In diesem Beitrag machen wir einen Ausflug in eine besondere Form des Vertriebs, den sogenannten indirekten Vertrieb. So nennt man es, wenn man nicht den endgültigen Abnehmer, sondern einen Vermittler oder Händler als Gesprächspartner hat. Das ändert einiges, weil sich nun mehrere Gesprächsebenen ergeben.

Übrigens ist dieser Beitrag entstanden, weil ein Hörer meines Podcasts eine Frage hierzu gestellt hatte. Wenn Sie auch eine Ihrer konkreten Fragen beantwortet haben möchten, tragen Sie sich bitte bei stephanheinrich.com/podcast ein. Dann können Sie mir Ihre ganz individuelle Frage stellen, und ich werde mich bemühen, sie so bald wie möglich in einem Blogbeitrag zu behandeln – selbstverständlich völlig anonym, wenn Sie das möchten. Aber zurück zu unserem Thema von heute, dem zweistufigen Verkaufen.

Der Handelspartner ist meistens ein Einzelhändler, Systemintegrator oder Großhändler, der Waren oder Dienstleistungen einkauft, um sie dann wieder zu verkaufen oder als Vermittler tätig zu werden. Diese Art der Vertriebsorganisation ist vor allem dann von Vorteil, wenn der Hersteller nicht genügend Marktbedeutung hat, um einen eigenen Vertrieb und eigene Verkaufsstellen zu unterhalten. Ein einzelner Hersteller von Lebensmitteln wird, selbst wenn er Marktführer ist, kaum flächendeckend Verkaufsstellen bezahlen können. Es ergibt sich also eine Symbiose zwischen einerseits dem Händler oder Dienstleister vor Ort, der seine Kunden kennt und ihre Sprache spricht, und andererseits dem Hersteller, der Produkte oder Dienstleistungen zentral kostengünstig produziert.

Für den Verkäufer, der nicht direkt an den Verbraucher verkauft, bedeutet das, dass er andere und zusätzliche Fähigkeiten benötigt als ein herkömmlicher Verkäufer, der an Konsumenten oder professionelle Verbraucher verkauft. Die Zweistufigkeit des Vertriebsweges drückt sich in den Interessen der beteiligten Vertragspartner aus und erhöht die Komplexität des Verkaufsprozesses. Schließlich ist langfristiger Erfolg nur dann möglich, wenn dem Hersteller nicht nur der Verkauf an den Partner gelingt, sondern auch dessen Verkauf an den Konsumenten ertragreich ist. Betrachten wir diese beiden Aspekte einmal getrennt voneinander:

Nutzen mal ganz anders gedacht

Wir sprechen immer noch von einem Verkaufsgespräch, allerdings mit anderen Vorzeichen, denn der Partner wird das Produkt oder die Leistung nicht konsumieren, sondern weiter vertreiben. Er kauft also nicht den Nutzen des Produktes, sondern den Nutzen, den er durch die Vermarktung haben wird. Der Partner ist nicht oder nur weniger am Return on Investment des Produktes oder der Dienstleistung interessiert, sondern vielmehr an der Frage, wie er es profitabel vermarkten kann. Sein diesbezüglicher Erfolg hängt von verschiedenen Parametern ab:

Die größte Rolle spielt die sogenannte Handelsmarge, also die Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis, die sich tatsächlich am Markt erzielen lässt. Je weniger Händler es gibt, desto höhere Preise sind möglich und desto mehr Ertrag lässt sich für den Partner erreichen. Das ist allerdings nicht unbedingt im Interesse des Herstellers, der bei stärkerem Wettbewerb im Handel in Summe mehr absetzen kann und seinen Marktanteil erhöht.

Der wichtigste Nutzen für den Partner liegt darin, bei möglichst geringen Anfangsinvestitionen möglichst einfach und ohne Wettbewerbsdruck einen großen Markt zu erreichen. Die Zusammenarbeit sollte partnerschaftlich sein, und die täglichen Prozesse und Sonderfälle sollten bei der Zusammenarbeit ohne unnötige Aufwände auskommen. Diese Nutzenaspekte in den Vordergrund zu stellen und zu verkaufen, ist Teil der Aufgaben im Partnervertrieb.

In der Praxis zeigt sich, dass es nur wenigen Herstellern gelingt, langfristig ein gutes Gleichgewicht zwischen den zum Teil gegensätzlichen Interessen zu etablieren. Das liegt daran, dass es eine natürliche Reaktion des Handels ist, mit niedrigen (Sonder-) Preisen zu arbeiten, um den Erfolg zu beschleunigen. Das allerdings hat in der Praxis oft dazu geführt, dass alle Handelspartner so lange die Preise senken, bis der Ertrag mit dem umkämpften Produkt so weit sinkt, dass kaum noch ein Handelspartner Interesse an der Vermarktung hat, was wiederum den Hersteller in Bedrängnis bringt.

Mitarbeiter, die keine sind

Die zweite Kompetente, die ein Mitarbeiter im Partnervertrieb mitbringen sollte, ist Führungskompetenz. Er hat nämlich die schwere Aufgabe, Menschen zu führen, denen gegenüber er nicht weisungsbefugt ist. Schließlich muss sich der Angestellte des Handelspartners nicht an seine Anweisungen halten. Zumindest nicht in derselben Art und Weise, wie er seiner Führungskraft Rede und Antwort stehen muss.

Die Führungsarbeit des Vertriebsmitarbeiters im Partnervertrieb hat vor allem zwei wesentliche Aufgaben:

1. Zielvereinbarungen erreichen

Damit die Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Partnerbetrieb zur beiderseitigen Zufriedenheit verläuft, werden gute Ziele benötigt. Wie können Sie also gute Ziele vereinbaren?

Wirkungsvoller werden Ziele, wenn sie nicht diktiert, sondern gemeinsam beschlossen werden. So können Aspekte berücksichtigt werden, die einem von beiden Partnern sonst vielleicht entgangen wären, und beide Seiten identifizieren sich stärker mit dem Ziel. Die eigene Idee ist schließlich immer die beste.

Ein Ziel ist ein in der Zukunft liegender angestrebter Zustand mit eindeutiger Beschreibung. So einfach kann man das definieren. Es geht also darum, das Ziel als künftigen Zustand zu beschreiben. Und zwar als einen Zustand, den man sich vorstellen kann und der eindeutig ist. Die besten Ziele lesen sich so, als ob sie schon erreicht wären. Beispiel gefällig?

„Es soll erreicht sein, dass bis zum Jahresende Produkte der Warengruppe X im Wert von 650.000 Euro fakturiert sind und dass damit mehr als 200 verschiedene Kundenadressen bedient wurden. Dafür dürfen maximal 40.000 Euro Werbemittel eingesetzt werden. Das Ganze soll so ablaufen, dass beide Partner großes Interesse daran haben, die Geschäftsbeziehung im Folgejahr zu intensivieren.“

Die altbekannte SMART-Formel ist hiermit erfüllt: Gute Ziele sind Spezifiziert, Messbar, Anspornend, Realistisch und Terminiert. All das trifft auf unser Beispiel zu. Und es steckt noch ein wenig mehr dahinter. Sie können bessere Zielvereinbarungen machen, wenn Sie genau prüfen, ob folgende fünf Parameter eingehalten sind:

  • Quantität: Wie viel soll erreicht werden? 650.000 Euro Umsatz.
  • Qualität: Mit 200 verschiedenen Kundenadressen (statt alles an einen Abnehmer zu verramschen).
  • Zeit: Bis zum Jahresende.
  • Kosten: Das Werbebudget von 40.000 Euro muss eingehalten werden.
  • Zusammenarbeit: Die Qualität der Zusammenarbeit soll so sein, dass eine Fortsetzung beiderseits erwünscht ist.
Gute Beziehungen auch im indirekten Vertrieb! © Fotolia 2015/ Sergey Nivens

Gute Beziehungen auch im indirekten Vertrieb! © Fotolia 2015/ Sergey Nivens

Wenn Sie sich die Zeit nehmen, die Zielvereinbarungen mit ihren Partnern so ausführlich zu gestalten, dann wird sich die Anziehungskraft des Ziels vervielfachen. Menschen wollen gute Arbeit leisten, und dazu sind in der Regel keine Anreizsysteme nötig. Ein gutes Ziel reicht. Die steigende Zahl der Freizeitsportler, die sich wochenlang mit anstrengenden Trainingsläufen beschäftigen, nur um dann einen noch anstrengenderen Marathon zu laufen, ist ein Beispiel dafür. Niemand wird dafür bezahlt, dass er die Ziellinie überquert – es kostet sogar, wenn man mitlaufen will. Und es gibt auch keinen „Incentive“ oder eine Extra-Belohnung, wenn man statt als zehntausendster als 20. ins Ziel läuft. Die Menschen suchen sich dieses Ziel selbstständig aus, und fast alle erreichen es auch.

In einem anderen Beitrag habe ich bereits über die negativen Auswirungen von variablen Gehaltssystemen auf Zielvereinbarungsgespräche gesprochen. Das gilt in ähnlichem Umfang auch für die Situation im Partnervertrieb, denn wenn der Partner davon profitiert, die gesetzten Ziele zu übertreffen, dann wird das Gespräch zum Kampf. Er wird in diesem Fall alles daran setzen, Ihnen zu „verkaufen“ dass nicht mehr möglich sei als ein relativ geringes Ziel, während Sie darauf aus sind, das Ziel (zu) hoch zu setzen, damit die finanzielle Belohnung später niedriger ausfällt. Dass so etwas nicht gut gehen kann, sieht man von außen sofort, doch den beteiligten Parteien scheint dieser Blickwinkel zu fehlen. Anders ist es kaum zu erklären, dass so viele Vertriebsorganisationen genau diese Art von Incentives immer wieder ausloben und dadurch die Leistungsfähigkeit der Partnerorganisationen verringern.

2. Konsequent handeln

Wichtig für die Umsetzung der Ziele ist eine regelmäßige Kontrolle. Denn: „Keine Zielvereinbarung ohne Kontrolle“ und „Keine Kontrolle ohne Zielvereinbarung“. Das heißt, Ihr Ziel gibt den Rahmen für die Überprüfung der Umsetzung vor. Ohne eine konkrete Vereinbarung können Sie nicht überprüfen, ob die Zusammenarbeit mit dem Partnerunternehmen funktioniert. Allerdings ist die danach folgende Handlung ebenso wichtig: „Keine Zielerreichung ohne Anerkennung“ und „Keine Zielabweichung ohne Intervention“.

Diese Anforderungen an den Verkäufer im Partnervertrieb sind weniger eine vertriebliche Aufgabe als eine Führungsaufgabe! Wenn Sie im Verkauf an andere Vertriebsorganisationen erfolgreich sein wollen, ist Konsequenz sehr wichtig.

Ich ziehe hier gerne den Vergleich zur Kindererziehung. Kinder testen immer wieder ihre Grenzen aus, das gehört zur normalen Entwicklung dazu. Aufgabe der Eltern ist es, zu zeigen, dass einmal gesetzte Regeln nicht so einfach ihre Gültigkeit verlieren und dass Vereinbarungen und Versprechen auch eingehalten werden. Das bedeutet nicht, dass Konsequenz mit Strafe oder Belohnung gleichzusetzen ist. Für das Kind ist es in der akuten Situation erst einmal eine Enttäuschung, wenn es seinen Willen nicht bekommt, doch langfristig entsteht das Vertrauen, dass die Eltern konsequent bei ihren Vorgaben bleiben. Konsequenz bedeutet also Verlässlichkeit.

Das gilt auch in Geschäftspartnerschaften. Obwohl es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass Absprachen eingehalten werden, wird Ihnen jeder Kunde dankbar sein, wenn er sich stets auf Sie verlassen kann. Und diese Verlässlichkeit bezieht sich auch darauf, dass Sie sich als Hersteller auf die Aussagen und Ankündigungen des Handelspartners verlassen können. Daher ist es nötig, die Einhaltung von Vereinbarungen klar einzufordern. Viele Vertriebsorganisationen im Partnervertrieb kranken allerdings genau an diesem Grundsatz: Sie treffen zwar Vereinbarungen, aber bei Abweichungen ziehen sie sich auf das „der Kunde ist König“-Prinzip zurück und kneifen.

Sie können dieses Phänomen im übertragenen Sinne jeden Samstag in Supermarkt beobachten, wenn Teilzeit-Eltern ihre Sprösslinge an der Pyramide mit den Überraschungseiern vorbei bugsieren wollen. Wenn der kleine Prinz unbedingt ein Ei will, obwohl das nicht vereinbart war, entsteht eine Diskussion. Nicht selten wird der Nachwuchs dann im weiteren Verlauf schreiend und tobend auf dem Boden liegen und eine lautstarke Aufführung für die anderen Supermarktkunden geben. Nach kurzer Zeit knicken die Eltern in der Regel ein, und das Ei ist seines. Vermutlich denkt sich das Kind noch: „Muss ich immer erst schreien?“ An dieser Stelle steht die Frage im Raum: Wer erzieht hier wen? Konsequenz und Klarheit sind nicht immer einfach. Aber wenn Eltern versuchen, die besten Freunde ihrer Kinder zu sein, wer soll dann verantwortlich dafür sein, dass die Kinder Konsequenz und Verlässlichkeit lernen?

Im Geschäftsleben ist das vergleichbar: Die falsch verstandene Idee, dass Partner Kunden sind, die man immer zufriedenstellen muss, ist ein häufiger Fehler. Konsequenzen bedeuten ja nicht, dass es eine „Strafe“ geben muss, wenn Ziele nicht erreicht werden. Viel sinnvoller ist es, die Abweichungen von Zielvereinbarungen zu untersuchen und dann entsprechende Folgen auszuwählen. Hier ist es wichtig festzustellen, woran ein Ziel gescheitert ist:

  • Gab es Fehler beim Festlegen der Ziele?
  • Wurden Ressourcen unrealistisch geplant?
  • Gab es Fehler bei den Vollzugshandlungen?
  • Oder spielten vielleicht unvorhersehbare Ereignisse eine Rolle?

Je nachdem, was die Ursache für die Nichterreichung des Ziels war, müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Es ist ziemlich sinnlos, schon vorher eine Sanktion für die Abweichung zu definieren, wenn noch gar nicht klar sein kann, welche Ursache die Zielabweichung haben wird. Es hilft, wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass beide Parteien die Ziele erreichen wollen, und die Gespräche im Sinne dieser Annahme gestaltet. Wichtig ist, alles zu dokumentieren, um gleiche Fehler oder Abweichungen zumindest in Zukunft zu vermeiden.

Mehrstufiges Verkaufen

Wenn Sie selbst Teil eines mehrstufigen Verkaufsprozess sind, kennen Sie vermutlich viele Beispiele und Anekdoten, die aufzeigen, was alles schief gehen kann. Wie sagte der ehemalige Chef des Computerherstellers Compaq, Kurt Dobitsch, doch so treffend: „Die Hersteller sollen herstellen, und der Handel soll handeln.“ Vielleicht es es hilfreich, sich auf diese klare Aufgabenteilung zu konzentrieren und die gemeinsame Vertriebsarbeit darauf auszurichten. Welche Ideen und Anregungen haben Sie? Oder vielleicht möchten Sie eine kleine Geschichte aus Ihrem Geschäftsalltag zum Besten geben? Bitte hinterlassen Sie mir gerne einen Kommentar gleich hier unten.