Woche 43: Schluss mit vorauseilendem Gehorsam – Widerstehen Sie Ihrem inneren Preisdrücker

Würden Sie für ein gutes Schnitzel 4,99 Euro bezahlen? Ja? Wie wäre es mit 5,99 Euro? Mit 6,99 Euro? Mit 8,99 Euro? Wir alle haben auch schon Speisekarten gesehen, auf denen für ein Schnitzel 20 Euro und mehr verlangt wird. Es geht dabei immer um ein vergleichbares Produkt. Gut, der Geschmack zählt, aber schließlich wissen Sie ja selten vorher, wie das Schnitzel schmecken wird.

In der Wirtschaftstheorie gibt es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der verkauften Produkte und dem Preis. In der Einzelbetrachtung gibt es diesen direkten Zusammenhang jedoch nicht. Auf dem Münchner Oktoberfest kostete im Jahr 2014 der Liter schlecht eingeschenktes Bier mehr als zehn Euro. Das dürfte deutschlandweit ein Rekord für Bier vom Fass sein. Dennoch wird fast nirgendwo auf der Welt in so kurzer Zeit so viel Bier verkauft. Woran liegt das?

Nehmen wir das Beispiel des Schnitzels zu einem Preis von 4,99 Euro beziehungsweise 5,99 Euro. Das sind 20% Aufschlag. Mehr als oftmals an Produkten im Einzelhandel verdient wird. Wir als Kunden sind aber prinzipiell mit beiden Preisen einverstanden. Wie lässt sich diese Erkenntnis auf Ihre typischen Kundensituationen übertragen? Was können Sie tun, um den Wert des Produktes vor den Preis zu stellen?

Der souveräne Umgang mit Einwänden ist vielleicht die Königsdisziplin im Verkauf. Ganz besonders dann, wenn es um den „zu-teuer-Einwand“ geht. Viele Verkäufer scheitern an dieser Stelle. Das muss aber nicht sein, wenn man die richtigen Werkzeuge einsetzt.

Kommunikation ist Alles

Der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun hat ein kongeniales Kommunikationsmodell entworfen. Es besagt, dass jede Aussage auf genau vier unterschiedlichen Kanälen transportiert wird. Diese vier Kanäle sind Sachinformation, Beziehung, Appell und Selbstoffenbarung.

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Nehmen wir an, Sie haben für ihr Schatzi gekocht. Sie haben sich mächtig ins Zeug gelegt und ein Rezept für eine Menüfolge von Eckart Witzigmann ausprobiert. Als Vorspeise gab es eine „tomatisierte Karottensuppe“, die sehr gut ankam. Nun ist es Zeit für den zweiten Gang. Sie servieren das „Graupen-Risotto mit grünem Spargel“. Schatzi blickt auf den Teller und sagt: „Da ist etwas Grünes in meinem Risotto!“

Jetzt kommt es darauf an, wie Sie auf diese Botschaft reagieren möchten. Es gibt mehrere Möglichkeiten.

  1. Sach-Info: Sie verstehen: „Da ist etwas Grünes in meinem Teller“. Sie sagen: „Ja, das ist grüner Spargel.“
  2. Selbstoffenbarung: Sie verstehen: „Wenn ich kochen würde, gäbe es nicht so grünes Zeug.“ Sie sagen: „Dann koch’ doch du, wenn du es besser kannst.“
  3. Appell: Sie verstehen: „Nimm mir das grüne Zeug von meinem Teller.“ Sie sagen: „Oh, ich wusste ja nicht, dass du keinen grünen Spargel magst. Warte, ich nehme ihn dir gleich runter.“
  4. Beziehung: Sie verstehen: „Du liebst mich nicht, sonst wüsstest du, dass ich so etwas nicht mag.“ Sie antworten verletzt: „Immer wenn ich koche, musst du motzen!“

Was bedeutet das in Bezug auf Verhandlungen? Viele Verkäufer erwarten bereits, dass eine Erwiderung kommt und haben deshalb ihr Appell-Ohr auf Empfang geschaltet. Wenn der Kunde beispielsweise fragt: „Kann man an dem Preis noch etwas machen?“, dann kommt im Appell-Ohr an: „Mach’ mir einen besseren Preis!“, obwohl das ganz bestimmt nicht gesagt wurde.

 

Ohropax für Ihr Appell-Ohr

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihr Appell-Ohr und am besten auch gleich noch Ihr Beziehungs- und Selbstoffenbarungs-Ohr schalldicht verschließen. Gleichzeitig würden Sie Ihr Sach-Info-Ohr vergrößern und besonders empfindlich schalten, damit Sie sich wirklich auf die Aussagen des Kunden konzentrieren können und nicht durch die emotionalen Zwischenrufe der anderen Kanäle der Kundenaussage verunsichert werden. Das führt zu verblüffenden Ergebnissen:

Wenn der Kunde sagt: „Das bekomme ich woanders billiger“, antworten Sie: „OK. Und was bedeutet das in Bezug auf Ihre Entscheidung für mich?“ Und auf die Aussage „Das haben wir nicht im Budget“ könnten Sie antworten: „Was werden Sie tun, um das Budget sinnvoll anzupassen?“

Wo finden wir Situationen, in denen sich das sozusagen in der Praxis nachweisen lässt? Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel nehmen: Vielleicht kennen Sie eine Bäckerei, die bestimmte Köstlichkeiten anbietet. Beispielsweise Butter-Brezeln. Dass die Brezeln gut sind, wissen nicht nur Sie, sondern mehrere Menschen. Wenn Sie beschließen, auf dem Weg zur Arbeit ein paar leckere Butter-Brezeln für sich und die Kollegen zu kaufen, müssen Sie deshalb ein wenig Zeit mitbringen. Wenn Sie dann in der Bäckerei in der Schlange stehen, fällt Ihnen ein, dass Sie keine Milch mehr zu Hause haben und Sie bedienen sich aus dem Kühlregal beim Bäcker. Sobald Sie die Milchtüte auf den Tresen stellen, um zu bezahlen, sehen Sie jedoch, dass der Liter Milch mit 1,79 Euro ausgezeichnet ist.

Wissen Sie, was bei Aldi ein Liter Milch kostet? Das schwankt sicherlich, aber sagen wir mal 79 Cent. Was würde wohl passieren, wenn Sie sich aufregen und rufen würden: „Was? 1,79 Euro? Das ist ja ein Euro mehr als bei Aldi!“ Rechnen Sie damit, dass die gute Bäckersfrau jetzt in Preisverhandlungen mit Ihnen einsteigt? Oder dass man sich auf einen Kompromiss einigt? Wohl kaum!

Die Bäckersfrau wird ihr Appell-Ohr nicht offen haben und deshalb auch nicht verhandlungsbereit sein. Stattdessen wird sie Ihnen vorschlagen, zu Aldi zu gehen, wenn Ihnen der Preis nicht passt.

 

Einzigartiges vergleichbar machen

Wenn Sie die Perspektive eines Profi-Einkäufers einnehmen, dann können Sie seine Haltung besser verstehen. Aus der Verhandlungsposition des Einkäufers muss sichergestellt werden, dass er nicht unnötig viel bezahlt. Wenn es sich um kein austauschbares Produkt, sondern um ein Dienstleistungsprojekt handelt, kann mangels Vergleichbarkeit aber gar nicht so leicht beantwortet werden, ob man überhöhte Preise bezahlt. Sicher könnte man feststellen, dass andere Anbieter günstigere Tagessätze haben, aber den Leistungsunterschied kann man im Vorfeld nicht prüfen. Das kann man selbst beim Friseur nicht. Sie wissen vorher nicht, ob ein Friseur, der 50 Euro für einen Haarschnitt verlangt, auch wirklich besser ist, als einer, der 25 Euro verlangt.

Dieses Problem lösen Einkäufer, indem sie sinngemäß fragen, ob man am Preis noch etwas machen könne. Jetzt kommt es auf die Reaktion des Anbieters an. Wenn im Konjunktiv geantwortet wird, dann muss weiter verhandelt werden: „Müsste man mal sehen…“, „Könnten wir noch über eine Leistungsanpassung diskutieren …“, „Sollten wir doch eine sinnvolle Vergleichsgrundlage heranziehen …“

Wenn jedoch im Imperativ geantwortet wird, ist die Verhandlung vorbei und die Entscheidung beginnt: „Sie haben jetzt alle Fakten und müssen bitte entscheiden“, „Sie müssen selbst Ihre Wahl treffen“, „Ich kann Ihnen keinen Deut mehr entgegen kommen. Jetzt sind Sie dran…“

Ein Einkäufer ist geradezu verpflichtet, weiter zu verhandeln, wenn Sie ihm durch den Konjunktiv weitere Möglichkeiten des Verhandlungserfolges andeuten. Erst wenn Sie ihm durch den Imperativ sprachlich anzeigen, dass er sich nun entscheiden muss, ist er in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Kein Profi wird sich entscheiden, solange er sich nicht sicher sein kann, dass er sich in genau diesem Moment entscheiden muss.

 

Vernunft statt Emotion

In der Geschäftswelt entstehen häufig Situationen, in denen einzelne Leistungsdaten von Produkten oder Dienstleistungen theoretisch verglichen werden. Wir wissen zwar inzwischen längst, dass Entscheidungen nicht auf der Basis von Fakten fallen, aber trotzdem spielen Einkäufer mit vermeintlichen Nachteilen im Vergleich von Fakten.

Nehmen wir zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel: Was passiert wohl, wenn der langjährige Porsche-911-Kunde zum Porsche-Händler geht und wutentbrannt einen Stapel Prospekte auf den Schreibtisch seines Verkäufers knallt? „Da schau! Das haben die mir geschickt! Das ist der neue BMW M3“, sagt er. „Mehr Leistung als der aktuelle 911. Besseres PS-Gewicht. Vernünftiger Kofferraum und vier echte Sitze. Und das Beste: Er kostet nur zwei Drittel. So jetzt bist du dran!“ Was wird ein gut ausgebildeter Porsche-Verkäufer jetzt wohl sagen?

Überlegen wir zunächst, was ein schlecht ausgebildeter Verkäufer antworten würde. Und betrachten wir das einmal mit den vier Ohren von Schulz von Thun:

Das Appell-Ohr versteht: „Du bist zu teuer. Ändere den Preis!“ Wer mit diesem Ohr hört, wird auf die Aufforderung reagieren. Entweder gefällig, indem man die Möglichkeiten zum Nachlass offen legt, oder rebellisch, indem man dem Kunden trotzig anbietet, so einen „Proleten-Schlitten“ ruhig mal auszuprobieren, damit er sieht, was man an einem 911er hat.

Das Selbstoffenbarungs-Ohr versteht: „Ich bin doch nicht doof und kaufe schlechte Leistung zu hohem Preis!“ Wenn der Verkäufer mit diesem Ohr zuhört, dann wird er jetzt vielleicht versuchen, den Preis zu erklären und mit vielen Worten zu erläutern, warum der M3 zu Recht günstiger verkauft wird als der wesentlich bessere 911.

Das Beziehungs-Ohr versteht: „Nach allem, was ich als Kunde für dich als Verkäufer getan habe, solltest du mich nicht so ärgern!“ Dieses Ohr wird den Verkäufer wohl dazu verleiten, mit einem Beziehungsvorwurf zu kontern. Dann geht das Gespräch eher in die Richtung, dass man erklärt, man habe schon beim letzten Mal einen Sonderpreis gegeben und müsse schließlich auch noch etwas verdienen.

Alle drei Reaktionen sind emotionale Reaktionen auf eher emotionale Befindlichkeiten des Kunden. Das ist verständlich, aber nicht sonderlich hilfreich. Besser wäre es, wenn man als Verkäufer in der Lage ist, für einen kurzen Moment die eigenen Emotionen zu kanalisieren und zunächst rein rational über die Aussage des Kunden zu befinden.

Das klappt, wenn man das Sach-Info-Ohr zu Rate zieht und damit hört: „BMW verkauft seinen M3 zu einem Drittel günstiger als Porsche den 911.“ Diese Aussage ist nicht verletzend. Man spürt kaum den Wunsch, emotional darauf zu reagieren. Die Antwort könnte eher lauten: „Ja. Stimmt.“ Und dann vielleicht im Anschluss eine Frage: „Was bedeutet das für Ihren neuen 911er?“

Bestimmt merken Sie, worauf ich hinauswill. Man kann sich darauf einstellen, Aussagen des Kunden ausschließlich mit dem Sach-Info-Ohr zu hören. Dazu können Sie die anderen Ohren gedanklich zukleben und sich ausschließlich auf die sachliche Aussage konzentrieren. Lassen Sie mich die bisherigen Ideen zusammenfassen.

Immun gegen Tricks der Einkäufer bei Preisverhandlungen

  1. Wenn Sie sich selbst in die Haltung bringen, dass Sie „über alles reden können, nur nicht über den Preis“, dann verschaffen Sie sich Preisstabilität.
  1. Verschließen Sie Ihre Ohren gegen störende Emotionalisierungen der Kundenaussagen und verstärken Sie dafür die Sach-Informationen.
  1. Achten Sie darauf, dass Sie mit Ihren Aussagen die Entscheidung des Einkäufers ermöglichen, indem Sie ihm klar machen, dass die Verhandlung beendet ist und die Entscheidung beginnen kann.

 

In der nächsten Episode sprechen wir über praktische Tipps, wie man in immer wieder vorkommenden Verhandlungssituationen die Ruhe bewahrt und souverän reagiert.