bedarfsermittlung orientieren können:

  • „Angenommen, wir sprechen über die Optimierung Ihrer Ausgangsfrachten. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten drei Prioritäten?“
  • „Wenn Sie jetzt an die Leistungsfähigkeit Ihrer Vertriebsmannschaft denken, insbesondere im internationalen Leistungsvergleich. Was liegt Ihnen dann persönlich am Herzen?“
  • „Stellen wir uns vor, es geht um die Frage, wie Sie den Krankenstand in Ihrem Unternehmen im Sinne der Mitarbeiter und des Unternehmens senken können. Welche Überschriften erscheinen vor Ihrem inneren Auge?“

Welche Begriffe fallen Ihnen spontan ein, wenn Sie den Aufbau der genannten Beispiele betrachten? Möglicherweise fällt Ihnen auf, dass Emotionen eine Rolle spielen. Vielleicht denken Sie auch an typische Synonyme wie Gefühle oder Gefühlsregungen. Und damit liegen Sie natürlich völlig richtig. Sehen wir uns das mit Blick auf unseren Bauplan nun etwas genauer an.

Fokus – Fakten – Emotion: Die wesentlichen Bestandteile einer Frage zur Bedarfsermittlung

Der erste Teil der Frage soll den Blick des Gesprächspartners auf ein bestimmtes Thema lenken. Dabei hilft es, wenn Sie seine Perspektive berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund geht es nicht einfach nur um „Ausgangsfrachten“, sondern es geht um „Ihre Ausgangsfrachten“. Um die Fantasie des Kunden zu beflügeln, lohnt es sich außerdem, bewusstseinserweiternde Formulierungen zu verwenden. Ich mag beispielsweise Formulierungen wie „angenommen…“, „stellen wir uns vor…“, oder „wenn Sie an … denken…“.

Bei dem zweiten Teil handelt es sich um eine offene Frage, auf die Sie wirklich eine Antwort gebrauchen können. Variieren Sie an diesem Punkt zwischen rational geprägten Fragen und emotional, intuitiv geprägten Fragen! Rational geprägte Fragen richten sich nach Prioritäten, Auflistungen und Argumenten. Bei emotionalen Faktoren sprechen wir – wie eben kurz erwähnt – von Befindlichkeiten, Gefühlen und Sichtweisen.

Wie entscheidet Ihr Kunde? Weshalb der Wahrnehmungskanal bei der Ermittlung des Bedarfs eine Rolle spielt

Wenn Sie mit dem Ziel der Bedarfsermittlung besonders wirksame Fragen stellen wollen, haben Sie vorher erkannt, welche Wahrnehmungskanäle Ihr Ansprechpartner bevorzugt.

Der visuelle Typ wird eher etwas sehen oder es ist ihm „nicht klar“. Der akustische Typ findet, etwas „klingt nicht gut“. Haptische Menschen behaupten, etwas ist „nicht rund“. Und olfaktorische bzw. geschmacksgeprägte Typen erklären, dass etwas „stinkt“. Wenn Sie die diesbezügliche Prägung Ihres Gesprächspartners erkannt haben, können Sie ihn alleine durch die passende Formulierung der Frage besser erreichen.

Je präziser die Bedarfsermittlung, umso größer die Erfolgsaussicht auf einen Abschluss im Vertrieb

Achten Sie darauf, dass Sie hinsichtlich des Bedarfs nicht nur eine Problemfrage stellen, sondern mehrere. Stürzen Sie sich außerdem nicht auf das erste Problem, das der Kunde nennt. Dieses Problem ist in einem Unternehmen fast nie das wichtigste, wenn es um den Bedarf geht.

Ein weiterer Tipp: Notieren Sie sich das, was Ihr Gesprächspartner sagt. Im Anschluss können Sie die wesentlichen Punkte kurz wiederholen und dann weitere Fragen stellen. Ungefähr so: „Ich habe mir notiert … ist ein problematischer Aspekt. Und darüber hinaus – was noch…?“ Sammeln Sie auf diese Art einige Aspekte des genannten Problems, bis Sie ein wirklich gutes Verständnis für die Bedürfnisse des Kunden entwickelt haben.

Wenn Sie die Bedarfsermittlung erfolgreich abgeschlossen haben, haben Sie das ursprüngliche Handlungsmotiv und den Wunsch des Kunden verstanden. Es ist klar, was er ändern könnte. Im Anschluss kommt es darauf an zu verstehen, was er wirklich ändern wird. Hierfür ist es nötig, das ursprüngliche Handlungsmotiv mit einer gezielten Nachfrage um den Handlungsdruck zu erweitern. Zu diesem Thema habe ich einen gesonderten Artikel verfasst, den Sie hier nachlesen können.