Wenn ich gebeten werde, in einem Satz auszudrücken, was einen guten Verkäufer ausmacht, dann sage ich oft: „Ein guter Verkäufer sorgt dafür, dass der Kunde die beste Entscheidung trifft.“ Im Zentrum steht die Entscheidung. Ohne die Kundenentscheidung sind alle Bemühungen für die Katz. Bitte verstehen Sie mich richtig: Ich meine damit überhaupt nicht, dass es sinnvoll sei, dem Kunden eine Entscheidung aufzuzwingen. Bei großen Investitionsentscheidungen wird man selten beim ersten Kundenkontakt eine Kaufentscheidung bewirken können. Und dennoch muss die spätere Entscheidung im Fokus des Verkäufers bleiben.

Alles steuert auf diesen Moment hin. Alles hängt an der Entscheidung, die der Kunde früher oder später treffen wird. Viele Artikel haben sich mit diesem Thema schon ausgiebig beschäftigt. Daher möchte ich in diesem Beitrag den Vorgang der Entscheidung aus der Perspektive der Gehirnforschung behandeln. Was geschieht in unserem Kopf, wenn es um Entscheidungen geht?

Nicht immer sind sich die Forscher einig, wenn es darum geht, Ergebnisse von Studien auszuwerten. Die Gehirnforschung ist eine relativ junge Disziplin, und vielleicht sind gerade deshalb die aktuellsten Meldungen zu diesem Thema noch sehr widersprüchlich. In diesem Beitrag will ich die bestätigten Erkenntnisse der Forschung für Sie zusammenfassen und aus vertrieblicher Sicht interpretieren.

Sind rationale Entscheidungen eine Illusion?

Der Psychologe Daniel Kahneman beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit den Themen Wahrnehmung und Entscheidungen und ist dafür 2002 mit dem Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Er hat 2012 ein Buch veröffentlicht, in dem er die Erkenntnisse seiner jahrelangen Forschung sehr kurzweilig auf den Punkt bringt. Auf deutsch ist das Werk unter dem Titel „Schnelles Denken, langsames Denken“ erschienen. Er beweist darin, dass unsere weit verbreitete Auffassung vom Menschen als rationalem Wesen zumindest in Bezug auf unsere Entscheidungen und Einschätzungen schlicht falsch ist.

Wenn Sie bereits den Gastbeitrag von meiner Tochter in dieser Reihe gelesen haben, dann ist das für Sie nichts Neues mehr. Wir überschätzen unseren sogenannten gesunden Menschenverstand in vielen Fällen. Diese Erkenntnis ist wichtig für Verkäufer: Wir wollen Kundenentscheidungen bewirken. Dafür sind wir da. Entscheidungen sind der Lohn unserer Arbeit. Wir suchen Zustimmung. Wir wollen das „Ja“.

Aber wenn wir (und unsere Kunden) Entscheidungen eben nicht rational fällen – wie dann? Wie können wir dem Entscheider helfen, die richtige Entscheidung zu fällen, nämlich im Zweifel für uns? Und wie machen wir das so, dass wir uns auch noch Jahre später morgens im Spiegel sehen können und uns selbst mögen? Manipulation ist möglich, aber nicht nötig.

Bessere Entscheidung durch Intuition?

Entscheidung © fotolia / pixelkorn

In einer wissenschaftlichen Untersuchung ermittelt der niederländische Sozial-Psychologen Ap Dijksterhuis, dass es eine natürliche Grenze für die Anzahl der Parameter gibt, die wir rein rational bei einer Entscheidung heranziehen können. In dem besagten Experiment wurde einer Gruppe von Studenten eine Auswahl von vier Gebrauchtwagen vorgelegt. Jeder Wagen war mit vier Eigenschaften angegeben (Laufleistung, Preis, Farbe und …). Die Aufgabe war, das objektiv beste der vier Gebrauchtwagenangebote zu ermitteln. Diese Aufgabe stellte der Forscher getrennt voneinander verschiedenen Gruppen von Studenten, die unmittelbar vorher unterschiedlich eingestimmt wurden: entweder rational-methodisch oder intuitiv. Die eine Gruppe bekam viel Zeit, um rational zu entscheiden, die andere Gruppe sollte möglichst spontan entscheiden.

Das Ergebnis war wenig überraschend: Die Gruppe mit mehr Zeit und rationalen Kriterien fand mit höherer Sicherheit das objektiv beste Angebot heraus. Umso überraschender war das Ergebnis einer Wiederholung des gleichen Versuchsaufbaus mit vier Gebrauchtwagen, die jedoch mit jeweils zwölf Eigenschaften angegeben waren. Wieder gab es mehrere Gruppen von Studenten, die entweder rational oder intuitiv an die Sache gehen sollten.

Diesmal war das Ergebnis genau umgekehrt: Die rational entscheidenden Studenten schafften das „richtige“ Ergebnis nur mit 25% Erfolgsquote. Diese Trefferquote entspricht hier dem puren Zufall, während die emotionale Gruppe mit über 60% den besten Wagen herausfand. Das heißt für uns Verkäufer, dass wir Abschied nehmen müssen von der Idee, dass man mit einer Ausschreibung oder einem rationalen Auswahlverfahren bei vielen Entscheidungskriterien eine gute Entscheidung treffen kann. In Wirklichkeit treffen wir bei vielen Kriterien bessere Entscheidungen, wenn wir unserer Intuition die Auswahl überlassen.

Ich finde, wir sollten daran arbeiten, diese Erkenntnis in die Büros der Entscheider zu tragen. Bitte nicht mit erhobenem Zeigefinger! Aber warum nicht dem Entscheider im Dialog seine wirklich relevanten Kriterien entlocken, statt sich dem Vabanque-Spiel der Auswahlprozesse hinzugeben? Warum nicht den Entscheider ermutigen, eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, statt diese Entscheidung (aus falsch verstandenem Sicherheitsdenken) einem Algorithmus zu übertragen?

Verlustangst bringt irrationale Entscheidungen

Andere Experimente machen deutlich, dass wir vor allem unter Verlustangst irrationale Entscheidungen treffen. Viele betriebswirtschaftlich eher fragwürdige Versicherungen werden tagtäglich an Menschen verkauft, die offenbar nicht rechnen können. Es ist allerdings zu kurz gegriffen, dies mit der vermeintlichen Rechenschwäche Einzelner abzutun.

Beispiel: In einem größeren Experiment wurden erfahrene Ärzte vor diese Wahl gestellt: „Unser Land bereitet sich auf eine Seuche vor. Es werden 600 Todesopfer erwartet. Es gibt zwei alternative Programme zur Seuchenabwehr. Sie müssen zwischen den beiden Programmen entscheiden, die nach allen Erkenntnissen der Medizin diese Auswirkungen haben werden:

A: Es werden 200 Menschen gerettet.
B: 1/3 Chance, dass 600 gerettet werden. Aber 2/3 Chance, dass keiner gerettet wird.

Bei dieser Art der Fragestellung entscheiden sich 72% der Ärzte für A, der Rest für die rechnerisch gleichwertige Glücksspielvariante.

Interessant ist, dass bei umgekehrter Fragestellung trotz gleicher Fakten ganz anders entschieden wird:

A: Es werden 400 Menschen sterben.
B: 1/3 Chance, dass alle 600 gerettet werden. Aber 2/3 Chance, dass keiner gerettet wird.

Jetzt entscheiden sich nur noch 22% für A. Obwohl alle Entscheidungskriterien faktisch gleich sind. Es ist nur so, dass im zweiten Fall bewusst durch den Versuchsaufbau die Verlustangst angesprochen wird. Und bitte bedenken Sie, dass hier nicht irgendwelche ungebildeten Menschen befragt wurden, sondern erfahrene Mediziner.

Dieser Effekt ist in zweifacher Hinsicht für uns Verkäufer relevant. Einerseits können wir diese Erkenntnis nutzen, um unsere Aussagen so zu gestalten, dass die Entscheidung attraktiver wird. Etwa statt „Sie können X Euro Umsatzzuwachs erwarten . . . “ eher „Was sollte Sie dazu bringen, auf X Euro Umsatzzuwachs zu verzichten?“

Zum anderen – und das ist noch schwerwiegender – müssen wir unsere eigenen Entscheidungen unter diesem Gesichtspunkt immer wieder kritisch bewerten. Welche Verkaufschancen wollen wir einfach nicht aufgeben, nur weil wir bislang schon so viel Zeit investiert haben, obwohl bei nüchterner Betrachtung klar ist, dass es sinnlos ist?

Fazit

Sie haben nun zahlreiche innovative Tipps erhalten, um den Entscheidungsprozess Ihres Entscheiders bis zur Auftragserteilung voranzutreiben. Sie laufen allesamt darauf hinaus, Ihren Gesprächspartner dort abzuholen, wo er steht, indem Sie ihm diejenigen Entscheidungshilfen anbieten, die er „hier und heute“ benötigt, um sich von Ihrer Lösung überzeugen zu lassen.

Allerdings werden Sie erst dann davon profitieren, wenn Sie diese Hilfen tatsächlich beim Kunden ein- und umsetzen.