Woche 10 –   Die Problemtabelle als Wissensspeicher für modernen Lösungsvertrieb

Im dritten Kapitel beschäftigen wir uns mit einer Phase des Geschäftskundenvertriebs, die vor dem ersten Kundenkontakt steht. Es ist die Phase der Vorbereitung und Vorselektion. In dieser Woche konzentrieren wir uns auf ein besonderes Werkzeug, das Ihr Vertriebs-Know-How auf besondere Weise strukturiert und allen Mitarbeiter der Vertriebsmannschaft einen schnelleren Einstieg in unterschiedlichste Kundensituationen ermöglicht.

Wenn man Lösungen für Kundenprobleme verkaufen will, liegt es nahe, sich zunächst Gedanken über die Probleme zu machen, die man später lösen will. Schließlich ist es fast schon lächerlich, eine Lösung anzubieten, ohne dass das Problem klar beschrieben wurde. Weil wir in einer komplexen Welt mit komplexen Kundenproblemen leben, ist es hilfreich, die Probleme mit ihren Ursachen, Auswirkungen und den dazu passenden Lösungsansätzen zu ergründen. Und genau das leistet die Problemtabelle. Lassen Sie uns gleich in ein praktisches Beispiel einsteigen und die Entstehung einer Problemtabelle begleiten. Im Anschluss werfen wir dann einen Blick auf die praktischen Verwendungszwecke dieses Werkzeugs für Ihre Praxis und darauf, was Sie beachten sollten, wenn Sie es für Ihre Organisation erstellen.

Eine Problemtabelle bezieht sich immer auf ein Kundenprofil, wie Sie es in der vergangenen Woche erarbeitet haben. Wenn Sie also mehrere und sehr unterschiedliche Wunschkundenprofile haben, werden daraus auch mehrere Problemtabellen. Und selbst wenn Sie nur ein einziges Zielkundenprofil haben sollten, werden es sicher mehrere Problemtabellen, denn auch ein einzelner Kunde kann mehrere wichtige Probleme haben. Aber der Reihe nach: Kunden haben Probleme. Deshalb suchen sie nach Lösungen und geschickte Verkäufer unterstützen ihre Kunden bei der Lösungssuche. Das Kundenproblem in allen Aspekten zu verstehen, ist eine wichtige Fähigkeit, die Verkäufer mitbringen sollten. Aber was hat das in diesem Kapitel verloren? Jetzt steht ja noch kein direkter Kundenkontakt auf dem Plan. Jetzt ist die Vorbereitungszeit, in der wir uns auf die richtigen Kunden konzentrieren wollen und noch keine Gespräche führen. Warum sollten wir uns also jetzt schon mit den Kundenproblemen beschäftigen?

In dieser Phase der Vorbereitung ist es hilfreich, ein gutes Verständnis für typische Kundenprobleme zu erarbeiten. Noch bevor wir einen bestimmten Kunden im Dialog haben, sollten wir gut eingestimmt sein. Das gelingt am besten mit der Problemtabelle. Diese erstellen wir vorzugsweise im Team. Ideal ist ein Team von mindestens drei und höchstens zehn vertrieblich aktiven Kollegen. Vielleicht wollen Sie bei Ihrem nächsten Vertriebsmeeting eine halbe Stunde dafür nutzen.

Zunächst legen wir uns auf einen typischen Kunden fest. Das kann das Ergebnis der vergangenen Woche sein, also ein Wunschkundenprofil. Andernfalls kann es auch exemplarisch ein bestimmter Kunde sein, der allen Beteiligten bekannt ist. Dieser Kunde wird auf einem Flipchart kurz beschrieben, welches dann für alle sichtbar aufgehängt wird. Alles, was ab jetzt geschieht, bezieht sich ausschließlich und nur auf diesen Kunden. Wir benötigen also ein Flipchart oder Whiteboard und einen Moderator. Dieser lässt sich nun typische Kundenprobleme zurufen und schreibt sie auf – aber nur wenn sie den Stammtisch-Filter überleben. Und der geht so: Stellen Sie sich vor, Ihr typischer Wunschkunde ist der Produktionsleiter eines mittelständischen KFZ-Zulieferers. Er produziert Kabelbäume und hat rund 200 Mitarbeiter in der Fertigung an zwei Standorten. All das qualifiziert ihn gemäß Wunschkundenprofil als idealen Kunden für Ihr Produkt. Sie wollen ihm eine Software-Lösung zur Verbesserung seiner Qualitätssicherung verkaufen.

Hmm. Lösung ohne Problem bringt nichts. Also lassen Sie uns über mögliche Probleme nachdenken. Der Moderator steht am Flipchart und lässt sich typische Probleme zurufen, die genau dieser Wunschkunde haben könnte und die Sie lösen wollen. Jetzt kommt der Stammtisch-Filter ins Spiel. Angenommen einer der Zurufe lautet: „Die Transparenz in der Datenqualität zu gering.“ Jetzt stellen wir uns vor, der Wunschkunde hätte einen Stammtisch mit seinen Kumpels, die er schon seit der Grundschule kennt und die er alle vier Wochen trifft. Die illustre Runde besteht aus dem Pfarrer, dem Metzger – der auch einen florierenden Partyservice betreibt – und dem Bäcker, der immerhin vier Filialen aufgebaut hat. Selbstverständlich gehört auch der Wirt dazu, bei dem sich alle treffen. Heute ist also der Stammtisch. Unser Wunschkunde betritt das Lokal, hängt seine Jacke auf, setzt sich an den Tisch, bestellt ein Bier und blickt mit Sorgenfalten in die Runde. Seine Freunde sehen sofort, dass etwas nicht stimmt und einer fragt: „Was ist mit dir?“ Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Produktionsleiter jetzt antwortet: „Meine Transparenz in der Datenqualität ist zu gering“? Wohl kaum. Das ist nämlich ein konstruiertes Problem, das Lösungsverkäufer sich vielleicht wünschen, aber das in der freien Wildbahn so nicht vorkommt. Es ist schon eher vorstellbar, dass er sagt: „Wir haben so viele Qualitätsdaten, dass ich schon gar nicht mehr durchblicke, was davon relevant ist.“ Zu solchen relevanten Aussagen kommen Sie mit der Anwendung des Stammtisch-Filters.

Wenn also einige typische Probleme gefunden wurden, nummerieren Sie diese Probleme und jeder im Raum bekommt eines zugeteilt. Wenn weniger Probleme als Meeting-Teilnehmer gefunden wurden, werden die Probleme mehrfach verteilt. Bei sechs Teilnehmern und zwei Problemen bekommt der Kollege Nr 1 das Problem 1, Nr 2 bekommt Problem 2, Nr 3 bekommt wieder Problem 1 und so fort. Jeder schreibt „sein“ Problem ganz oben auf ein leeres Blatt. Den Rest des Blattes unterteilt nun jeder mit zwei senkrechten Linien in drei gleich breite Spalten und beschriftet die drei Spalten mit den Überschriften „Ursachen“, „Auswirkungen“ und „Nutzen unserer Lösung“. Jetzt ist Denken und Schreiben angesagt. Jeder hat zehn Minuten Zeit, um seine Gedanken aufzuschreiben. Dabei ist es unerheblich, ob zuerst nur eine Spalte gefüllt wird oder ob zeilenweise Ursachen, Auswirkungen und Lösungen aufgeschrieben werden. Nach zehn Minuten werden die Blätter im Ringtausch weitergereicht. Jeder bekommt ein Blatt, auf das der Kollege bereits einiges geschrieben hat. Das wird gelesen und nun mit den eigenen Gedanken ergänzt. Wieder stehen zehn Minuten dafür zur Verfügung. Nach einem weiteren Ringtausch und weiteren zehn Minuten hat jeder ein mehrfach beschriftetes Blatt vor sich liegen. Meine Teilnehmer sind immer wieder überrascht, wie viel konkretes Wissen in den Köpfen der Vertriebsmannschaft diffus vor sich hinschlummert.

Was geschieht als Nächstes? Am besten bestimmen Sie einen Kollegen, der die Problemtabellen in eine gut lesbare Form bringt. Dabei sollten gleiche Probleme zusammengefasst werden. Wenn das geschehen ist, bekommt jeder Mitarbeiter im Vertrieb einen Satz der Problemtabellen. Was macht man damit? Die Problemtabelle ist der Wissensspeicher für Kundenprobleme und wird zur Vorbereitung unmittelbar vor dem Kundenkontakt genutzt. Wenn Sie vor einem Kundentelefonat oder -besuch die für ihn relevanten Problemtabellen überfliegen, werden Sie sich optimal auf seine Perspektive einstellen können. Statt mit Ihren Gedanken und Problemen werden Sie sich nun mit der Denkweise des Kunden befassen und auf diese Weise das Gespräch beginnen. Das hilft enorm.

Wenn Sie ernsthaft mit Problemtabellen arbeiten wollen, werden Sie nicht nur regelmäßig neue erstellen, sondern auch mindestens einmal pro Jahr die bereits bestehenden Tabellen einem Realitäts-Check unterziehen. Dann werden die Problemtabellen an die Kollegen im Vertriebsmeeting verteilt, verbunden mit der Bitte, Relevantes zu markieren, Unsinn zu streichen und Ergänzungen zu notieren. So halten Sie das Wissen im Vertrieb auf dem neuesten Stand und für die komplette Mannschaft nutzbar.

In der kommenden Woche beschäftigen wir uns mit Referenzen und wie Sie diese für maximale Wirkung aufbereiten können.