Wir haben es geschafft: Die erste Ansprache hat dazu geführt, dass der Entscheider gesprächsbereit ist. Wir haben ein paar Minuten seiner Zeit, um herauszufinden, ob wir einen neuen Kunden gewonnen haben. Jetzt kommt es auf die richtigen Fragen bei der Akquise an.

Was kann ich heute für Sie tun?

Stellen Sie sich vor, dass Sie genau das zu Beginn sagen: „Was kann ich heute für Sie tun?“ Dann schweigen Sie. Danach kann es einen Moment dauern, denn Ihr Gesprächspartner ist es bestimmt von vielen anderen Gelegenheiten gewohnt, dass der Verkäufer mit Argumenten über ihn herfällt. Er geht davon aus, dass der Verkäufer über sich, seine tolle Firma und seine tollen Produkte palavert, und dabei gleich auch ein paar begeisterte Referenzkunden ausspuckt. Aber nun ist Ihr Gesprächspartner selbst gefragt. Es kann deshalb auch passieren, dass er verwirrt ist, vielleicht sogar gereizt und etwas sagt wie: „Moment mal! Sie wollten mir doch etwas verkaufen. Dann erzählen Sie mal!“

Lassen Sie sich davon nicht in die alte Spur zurückwerfen. Weniger erfahrene Verkäufer und Berater werden jetzt sofort in den Erzählmodus schalten, weil sie sich da sicherer fühlen. Schließlich sind sie in ihrem Fachgebiet ja Experten. Da macht ihnen so schnell keiner etwas vor. Also packen sie ihr Wissen auf den Tisch und erzählen von sich, ihren Produkten und anderen Heldengeschichten.

Fragen bei der Akquise

Wie wäre es aber, wenn Sie im Verständnis-Modus bleiben und die eingangs gestellte Frage ein wenig abgewandelt wiederholen? Hier ein paar Ideen, die Sie gerne aufgreifen können, um sie so oder in Abwandlungen für Ihre Gespräche zu verwenden:

Fragen bei der Akquise © Fotolia 2015/ Brian Jackson

Fragen über Fragen über Fragen © Fotolia 2015/ Brian Jackson

„Heute interessiert mich vor allem, was wir jetzt gemeinsam erreichen wollen – Was ist aus Ihrer Sicht das bestmögliche Ergebnis unseres Gesprächs?“

„Mal angenommen, wir könnten heute verschiedene sinnvolle Wege einer Zusammenarbeit besprechen. Was wäre aus Ihrer Sicht ein gutes Zeichen, um direkt im Anschluss daran die ersten Schritte zur Umsetzung zu starten?“

„Wenn wir jetzt gleich noch tiefer in Ihre Ausgangslage und die dafür besten Lösungswege einsteigen – worauf werden Sie Ihr Augenmerk besonders legen, wenn es um Umsetzbarkeit und Rentabilität geht?“

„Lassen Sie uns gleich in die verschiedenen Möglichkeiten unseres Leistungsangebotes einsteigen. Damit alles nach Ihren Anforderungen gestaltet werden kann, bitte ich Sie aber vorher zur Sicherheit nochmal die wesentlichen Punkte zu nennen, die Ihnen am Herzen liegen. Was sind die wichtigsten Punkte, die Sie jetzt im Moment anpacken wollen?“

Warum wir? Warum jetzt? Warum überhaupt?

Wenn Sie bereits einmal einen meiner Vorträge besucht haben, dann wissen Sie, dass ich mit diesen drei Fragen arbeite und meinen Vortragsteilnehmern eine kleine Erinnerungshilfe anbiete, die sie dann künftig an den Rückspiegel hängen dürfen, wenn sie ihr Fahrzeug beim Kunden parken. Es ist eine Mini-Checkliste, die symbolisch genau diese drei wesentlichen Fragen enthält.

Es ist sicher nicht so gemeint, dass Sie diese Fragen exakt in dieser Formulierung an den Kunden richten sollen. Das wäre Unsinn. Allerdings sollten Sie so lange im Gespräch bleiben, bis Sie jede dieser Fragen für sich selbst eindeutig beantworten können. Bei genauerer Betrachtung sind es mehrere Fragen, die sich hinter der ersten Frage verbergen.

Warum wir?
• Warum sollte der Kunde mit Ihnen Geschäfte machen?
• Was könnte aus Sicht des Kunden für Sie sprechen?
• Was ist der Reiz, sich für Sie zu entscheiden?
• Was spricht gegen Sie und Ihr Unternehmen?
• Welche Erfahrungen hat der Kunde früher mit Ihnen gemacht?

Warum jetzt?
• Warum sollte er jetzt eine Entscheidung treffen?
• Warum hat er sich nicht schon früher entschieden?
• Warum wartet er nicht noch ein Jahr?
• Welches feststehende Ereignis treibt die Entscheidung?
• Welche saisonale Besonderheit gibt es?

Warum überhaupt?
• Warum sollte er seine heutige Situation verändern?
• Was spricht dafür, den derzeitigen Lieferanten zu wechseln?
• Weshalb sollte er seine heutige Vorgehensweise über Bord werfen, um künftig mit Ihnen zu arbeiten?
• Was hat sich in der Wahrnehmung des Kunden verändert, dass er jetzt eine Lösung sucht?
• Was würde es kosten, nichts zu ändern?

Diese Fragen sind nur Beispiele. Wichtig ist, dass Sie diese und ähnliche Fragen bei der Akquise nutzen, um die eigene rosa Brille abzustreifen, und ganz nüchtern aus der Perspektive des Kunden herausarbeiten, welche Motivation besteht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.

Latenter Bedarf ist das Problem

Wer kein Problem hat, braucht keine Lösung. Und wie sollte eine gute Frage aufgebaut sein, die das Problem offenbart? Wie stellt man Fragen, die ein Gesprächspartner gerne beantworten wird? Sie können sich ganz leicht die passenden Fragen zusammenstellen, wenn Sie diesem einfachen FFE-Bauplan folgen:

1. Fokus setzen

2. Fakten ansprechen

3. Emotionen finden

Hier hören Sie ein paar Beispiele:

„Angenommen, wir sprechen über die Optimierung Ihrer Ausgangsfrachten – Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten drei Prioritäten – was liegt Ihnen am Herzen?“

„Wenn Sie jetzt an die Leistungsfähigkeit Ihrer Vertriebsmannschaft denken, insbesondere im internationalen Leistungsvergleich – was steht auf der Agenda – wo läuft es noch nicht richtig rund?“

„Stellen wir uns vor, es geht um die Frage, wie Sie den Krankenstand im Unternehmen im Sinne der Mitarbeiter und des Unternehmens senken können – welche Überschriften erscheinen vor Ihrem inneren Auge – wo drückt der Schuh?“

Das Prinzip ist sicher schon klar geworden. Lassen Sie uns die drei Bestandteile noch etwas genauer betrachten.

Der erste Teil soll den Blick des Gesprächspartners auf das Thema lenken. Dabei hilft es, wenn Sie seine Perspektive berücksichtigen. Also nicht „es geht um Ausgangsfrachten“ sondern „Ihre Ausgangsfrachten“. Um die Fantasie zu beflügeln lohnt es sich „bewusstseinserweiternde Formulierungen“ zu verwenden. Deshalb mag ich Formulierungen, wie „Angenommen…“, „Stellen wir uns vor…“, „Wenn Sie an … denken…“.

Der zweite Teil ist eine offene Frage, auf die Sie wirklich eine Antwort gebrauchen können. Rational geprägte Fragen richten sich nach den Prioritäten, Auflistungen und Argumenten.

Der dritte Teil sind emotionale Faktoren, also eher Befindlichkeiten, Gefühle und Sichtweisen.

Wenn Sie die beiden Faktoren Rationalität und Emotionalität geschickt in einer Frage bei der Akquise vereinen, dann können Sie hier besonders wirksame Fragen stellen.

Achten Sie darauf, dass Sie nicht nur eine Problemfrage stellen, sondern mehrere. Stürzen Sie sich nicht auf das erste Problem, das der Kunde nennt, denn es ist fast nie das wichtigste. Notieren Sie sich das Gesagte, wiederholen Sie es kurz und stellen Sie dann weitere Fragen. „Ich habe mir notiert, dass … ein problematischer Aspekt ist. Was gibt es darüber hinaus noch?“ Sammeln Sie auf diese Art einige Aspekte des Problems, bis Sie ein wirklich gutes Verständnis dafür entwickelt haben.

Konkreten Bedarf finden

Wenn Sie sich schon länger mit meinen Medien beschäftigen, dann wissen Sie, dass ich zwischen latentem und konkretem Bedarf unterscheide. Dabei ist latenter Bedarf im Konjunktiv formuliert: Jemand könnte etwas gebrauchen, etwa weil er oder sie ein Problem hat, das man auf bestimmte Weise lösen könnte. Das Problem ist also gefunden und es gibt auch eine oder mehrere Lösungsmöglichkeiten. Eine Lösung ist möglich, aber nicht zwingend nötig. Das nenne ich latenten Bedarf.
Im Unterschied dazu ist der konkrete Bedarf deutlich mehr. Wenn der Bedarf konkret wird, dann sind neben dem Problem und der Lösungsmöglichkeit zwei weitere Voraussetzungen gegeben, nämlich
1. der Schmerz, der eine Lösung dringlich macht, und
2. die Vision, die eine Lösung wünschenswert und vorstellbar macht.
Genau an diesen beiden Aspekten arbeiten wir mit unserer Fragetechnik. Die passenden Werkzeuge sind zwei ganz bestimmte Arten von Fragen.

Schmerzen verstärken mit Auswirkungsfragen

Es gibt einen einfachen Bauplan für Auswirkungsfragen, den die Leser meines Buches „Gute Geschäfte“ jederzeit herunterladen können. Für Sie bereite ich den Bauplan nochmals so auf, dass Sie ihn auch in der Kurzfassung gut verstehen können. Die Auswirkungsfrage besteht aus zwei Bestandteilen, nämlich a) dem Hinweis auf das vom Kunden bereits genannte Problem und b) einer Frage, die den Schmerz betont und hinterfragt. Hier drei Beispiele:

„In unserem Gespräch sagten Sie, dass **Problembeschreibung mit den Worten des Kunden** zur Zeit auf Ihrer Prioritätenliste ganz oben steht. Wenn ich Ihnen jetzt verrate, dass viele Unternehmen in der **Branchenbezeichnung des Kunden** diese Art von Problem verspüren – weshalb wollen Sie gerade jetzt etwas dagegen unternehmen?“

„Aus Ihrer Sicht ist **Problembeschreibung mit den Worten des Kunden** im Moment ein dringender Punkt. Es ist sicher keine Überraschung, wenn ich behaupte, dass viele Entscheider in der **Branchenbezeichnung des Kunden** mit diesem Problem leben. Was bringt Sie dazu, jetzt die Initiative zu ergreifen?“

„Sie sagten, dass **Problembeschreibung mit den Worten des Kunden** einer der Gründe ist, weshalb wir hier über eine Lösung nachdenken. Branchenkenner wissen, dass die **Branchenbezeichnung des Kunden** sich im Moment auf breiter Front mit ähnlichen Problemen auseinandersetzt. Was bringt Sie dazu, kurzfristig in eine Problemlösung zu investieren?“

Sie sehen, dass dieser einfache Bauplan sehr wirkungsstarke Fragen produziert, mit denen der Kunde angeregt wird, die tatsächlichen individuell empfundenen Auswirkungen des Problems zu hinterfragen. Wenn schon früh im Gespräch klar wird, dass offenbar nur ein sehr geringer Schmerz bzw. Handlungsdruck aus Sicht des Kunden besteht, dann wird schnell deutlich, dass sich die Investition aus Sicht des Kunden nicht lohnt.

Nutzenwunsch verstärken mit Fragen zum gewünschten Ergebnis

Wenn das Problem groß genug ist, dann will man es lösen. Und wenn dann auch noch die Klarheit besteht, dass es lösbar ist und dass es sich lohnt, dann besteht konkreter Bedarf. Um diese Vorstellung im Kopf des Kunden zu erzeugen, verwenden wir Nutzenfragen. Auch dafür gibt es einen Bauplan, den ich Ihnen gerne näherbringen will. Er besteht aus drei Teilen:

1. Annahme statt Abfrage
Formulieren Sie mehr oder weniger fantastische Annahmen, sodass die Fantasie angeregt wird. Je verrückter die Annahme, desto freier die Vorstellungskraft. Wenn Sie abfragen würden „Was wird sich verändert haben?“, dann bekämen Sie sicher eher vorsichtige Antworten oder gar ein „Ich kann doch nicht in die Zukunft sehen“. Aber wenn Sie bewusst den Konjunktiv verwenden und offen lassen, ob es tatsächlich so wird, dann steigt die Bereitschaft über das Mögliche nachzudenken.

2. Positiver Fokus
Die Fragen lenken alle den Blick auf ein „erfolgreiches Projekt“ oder „positive Veränderungen“. Schon die Formulierung der Frage lässt das erwünschte Ergebnis im Kopf des Gesprächspartners entstehen.

3. Konkrete Zukunft
Alle Formulierungen betreffen einen konkreten Zeitraum. Obwohl wir eine eher unrealistische Annahme wählen, um die Fantasie anzuregen, verwenden wir eine sehr präzise Aussage zum Zeitrahmen. Das dürfen Sie auch so übernehmen, damit die Antwort des Kunden nicht nur wilde Spekulation bleibt, sondern zu einer auf den Zeitpunkt bezogenen, realistischen Annahme werden kann.

Hier noch einige konkrete Formulierungsvorschläge, die nach diesem Strickmuster funktionieren:

„Lieber Kunde, stellen Sie sich vor, ich bin die Waldfee und Sie hätten drei Wünsche frei. Welche idealen Verbesserungen würden Sie sich im Zusammenhang mit **Ihr Nutzenversprechen** für das Jahr 2016 wünschen?“

„Angenommen, wir treffen uns heute in einem Jahr wieder und blicken zurück auf ein erfolgreich realisiertes Projekt. Was genau würde sich im Zusammenhang mit **Ihr Nutzenversprechen** für Sie messbar verbessert haben?“

„Wenn es so etwas wie eine Zeitmaschine gäbe und wir jetzt Gelegenheit hätten, auf diese Weise einen Blick in die Zukunft zu werfen, welche positiven Veränderungen könnten wir dann im Zusammenhang mit **Ihr Nutzenversprechen** heute in zwölf Monaten im besten Fall schon sehen?“

Weil die Gesprächstechnik so wichtig ist, gehen wir in der kommenden Ausgabe nochmals aus einer anderen Perspektive darauf ein, was wir sagen sollten und wie wir mit Sprache besonders wirkungsvoll sein können.