Jeder weiß, dass man mit Nutzen aus der Kundenperspektive verkaufen soll. Aber setzen wir das auch wirklich um? In diesem Artikel wollen wir erarbeiten, warum diese Kundensicht so wichtig ist und weshalb sie dennoch andauernd vergessen wird. Sie bekommen solides Handwerkszeug, um die Sicht des Kunden zu finden und in seiner Sprache zu sprechen.

Das alte Verkaufen will keiner

„Ich bin so toll im Bett, das musst du mal erlebt haben!“ Es erfordert nicht viel Erfahrung, um zu erkennen, dass dieser Spruch bei der privaten Akquise von Liebespartnern wenig erfolgversprechend ist. Und falls Sie jetzt anderer Meinung sind: Diese Methode wäre wohl nur dann erfolgreich, wenn der oder die Angesprochene im übertragenen Sinne am Verdursten ist. „Desperate“, wie ein schwer zu übersetzender Begriff es im Englischen so gut auf den Punkt bringt.

Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass es bei Weitem bessere Möglichkeiten für den Beginn eines Flirts gibt. Wenn wir jedoch auf die Machart der Sprüche in der Akquise blicken, dann stellen wir fest, dass hier leider immer noch genau dieses Prinzip von „Ich bin so toll…“ am meisten verbreitet ist. Es ist das aus der Ego-Perspektive behauptete Nutzenversprechen, das im Verkauf noch immer dominiert. Dabei wäre Kundenperspektive viel besser.

Perfekt auf den Kunden einstellen

Hervorstehen © Fotolia 2015/ viperagp

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Gibt es nicht auch wesentlich bessere Ideen, eine Verbindung zum Kunden herzustellen? Das Prinzip erfolgreicher Verbindungen im Geschäftsleben ist ganz einfach. In der Natur nennt man es Symbiose. Beide Beteiligten bekommen aus der Verbindung mehr als sie geben – zumindest aus der jeweiligen Perspektive.

Die Beispiele dafür sind mannigfaltig. Zwei Partner finden sich und geben dem anderen etwas, das dieser gut gebrauchen kann, obwohl es für den Gebenden eher ein wertloses Gut oder ein Nebenprodukt ist. Die Laus, die die Ameise mit Sekreten füttert und dafür Schutz genießt. Das Nilpferd, das sich putzen lässt und dafür dem Putzervogel Nahrung bietet. Diese Verbindungen lassen sich nicht beliebig kombinieren. Nur wenn es wirklich passt, funktioniert die Symbiose.

Der Kunde ist ein Egoist

Wenn wir dieses Prinzip auf unsere Geschäftswelt übertragen, stellen wir fest, dass der erste Schritt das Verständnis ist. Es geht darum, wirklich und tiefgründig zu verstehen, was den Kunden tatsächlich interessiert. Wie die Kundenperspektive im Moment aussieht ist entscheidend. Man kann dies auf drei Fragestellungen reduzieren:

A1. Bei der Erledigung welcher Aufgaben kann ich meine Zielgruppe wesentlich unterstützen?
A2. Welche Probleme, Unannehmlichkeiten und Schmerzen will meine Zielgruppe vermeiden?
A3. Welche Verbesserungen, Erfolge und Lustgefühle kann ich für meine Zielgruppe herbeiführen?

Es hat sich bewährt, diese drei Fragen mehrfach an verschiedene Menschen zu richten, die mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die Fragestellung blicken. In einem Unternehmen könnten das der Verkäufer, der Produktionschef, der Marketingspezialist, der Kundendienst, der Produktentwickler, der Controller oder die Unternehmensführung sein. Es lohnt sich, die Ideen der einzelnen Bereiche zu den drei Fragestellungen zu sammeln und zu konsolidieren. Schließlich kann man die gefundenen Punkte nach ihrer Wichtigkeit sortieren. Dieser Findungsprozess kann ganz bewusst auf mehrere Tage ausgedehnt werden, um kurzfristige positive oder negative Eindrücke richtig zu bewerten.

Kundennutzen: Was braucht der Kunde wirklich?

Als Ergebnis bekommt man ein hohes Verständnis von dem, was aus Kundensicht der Bedarf ist. Jetzt geht es darum, diesen Bedarf geschickt mit einem passenden Angebot zu verbinden. Auch hier kann man diese Aufgabe mit drei einfachen Fragestellungen sehr gut lösen:

B1. Welche besonderen Eigenschaften, Merkmale und Beschaffenheit hat unser Angebot (Produkt oder Dienstleistung)?
B2. Wie lösen, heilen oder lindern wir bestimmte Kundenprobleme?
B3. Wie machen wir unsere Kunden glücklicher, erfolgreicher, schneller, gesünder oder auf sonstige Art und Weise besser?

Längst haben Sie erkannt, dass die jeweiligen Antworten auf die beiden Fragen 2 und 3 später zusammenpassen sollten, um einen guten Vermarktungserfolg herzustellen.

Wenn Sie jetzt die gefundenen Punkte zu den Fragen 2 und 3 miteinander verbinden und die besten Passungen herausarbeiten, dann ist die erste Aussage schon gefunden.

Etwa nach dem Muster „Wichtige Problematik (A1) bedeutet oft Schmerz (A2) obwohl Sie doch Erfolg (A3) wollen. Hier bekommen Sie Ergebnis (B3) wobei Schmerz (B2) verhindert wird, indem Sie Beschaffenheit (B1) nutzen.“ Das ist nur ein allgemeines Muster, jedoch steht hier der Kunde und seine Perspektive im Mittelpunkt.

Kundenperspektive: Der perfekte Köder für Akquise

Sehr viele Vertriebsorganisationen verschenken Wirkungskraft, weil sie in der Kundenkommunikation und der Akquisition vor allem das Wesen ihrer Produkte und Leistungen erklären und wie es funktioniert bzw. wie es sich vom Wettbewerber unterscheidet. Es ist erstaunlich, wie viele Vertriebsorganisationen dabei auf die wirkungsvollsten Aussagen verzichten.

Nutzen Sie die Chance und wechseln Sie die Perspektive. Gehen Sie in die Sichtweise Ihrer Kunden – am Besten die Entscheider beim Kunden. Und jetzt betrachten Sie Ihre Aussagen und stellen Sie sich die entscheidende Frage „Was habe ich davon?“

So gehen Sie dabei konkret vor:

Nehmen Sie ein Blatt Papier im Hochformat und schreiben Sie genau in die Mitte die treffendste Bezeichnung für das, was Sie verkaufen. Nehmen wir an Sie verkaufen „Verkaufstraining“, so schreiben Sie „Verkaufstraining“ ziemlich genau in der Mitte des Papiers.

Nun suchen Sie Beschreibungen, die allgemeiner und weiter gefasst sind, als der erste Begriff und scheiben Sie diese Begriffe darüber. Außerdem finden Sie Begriffe, die feiner und präziser beschreiben, was man (als die von Ihnen angestrebte Zielgruppe) davon hat, wenn man genau Ihre Trainings kauft. Nach einer Weile könnte Ihr Blatt also so aussehen:

Professionelle Unterstützung
Weiterbildung
Verkaufstraining
Bessere Verkaufsergebnisse
Im Mittelwert 25.000 Euro mehr Ertrag pro Berater und Jahr

Nun verbinden Sie die oberste mit der untersten Aussage. Wenn dieses Beispiel dazu dienen soll die „Was-Verkaufen-Sie-Frage“ besser zu beantworten, dann würden Sie künftig nicht mehr „Verkaufstraining“ antworten, sondern „Wir bieten unseren Kunden professionelle Unterstützung, die letztlich 25.000 Euro mehr Ertrag pro Verkäufer bewirkt“.
Durch den Verzicht auf den Terminus „Vertriebstraining“ wird zudem die Phantasie angeregt und vermieden, dass Ihre Leistung in einer Standardschublade landet. Kaum ein potenzieller Zielkunde denkt in der Verkaufstrainingssprache. Er denkt in der Kategorie seiner Probleme.

Warum das Offensichtliche so schwer umsetzbar ist

Diese Erkenntnis ist so einfach, dass man sich zurecht fragt, warum das so viele Unternehmen nicht erkennen? Warum ist das nicht längst Standard in der Ausbildung von Vertrieb und Marketing? Meine pragmatische Antwort darauf ist: Weil es kein einmaliger Vorgang ist, sondern eine permanente Anstrengung, vergleichbar mit dem Rudern gegen den Strom.

Verkaufsorganisationen werden in der Praxis ständig mit Fragen und Aussagen des Kunden konfrontiert. Diese Fragen entspringen meist deren Unsicherheit bei der Entscheidung und Auswahl von geeigneten Lieferanten. Deshalb haben fast alle Fragen den Kern „Was ist es genau?“ oder „Wie unterscheidet es sich von anderen Produkten?“. Diese Fragen sind vordergründig für den Kunden wichtig. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch die Frage nach dem „Wozu?“ für Investitionsentscheidungen noch viel wichtiger.

Verkäufer vergessen das „Wozu“, weil die Häufigkeit der Kundenfragen beim „Was“ und „Wie“ überwiegt. Allerdings ist die Häufigkeit noch lange kein Indiz für Wichtigkeit. Und wichtig ist nunmal, wozu man eine Investition tätigen sollte – also was dabei für den Investor als Ergebnis entsteht.

Warum soll der Kunde Sie anziehend finden?

Wenn Sie einen neuen Kunden ansprechen, ist diese Denkweise besonders wichtig. Stellen Sie sich vor, ich würde akquirieren. Meine Zielkunden sind mittlere und größere Unternehmen. Und nehmen wir einmal an, ich würde mich als Verkaufstrainer vorstellen und Verkaufstrainings anbieten. Das wäre vermutlich nicht von Erfolg gekrönt. Allenfalls kämen jetzt Fragen im Stile von: „Was unterscheidet Sie von anderen Trainern?“ Meistens dürfte die Antwort aber eher lauten „Haben wir schon – brauchen wir nicht“.

Es ist unstrittig, dass man meine Dienstleistung als „Verkaufstraining“ bezeichnen könnte. Die meisten Menschen würden das sicher bestätigen. Nur ebenso könnte man es „Vertriebsschulung“ oder „Coaching“ nennen. Aber ist das nicht etwas völlig anderes? Ich höre vor meinem geistigen Ohr gerade einige Kollegen, wie sie sich das Erklär-Bär-Kostüm anlegen und lehrerschlau den Unterschied zwischen Training, Schulung und Coaching aufdröseln.

Aber mit Verlaub – wen interessiert das? Den Kunden sicher nicht. Schließlich kann jeder selbst entscheiden, wie er es für sich nennt, auch wenn das in den Augen der Fachleute falsch sein sollte. Bitte verstehen Sie mich richtig: Natürlich ist es ratsam eine fachlich saubere Bezeichnung für seine Leistungen zu nutzen. Nur ist dadurch im Zusammenhang mit der vertrieblichen Akquise nichts gewonnen.

Der Lockstoff für perfekte Neukunden

Wenn Sie diese Erkenntnis in Ihre Vertriebspraxis übertragen – was bedeutet das für Ihre künftige Formulierung, wenn Sie einem anderen Menschen sagen wollen, was Sie ihm anbieten könnten?

Nun, eine erste Idee könnte es sein, dass Sie Ihr Angebot mit einem neuen Begriff belegen, der dann auch rechtlich geschützt sein könnte, so dass niemand sonst diesen Begriff verwenden kann. Ich habe das getan und den Markennamen „VisionSelling“ erfunden und schützen lassen. Nur ich kann diesen Begriff verwenden.

Wäre es also eine gute Idee, wenn ich in der Akquise sinngemäß sagen würde „Nur wir bieten Trainings nach dem VisionSelling-Modell – dem preisgekrönten Seminar-Konzept“? Sie merken schon, dass dies aus der Sicht des Anbieters auf den ersten Blick sinnvoll sein mag – aber für den Kunden ist es unverständliches Kauderwelsch.

Finden Sie nach diesem Strickmuster Ihre Traumkunden

Wenn Sie diese Gedanken konsequent umsetzen, werden Sie ganz automatisch die besten Kunden für Ihr Angebot interessieren. Das lässt sich kaum vermeiden, weil Sie die Attraktivität des Angebotes aus Sicht des Kunden betonen. Wer soll da noch „Nein“ sagen? Naja, es werden noch immer einige sein, die Ihr Angebot wirklich nicht gebrauchen können. Allerdings werden Sie diejenigen einfacher finden, die zu Ihnen passen.

Passt das für jeden Kunden? Kann man dem sprichwörtlichen Eskimo einen Kühlschrank verkaufen? Vermutlich schon, aber es gibt bessere Kunden. Wer der ideale Kunde für Sie sein wird, untersuchen wir in der kommenden Ausgabe.