Woche 34: Horror pur – Die Firmen-Präsentation ist zurück

Stellen Sie sich vor, Sie erwachen ausgeruht und voller Tatendrang. Ein schöner Tag liegt vor Ihnen. Langsam kommt Ihr Verstand auf Touren und die ersten Gedanken formen sich in Ihrem Kopf. Sie denken sich: „Heute hätte ich große Lust auf eine schöne, ausführliche Präsentation.“

Schwer vorzustellen? Richtig, denn das ist völliger Unsinn! Wer denkt schon so etwas? Wer wünscht sich schon eine Folienschlacht? Wer will bitteschön überzeugt werden?

Eher vorstellbar wäre, dass Ihr erster Gedanke des Tages ist: „Heute will ich etwas Bestimmtes erreichen/schaffen/voranbringen/lösen. Hoffentlich finde ich jemanden, der mich versteht und mir dabei hilft.“

Klingt das vernünftiger? Niemand denkt, dass er eine neue Meinung braucht. Niemand will in seiner aktuellen Sichtweise erschüttert werden. Niemand will belehrt werden. Obwohl das sicher unbestritten so ist, wollen viele Unternehmen ihre Kunden immer noch häufig mit ihren Aussagen, Produktvorteilen und Nutzenversprechen überzeugen.

Präsentationen werden immer raffinierter. Endlose Stunden fließen in ihre Gestaltung. Egal ob per Folie oder Notebook. Ohne eine ausgefeilte Präsentation lassen Unternehmen ihre Verkäufer kaum noch auf die Straße.

Und dann passiert das Unglück. Stolz auf die schönen Bilder und die gelungenen Produkte wird präsentiert, was das Zeug hält, und dabei leider vergessen, was die größte Tugend im Verkauf ist: Zuhören!

Auch hartgesottene Profis tappen in die Kino-Falle: Der Kunde lehnt sich zurück und sagt: „Nun zeigen Sie ‘mal, was Sie für uns haben …“ Stolz macht sich breit, die Brust schwillt und der Verkäufer schwallt.

Schon flimmern die Bilder über die Leinwand. Im schlimmsten Fall bei leicht abgedunkeltem Umgebungslicht. Das Resultat ist eine prächtige Show, allerdings ohne zählbares Ergebnis.

Hoch motiviert und bis zur Halskrause angefüllt mit Argumenten, Analysen und Referenzen gehen bestens ausgebildete Verkäufer zu ihren Geschäftskunden und wollen überzeugen. Dabei wird leider vergessen, dass auch an diesem Tag niemand morgens mit dem Wunsch aufgewacht ist, überzeugt zu werden oder seine Meinung ausgetauscht zu bekommen.

Vor allem Entscheider sind oft mit einem gut dimensionierten Selbstbewusstsein ausgestattet und tragen ein eher schlecht skalierbares Ego mit sich herum. Also müsste doch auf den ersten Blick klar sein, dass gerade hier das „Überzeugenwollen“ keine gute Strategie ist.

Lesen Sie diese drei tragischen Beispiele für die häufigsten Fehler, die mit Firmenpräsentationen in der Praxis gemacht werden.

 

  1. Paul

Dienstag, 9 Uhr 30, im Besprechungsraum des Vorstands bei der ABC AG. Paul ist bei aller Routine doch ein wenig aufgeregt, als der CFO mit seinem Tross den Raum betritt und freundlich, aber machtbewusst grüßt. Seit mehr als zehn Jahren ist Paul als Account Manager im Verkauf von Unternehmenssoftware aktiv. Auf diesen Termin hat er sich besonders ausführlich vorbereitet. Schließlich bekommt man nicht oft die Gelegenheit, vor dem Finanzvorstand eines Dax-30-Unternehmens zu präsentieren.

Die Folienpräsentation zur neuen Version seines Produktes ist zigmal korrekturgelesen worden, das Design und die bewegten Grafiken genügen allen Regeln der Kunst. Die fachlichen Aussagen sitzen und für alle Fälle begleitet ihn Gregor, einer der erfahrensten Berater, der sicher auch die verzwicktesten Fragen beantworten kann. Folienschlacht im eleganten Businessanzug.

10 Uhr 30 und die Show ist gelaufen. Paul und Gregor packen ihre Notebooks und Unterlagen wieder ein. Ein wenig erschöpft, aber glücklich über den reibungslosen Verlauf der Präsentation lächeln sie sich zu.

„Hast du gesehen, wie viel der CFO mitgeschrieben hat? Das ist gut!“ Alle Fragen des Vorstands und seiner Fachleute konnten ad hoc beantwortet werden. Paul setzt im Geiste schon seinen Forecast von 45% auf 70% Wahrscheinlichkeit nach oben und rechnet sich seine Provision aus.

Zeitgleich findet im Büro des Vorstands eine Nachbesprechung statt. Die drei auffälligsten Widersprüche zwischen der Erwartungshaltung des CFO und der Präsentation werden diskutiert. Besonders der Begriff „automatische Währungskonsolidierung“ scheint ein Reizwort für den ehemaligen Wirtschaftsprüfer zu sein. Anhand der Notizen seiner Mitarbeiter wird diskutiert, welche der Wettbewerber von Paul nun als nächstes eingeladen werden sollen.

Das ist besonders ärgerlich für Paul, weil sein Produkt ganz bestimmt zu den besten der Branche gehört und der Stolperstein „Währungskonsolidierung“ zwar eine mit Stolz vorgetragene Neuigkeit, aber kein zentraler Bestandteil des Softwarepaketes ist. Ganz sicher ist er jedenfalls kein Grund, sich gegen Pauls Unternehmen entscheiden zu müssen.

Paul ist so beschäftigt damit, „überzeugend“ zu sein, dass er nicht merkt, dass der Kunde bestimmte Begriffe völlig anders interpretiert als er selbst. Er zerstört die Entscheidungsreife, weil er Begriffe verwendet, die negativ verstanden werden.

 

  1. Hans

Hans ist einer der wenigen Experten in der relativ neuen Marketing-Disziplin „Social Media“. Seine Fachartikel sind viel beachtet und sein erstes Buch ist mit großem Erfolg am Markt.

Hans würde gerne mehr Beratungsprojekte bei größeren Industrieunternehmen und Mittelständlern durchführen. Seine Honorarvorstellungen sind nicht zu hoch und nicht zu gering. Alle Zeichen stehen auf Erfolg.

Dennoch will es ihm nicht gelingen, einen nennenswerten Auftrag zu holen. Die Gespräche mit Interessenten sind tiefgehende Diskussionen über die heutige Vorgehensweise beim Kunden und die gewünschten Änderungen. Hans kann im Gespräch fundiert darlegen, welche Strategie für den jeweiligen Kunden die beste ist. Wenn weniger gut informierte Gesprächsteilnehmer andere Vorstellungen haben, kann Hans immer überzeugende Argumente liefern, warum er Recht hat.

Hans geht nie mit einem Auftrag nach Hause. Er bekommt höchstens Gelegenheit, mit einem (kostenlosen) Vor-Projekt seine Brillanz unter Beweis zu stellen.

Hans liefert kostenlos große Teile seines Know-hows. Ohne dies zu wollen, befördert er dadurch den Kunden in die Geisteshaltung „Ach – So einfach ist das? Dann können wir das auch alleine“. Er verhindert eine Entscheidung, weil er zu viel Wissen abgibt und dadurch den ursprünglichen Grund für die Zusammenarbeit beseitigt. Folienschlacht als kostenlose Kundenausbildung.

 

  1. Marta

Marta hat zwei Studiengänge mit Bravour abgeschlossen. Ihre Expertise als Pädagogin und promovierte Psychologin sowie ihre Erfahrung als zertifizierte Projektleiterin haben schließlich den Ausschlag für ihren letzten Karriereschritt gegeben: Als Geschäftsführerin eines Bildungsunternehmens, das sich auf die „gesamtheitliche Exzellenz von Produktions- und Auftragsfertigungsunternehmen“ konzentriert, kann sie ihre Kompetenz voll zur Geltung bringen.

Wer Marta sehr gut kennt, der weiß, dass sie mit Selbstzweifeln belastet ist. Sie denkt von sich, dass sie trotz aller Qualifikation noch immer massive Wissenslücken im Bereich Projektmanagementlehre hat. Sie weiß, dass die Forschung in der Psychologie in großen Schritten voranschreitet und sie selbst nur mit Mühe mithalten kann.

Bei Gesprächen mit Kunden will Marta mit aller Kraft beweisen, dass sie zu Recht als Expertin angesehen wird. Jede Denkpause des Kunden interpretiert sie als Aufforderung, neue Argumente auszusprechen. Ohne es zu merken, walzt sie jeden Gedanken platt. Epische Folienschlacht. Zurück bleibt oft nur eine massive Verunsicherung wegen der Komplexität des Themas. Keine Entscheidung in Sicht.

Martha verhindert Entscheidungen, weil sie akademisch diskutiert. Danach sind alle „Für“ und „Wider“ besprochen worden. Allerdings sieht der Kunde nachher mehr Alternativen als vorher. Entscheidung unmöglich.

 

Lösungsansatz: Hirn statt Folienschlacht:

Paul, Hans und Marta, die drei Protagonisten dieser Verkaufsgeschichten, dienen als Anschauungsexemplare missglückter Verkaufsbemühungen. Sie alle haben eines gemeinsam: Es gelingt ihnen nicht, sich auf die Sichtweise des Kunden einzulassen, weil sich zu sehr auf Ihre Aussagen konzentrieren. So entsteht die grausame Folienschlacht.

Zu sehr sind sie gefangen in ihrer „frohen Botschaft“. Zu sehr gleichen sie Missionaren, die sich sicher sind, dass ihre Wahrheit die einzige Wahrheit ist, die nun den Unwissenden überbracht werden muss. Zu sehr denken sie, dass nur derjenige, der etwas zu sagen hat, auch als kompetenter Gesprächspartner wahrgenommen wird.

Wohl einer der am häufigsten gebrauchten Begriffe im Verkauf ist „überzeugen“. Man will überzeugende Argumente finden, eine überzeugende Präsentation vorführen und letztlich den Kunden von der eigenen Leistungsfähigkeit überzeugen.

Diese Haltung ist bei genauerer Betrachtung jedoch mehr als überheblich: Wer überzeugen will, geht davon aus, dass die eigene Meinung besser ist als die des Gegenübers, und dass der Andere seine Sichtweise gefälligst aufgeben soll, um nun gnädigerweise mit der wahren Meinung bekehrt zu werden.

Ohne böse Absicht werden Verkäufer bis zur Halskrause angefüllt mit Argumenten, Analysen und Referenzgeschichten, um auf breiter Front überzeugend zu wirken. Dabei wird leider vergessen, dass niemand morgens aufwacht und sich wünscht, überzeugt zu werden oder seine Meinung ausgetauscht zu bekommen.

Im Kern der Sache bedeutet Überzeugenwollen: „Ich bin klug. Du (noch) nicht. Aber ich bringe dir jetzt meine Meinung bei und dann bist du auch klug.“ Das ist anmaßend. Das ist Meinungsaustausch in seiner schlimmsten Form: Ich nehme dir Deine Meinung weg und gebe dir dafür meine Meinung. Wer will das schon? Wer will schon überzeugt werden?

Kein Wunder, dass wir dagegen schon in frühester Jugend Abwehrmechanismen entwickelt haben. Wir wehren uns unbewusst gegen jede Form von unerwünschter Überzeugungsarbeit. Wir wollen nicht belehrt werden. Unsere Nackenhaare stellen sich auf, wenn wir Vorschläge bekommen und wir rächen uns. Vorschläge sind Gewaltakte und werden mit Rückschlägen geahndet, auch wenn viele Kunden zunächst aus Höflichkeit sagen: „Wir melden uns, wenn die Sache für uns interessant wird …“.

Wenn wir präsentieren, dann wollen wir die Zuhörer bewegen. Zu einer Entscheidung, zu einer neuen Sichtweise, zu einer anderen Meinung – wie auch immer.

Achtung: Wenn Sie jetzt denken „Ich will nicht bewegen, ich will nur informieren“, dann können Sie mit dem Lesen aufhören. Noch ein letzter Tipp: Schreiben Sie lieber eine E-Mail oder einen Bericht. Wenn Sie nur informieren wollen und von Beruf nicht Nachrichtensprecher sind, ist die Präsentation das falsche Mittel. Bitte hören Sie damit auf, andere Menschen zu langweilen, indem Sie ihnen Fakten vorlesen.

Eine Bewegung in dem hier gemeinten Sinn findet immer von einem Ausgangspunkt zu einem anderen, neuen Ausgangspunkt statt. Start – Ziel. Abholen – Bewegen – Abliefern.

Viele vergessen das Abholen. Viele vergessen den Ausgangspunkt, die aktuelle Position, Meinung, Perspektive oder Sichtweise zu berücksichtigen. Das führt dazu, dass der Rest der Überzeugungsarbeit nicht funktioniert. Nur wer berücksichtigt, was der Kunde heute denkt, wird eine Chance bekommen, diese Position zu verändern.

Sicher kann nicht jeder von allem überzeugt werden. Aber WENN es klappen soll, kann es nur dann gehen, wenn man den Ausgangspunkt bei seinem Transport berücksichtigt. Wer Menschen bewegen will, muss wissen, wo sie im Moment stehen.

In der nächsten Episode werden wir uns mit Alternativen zum „Vorführen“ beschäftigen. Wir werden uns erarbeiten, wie man Zusammenhänge darstellt, ohne mit Vorführungen zu langweilen.