Heute kommen wir zum Kern des Verkaufsprozesses: dem Verhandlungsgespräch. Obwohl, gibt es wirklich „das“ Gespräch? Eigentlich beginnen die Verhandlungen doch schon beim allerersten Kontakt zwischen Kunde und Verkäufer. Hier werden die Forderungen des Kunden deutlich, und schon hier machen viele Verkäufer erste Zugeständnisse – oft aus Angst, sonst aus dem Rennen zu sein. Im abschließenden Preisgespräch kommen dann die Profis aus dem Einkauf zum Zug und handeln die besten Konditionen aus. Im heutigen Beitrag erkläre ich, wie Sie cool bleiben und das Verhandlungsgespräch erfolgreich meistern.

Grundlagen: Das Vier-Ohren-Modell der Kommunikation

Ohne an dieser Stelle allzu tief in theoretische Konzepte der Psychologie eintauchen zu wollen, möchte ich Ihnen einen kurzen Einblick in ein interessantes Kommunikationsmodell geben. Der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun (*1944) entwickelte das Kommunikationsquadrat, das auch als “Vier-Ohren-Modell” oder “Nachrichtenquadrat” bekannt ist. Dieses Modell geht davon aus, dass jede menschliche Aussage vier Botschaften gleichzeitig enthält: eine Sachinformation, eine Selbstkundgabe, einen Beziehungshinweis und einen Appell.

Diese Botschaften stehen jeweils für eine Kommunikationsebene: Die Sachebene informiert rein faktisch über einen Sachverhalt. Über die Selbstkundgabe werden persönliche Meinungen, Gefühle oder Bedürfnisse mitgeteilt. Der Beziehungshinweis vermittelt, wie man emotional zur anderen Person steht. Und der Appell schließlich beinhaltet eine Handlungsaufforderung.

Entsprechend der vier verschiedenen Botschaften gibt es bei den Kommunizierenden vier „Schnäbel“ und vier „Ohren“. Alle Ebenen können zudem bewusst oder unbewusst vom Sender eingesetzt werden, allerdings kann der Sender immer nur schätzen, mit welchem „Ohr“ der Empfänger die Botschaft aufnehmen wird.

Was bedeutet dieses Modell für eine Verkaufssituation?

Ein einziger Satz kann, je nachdem, mit welchem „Ohr“ man ihn wahrnimmt, ganz andere Botschaften vermitteln. Ein häufiger Fehler von Verkäufern ist, bei jeder Aussage des Einkäufers nur das Appell-Ohr offen zu haben. So wird aus der Botschaft „Das bekomme ich woanders billiger“ schnell der Appell „Senken Sie Ihre Preise!“. In einem besseren Szenario verschließt der Verkäufer stattdessen sein Appell-Ohr und stellt auch sein Beziehungs- und Selbstkundgabe-Ohr auf stumm. Die Botschaft wird nun nur noch über das Sachinfo-Ohr wahrgenommen. Jetzt wird aus „Das bekomme ich woanders billiger“ plötzlich eine neutrale Information, auf die der Verkäufer beispielsweise mit „Ok, und was bedeutet das nun in Bezug auf Ihre Entscheidung für mich?“ antworten kann. Das führt das Gespräch in eine ganz andere Richtung.

Der typische Aufbau eines Verhandlungsgesprächs

Falls Ihre Kunden größere Unternehmen sind, werden Sie im Laufe des Verkaufsprozesses vermutlich mit verschiedenen Gesprächspartnern konfrontiert werden. Wenn Sie meinen Blog schon länger verfolgen, wissen Sie bereits, dass es dabei ganz wichtig ist, schnell zum Entscheider vorzudringen. Oft wird es aber so sein, dass Sie zunächst mit der Fachabteilung, die Ihr Produkt nutzen möchte, in Kontakt kommen. Hier haben Sie es dann meist mit Empfehlern und Beeinflussern zu tun, und Sie werden über die fachlichen Aspekte des Auftrags sprechen. Dennoch sollten Sie auf der Hut sein: Geben Sie nicht schon in diesem frühen Stadium des Verkaufsprozesses zu viele Nachlässe, nur um in die engere Auswahl zu kommen. Diesen Spielraum haben Sie dann nämlich verschenkt, obwohl er später viel wichtiger gewesen wäre.

Nachdem die Qualität Ihres Angebots von der Fachabteilung geprüft wurde, werden Sie wahrscheinlich zu den harten Verhandlungen mit dem Einkauf eingeladen werden. Dabei müssen Sie sich auf schwierige Gespräche und einige Tricks gefasst machen. Die Profis vom Einkauf sind das Verhandeln gewohnt und geübt darin, Sie zu Rabatten und Zugeständnissen zu überreden. Seien Sie darauf vorbereitet und geben Sie nicht nach!

Zum Thema Preisverhandlungen habe ich vor einiger Zeit ein spannendes Gespräch mit Claudia Kimich geführt. Die Verhandlungs-Trainerin und passionierte Turniertänzerin vergleicht Preisverhandlungen gerne mit dem Tanzen: In beiden Fällen spielen die Angst vor Zurückweisung, die Frage nach der Führung, Empathie, ein gemeinsamer Rhythmus und Durchhaltevermögen eine wichtige Rolle. Ich finde diesen Vergleich ebenfalls sehr passend, und ich denke, dass man vom Tanzen viel für erfolgreiches Verhandeln lernen kann.

Verhandeln bis zum Imperativ

Wie wichtig die Formulierung Ihrer Aussagen ist, können Sie schon am Konjunktiv sehen. Der Konjunktiv wird vom Duden als „Möglichkeitsform“ bezeichnet. Wenn Sie also Formulierungen mit Konjunktiv verwenden wie „Das wäre jetzt der endgültige Preis…“, „Das wäre jetzt mein letztes Angebot…“ oder „Das könnte man mal prüfen…“, ist klar, dass es noch Spielraum für weitere Verhandlungen gibt.

Erst durch den Imperativ, die Befehlsform, machen Sie Ihrem Gegenüber klar, dass die Zeit des Handelns nun abgeschlossen ist und eine Entscheidung gefällt werden muss.

Nutzen Sie diese Möglichkeiten, die unsere Sprache uns bietet, um in Verhandlungen elegant Ihren Standpunkt klarzumachen.

Übung für den Ernstfall: der Verkaufssimulator

Es ist klar, dass man nicht von heute auf morgen alle Tipps umsetzen und auf jeden Trick vorbereitet sein kann. Daher empfehle ich Ihnen, regelmäßige interne Trainings und Übungen anzusetzen. Sie könnten dazu bei jedem Ihrer Vertriebsmeetings einige Kollegen eine fiktive Preisverhandlung führen lassen. Das wird in den ersten Wochen sicherlich ungewohnt sein und vielleicht auf Widerstand stoßen. Aber halten Sie durch und schon bald werden Sie die ersten Erfolge sehen. Selbstverständlich könnten Sie diese Übung für alle möglichen Gesprächssituationen anwenden.

So sieht der Verkaufssimulator aus:

1. Legen Sie zunächst die Gesprächssituation fest. Grundsätzlich gibt es die größten Unsicherheiten bei folgenden Situationen:

a) Akquisition am Telefon oder auf Messen

b) Gespräche mit dem Entscheider

c) Preisverhandlungen mit Profi-Einkäufern

2. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter, dass Sie im nächsten Vertriebsmeeting eine oder mehrere Übungen im „Verkaufs-Simulator“ machen wollen und dass jeder einzelne Mitarbeiter mindestens eine bevorstehende Situationsbeschreibung mitbringen soll, die auf die ausgewählte Gesprächssituation passt.

3. Bereiten Sie den Raum so vor, dass ein Tisch mit zwei Sitzplätzen für alle anderen gut sichtbar ist. Die Simulation wird für die beiden Probanten aufgezeichnet, bereiten Sie daher eine Kamera vor oder nutzen Sie dazu das Smartphone des Probanten. Der Film wird später NICHT in der Runde vorgeführt, sondern dient nur dem Probanten als zusätzliches unbestechliches Feedback.

4. Ermitteln Sie den ersten Probanten per Los. Später kann das pro Meeting reihum gehen.

5. Jeder Kollege, der nicht direkt am Verkaufs-Simulator beteiligt ist, bekommt einen Feedbackbogen. Diesen Bogen nutzt jeder Zuhörer, um seinem Kollegen mündliches und zusätzlich später schriftliches Feedback geben zu können.

6. Der Probant schildert die Ausgangssituation und instruiert seinen Gesprächspartner. Das kann ein Kollege oder Sie als Führungskraft sein. Hilfsweise wird die Ausgangssituation so angepasst, dass es ein neuer Ansprechpartner ist und die beiden Teilnehmer sich NICHT kennen. Das ist notwendig, weil sonst zu viel Erwartungshaltung in die Übung mitgebracht wird. Dann kann das Gespräch beginnen.

7. Nach dem Gespräch gibt zunächst der Probant selbst Feedback, wie er es empfunden hat und was er künftig ebenso tun würde oder was er besser machen will. Erst dann geben die Zuhörer ihr Feedback. Dabei achten Sie darauf, dass es verwertbare Rückmeldungen sind. Also weniger Urteile wie „ich finde …“, sondern mehr Verbesserungsvorschläge wie „besser wäre…“ oder Anerkennungen wie „… das merke ich mir für meine künftigen Gespräche“. Zum Schluss machen Sie als Führungskraft evtl. noch zusätzliche Anmerkungen. Bitte keine Zusammenfassung! Dann geben alle Teilnehmer dem Probanten ihre Aufzeichnungen (Feedback-Bogen).

8. Der Probant bekommt das Video, und der Nächste ist dran. Am Ende der Runden vereinbaren Sie, welche Gesprächssituation Sie beim nächsten Mal behandeln wollen.

Fazit

In den vergangenen drei Wochen habe ich die wichtigsten Aspekte für erfolgreiche Preisverhandlungen besprochen. Glauben Sie nicht mehr an Vertriebsmythen, und seien Sie schlagfertig, wenn man Ihnen mit blöden Sprüchen kommt. Bereiten Sie sich gründlich auf die Verhandlung vor, und stellen Sie sich sechs Fragen, um sich selbst zu prüfen. Und schließlich: Üben Sie die unangenehme Verhandlungssituation so oft wie möglich mit Ihren Kollegen!

Wurde eine Ihrer Fragen noch nicht beantwortet? Oder wollen Sie wissen, wie Sie in einer bestimmten Situation besser reagiert hätten? Schreiben Sie mir einen Kommentar, und ich beantworte gerne Ihre Frage!