Kennen Sie diesen Spruch? „Ich würde ja gerne bei Ihnen kaufen, aber der Wettbewerber ist bei gleichem Angebot 10% günstiger. Wenn Sie gleichziehen, haben Sie den Auftrag!“ Eine Steigerung wäre beispielsweise die Aussage: „Der Wettbewerber ist 20% günstiger. Bei gleichem Angebot. Weil wir uns schon so lange kennen, gebe ich Ihnen den Auftrag, wenn wir uns auf der Hälfte treffen.“

Das klingt vernünftig und so mancher wird denken „So ein Glück, dass ich eine gute Beziehung zu meinen Einkäufern aufgebaut habe!“ Aber ich denke, dass das nur ein psychologischer Trick ist, um Sie einzulullen.

Psychologische Tricks in der Verhandlung

Sehen wir das auch mal aus der Perspektive des Einkäufers: Sie haben zwei (oder mehrere) Angebote vor sich liegen, die absolut vergleichbar sind. Es gibt qualitativ keinen relevanten Unterschied. Allerdings ist der Preis unterschiedlich. Welchen Grund sollten Sie haben, den Anbieter mit dem höheren Preis anzurufen und ihn zu bitten, seinen Preis leicht zu senken?

Vermutlich keinen. Sie müssen ja nur den günstigeren Preis wählen und dann haben Sie ja schon erreicht, was Sie sonst erst nach einem weiteren Telefonat erreichen würden. Und es gibt wohl keinen Grund aus der Sicht des Einkäufers, bei absolut vergleichbaren Angeboten etwas mehr zu bezahlen nur, weil man sich schon länger kennt. Im Gegenteil, dies wäre wohl eher ein Kündigungsgrund für den Einkäufer. Ich kann mir das auf zweierlei Weise erklären:

A) Die eine Erklärung für die Verhaltensweise des Einkäufers ist, dass die Angebote eben doch nicht gleich sind. Es gibt offenbar einen Qualitätsunterschied, weil er ja sonst ohne weiteres Nachdenken den günstigeren Anbieter wählen könnte.

Das kann an den Lieferbedingungen, der Gewährleistung oder sonstigen Wechselkosten zwischen den Lieferanten liegen. Auf jeden Fall sind die Angebote nicht gleich. Jetzt geht es darum herauszufinden, welchen Wert die bessere Qualität aus Sicht des Kunden hat. Denn schließlich würden Sie dieses Gespräch gar nicht mehr führen, wenn es keinen relevanten Qualitätsunterschied gäbe.

B) Sie sind bereits der günstigste Anbieter und der Einkäufer versucht mit diesem Trick Sie noch weiter im Preis zu drücken: „Sie wissen ja, dass Sie immer einen Tick zu teuer sind, aber wenn Sie um x% runtergehen, sind wir im Geschäft…“

Die Psychologie des Stärkeren – Im Kopf die Preisverhandlung gewinnen

Psychologie der Verhandlung © Fotolia/vetre

Preisverhandlung ist Kopfsache! © Fotolia/vetre

Nehmen wir noch ein anderes Beispiel: Ich selbst bin kein großer Fan von Einkaufstouren. Wenn ich neue Kleidung brauche, dann gehe ich an einem Samstag zu einem meiner bevorzugten Herrenausstatter und nehme mir eine gute Stunde Zeit. Gerne zu einem guten Herrenausstatter, bei dem ein großes Angebot verfügbar ist. Ich lasse mich von einem Verkäufer beraten und probiere viele Anzüge an. Da kommen dann oft zwei, drei oder mehr Anzüge zusammen, die ich kaufen will. Diese lasse ich auch gleich von einem Schneider abstecken, damit die Anpassungen an Hosenlänge und Ärmeln geändert werden können.

Und wenn es dann auf den Weg zur Kasse geht, steige ich in die Verhandlung ein. Ich sage provozierend: „Da ist ja ganz schön was zusammengekommen. Da müssen Sie mir aber einen guten Preis machen!“ Und fast immer bekomme ich einen Preisnachlass in einer Höhe, der mir und meiner Liebsten nachher das Mittagessen samt zwei Gläsern Champagner bezahlt. Warum bekomme ich so viel Geld vom Verkäufer geschenkt? Vermutlich weil er denkt: „Oh Mist. Jetzt habe ich mehr als eine Stunde mit dem Kerl verbracht. Wenn der jetzt nicht kauft, ist mein Tagesumsatz ruiniert. Ich muss ihm einen kleinen Nachlass geben, damit er kauft…“

Mutprobe bei der Preisverhandlung

Allerdings passiert es mir zuweilen auch, dass ich keinen Nachlass bekomme. Dann sagt der Verkäufer etwas wie: „Ah. Wissen Sie, zu dieser Zeit der Saison sind die Preise schon so weit angepasst, dass kein Spielraum mehr drin ist. Aber Sie können sich hier gerne ein Paar aussuchen.“ Und dann hält er mir eine große Glasschale mit einfachen Manschettenknöpfen in allen Farben hin. Solche, die bei Hemden mit Manschetten mit dabei sind. Er lächelt dabei und sagt mit jeder Faser seines Körpers: „Ich mache gerne Geschäfte mit Ihnen und ein Rabatt ist nicht möglich.“ Und das tut er, weil er genau weiß, dass ich jetzt auch keine Lust mehr habe die ganze Prozedur in einem anderen Herrenausstatter durchzumachen.

Worin unterscheiden sich die beiden Verkäufer? Vor allem in der inneren Einstellung. Der eine denkt: „Ich muss“ und der andere denkt: „Ich kann“. Der erste denkt, er hat ein Problem: „Ich muss den Kunden gewinnen“ und der andere denkt, er habe die Lösung: „Ich kann dir bieten, was du brauchst“.

Wenn das alles so einfach ist, warum gelingt es uns dann nicht das Verhandlungsende zu erklären, obwohl man noch Spielraum hat? Warum fällt es Verkäufern so schwer zu behaupten, dass keine weiteren Nachlässe möglich sind, obwohl sie theoretisch noch eine Möglichkeit hätten den Preis zu senken?

Die Erklärung ist, dass auch weniger gut geschulte Einkäufer es intuitiv erkennen, wenn noch Spielraum vorhanden ist. Das erkennt man auch ohne große Ausbildung zum Verhandlungsprofi an kleinen Gesten, der Formulierung im Konjunktiv und anderen unbewussten Aussagen des Verhandlungspartners, die man nur mit einer wirklich aufwändigen Ausbildung zu unterdrücken lernt.

Mentale Vorbereitung auf die Preisverhandlung

Vor langer Zeit, als ich noch nicht Unternehmer, sondern als Vertriebsleiter verantwortlich für ein größeres Team war, hatte mich ein Mitarbeiter gebeten, einen Termin bei einem Einkaufsleiter für ihn wahrzunehmen. Der Hintergrund war: Der Einkaufs-Chef hatte gerade neu angefangen. Es war mit dem Unternehmen bereits alles verhandelt, es gab einen Vertrag, der noch einige Jahre Laufzeit hatte. Es gab also überhaupt keinen Grund nochmals über den Preis zu reden. Aber wie es halt so ist, versucht ein neuer Einkäufer auf diese Art und Weise ein Zeichen zu setzen. Ist ja auch ok. Kann man ja probieren.

Und deswegen hat mich mein Mitarbeiter gebeten: „Fahr du da hin. Weil ich ja nachher noch mit ihm klarkommen muss.“ Und ich habe dann überlegt, was mache ich da? Es war ja klar, die würden versuchen mich zu derangieren, aus der Fassung zu bringen, zur Verzweiflung zu bringen, damit ich vielleicht irgendwann sage: „Ja ok, dann mache ich euch einen anderen Preis.“ Das wusste ich ja vorher. Also habe ich mir vorgenommen, ich werde außer der Begrüßung nichts anderes sagen als: „Was wollen wir heute gemeinsam erreichen?“ Das war mein Panik-Satz.

Und als ich dann am Verhandlungsort eintraf, war dieser schon von den Einkäufern vorbereitet. Ein Raum mit der gefühlten Größe eines Herrenklos, aufgeheizt auf 24 Grad, nichts zu trinken, drei Einkäufer und am winzigen Verhandlungstisch leider kein Platz mehr für meine Unterlagen. Mit einem Wort – die perfekte Inszenierung einer Verkäufer-Bestrafung.

Die Psycho-Tricks gut ausgebildeter Einkäufer

Die drei Einkäufer haben mit sauber abgestimmten Rollenwechseln mir alle möglichen Sachen an den Kopf geworfen, mich beleidigt und provoziert. Und ich habe einfach nur immer stur und auch relativ entspannt gesagt: „Ok, und was wollen wir heute gemeinsam erreichen?“ Bis der Erste ausgerastet ist und den Raum verlassen hat. Der Versuch war es, aus Sicht der Einkäufer, durchaus Wert. Aber wenn es diesmal nicht funktioniert hat, dann probiert man es eben bei einem anderen Lieferanten. Wenn der Verkäufer sich vorher darauf eingestellt hat, mit der Sicherheit eines oder mehrerer Panik-Sätze souverän zu bleiben, dann kann wirklich nichts passieren. Wenn Einkäufer die Angst riechen, dann holen sie sich ihren Tribut.

Legen Sie sich den Panik-Satz auf die Kurzwahltaste eins. Also da, wo früher beim guten alten Handy der leicht erhobene Nippel war, den man auch blind gut finden konnte. Da drauf drücken und dann kommt automatisch dieser eine befreiende Satz. Das klappt in Extremsituationen besonders gut. Stellen wir uns vor, ein Verhandlungspartner hat jetzt gerade zu mir gesagt: „Herr Heinrich, vielen Dank. Was Sie in den letzten zehn Minuten gesagt haben, war das inkompetenteste was jemals ein Mensch, der auf diesem Stuhl gesessen hat, zu mir gesagt hat. Und außerdem muss ich Ihnen sagen: Sie haben ja wohl überhaupt keine Ahnung.“ Es könnte sein, dass man jetzt nicht mehr auf Betriebstemperatur ist, sondern emotional schon leicht im roten Bereich. Und dann passiert genau das, was wir nicht wollen: Panik entsteht und das Gehirn schaltet sich teilweise ab. Wenn ich aber vorher gelernt habe, dass ich in solchen Situationen, wo mir nichts mehr einfällt, einen Panik-Satz spreche, dann habe ich eine Chance dieses Gespräch noch weiterzuführen.

Die Allzweckwaffe gegen Psycho-Tricks in der Preisverhandlung

Daher die klare Empfehlung: Bereiten Sie sich einen aus Ihrer Sicht „sprechbaren“ Panik-Satz vor. Lernen Sie ihn auswendig. Üben Sie ihn in unbeobachteten Situationen. Hören Sie auf den Klang. Finden Sie die richtige Aussprache und den passenden Rhythmus. Nutzen Sie einsame Autofahrten und sprechen Sie sich selbst einen oder mehrere Panik-Sätze bis zur absoluten Vertrautheit immer wieder vor.

Die geschickte Preisverhandlung ist eine der Königsdisziplinen im Verkauf. Es ist fast immer ein Bereich, in dem Vertriebsorganisationen ohne Not große Teile der möglichen Erträge vernichten. Es lohnt sich, die bisherigen Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen.

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