Was der Unternehmer von der Investition hat – also welche Vision er für das Unternehmen mit der Anschaffung verfolgt – ist der Kernpunkt dieser Ausgabe. Die Nutzenfrage ist sehr mächtig, um eine Investition vorzubereiten und dem Entscheider alle Möglichkeiten für eine gute Entscheidung zu geben.

Handlungsdruck ist das Schlagwort, das Sie jetzt vielleicht im Kopf haben, wenn Sie an die letzte Ausgabe denken. Da haben wir geklärt, warum neben einem einfachen Motiv auch ein gewisser Handlungsdruck notwendig ist, um eine komplexe Investitions- oder Kaufentscheidung zu treiben. In dieser Episode geht es um den zweieiigen Zwilling des Handlungsdrucks, den Nutzenwunsch.

Verkaufspsychologie

Wenn Psychologen über Motivation sprechen, unterteilen Sie Anreize auch in „von-weg-Anreize“ und „hin-zu-Anreize“. Vergangene Woche haben wir über Handlungsdruck gesprochen, der ganz klar einen Anreiz beschreibt, die aktuelle Situation zu verlassen. Das benötigen wir beim Gewinnen von Geschäftskunden, weil Investitionsentscheidungen in der Realität nur dann fallen, wenn der Status quo nicht mehr tragbar ist (oder demnächst untragbar wird).

Das alleine ist jedoch noch nicht genug, wenn Sie erreichen wollen, dass sich der Kunde in der Vielzahl der ihm dargebotenen Optionen für Sie entscheidet. Dafür muss auch ein ausreichender „hin-zu-Anreiz“ zur Zusammenarbeit mit Ihnen gegeben sein. Wollen wir das Vision nennen?

Bestimmt kennen Sie den Spruch, den Helmut Schmidt in Zeiten des Wahlkampfes gebraucht hat, um eine Äußerung seines politischen Gegners lächerlich zu machen. Schmidt soll gesagt haben „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“. Dem stimme ich zu. Wer Visionen (Mehrzahl) hat, der möge sich Hilfe suchen. Wer eine Vision hat, der wird sich davon leiten lassen.

Vision leitet Handlungen

Jedes Unternehmen braucht eine Vision © Fotolia 2016 / tinx

Jedes Unternehmen braucht eine Vision © Fotolia 2016 / tinx

Eine Vision ist eine konkrete Vorstellung einer zukünftigen Situation. Eine plastische Vorstellung, die eine für mich (noch) nicht realistische, aber mögliche Zukunft beschreibt. Ein Bild, das mich beeinflusst und bei einer positiven Vision auch sehr stark anzieht. Umgekehrt ist es schwierig, sich für etwas einzusetzen, das man sich nicht vorstellen kann. Was ich nicht in meiner Fantasie erfinden kann, das kann ich auch in der Realität nicht anstreben.

Meine Oma war bekannt für den Spruch „Wenn du wegen einer Erkältung zum Arzt gehst, dauert sie 14 Tage. Wenn nicht – zwei Wochen.“ Für sie war also klar, dass es keine Aussicht auf Besserung gibt, wenn man wegen einer einfachen Erkältung zum Arzt geht. Sie konnte sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht vorstellen, dass der Arzt hilft. Mit dieser Sichtweise wird man also wohl kaum zum Arzt gehen und sich behandeln lassen.

Wir tun also gut daran, die Vorstellung des Nutzens unserer Zusammenarbeit in der Vorstellungskraft des Entscheiders zu verankern. Wir wollen im Gespräch mit ihm genau skizzieren, was er bekommt, wenn er sich richtig entscheidet. Und dafür sollten wir die richtigen Fragen stellen.

Die richtige Nutzenfrage

Wie stellt man gute Fragen nach der Nutzenerwartung? Wie bringt man den Kunden dazu, sich seiner Vorstellungskraft zuzuwenden? Nun, das steckt schon in der Frage drin: Indem wir genau seine Fantasie und Vorstellungskraft ansprechen.

Sehen wir uns einen Dialog an, der anschließt an einen der Beispieldialoge aus der letzten Woche:


Verkäufer (stellt Auswirkungsfrage): Ein Prozent Zinserhöhung. Welche monetären Konsequenzen hätte das in etwa für Ihr Unternehmen ab dem kommenden Geschäftsjahr?

Kunde: Nun, das wollen wir ja gerade vermeiden. Rein kalkulatorisch ergeben sich bei unserem Stand des Fremdkapitals zusätzliche Finanzierungskosten in der Größenordnung von circa 45.000 € pro Jahr.

Verkäufer: Nehmen wir an, wir können gemeinsam etwas sinnvolles dagegen tun – was konkret müsste erreicht sein, damit Sie zufrieden sind?

Kunde: Na ja – das Risiko der Zinserhöhung müsste verschwinden.

Verkäufer: Ok. Ich denke das lässt sich realisieren. Und woran genau werden Sie erkennen, dass das für Sie erreicht ist?

Kunde: Wenn ein Gespräch mit unserer Bank das bestätigt. Also wenn unser Betreuer von der Hausbank die Kriterien offenlegt und diese durch Ihre Lösung erfüllt sind.

Verkäufer: Verstehe. Also wenn wir die Kriterien der Hausbank erfüllen, um die Risikobewertung für Ihr Unternehmen zu halten (oder gar zu verbessern), dann wäre das für Sie Grund genug, diese Investition ernsthaft in Erwägung zu ziehen?

Kunde: Ja. Das wäre dann realistisch, wenn auch noch die Investitionssumme zum Return on Invest passt.

Verkäufer: Nehmen wir an, die Risikothematik ist gelöst – in welchem Verhältnis müsste die Investitionssumme zum Return on Invest stehen?

Kunde: Wir investieren nur in Projekte, wenn der ROI binnen 18 Monaten erreicht wird.

Verkäufer: Ok. Also wenn wir neben der Klärung der Risikobewertung eine von Ihnen bestätigte ROI-Rechnung zeigen können, die binnen 18 Monaten oder schneller einen Ertrag zeigt, dann kommen wir ins Geschäft?

Kunde: Wenn das alles erreicht ist, kann ich mir das sehr gut vorstellen.

Dieser Dialog zeigt, dass es sehr sinnvoll sein kann, ganz in die Kundenperspektive zu gehen und genau zu verstehen, was er im Moment denkt. Es lohnt sich herauszufinden, was genau er erwartet und woran er den künftigen Erfolg festmacht.

Nutzenerwartungen sind individuell

Der in diesem Beispiel vom Kunden dargestellte Nutzen ist sehr speziell. Die Wahrscheinlichkeit, dass selbst ein erfahrener Verkäufer genau diesen Nutzen erraten hätte, ist sicherlich sehr gering. Daher ist es so einfach und gleichzeitig so wirkungsvoll, wenn wir statt Argumenten in erster Linie Fragen produzieren. Nur so kommen wir zu der Perspektive, die der potenzielle Kunde auf den möglichen Nutzen hat. Nur so bekommen wir den echten Nutzen.

Ein Vorteil ist ein beliebiger, konstruierter, möglicher Nutzen. Ein echter Nutzen kann nur entstehen, wenn wir vorher verstanden haben, was genau der Kunde will. Was genau seine Erwartungshaltung an einen Nutzen ist. Und das gelingt nur durch Fragen.

Lassen Sie uns noch etwas Zeit investieren, um einige Beispiele für die Formulierung von Nutzenfragen zu diskutieren:

„Lieber Kunde, stellen Sie sich vor, ich bin die Waldfee und Sie hätten drei Wünsche frei – welche idealen Verbesserungen würden Sie sich im Zusammenhang mit **Nutzenbeschreibung** für das Jahr 2016 wünschen?“

„Angenommen, wir treffen uns heute in einem Jahr wieder und blicken zurück auf ein erfolgreich realisiertes Projekt – was genau würde sich im Zusammenhang mit **Nutzenbeschreibung** für Sie messbar verbessert haben?“

„Wenn es so etwas wie eine Zeitmaschine gäbe und wir jetzt die Gelegenheit hätten, auf diese Weise einen Blick in die Zukunft zu werfen – welche positiven Veränderungen könnten wir dann im Zusammenhang mit **Nutzenbeschreibung** heute in zwölf Monaten im besten Fall schon sehen?“

Bauplan für Nutzenfragen

Diese drei Beispiele sind nach einem Bauplan erstellt worden, den Sie gerne für Ihre Fragen verwenden dürfen.

1. Annahme statt Abfrage
Hier wurden mehr oder weniger fantastische Annahmen formuliert, sodass die Fantasie angeregt wird. Je verrückter die Annahme, desto freier die Vorstellungskraft. Wenn Sie abfragen würden „was wird sich verändert haben?“, dann bekämen Sie sicher eher vorsichtige Antworten oder gar ein „Ich kann doch nicht in die Zukunft sehen“. Aber wenn Sie bewusst den Konjunktiv verwenden und offen lassen, ob es tatsächlich so wird, dann steigt die Bereitschaft über das Mögliche nachzudenken.

2. Positiver Fokus
Die Fragen lenken alle den Blick auf ein „erfolgreiches Projekt“ oder „positive Veränderungen“. Schon die Formulierung der Frage lässt das erwünschte Ergebnis im Kopf des Gesprächspartners entstehen.

3. Konkrete Zukunft
Bestimmt ist Ihnen aufgefallen, dass alle Formulierungen einen konkreten Zeitraum enthalten. Obwohl wir eine eher unrealistische Annahme wählen, um die Fantasie anzuregen, verwenden wir eine sehr präzise Aussage zum Zeitrahmen. Das dürfen Sie auch so übernehmen, damit die Antwort des Kunden nicht nur wilde Spekulationen, sondern eine auf den Zeitpunkt bezogen realistische Annahme werden kann.

Wenn es uns gelingt, sowohl den Nutzen als auch den Schmerz des Kunden zu identifizieren, dann haben wir das wichtigste Ergebnis der Gesprächsführung erreicht. Dann haben wir die beiden Komponenten für Investitionsentscheidungen gefunden. Beide zusammen ergeben den konkreten Bedarf. Solange wir nur ein Problem gefunden haben – und sei es noch so groß – sind wir nur beim latenten Bedarf. Denn wer ein Problem hat, der könnte eine Lösung gebrauchen. Das heißt noch lange nicht, dass er in eine Lösung investieren will, um einen neuen Status zu erreichen. Millionen von Rauchern führen das täglich vor: Obwohl Rauchen problematisch für die Gesundheit ist und obwohl es jede Menge Lösungsmöglichkeiten gibt, davon weg zu kommen, gibt es noch immer genügend Nikotiniker.

Wenn Sie Ex-Raucher sind, dann können Sie bestimmt nachempfinden, wie für Sie der Entschluss entstanden ist, Nichtraucher zu werden und in die Rauchentwöhnung zu investieren. Zum einen haben Sie sich konkrete Auswirkungen klar gemacht (Schmerz), die Sie treffen werden, wenn Sie weiter rauchen würden. Das alleine trägt aber noch nicht, um über die Hürden der ersten Tage ohne Zigaretten hinwegzuhelfen. Dazu benötigen Sie auch noch eine klare Vorstellung darüber, was Sie genau erwartet, wenn Sie es geschafft haben werden. Das ist die Nutzenerwartung. Und diese beiden Komponenten zusammen, also Schmerz und Nutzenerwartung, diese beiden Teile ergeben den konkreten Bedarf.

Der Kunde kann nur entscheiden, was er sich auch vorstellen kann

Latenter Bedarf bedeutet, dass Sie etwas gebrauchen könnten. Erst wenn es konkreter Bedarf wird, wollen wir entscheiden. Professionelle Berater und Verkäufer haben es gelernt, dieses Handwerkszeug anzuwenden. Sie sind in der Lage, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie benutzen diese Art der Fragetechnik, um „die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen“ zu sortieren. Profis wissen, dass auch bei besten Methoden zur Rauchentwöhnung noch immer genügend Raucher existieren. Und ebenso gibt es jede Menge potenzielle Kunden, die nie zu Ihren Kunden zählen werden, obwohl alle Voraussetzungen gegeben sind. Professionelle Verkäufer nutzen Fragen, um zügig diejenigen zu finden, die sich wahrscheinlich entscheiden werden, um dort ihre Kraft zu investieren und eben nicht auf jeden latenten Bedarf hereinzufallen um dann hartnäckig ihre wertvolle Zeit zu verschwenden. Wenn Sie sich darauf konzentrieren, den konkreten Bedarf zu finden und andere Verkaufs-Chancen ohne konkreten Bedarf aussortieren, dann werden Sie Ihre Vertriebsarbeit optimieren.

In der kommenden Episode beschäftigen wir uns mit möglichen Hindernissen im Verkaufsgespräch: Den Einwänden. Und mit der Frage, wie man sie behandelt – oder noch besser – wie man sie vermeidet.