Vertriebspsychologie = Manipulation = unethisch?

Wir überschätzen unseren sogenannten gesunden Menschenverstand in vielen Fällen. Diese Erkenntnis ist wichtig für Verkäufer: Wir wollen Kundenentscheidungen bewirken. Dafür sind wir da. Entscheidungen sind der Lohn unserer Arbeit.

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Wir suchen Zustimmung. Wir wollen das „Ja“.

Aber wenn wir (und unsere Kunden) Entscheidungen eben nicht immer nur rational fällen – wie dann? Wie können wir dem Entscheider helfen, die richtige Entscheidung zu treffen – nämlich im Zweifel für uns? Und wie machen wir das so, dass wir uns auch noch Jahre später morgens im Spiegel anschauen können und uns selbst mögen?

Diese acht Methoden der Vertriebspsychologie hat vor eingen Jahren Robert Chialdini herausgearbietet. Sie sollten sie kennen, denn sie helfen Ihnen dabei die Entscheidung des Kunden sinnvoll zu lenken.

Kontrastprinzip

Können Sie auf Anhieb etwas mit dem Begriff „Kontrastprinzip“ anfangen? Dieses Mittel der Vertriebspsychologie ist schnell erklärt: Zwei Sachverhalte, die wir wahrnehmen, erscheinen uns aufgrund eines bestimmten Merkmals unterschiedlicher, als sie eigentlich sind.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Kunde und fragen im Vertriebsgespräch nach einem Preis. Es ist eine komplexe, schlecht vorher zu planende Dienstleistung. Nehmen wir als Beispiel, Sie wollen Ihren Garten neu bepflanzen lassen. Ein Schwimmteich soll her und der Zaun soll erneuert werden. Weil Sie sich orientieren wollen, fragen Sie nach dem Preis. Auf der Basis dieser vagen Angaben einen genauen Preis nennen zu wollen, ist aber kaum möglich. So mancher Verkäufer wird jetzt sagen: „Das kann von 3.000 bis 6.000 Euro kosten.“

Vermutlich bleibt in Ihrem Gedächtnis jetzt die untere Zahl hängen. Wenn dann später ein detailliertes Angebot entstehen soll, wären Sie bei einer höheren Zahl nicht zufrieden.

Wie wäre es, wenn der Verkäufer gesagt hätte: „Wenn Sie jetzt befürchten, dass Sie das sechs- oder siebentausend Euro kosten wird ( P a u s e ), dann kann ich Sie beruhigen: Da liegen wir mit Sicherheit darunter.“

Mit so einer Aussage wird das spätere Angebot wesentlich verträglicher. Denn der Kunde wird in jedem Fall positiv überrascht, wenn der Preis unter den „befürchteten“ 7.000 Euro liegt.

Diese kleine Idee des Kontrastprinzips kann Ihre Vertriebspraxis erheblich erleichtern. Kundenmanipulation muss ja nicht immer drastisch und offensiv sein. Kleine Maßnahmen bleiben unter dem Radar und erleichtern unseren Beruf ganz erheblich.

Reality Loop

Dieses Konzept der Vertriebspsychologie stammt von meinem Kollegen Alexander Hartmann. Der Loop besteht aus vier Elementen, die jeweils bei allen Erfahrungen unseres Alltags gleichzeitig auf unterschiedlichsten Ebenen stattfinden:

  1. Imagination
  2. Physiologie
  3. Erfahrung
  4. Glaubenssätze

Meine reine Vorstellung lässt mich bereits fühlen. Wenn ich mir intensiv vorstelle, in eine Zitrone zu beißen, bewirkt das schon körperliche Reaktionen, die auf Erfahrungen basieren.

Wenn ich schon einmal auf eine heiße Herdplatte gefasst habe, kenne ich den Schmerz, der dadurch ausgelöst wird.

Die Erfahrung ist das, was ich bislang erlebt habe. Je intensiver diese Erfahrung ist, desto unumstößlicher sind meine Glaubenssätze. Und was ich glaube, formt wiederum meine Vorstellung. Der Kreislauf ist perfekt.

Wer Verhalten ändern will – etwa, weil ein Kunde sich für mich statt für einen Wettbewerber entscheiden soll –, muss Wege finden, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Er muss an geeigneter Stelle Gedanken, Bilder, Handlungen oder Erfahrungswerte einfließen zu lassen, die dafür sorgen, dass sich die Einstellung gegenüber einem Sachverhalt verändern kann.

Reziprozität

Wer gibt, löst dadurch ganz oft beim Begünstigten den Impuls aus, sich zu revanchieren. Dieses Prinzip ist nicht allein auf die Vertriebspsychologie beschränkt, sondern wirkt überall. Es funktioniert vor allem dann, wenn das Geschenk für den Beschenkten einen individuellen Wert hat. Es geht also weniger um wertvoll im monetären Sinne, sondern um genau passende Zuwendungen.

Den Effekt der Reziprozität kann der Gebende sich zunutze machen, indem er zunächst gibt, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Miteinander kombiniert, können Reziprozität und das Kontrastprinzip übrigens eine interessante Wirkung entfalten.

Steht ein potenzieller Kunde durch eine frühere Gefälligkeit bereits in Ihrer „Schuld“, so können Sie in der Preisverhandlung ganz auf Ihr Wissen über das Kontrastprinzip setzen. Geschickt eingesetzte Kontraste („Die Nutzung des Produktes XY kostet Sie nur X Euro, spart Ihrem Unternehmen jedoch jährlich Y Euro“ etc.) wirken dann im Zusammenspiel mit dem Gefühl, in Ihrer Schuld zu sein, und erhöhen dabei Ihre Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss.

Ein Blick ins Gehirn Ihrer Kunden: Schauen wir uns in meinem E-Book zur Vertriebspsychologie etwas genauer an, was hinter Entscheidungen steckt, wie Ihr Kunde denkt und wie Sie Entscheidungen gezielt lenken.

Autorität

Autorität beschreibt das Ansehen, das eine Person oder Institution hat. Sie bewirkt, dass sich andere im Denken oder Handeln nach ihr richten. Für Unternehmer oder Verkäufer kann es von großem Vorteil sein, als Experte auf dem jeweiligen Fachgebiet wahrgenommen zu werden.

Aber Achtung! Auch hier gilt wieder: Vorsicht! Begehen Sie nicht den Fehler, sich als allwissender Gönner zu positionieren. Kunden sind heute meist schon umfassend informiert. Nutzen Sie dieses Mittel der Vertriebspsychologie, indem Sie Ihre Autorität durch ein souveränes Auftreten oder Referenzen untermauern. Letztere spielen zudem auf das Prinzip der sozialen Bewährtheit ein: Wenn wir sehen, dass andere etwas für sinnvoll oder lohnenswert halten, gehen wir bereitwilliger auf ein Angebot ein.

Sympathie

Wir mögen Menschen, die uns ähnlich sind und die nett zu uns sind.

So stellte man in einer Studie fest, dass der Prozentsatz der Leute, die auf eine Briefumfrage reagierten, durch eine kleine Maßnahme signifikant erhöht werden konnte: Auf dem Anschreiben wurde der Name des Absenders dem des Adressaten angeglichen. So erhielt beispielsweise Cynthia Johnston einen Fragebogen von einer Mitarbeiterin namens Cindy Johanson, während Robert Greer seinen Fragebogen von einem gewissen Bob Gregar zugeschickt bekam. In zwei Studien konnte die Zahl der zurückgeschickten Fragebogen durch diesen Trick verdoppelt werden.

Komplimente (sofern sie nicht übertrieben oder unangebracht sind) und Ähnlichkeit fördern Sympathie, die sich positiv auf Ihren Vertriebserfolg auswirkt. Allerdings sollten Sie Ihrem Gegenüber stets aufmerksam begegnen, damit Sie nicht fälschlicherweise aufgrund Ihrer eigenen Interessen von Gemeinsamkeiten ausgehen, die eigentlich gar nicht vorhanden sind. Und auch auf Komplimente sollten Sie lieber verzichten, wenn Sie diese nicht ernst meinen.

Ebenso bewährte vertriebspychologische Elemente sind:

  • Kuriosität (wir machen unseren Kunden neugierig auf das Angebot)
  • Konsistenz (unsere Aussagen widersprechen sich niemals)
  • Verknappung (wir beschränken das Angebot auf einen bestimmten Zeitraum oder ein bestimmtes Produkt – das aber bitte nur in Maßen!)

Psychologie im Vertrieb hat die Kunden im Fokus

Klar, dass bei der Vertriebspsychologie die Kunden und ihre Sichtweise im Fokus des Interesses stehen.

Schließlich wird der Entscheider später seine Investitionsentscheidung auf der Basis seiner Wahrnehmung und der daraus abgeleiteten Rückschlüsse treffen. Um Verkaufspsychologie gekonnt zu nutzen, sollten Sie sich deshalb mit der Entstehung von Erkenntnissen und Entscheidungen beschäftigen. Das umfasst z.B. die Fragen:

  • Wie gehen Kunden bei Bewertungen von Eigenschaften vor?
  • Wie kann man die Wahrnehmung durch Sprache verändern?
  • Welche Formen von Manipulation lassen sich im Business seriös anwenden?
  • Was kann man tun, um eingefahrene Meinungen zu ändern?
  • Wie kann man Zaudern bei der Entscheidung überwinden?

Auch wenn die Kundenentscheidung letztlich den Ausschlag bringt, ist sie jedoch nicht der einzige Aspekt der Vertriebspsychologie, den wir beachten sollten.

Die Psychologie des Verkäufers

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Ein Aspekt, der in der Betrachtung des Vertriebserfolgs oft vergessen wird, ist die Denkweise der Personen auf der Seite des Anbieters: Die Verkäufer und Verkäuferinnen oder – wie sie immer öfter genannt werden – auch die Vertriebler, Account Manager und Sales Representatives.

Sie sollen Kunden ansprechen, Interesse vertiefen, Entscheidungen bewirken und bei Verhandlungen das Beste erreichen. Aber was ist mit der Psyche dieser Personen? Wir wollen auch ergründen, wie die Damen und Herren der Vertriebsmannschaft sich selbst ergründen und beeinflussen können:

  • Wie gehe ich mit anhaltendem Misserfolg um, ohne aufgeben zu wollen?
  • Warum fällt es mir so schwer, „Nein“ zu sagen, auch wenn das „Ja“ für mich Nachteile hat?
  • Wie kann ich mich von unwichtigen Kunden ohne Reue verabschieden?
  • Wie kann ich mich auf schwierige Aufgaben optimal einstimmen?
  • Welchen Anteil am Misserfolg trage ich selbst durch meine Aussagen und Verhaltensweisen?

Die Fähigkeit, die eigenen Verhaltensweisen sozusagen aus der Vogelperspektive zu betrachten, ist ganz entscheidend für eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit und daraus folgend der Verhaltensmuster im Alltag.

Vertriebspsychologie als Erfolgsfaktor

Es ist interessant zu sehen, dass die Verbindung aus wirtschaftlichen Wissenschaften und psychologischen Forschungsergebnissen bislang kaum Einzug in die Chefetagen der Unternehmen gefunden hat. Zu oft sind die Entscheidungen über Konzepte dem persönlichen Erleben der einzelnen Führungskraft unterworfen. Damit fallen Entscheidungen über Methoden und Vorgehensweisen, frei nach dem Motto: „Ich habe es so gemacht und es hat geklappt, also macht es auch so!“

Viel cleverer ist es jedoch, die eigenen Erfolge (und Misserfolge) methodisch einzuordnen und zu verstehen, was genau zu Erfolg und zum Gegenteil geführt hat. „Glaub nicht alles, was du denkst“ ist eine kleine Provokation, über die es sich lohnt nachzudenken. Laden Sie sich dazu am besten mein Arbeitsheft zur Vertriebspsychologie herunter und lernen Sie, in Ihren und in den Kopf Ihrer Kunden zu schauen. Nur dann kann es gelingen Entscheidungen zu verstehen und zu beeinflussen.